Dream as if you’ll live forever

PROLOG

Endlich war es soweit. Heute Nacht sollte ihm niemand etwas anhaben können.

Nicht angewiesen auf Pseudofreunde, die versuchten, mit falschen Grundlagen sein Vertrauen zu erschleichen.

Dabei hatte er sich so sehr jemanden gewünscht, bei dem er endlich er selbst sein konnte. Mit dem er seine Gedanken teilen konnte. Bei dem er sich sicher fühlen konnte.

Aber so war die Welt nun mal nicht. Die Welt … die Menschen … hatten nichts für ihn übrig.

Kalt und unnahbar. Und so wurde auch er nach und nach kalt und unnahbar.

Er fühlte sich im Stich gelassen, von der Welt verraten.

Die Schmerzen in seinem Inneren kehrten mit voller Wucht zurückt.

Die Enttäuschung drohte ihn zu zerbrechen … oder hatte sie das bereits getan?

Die Straßen glänzen von dem vielen Regen, die Temperaturen verraten, daß es auf denn Winter zugeht. Auf den Straßen sind zu dieser Stunde nur noch wenige Autos unterwegs.

Von irgendwoher klingen die Sirenen eines Krankenwagens, die aber schnell in der Ferne verstummen.

Die große Leuchtreklame erhellt mit ihrem stetigen grellen Flimmern die Dunkelheit, spiegelt sich dabei auf dem nassen Teer und trotz der vorgerückten Stunde scharen sich unablässig neue Besucher um den Eingangsbereich des Clubs. Nicht wenige von ihnen werden von den Türstehern wieder abgewiesen. Und nicht wenige von ihnen machen ihrem Ärger lautstark Luft. Die Türsteher beeindruckt das nicht im Geringsten. Sie tun nur ihren Job, für den sie außerordentlich gut entlohnt werden. Sie sind angewiesen, nur diejenigen Gäste in den Club zu lassen, die entweder auf der Namensliste stehen oder eine persönliche Einladung vorlegen können.

Zwei sich sehr vertraut wirkende junge Männer sind ebenfalls auf dem Weg in den viel besuchten Club. Als der eine stehen bleibt, dreht sich der andere sofort fragend zu ihm um.

Für einen Moment scheint es, als würde die Zeit stehen bleiben. Wortlos sehen sie sich in die Augen, ein ängstlicher Blick bei dem einen … ein warmer aber trauriger Blick bei dem anderen. Für einen Moment scheint sich die Ewigkeit einem neuen Gesetz zu beugen. Eine Sekunde, ein kurzer Augenblick nur …

Der ängstliche lacht und schließt zu seinem Freund auf, hakt sich dabei mit einem Arm bei ihm unter. Zusammen betreten sie den Club ohne Probleme …

Ein Tag …

Ich hab mich schon so lange auf den Abend gefreut. Endlich kann ich mich mal gehen lassen, endlich einmal einfach nur Spaß haben. Seit Monaten schon hatte ich tagtäglich viel zu viel zu tun und heute, endlich! wieder einmal Zeit für mich. Ich habe den ganzen Tag schon rein gar nichts gemacht, das heißt, doch, eigentlich schon. Ich habe mich in meine lockeren Kuschelklamotten geworfen, was eher selten der Fall ist. Denn sonst muß ich immer darauf achten, elegant und gepflegt zu wirken.

Gepflegt bin ich zwar in meinen Wohlfühlklamotten auch, aber eben nicht besonders elegant. Auf meine Weise gekleidet habe ich mich den ganzen Tag in meinem Appartment verkrochen, habe sämtliche Telefone vom Netz getrennt und auch mein Handy auf stumm geschalten, ich hatte sogar die Türklingel deaktiviert. Niemand sollte mich an meinem freien Tag stören. So dermaßen abgeschottet habe ich mich auf meine Couch geworfen und endlich wieder einmal ein Buch zur Hand genommen. Ich muß dazu sagen, wenn ich einmal zum Lesen komme, dann richtig.

Dann kann es schon passieren, daß ich an einem einzigen Tag ein komplettes Buch durchlese. Ich versinke dann regelrecht in der Scheinwelt. Träume von großer Liebe, von ungebrochener Freundschaft, von Freiheit und Frieden.

Frieden … welch wunderbares … welch großes Wort. Ich bemühe mich seit Jahren schon, mich nicht zu sehr von den täglichen Kriegsmeldungen in den Nachrichten beeinflussen zu lassen.

Es gehört einfach zu meinem Job, stetig strahlend guter Laune zu sein. Oder zumindest so zu wirken als wäre es so. Die Menschen wollen einen lachenden Star sehen, nicht einen, der an der Welt zerbrochen ist.

Bitte nicht falsch verstehen, ich verschließe meine Augen nicht vor dem Leid in der Welt. Ich bin kein Optimist, wie er im Buche steht. Ich sehe die Zukunft nicht durch eine rosarote Brille, die mir Friede und Freude vorgaukeln möchte, wo das Gegenteil der Fall ist. Ich weiß sehr wohl um die Probleme der Welt. Doch was hilft es mir und anderen, wenn ich dadurch den Sinn fürs Leben verliere?

Unsere Welt braucht Menschen, denen ihr Wohl am Herzen liegt, die mit Freude versuchen für eine bessere Zukunft zu sorgen. Ich meine, es gibt doch genügend Menschen, denen es entweder egal ist, wie es weitergeht oder die nicht den Mut haben, etwas verändern zu wollen. Doch wo soll das denn hinführen?

Sollen wir denn alles den Bach runtergehen lassen?

Ich hatte bisher soviel Glück in meinem Leben, auch wenn nicht immer alles so einfach war. Auch bei mir gab es richtig schwere Zeiten, an denen wir kaum etwas zu essen hatten. Wo meine Schwester und ich auf der Straße gesungen hatten, um uns wenigstens etwas zu essen kaufen zu können.

Das prägt einen schon sehr früh. Aber ich hatte nie … niemals auch nur den Hauch von Mutlosigkeit. Ich wußte immer, wenn es besser werden soll, müssen wir etwas dafür tun. So einfach ist es.

Und genau aus dem Grund tue ich noch immer etwas dafür. Gut, ich kann vielleicht nicht mehr selbst auf der Straße stehen und sammeln gehen. Ich kann nicht selbst an den vielen Protesten teilnehmen, weil mir ganz einfach die Zeit dafür fehlt. Aber ich tue meinen Job und ich bekomme dafür sehr viel Geld. Und mit diesem Geld kann ich meinen Teil für eine bessere Zukunft beitragen.

Ich habe mich schon vor längerer Zeit dazu entschlossen, verschiedene Organisationen wie zum Beispiel die PETA zu unterstützen. Ich habe mir die Organisationen sehr genau ausgesucht, es sind welche, die durch und durch nach meiner Denkweise handeln oder so vorgehen, wie ich es tun würde, wenn ich könnte.

Im Moment bin ich sogar an einem noch größeren Projekt dran, denn ich habe begonnen, ganze Teile des Regenwaldes in Costa Rica aufzukaufen.

Das hänge ich aber nicht so sehr an die große Glocke, denn es könnte unter Umständen gefährlich werden, wüßten einige Gesellschaften das so genau. In dem Fall agiere ich eher im Stillen … aus dem Hintergrund heraus.

Für die Tier- oder auch Umweltschutzorganisationen kann ich immerhin mit meinem Namen eintreten, was alleine schon sehr viel ausmacht. Normalerweise behagt es mir nicht, wenn die Menschen einem nur nacheifern, weil man wer ist und nicht, wegen der Sache an sich. Aber bei dem Thema achte ich da nicht darauf. Es geht schließlich um unser aller Zukunft. Wie die Welt gerettet wird, ist da erst mal zweitrangig.

Es ist mir schon klar, in dem Ausmaß können sich nur wenige beteiligen, aber es kommt nun mal auf jeden an. Egal wie viel oder wenig er dazu beitragen kann.

Einen Beitrag, um unsere Welt ein Stück weit vom Abgrund wegzuziehen. Um die Grausamkeiten und die Dummheiten der Menschheit auszugleichen.

Aber heute will ich nicht an all das denken. Den ganzen Nachmittag habe ich, während ich mein Buch las, klassische Musik gehört. Habe mich gefangen nehmen lassen von den sanften Klängen. Habe mich treiben lassen in einem Meer harmonischer Melodien und fand für einen Moment Ruhe und Frieden in mir.

Gegen Abend bin ich dann doch noch einmal raus, habe mich mit Freunden und meinem Bruder zum Essen getroffen.

Sicherlich, ich weiß, daß nicht alle davon meine echten Freunde sind, aber mein Herz ist einfach zu groß. Ich versuche ständig für alle und jeden da zu sein.

Ich weiß auch, daß ich dringend selbst jemanden bräuchte, der für mich da ist. Bei dem ich einfach mal ich sein kann. Ohne Vorbehalte, ohne darüber nachdenken zu müssen, was am nächsten Tag in der Presse stehen könnte.

Bei dem ich dieses großartige Gefühl des absolutem Vertrauens empfinden könnte. Den ich lieben könnte und dessen Liebe auch ich mir sicher sein könnte.

Gibt es einen solchen Menschen?

Irgendwo vielleicht?

Ich weiß es nicht.

Dieses Leben fühlt sich manchmal so schwer an, die Tragödie dieser Welt, ihr langsamer stetiger Untergang, der Leichtsinn, mit dem so viele Menschen mit sich und ihrem Umfeld umgehen. Die stetige Intoleranz und Arroganz. Ich verstehe einfach nicht, wie manche Menschen so grausam sein können, warum sie sich so gleichgültig gegenüber der Welt und auch noch sich selbst gegenüber benehmen können. Dabei sind wir doch alle gleich, alle haben ein Recht darauf zu leben und ihr Leben so zu führen, wie sie es gerne möchten. Und wenn es nun zwei Männer sind, die sich lieben … na und? Hauptsache ist doch, daß sie überhaupt dazu fähig sind, zu lieben.

Viele Menschen um mich herum verstehen nicht, warum ich so lebe, wie ich lebe.

Ich rühre kein Fleisch an, esse kein Geflügel und auch keinen Fisch. Aus diesem Grund werde ich oft verspottet. Verspottet als übertriebenes Sensibelchen. Ich bin in dem Sinne ein Außenseiter und war es auch schon immer. Außerhalb meiner Familie hatte ich immer das Gefühl, nicht richtig ernst genommen zu werden. Seltsam, schließlich ziehe ich Millionenverträge an Land. Aber das hat weniger mit meiner Person zu tun, sondern mit meinem Talent.

Dass ich keine Tiere oder tierischen Stoffe zu mir nehme, hat übrigens nichts mit meiner Erziehung zu tun, sondern allein mit meiner Einstellung. Es widerstrebt mir, das Fleisch von toten, gequälten Lebewesen zu mir zu nehmen. Wer hat nicht schon mindestens einmal in seinem Leben gesehen, unter welchen Bedingungen diese armen Kreaturen ihr Leben fristen müssen. Unter welchen Angstzuständen und welcher Panik sie ihren letzten Weg antreten. Und unter welcher Pein sie schließlich abgeschlachtet werden.

Aber ich will nicht ungerecht erscheinen. Hatte man doch früher, vor einigen Jahren eine weitaus brutalere Sichtweise zu dem Thema… denn früher wurde das Vieh oft einfach aufgeschlitzt und an den Beinen aufgehängt, damit es langsam … mit jedem Tropfen Blut, das ihren geschundenen Körper verläßt … dem Tod ein Stück näher kam. So lange, bis sie letztendlich ihre Erlösung fanden.

Heute wird dazu eine humanere Art gewählt: Mit einem Bolzenschuss direkt auf die Stirn sollten die größeren Tiere verenden. Wobei auch hier der sofortige Tod nicht garantiert werden kann. In der Regel wird das Tier dadurch einfach nur betäubt und blutet besinnungslos und benebelt langsam aus. Blöd nur, wenn das Tier dabei wieder zu Bewußtsein kommen sollte. Aber wen stört das schon großartig.

Nun, MICH stört es gewaltig. Und eben das ist der Grund, warum ich keine Tiere esse. Ich weiß gar nicht mehr, wie lange das eigentlich schon so geht.

Irgendwann … da konnte ich es einfach nicht mehr. Ich hab angefangen, mich vor dem Steak oder Braten auf dem Teller zu ekeln. Hatte bei jedem Bissen nur den Gedanken an warmes Blut im Kopf. Da hab ich einfach aufgehört, sowas zu essen. Einmal ist es mir sogar passiert, daß ich mich übergeben mußte, als mir in einem Restaurant irrtümlich Steak serviert wurde. Glücklicherweise habe ich es noch bis zur Toilette geschafft. Also, das passiert mir zwar mittlerweile nicht mehr, und darüber ich auch ganz erfreut. Aber wer wagt es nun, mich nach meiner Lebensweise zu fragen?

Naja, wie schon erwähnt, ich möchte heute nicht an solche Dinge denken.

Nicht heute.

Das Abendessen mit meinen Freunden und mit meinem Bruder war sehr sehr schön, wir hatten viel zu lachen. Ich spielte dabei wie so oft den Barden, imitierte legendäre Schauspieler wie James Dean, der irgendwann einmal gesagt hatte: „Dream as if you’ll live forever, live as if you’ll die today. (dt. „Träume, als würdest du ewig leben, lebe, als würdest du heute sterben.“).

Alle lachten sie, keiner sah den wirklichen Sinn hinter den Worten, die wahre Bedeutung hinter diesem Zitat. Keiner, bis auf meinen Bruder, der mich liebevoll ansah und zustimmend nickte.

Was bitteschön ist so lustig an diesem Zitat??

Ist es denn lächerlich, seine eigenen Träume in diesem verdammten Leben zu haben?

Ist es denn nicht erstrebenswert, tagtäglich zu versuchen, diese Träume zu erreichen?

Ich seufze leise bei dem Gedanken daran.

Ach ja, was ich noch sagen wollte, die anderen gehen sehr gerne mit mir aus. Die Kosten gehen auf mich und jeder hat seine Freude. Wer ist schließlich nicht sofort dabei, wenn es etwas umsonst gibt.

Meinem Bruder ist es dabei aber nicht sehr recht, daß ich für ihn mitbezahle, es ist ihm unangenehm. Aber ich lache darüber nur, ich habe soviel von dem Geld, warum sollte ich es nicht auch für meine Familie verwenden? Und außerdem macht es einfach Spaß, meine Familie zu verwöhnen. Sie sind schon so lange mein einziger Halt. Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder und auch meine Schwester … ich liebe sie alle und bin ihnen dankbar für ihre Gegenwart. Dafür daß ich diese wunderbaren Menschen meine Familie nennen darf. Nach dem nächsten Projekt möchte ich eine kleine Auszeit nehmen. Mich eine Weile nur um meine Familie kümmern, einfach mit ihnen zusammen sein und an ihrem Leben teilhaben.

Nebenbei möchte ich mich in der Zeit noch mit meiner geliebten Musik beschäftigen. Ich hab schon als Kind Gitarre gespielt und es machte mir immer riesigen Spaß. Die Musik läßt mich zur Ruhe kommen, sie nimmt mich gefangen und entführt mich in eine andere bessere Welt. Wie oft habe ich abends einfach nur auf Veranda gesessen und mit geschlossenen Augen ein paar Klänge gespielt. Es war einfach traumhaft. Damals kam meine Schwester dann auch auf die Idee, eine kleine Band zu gründen. Ich war sofort Feuer und Flamme und wir verpflichteten auch gleich zwei unserer besten Freunde. So hatten wir unsere eigene kleine Band und veröffentlichten sogar ein paar, von uns gecoverte, Songs. Nachdem ich aber in meinen jetzigen Beruf gewechselt hatte, blieb mir für die Band kaum noch Zeit. Nun, genau das möchte ich in meiner Auszeit nachholen. Die anderen waren freudig begeistert, als ich ihnen davon erzählte. Ich kann es kaum erwarten, bis es endlich soweit ist. Ein paar Wochen nur noch…

Dann wird mein aktuelles Projekt abgeschlossen sein. Wieder ein neuer Film, dessen Inhalt auch eher düster und nach Endzeit wirkt. Es geht darin um einen Witwer, der auf einem Atomtest-Gelände lebt und der eigentlich nur noch auf das Ende der Welt wartet. Der den Glauben an unsere Welt, an die Menschheit verloren hat. Die Stimmung ist so düster, daß sie sogar die anderen Darsteller sehr mitnimmt. Keiner hat eigentlich so richtig Lust, an dem Projekt weiterzuarbeiten. In einem makaberen Scherz meinte ich vor einiger Zeit, daß bei diesem Dreh wahrscheinlich noch jemand sterben würde. Das war natürlich nicht ernst gemeint, aber die Stimmung am Set ist teilweise richtig depressiv. Ich bin ernsthaft am Überlegen, ob ich nicht aus diesem Projekt aussteigen sollte. Scheiß auf die Vertragsstrafe. Ich hab genug Geld, es würde mich nicht wirklich jucken. Das soll keinesfalls überheblich klingen, im Gegenteil. Aber was ist denn nun wichtiger? Die eigene Gesundheit oder das Geld? Ich könnte es mir mehr als locker leisten, aus dem Filmprojekt auszusteigen. Und vielleicht werde ich das auch noch tun.

Und jetzt stehe ich vor diesem Scene-Club. Aus allen Richtungen strömen noch immer Besucher herbei. Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, daß es bereits weit nach Mitternacht ist.

Ich bin einigermaßen nervös, eine innere Unruhe erfüllt mich. Ob ich doch besser nach Hause gehen sollte? Mein Bruder geht vor mir und dreht sich nach mir um, als ich stehen bleibe. Fragend sieht er mich an, wir sehen uns einige Sekunden direkt in die Augen. Es ist, als führten wir eine stumme Unterhaltung, alles andere wird still, ausgeblendet. Ich sehe nur noch seine schönen Augen, die den meinen so sehr ähneln. Sehe ich Liebe darin? Traurigkeit?

Mit einem plötzlichen Ruck geht die Welt ihren hektischen Lauf weiter, ich reiße mich zusammen und schließe zu meinem Bruder auf. Lachend hake ich mich bei ihm unter und wir treten zusammen durch die nur für geladene Gäste offene Tür.

Der Raum ist nicht so vollgestopft, wie es von außen den Anschein hatte und im ersten Moment scheint es düster… meine Augen gewöhnen sich nur langsam an den verdunkelten Raum. Sehr groß ist er eigentlich auch gar nicht.

Wendet man sich nach links, so erblickt man eine halbrunde Bar mit einigen Barhockern davor und schräg gegenüber, also auf der rechten Seite vom Eingang aus gesehen, befindet sich eine weitere Bar, diese aber in langer gerader Form. Geradeaus kommt man direkt zur Tanzfläche, die im Moment vollbesetzt ist. Und ich weiß, daß sich hinter dieser Tanzfläche noch eine abgegrenzte Sitzgelegenheit befindet. Abgegrenzt in dem Sinne, daß um die Sesseln und Sofas herum einzelne Pflanzenwände angebracht wurden. Vor dem engen Durchgang blockieren zwei äußerst beeindruckende Gestalten den Weg, um Unbefugten die Grenze aufzuzeigen.

Ich weiß, daß ich nicht zu den Unbefugten gehöre und so steuere ich, immer noch bei meinem Bruder eingehakt, den Sitzbereich an. Auf unserem Weg werden wir von zahlreichen Pseudofreunden begrüßt, umarmt und in nicht sehr aufregende Gespräche verwickelt. Die Aufmerksamkeit gilt da überwiegend mir. Wie sollte es auch anders sein, Leaf ist schließlich ‚nur’ mein kleiner Bruder. Der wichtigere bin ich, nach deren Meinung.

Ich hasse es, dass so oft Unterschiede zwischen Menschen gemacht werden. Sie werden so oft nur nach dem beurteilt, wie viel sie erreicht haben. Wie viel Geld auf ihrem Bankkonto liegt und mit wem sie zu tun haben. Ich habe das schon früh lernen müssen, konnte diese Art der Menschenbeurteilung, oder vielmehr MenschenVERurteilung aber niemals annehmen. Früher habe ich deswegen oft Streitereien provoziert, habe mir einen Spaß daraus gemacht, wenn sich diese Pseudofreunde ertappt fühlten. Wer gibt schon gerne zu, daß er nur an deinem Geld interessiert ist?

Es ist aber nicht jeder so, nein, denn viele reagieren auf solch ehrliche Worte auch mit Empörung und Zorn. Diese Sorte ist dann erst mal richtig beleidigt und würdigt dich keines Blickes mehr … zumindest für die nächste halbe Stunde. Und spätestens nach einer Stunde kommen auch sie wieder angekrochen. Man kann schließlich nicht zulassen dass der gute Kontakt zum fetten Bankkonto ganz abreisst.

Und ganz wenige … nur eine Handvoll Menschen … sind ehrlich an dir interessiert. Ganz ehrlich an deiner Person, an dem, der du wirklich bist. Das sind dann überwiegend die Menschen, die du schon kanntest, als der Weltruhm noch nicht vorhanden war. Als du wie jeder andere auch eine graue Maus in der Weltgeschichte warst, nichts weiter als ein Zahnrad in der Mühle der Gesellschaft.

Vielleicht sollte ich meine Gedankengänge auch hier etwas detaillierter erklären: Zu dieser Handvoll Menschen ‚von früher’ zählen nämlich auch nur diejenigen, die nicht neidig auf meinen Erfolg reagierten. Bei vielen vielen ‚Freunden’ hieß es dann nach kurzer Zeit, ich sei total abgehoben und arrogant und würde mit meinen ‚armen’ Freunden nichts mehr zu tun haben wollen. Wenn ich sie zum Essen einladen wollte oder ihnen ein Flugticket schenken wollte, damit sie mich besuchen könnten, hieß es nur: „Seht, wie der mit seinem ‚tollen’ Geld rumschmeisst. Jetzt muß er auch noch damit angeben!“.

Dabei wollte ich einfach nur meine Freunde um mich haben.

Aber ich will nicht undankbar erscheinen, ich bin froh, daß sich die wirklichen Freunde herauskristallisiert haben und ich bin froh, daß ich mit dem Geld, das ich reichlich verdiene, vieles verändern und bewegen kann.

Und mittlerweile habe auch ich nochmal dazugelernt: Anstatt mich über diese Menschen zu ärgern oder mit ihnen zu streiten, nutze ich deren Kontakte, wenn ich sie brauche. Ich tue damit niemandem etwas Böses und auch diese … Personen schätzen sich glücklich, weil sie mir helfen konnten. Natürlich nicht, weil sie MIR helfen konnten, sondern weil sie in der Presse oder in der High Society oder sonstwo gut dastehen, weil sie einem wie mir helfen konnten (meiner Meinung nach ‚durften’).

Bei der Sitzgelegenheit herrscht ausgelassene Stimmung, es wird viel gelacht und mein Bruder und ich werden herzlich begrüßt. Ganz so, als wären wir seit Jahren befreundet. Ich mache mir da keine Illusionen, denn hätte mein letzter Film gefloppt, wäre ich nicht einmal an den beiden Aufpassern vorbeigekommen. Dass mein nächster Film kurz vor der Premiere steht, hat sicherlich auch nicht wenig damit zu tun. Es ist zu erwarten, daß er (genauso wieder der vorherige) seinen Siegeszug durch die Filmbranche ziehen wird. Nicht, weil er so erheiternd wäre oder der modernen Filmszene entsprechen würde. Nein, bestimmt nicht. Sondern deshalb, weil der Film aufrütteln wird. Die Geschichte alleine fasziniert schon in einem ungeheuren Maße und wird vermutlich verängstigen, verschrecken, aber eben auch aufrütteln. Ein Aufruf an die Menschheit, sich mit ihrem eigenen Abgrund zu beschäftigen. Sich ihren Ängsten und Dämonen zu stellen. Ich freue mich schon jetzt auf die ersten Kritiken.

Leaf und ich nehmen nebeneinander Platz und ich spüre, wie er einen Arm um meine Hüfte legt und mich ganz nahe an sich zieht. Ich liebe es, wenn mein Bruder diese körperliche Nähe sucht, denn es gibt mir ein Gefühl der Sicherheit und der Geborgenheit. In diesem Gefühl lehne ich mich eng an ihn und lege meinen Kopf auf seine Schulter. Für einen Moment schließe ich meine Augen und als mich plötzlich ein inniges Gefühl der Zuneigung durchflutet, sehe ich ihn lächelnd an und drücke meine Lippen auf die seinen. Er sieht mich total überrascht an und ich kann nur noch lachen. Da legt er seine freie Hand (die andere ruht ja immer noch auf meiner Hüfte) um meinen Nacken und zieht mich langsam an sich heran.

In dieser Sekunde höre ich auf zu lachen und blicke gespannt in seine Augen. Er sieht mich fragend an, lächelt und drückt nun seinerseits seinen Mund auf den meinen. Ganz sanft läßt er seine Zunge über meine Lippen streicheln und ich öffne diese, mehr überrascht als bei klarem Gedanken. Mit geschlossenen Augen lasse ich mich in dieser Explosion aus fantastischen Gefühlen fallen. Ich spüre, wie seine Zunge zärtlich die meine berührt. Erst ganz vorsichtig tastet sie danach und sie fühlt sich dabei irgendwie kühl an … feucht und kühl, es ist ein wunderbares Gefühl. Wir versinken in einen traumhaften Kuss.

Als sich unsere Lippen trennen sehen wir uns tief in die Augen, ich versinke regelrecht in ihnen. Wir lächeln beide und ich lege meinen Kopf wieder an seine Schulter. Es ist ein wundervoller Abend, ich bin so glücklich wie schon lange nicht mehr.

Obwohl es schon zwei Uhr morgens ist, bin ich hellwach. Der Abend wurde immer schöner, wir lachten und feierten einfach ausgelassen. So ausgelassen, als gäbe es nie wieder die Gelegenheit dazu. Ich fühlte mich meinem Bruder noch nie so nahe wie heute.

Irgendwann fing auf der gegenüberliegenden Couch jemand an, ein paar Dinge auf dem niedrigen Tisch zu verteilen. Darunter befanden sich mehrere kleine durchsichtige Plastiktütchen und auch ein Gefäß, das mich an eine dieser Duftlampen erinnerte, mit dem Unterschied, daß die oben aufliegende Schale um einiges größer und tiefer war, als es normal der Fall wäre. Auch befand sie sich näher als üblich über der Kerze. Desweiteren kamen mehrere Einwegspritzen zum Vorschein, die allesamt einzeln verpackt waren. Ich merkte, daß Leaf mich beobachtete und so schaute ich in seine Richtung. Er hob nur die Augenbrauen und zuckte mit den Schultern.

Wir waren beide neugierig und warteten gespannt, was unser Gegenüber nun vorhatte. Er holte eines dieser kleinen Apothekertütchen raus, auf dem sogar der Inhalt zu lesen war: „Vitamin C – für die kalten Tage“. Verwundert drehte ich mich nochmal zu meinem Bruder, aber der schaute genauso ratlos wie ich drein.

Unser Gegenüber begann nun einige der anderen, durchsichtigen Tütchen zu öffnen und jeweils einen großen Teil davon in die Schale zu schütten, zum Schluß goss er etwas von seinem Mineralwasser nach und verrührte es vorsichtig mit dem Löffel. Er ließ kurz suchend seinen Blick über den Tisch wandern und entdeckte schließlich das Gesuchte: eine Scheibe Zitrone. Diese nahm er und begann deren Saft in die Mischung zu pressen.

Nachdem die Mischung vollendet war, zündete er die kleine Kerze darunter an. Erst tat sich gar nichts, aber nach ein paar Minuten fing die Flüssigkeit zu dampfen an und der Besitzer begann langsam mit dem Löffel zu rühren.

Die Leute um uns herum beobachteten die Prozedur genauso erwartungsvoll wie mein Bruder und ich.

Schließlich fing der Beschäftigte zu grinsen an und rief laut: „Leute, heut ist euer Glücksabend … ich geb ne Runde aus.“

Fragend schaute ich zu Leaf, er zuckte mit den Schultern und meinte: „Warum nicht?“

Und so ließen auch wir uns jeder eine der nun gefüllten Spritzen geben. Ich wartete, bis die anderen selbige angesetzt hatten, um zu sehen, wie man das überhaupt macht.

Auf einen letzten fragenden Blick zu meinem Bruder, der mir zunickte, setzte auch ich die Nadel an und bemühte mich, die Spitze an die richtige Stelle zu bekommen. Als derjenige, der die Runde ausgegeben hatte, meine Unsicherheit bemerkte, fragte er: „Soll ich sie für dich ansetzen?“

Erleichtert lachte ich und nickte. Also nahm er mir die Spritze aus der Hand und setzte sie an der richtigen Stelle an. Ein kurzer Einstich und schon drückte er den Inhalt direkt in meine Vene.

Ich schließe für einen kurzen Augenblick meine Augen, sehe das Flimmern der Clubbeleuchtung durch meine Lider. Innerhalb von Sekunden beginnt sich um mich herum alles zu drehen und ich öffne mit einem Ruck meine Augen. Irgendwie erheitert sehe ich zu meinem Bruder. Ich weiß nicht, warum ich lachen muß, aber ich tue es. Mein Bruder lächelt mich an, in seiner Hand sehe ich die ebenfalls leere Spritze.

Ich stehe auf … immer noch lachend … nehme seine Hand und ziehe ihn mit mir. Zusammen drängen wir auf die Tanzfläche, die Gesichter der anderen wirken so komisch, irgendwie verzerrt. Alles ist unnatürlich laut und grell und alles scheint so durcheinander. Ich torkle mehr, als dass ich gehe, aber so richtig auffallen tut mir das im Moment nicht. Im Gegenteil, als ich beinahe stolpere bekomme ich einen Lachkrampf deswegen. Ich kann mich nicht mehr halten, ich muß einfach lachen. Mein Bauch verkrampft sich schon, ich bekomme kaum Luft, aber ich kann einfach nicht aufhören zu lachen. Ich fühle mich so unendlich gut, kaum zu glauben, daß ich heute zu Hause bleiben wollte. Könnte tausend Sachen auf einmal machen. Aber eine Sache liegt mir dabei besonders am Herzen …

Als wir nach einer ganzen Ewigkeit endlich am anderen Ende der Tanzfläche angekommen sind, sehe ich die noch immer offen stehende Tür zum Ausgang.

Egal, ich will nicht raus, ich will ihn hier … genau jetzt und genau hier.

Ich dränge mich an meinen Bruder, spüre wie er seine Hände wieder um meine Hüfte legt. Außer Atem schmiege ich mich fest an ihn und fixiere ihn mit einem erwartungsvollen Blick in die Augen, er versteht.

Ich spüre, wie seine Hand langsam über meinen Hintern gleitet, wie er ihn sanft anhebt und mich noch fester an sich drückt. Ich keuche erregt, denke nicht mehr nach. Unsere Lippen treffen sich zu einem erneuten, diesmal aber leidenschaftlichen Kuss. Wild spielen unsere Zungen miteinander und ich merke, wie seine Hand langsam zu meiner Vorderseite wandert, während er mich mit der anderen noch immer festhält. Seine Hand stoppt erst in meinem Schritt. Erregt ringe ich nach Luft. Er beginnt, sanft die Linien meines harten Gliedes nachzufahren. Als ich meinen Kopf in den Nacken lege, überhäuft er meinen Hals mit zarten Küssen. Und endlich massiert er meinen Schwanz. Erst sehr zurückhaltend, vorsichtig, doch dann immer fordernder. Ich stöhne, es ist mir egal, daß wir uns mitten in einem gut besuchten Promi-Club befinden. Scheiß drauf, was geht DIE das an?

Ich drücke meinen steifen Schwanz gegen seine Hand, reibe mich daran. Gleichzeitig taste ich meinerseits nach seiner Vorderseite.

Ich grinse ihn aufreizend an und schnurre: „Brüderchen … du bist ja total geil auf mich.“

Er lächelt amüsiert. Statt einer Antwort leckt er mit seiner Zunge über meine Lippen und knabbert leicht daran.

Mein Atem ist beschleunigt.

Ungeduldig öffne ich seine Hose und hole seinen Schwanz heraus. Ich will ihn verwöhnen, er ist schließlich mein Bruder. Ich streichle mit meinem Daumen sanft über seine schon feuchte Spitze und küsse ihn dabei.

Gerade noch völlig in Geilheit gefangen, küssen wir uns jetzt nahezu zärtlich. Behutsam streichle ich über seinen Schwanz, nehme seine Bälle in die Hand und massiere sie. Schließlich beginne ich endlich seinen übersteifen Schwanz zu massieren, bewege meine Hand dabei fordernd auf und ab, ganz so, wie er es auch bei mir tut.

Der Höhepunkt läßt nicht lange auf sich warten, zu aufgegeilt ist unsere Stimmung. Wir versinken in einem zärtlichen Kuß. Er nimmt mich fest in seine Arme und ich dränge mich dicht an ihn. Spüre seine Wärme, die mich in dem Moment vom Abgrund fernhält. Wir stehen lange da und schmusen hemmungslos miteinander. Zwischendurch sage ich kichernd: „Ich wußte gar nicht, daß du so gut küssen kannst.“

Er lacht nur ausgelassen und meint: „Und ich wußte nicht, daß ich dich so gerne küsse.“

Ich strahle ihn glücklich an und er lächelt ebenfalls. Er hält mich noch immer in seinen Armen und ich habe meine Hände auf seine Brust gelegt. Verträumt blicke ich ihn an und versinke nahezu in seinen wunderschönen Augen. Manchmal verzerren sich seine Gesichtszüge, aber wenn ich kurz blinzle ist alles wieder normal. Wir stehen noch immer engumschlungen da, und sehen uns in die Augen.

Noch nie habe ich mich einem Menschen so nahe gefühlt. Noch nie habe ich mich so wohl gefühlt, ich bin so glücklich wie ich es noch nie war.

Meine Gedanken drehen sich im Kreis,

Liebe …

Unsicherheit …

er ist mein Bruder …

was wird morgen sein? …

Verständnis …

Vertrauen …

sein Lächeln verzerrt sich …

ich schließe meine Augen und öffne sie wieder …

alles normal …

Verwirrung …

Er fragt mich etwas, ich verstehe ihn nicht. Dicht an meinem Ohr wiederholt er die Frage: „Ist alles in Ordnung?“

Ich sehe ihn nur verständnislos an.

Wie kann alles in Ordnung sein, nach dem, was ich gerade getan habe … BRUDER! Ich schüttle meinen Kopf … nein … diese Gedanken sind nicht die meinen. Ich habe es gewollt, ich liebe meinen Bruder. Es ist eine Liebe, die ich nicht beschreiben kann, sie ist tief, echt und einzigartig. Vorbehaltlos und stark. Ich wollte meinen Bruder verwöhnen, möchte, daß es ihm gut geht.

Schnell nicke ich als Antwort auf seine Frage. Mir wird schwindlig und ich schüttle den Kopf. Ich sehe seinen besorgten Blick.

Benommenheit umnebelt mich, das Schwindelgefühl nimmt zu. Ich bin verwirrt, weiß nicht, was mit mir los ist. Mein Bruder führt mich langsam nach draußen, ich höre Wortfetzen … „frische Luft“ … „gehen“

Ich beginne zu husten … dabei bin ich doch gar nicht erkältet.

Wir sind draußen …

Ich versuche zwischen dem ganzen Husten zu atmen …

ich kriege keine Luft …

Angst …

ich versuche panisch Luft zu schnappen, will tief einatmen …

ich kann nicht …

mein Kopf tut weh, ich habe Schmerzen. Als würde mein Gehirn anschwellen …

ich fühle einen unglaublichen Druck in meinen Augen …

Panik …

ich habe das Gefühl meine Lungen platzen …

Verzweiflung …

Dunkelheit …

BREAK TO END

EPILOG

Es war ein wunderschöner Tag. Die Temperaturen waren überraschenderweise noch einmal angestiegen und auch wenn es nicht wirklich heiß war, so war die Sonneneinstrahlung doch sehr angenehm zu spüren. Eine kleine Gruppe hatte sich vor dem kleinen Häuschen auf dem Gelände versammelt. Sie standen eng beieinander und versuchten sich gegenseitig Trost zu spenden.

Nicht wenige weinten in den Armen eines Bruders, einer Schwester. Die Eltern blieben für sich. Sie beide wirkten noch sehr gefasst, als sie aus der Kirche getreten waren, nun aber hatte auch sie die Trauer erfasst.

Ein junger Mann hielt sich von der Gruppe fern. Wie alle anderen auch war er schwarz gekleidet, nur er trug eine schwarze Sonnenbrille. Nicht, um seine Augen vor der Helligkeit zu schützen, sondern um seine Tränen zu verbergen.

Der strahlende Sonnenschein konnte nicht darüber hinwegtäuschen.

Er hatte Mühe, sich aufrecht zu halten und als die Tür zu dem kleinen Nebengebäude geöffnet wurde, drohte er völlig zusammenzubrechen.

Ein Sarg wurde von sechs jungen Männern langsam herausgetragen. Wäre der Anlass kein solch bedrückender, so würde man den Schmuck darauf durchaus bewundern können. Der Sarg selbst bestand aus dunkelbraunem, hochglanzpoliertem Holz und war über und über mit weißen Blumen bedeckt. Rosen, himmlisch duftende weiße Lilien, Margariten, weiße Nelken, weiße Chrysanthemen.

Wäre der Anlass ein anderer …

Am Grab angekommen, wurde der Sarg ein letztes Mal auf der Windevorrichtung aufgebahrt.

Der anwesende Priester begann mit seiner Rede.

Es war keine übliche Grabrede, er sprach davon, welch wunderbarer Mensch die Erde verlassen hatte. Welch großartiges Talent von uns genommen wurde.

Er begann, aus dem Leben des jungen Menschen zu erzählen, der hier seine letzte Ruhe finden sollte. Man hörte Schluchzen, es flossen Ozeane an Tränen.

Schließlich wurde es still, der Priester hatte seine Rede beendet und der Sarg wurde wenige Minuten später in das ausgehobene Grab hinabgelassen. Die Angehörigen warfen je eine Schaufel frischer Erde darauf und entfernten sich unter Tränen.

Nur ein einziger junger Mann blieb alleine zurück. Erst als er sich alleine glaubte, nahm er seine Sonnenbrille ab. Zum Vorschein kamen rotgeweinte, aber wunderschöne Augen.

Langsam sank er mit einem Bild seines geliebten Bruders in der Hand auf seine Knie herab. Versuchte seine Gedanken zu ordnen, versuchte einen Sinn darin zu finden.

Er fand ihn nicht.

Mit einem lauten Schluchzen brach der Schmerz aus ihm heraus.

Er fiel dabei vorne über, schlug mit den Fäusten auf die Erde vor ihm ein.

Er schrie verzweifelt seinen Schmerz hinaus. Schrie bis sein Hals schmerzte und hörte auch dann nicht auf.

Doch nichts geschah.

Sein Bruder kam nicht, um ihn in den Arm zu nehmen, wie er es so oft getan hatte. Sein Bruder kam nicht, um ihn mit seinem strahlendem Lächeln aufzumuntern.

Und er kam nicht, um einfach nur da zu sein.

Immer wieder sah er die Bilder vor sich … er hatte nach einem Krankenwagen geschrien. Sein Bruder in seinen Armen … die Panik in dessen Augen. Der starre leblose Blick wenige Minuten später.

Er hatte ihn geschüttelt, ihn angeschrien, ihn angebettelt bei ihm zu bleiben. Hatte versucht, ihn zu beatmen. Seinen Körper mit Sauerstoff zu versorgen.

Bis er endlich … endlich nach einer Ewigkeit die Sirenen näher kommen hörte.

Von da ging alles recht schnell. Die Sanitäter hatten sich schnell Platz geschaffen. Hatten Ausrüstung dabei. Versuchten seinen Bruder zu retten.

Immer und immer wieder …

Doch die Augen blieben starr …

So wie kurz zuvor in seinen Armen …

In Memory …

INFORMATION

Der intravenöse Konsum ist wohl die bekannteste Konsumform des Heroingebrauchs.

Da die zumeist in Europa erhältliche Heroinbase nicht in Wasser löslich ist, braucht man einen Hilfsstoff, um es in Lösung zu bringen. Das Heroin wird also mit einer Säure (Ascorbinsäure – in Pulverform (Vitamin C) oder Zitronensaft) und Wasser gemischt.

Zitronensaft ist dabei besonders gefährlich, da hier kleinste Partikel in die Blutbahn gelangen können. Die Säure bewirkt beim Aufkochen die für die intravenöse Injektion notwendige Bildung eines wasserlöslichen Heroinsalzes.

Das Heroin wird häufig auch zusammen mit Kokain als sogenannter Cocktail injiziert.

Bei theoretischer Betrachtung müßte dieses ohne Folgen bleiben, da sich die beiden Hauptwirkungen (Heroin = beruhigend, Kokain = belebend) eigentlich aufheben müssten.

Jedoch ist es sogar vielmehr der Fall, daß dieses Gemisch, das auch als ‚Speedball’ bekannt ist, die Wirkungen der beiden Substanzen wechselseitig um ein Vielfaches verstärkt.

Die durch den Heroinkonsum ausgelöste Euphorie intensiviert sich und die durch den Konsum von Kokain möglichen Angstzustände werden abgeschwächt.

Die Gefahr einer Überdosierung ist dabei besonders hoch, da durch die weiteren Bestandteile eine genaue Mengenportionierung kaum möglich ist.

Bei einer Überdosierung besteht die erhöhte Gefahr einer Atemdepression, die unbehandelt zum Atemstillstand und dieser unbehandelt zum Tode führen kann (der so genannte „goldene Schuss“). Grund dafür ist, daß die Stoffe einzeln gesehen bereits muskelentspannend wirken und zusammengeführt diese Wirkung um ein vielfaches gesteigert wird, wovon letztendlich auch die Lungenfunktion beeinträchtigt wird.

Einzelwirkungen:

KOKAIN bewirkt eine Erhöhung der Atem- bzw. der Pulsfrequenz, eventuelle Atemunregelmäßigkeiten, gleichzeitig eine Verengung der Blutgefäße und damit eine Erhöhung des Blutdruckes. Dies kann unter anderem Konsequenzen wie Kreislaufüberlastung, Atemstillstand sowie zu Herzrhythmusstörungen zur Folge haben. Oft weitet sich das bis zum Herzversagen und schließlich den Tod aus.

HEROIN ist euphorisierend, schmerzlindernd und zugleich schlaffördernd. Übelkeit, Muskellähmungen, Verstopfung sind weitere Folgen. Weitere Wirkungen auf den ungewöhnten Körper sind die emetische (gr. Emesis = Brechreiz) und eine gefährliche atemdepressive Wirkung.

Das Atemzentrum wird gedämpft und die Herzfrequenz wird vermindert, was zum Atem- und/oder Herzstillstand führen kann. Heroin gehört, wie alle Opiate, zu den stärksten illegalen Drogen und wird als das gefährlichste überhaupt beschrieben.

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