Margie 00 – Autogramm mit Hinternissen – Pilotgeschichte

Wie er so dasaß, völlig versunken. Versunken in eine andere Welt. Mir schien, er lebte wirklich nur dort.

Das nächste Stück kam, ich wusste nicht wie es hieß. Warum auch? Ich hatte die CD zu Hause und nur die wenigstens Stücke kannte ich vom Namen. Aber jedes Stück war mir in Fleisch und Blut übergangen. Wegen ihm.

Er schloss die Augen, zeitweise. Er sah nicht mal hin zu seinem Notenständer, nur ab und zu auf den Dirigenten. Zum Glück hatte ich einen Platz bekommen, von dem aus mir niemand im Blickfeld stand und ich das sehr genau beobachten konnte.

Jetzt kam der Einsatz der Streichergruppe und damit auch seiner. Wie geschmeidig er den Geigenbogen über die Saiten führte. Ja, er war eins mit seinem Instrument. Untrennbar mussten die beiden zusammengehören.

Ich seufzte. Hoch und Höher gingen die Töne, eine Gänsehaut marschierte über meinen Körper. Immer an der Stelle tat sie das. Wurde er eigentlich noch von jemand anderem in dem Konzertsaal beachtet oder starrten die nur auf den Dirigenten? Sicher würden sie alle Musiker beobachten, aber kaum einen einzelnen länger als ich ihn.

Wie hübsch er war. Der dunkle Anzug passte zu seinem melancholischen Gesichtsausdruck, zu den dunkelblonden, halblangen Haaren die er als einziger etwas unordentlich trug. Aber das musste sein. Eine glatt gekämmte Frisur hätte ihm gar nicht gestanden.

Applaus, Bravo – Rufe. Das Symphonieorchester erhob und verneigte sich vor dem Publikum des ausverkauften Konzerts.

Ich stand als einziger auf, hielt meine Hände über den Kopf und applaudierte. Nach und nach erhoben sich nun auch andere Gäste, bis sich schließlich der halbe Saal zu stehenden Ovationen hinreißen ließ. Ja, einer musste schließlich den Anfang machen. Applaus für den blonden Jungen da oben, den ich mehr und mehr in mein Herz geschlossen hatte. Ich kannte seinen Namen nicht, wusste gar nichts über ihn. Weder in den Begleitheften noch im Internet hatte ich etwas über ihn in Erfahrung bringen können.

Zugaben waren hier wohl nicht üblich, und so senkte sich nach etlichen Minuten der Vorhang. Wieder einmal. Ich hasste ihn, denn er trennte mich und diesen Jungen in wenigen Sekunden. Das Licht ging an, die Leute drängelten zum Ausgang. Ende der Vorstellung. Und dann war es wie ein Erwachen aus einem schönen Traum.

 

Ich trat hinaus in die noch schwülwarme Sommerluft. Als schwacher, orangeroter Schimmer am Horizont verabschiedete sich gerade der Tag zwischen den Gebäuden der Großstadt. Die meisten Konzertbesucher hatten es nicht eilig. Sie standen in Gruppen und Grüppchen zusammen, rauchten und diskutierten. Ich hatte niemanden zum diskutieren. Ich war alleine. Keine Freunde, die mitgehen würden zu so einer Veranstaltung. Wieso ich mir als 17jähriger so etwas anhören würde.. keiner verstand das. Musste auch niemand. Ich hatte zufällig eine CD dieses Orchesters in die Hände bekommen und war irgendwie fasziniert von der Musik. Sie lud zum träumen ein, streichelte sozusagen meine Sinne. Und dann las ich, dass sie auf Tournee gehen würden. Zuerst in unsrer Stadt, vier Auftritte sollten sie hier haben. Eher spontan beschloss ich daher, das Konzert zu besuchen und hatte das Glück, noch eine der wenigen Karten für den ersten Abend zu ergattern. Zwar war mein Platz ganz hinten, weit weg von der Bühne, aber das störte mich nicht.

 

Ja, der erste Abend.. Nach und nach füllte sich der Saal und mir war aufgefallen, dass in der zweiten Reihe drei Plätze frei blieben. Das taten sie auch, als das Konzert begann. Da ich von Natur aus in solchen Sachen nicht zimperlich bin, stand ich auf und tapste im Halbdunkel nach unten. Natürlich konnten sich die Besucher dort verspätet haben, aber dieses Risiko ging ich ein.

Aber es kam niemand und so begann ich, die Musik zu genießen. Und dann fiel er mir auf. Dieser Junge dort oben, inmitten der anderen Streicher saß er. Von der Sekunde an sah ich nur noch ihn. Er war zu weit weg um genaue Einzelheiten zu erkennen, aber das was ich sehen konnte reichte mir. Hübsch war er, sehr hübsch. Und jung. Mein Alter schätzte ich. Verliebt hatte ich mich nicht, das war kaum das richtige Wort. Schwärmen würde es besser treffen.

Als das Konzert zu Ende war besorgte ich mir ohne lange zu überlegen noch drei Karten für die anderen Vorstellungen. Ich hatte damit meine Ersparnisse empfindlich angeknabbert, aber Anschaffungen waren eh keine geplant. Die beiden Konzerte verliefen nach dem gleichen Muster. Ich saß ganz vorne, was mich nicht billig kam, aber auch nicht ärgerte. Im Gegenteil. Nur Gestern, da stand der Dirigent so blöd dauernd vor mir herum und ich konnte nur selten einen Blick auf den Jungen werfen. Dafür wurde ich heute Abend wieder entschädigt.

 

Nun stand ich da draußen, steckte mir eine Zigarette an und blies den Rauch in die Nachtluft. Morgen Abend das letzte Konzert hier, dann waren sie weg. Vielleicht würde ich sehr lange warten müssen bis ich ihn dann wieder sah. Ich musste trotz dieser Erkenntnis grinsen. Benahm mich wie ein Teenie, der seinem Idol hinterher reiste. Gut, das tat ich nicht, musste dazu ja nur mit dem Zug in die Stadt fahren. Aber trotzdem.

 

Kaum zu Hause, verzog ich mich in mein Zimmer und setzte den Kopfhörer auf. In dem Augenblick, wo die ersten Takte der Musik spielten, sah ich ihn wieder vor mir. Diesen Jungen, wie er seine Geige in der Hand hielt, den Geigenkörper so zart an seinen Hals drückte, die Augen schloss und sich völlig der Musik hingab. Woher er wohl kam? Wie er hieß? Die Frage, ob er genauso schwul ist wie ich ließ ich gar nicht erst aufkommen. Es war einfach nur herrlich ihn zu betrachten. So wie ein Bild in einer Galerie. Man konnte es sich immer wieder ansehen und in der Regel dachte man schließlich kaum darüber nach, wie man dessen habhaft werden könnte.

Obwohl schon hundert Mal getan, klickte ich mich wieder durchs Internet, immer auf der Suche nach mehr Informationen über das Orchester. Aber nirgends wurden die einzelnen Musiker vorgestellt, gab es keine Namensliste. Immer nur als Ganzes wurde es vorgestellt. Der Dirigent, ja, über den konnte man alles erfahren. Dabei verstand ich das nicht. Wer machte denn die Musik? Er etwa? Das ärgerte mich.

Ich wunderte mich dann auch nicht mehr, dass ich schon an diesem Abend nervös wurde. Noch einmal konnte ich ihn mir morgen Abend ansehen, fast zwei Stunden lang. Dann war es eben vorbei mit der Schwärmerei.

Kurz vor dem Einschlafen überlegte ich, ob da nicht irgendwie.. doch, da waren welche, die hatten eine Kamera dabei. Man durfte das zwar nicht, schon gar nicht mit Blitzlicht, aber Frechheit könnte ja auch da siegen. Ich stand wieder auf und kramte meine Digitalkamera aus. Akkus laden, dann würde man schon sehen.

 

Ich hatte Urlaub und meine Eltern weilten in der Toskana, wohin ich unter keinen Umständen mitwollte. Bei aller Liebe zu Natur und Ruhe, das war dann doch nichts für mich. Zwar hatte ich mir so einiges vorgenommen, aber bei der Hitze war das Schwimmbad die einzig wirklich machbare Aktion. Nur nicht ins Freibad. Dreistöckig lagen die dort, garantiert und das Geschrei war mir ein Graus.

Also Bermudas an, Käppi und Sonnenbrille auf, restliches Equipment eingepackt, aufs Fahrrad und rüber zum nahen Baggersee. Der hatte nämlich einen unschätzbaren Vorteil: Er war nicht öffentlich. Einer Freundin meiner Eltern gehörte das kleine Paradies und ich hatte das Privileg, dort kommen und gehen zu dürfen wann es mir passte. Ich nahm auch nie Freunde mit, das war im Grunde mein eigenes, kleines Reich, das ich im Sommer so oft aufsuchte wie es das Wetter zuließ.

 

Das Ufer des Sees war nicht groß, höchstens zehn Leute oder so hatten dort ohne Enge Platz. An dem Morgen war ich alleine, warum auch immer. Mir war es recht. Ich legte mich auf mein Handtuch, setzte den Kopfhörer auf, schmiss den MP3-Player an und lauschte der Musik, die mich so verzauberte.

 

Der Abend kam rasch, schneller als ich dachte. Wieso stand ich vor meinem Kleiderschrank und musste überlegen, was ich anziehen sollte für diesen, „seinen“ letzten Abend? Der Junge sah mich bestimmt gar nicht. Wurde geblendet von den Scheinwerfen und zudem hatte er die Augen ja eh meist geschlossen. Trotzdem entschied ich mich, für diesen Abend besonders gut auszusehen. Dann eben für mich wenigstens. Der Blick in den Spiegel an der Schranktür war nicht gerade unerfreulich. Leicht angebräunt gefiel ich mir schon ganz gut. Meine dunkelbraunen Haare stylte ich so wie sie der Junge auch trug. Sahen wir uns eigentlich ähnlich? Irgendwie schon, fand ich. Gut, ich hatte keine so niedliche Stupsnase wie er, aber sonst… Schmarren. Er war viel hübscher.

Rasch steckte ich die Kippen und die Kamera in die Jackentasche. Ja, den Anzug.. zuletzt trug ich ihn auf der Hochzeit von Hans, meinem besten Freund.

Ich ging früh aus dem Haus, wollte nicht abgehetzt und verschwitzt dort im Theater erscheinen.

 

Auf unserem kleinen, sehr ländlichen Bahnhof war mal wieder allerhand los. Beliebter Treffpunkt der Dorfjugend. Die meisten, die da herumlungerten und ihre Ferientage neben dem Schwimmbad auch hier totschlugen, kannte ich. Ihnen in dem Aufzug unter die Augen zu kommen wäre natürlich ein gefundenes Fressen. Ich konnte zwar sehr gut mit ihnen, aber bei der Hitze mit Anzug und Krawatte, da musste man ja eine Meise haben. Ich blieb deshalb auf der anderen Seite des kleinen Bahnhofsgebäudes stehen und entzog mich so zumindest bis zur Ankunft des Zuges ihren Blicken und den unvermeidlichen Diskussionen.

Erst als der Zug schon hielt, eilte ich schließlich zum Bahnsteig und verschwand praktisch ungesehen in dem Wagen.

Gut eine halbe Stunde würde der Zug brauchen, aber ich hatte jede Menge Zeit. Eine Zeitung, von jemand freundlicherweise im Abteil liegen gelassen, vertrieb mir die Zeit. Ah, da war sogar ein kleiner Artikel über das Orchester. Dass sie schon viele Preise eingeheimst hatten wusste ich eh schon, auch die Städte, die sie ab morgen besuchen würden. Weit kamen sie herum, fast ganz Europa.

Wie er sich seine Freizeit wohl vertrieb? Immer nur in Hotels.. Und er war doch der jüngste da. Was konnte er denn mit den anderen schon groß anfangen? Hatte er ne Freundin mit der er Stundenlang telefonierte? Bestimmt. Ich wusste grad nicht, ob ich ihn wirklich beneiden sollte. Trotzdem, langweilig war es sicher nicht. Und er sah soviel.. Ich war ja auch schon rumgekommen auf der Welt, das Privileg wenn man nicht ganz arme Eltern hat. Aber das war sicher was ganz anderes.

Ich zog es vor, noch im Zug auf die Toilette zu gehen, das war dann auch wieder eine Hektik weniger. Auf dem Weg dorthin musste ich durch einige Abteile und gerade als ich die Tür zu der Toilette öffnen wollte, fiel mein Blick in das nächste Abteil. Wie weit war ich schon gekommen, dass ich am helllichten Tag Gespenster sah? Die Hitze schien mir nicht bekommen zu sein, aber dennoch. Ein zweiter Blick dorthin und noch ein dritter. Nein, das waren Auswirkungen der Hitze. Oder doch nicht? Sieht eigentlich ziemlich realistisch aus. Ich schloss die Tür hinter mir, aber das Pinkeln fiel mir mit dieser Erscheinung vor meinem geistigen Auge nicht leicht. Außerdem schaukelte der Zug auf der alten Strecke ziemlich und das gewohnt eklige „Kloodeur“ der Eisenbahnwagen stand auch hier wie Säure in der schwülen Hitze. Ich hielt mich an dem Haltegriff fest und beobachtete meinen Pimmel. Aber der ließ erst mal nur ein paar Tropfen los. So schien es mir eine Ewigkeit, bis ich ihn endlich abschütteln und in seine Behausung zurückpacken konnte. Dabei fiel mir ein, wann der zuletzt auf seine Kosten gekommen war. Seit dem letzten Wettwichsen vor einem halben Jahr mit Udo und Holger war da nichts mehr gewesen. Nur noch die einsamen Abende vor der Kiste, bei Videos oder scharfen Fotos. Einfach nicht das Wahre wenn man keinen Freund hat. Aber ich redete mir ein, dafür noch etwas Zeit zu haben und umbringen tat es mich zumindest im Moment nicht. Prompt reagierte mein Spielkamerad auf diese Gedanken, aber dieser Ort war der denkbar übelste. Ich wartete, bis die Beule in meiner Hose nicht mehr so offensichtlich war und verließ das enge Klo.

Der erste Blick als ich heraustrat, galt dem Abteil. Nein, es war doch keine Erscheinung. Etwas fassungslos starrte ich auf den Jungen, der dort alleine saß und der schwarze Kasten zwischen seinen Beinen verschaffte mir dann doch Gewissheit. Ich stand da, erstarrt wie eine Salzsäule. Wie konnte ich annehmen, dass es ein solches Gesicht ein zweites Mal gab? Ich spürte Schweiß meine Achselhöhlen herunter laufen. Das durfte nicht sein… verfluchte Hitze.

Er saß da, las in irgendeiner Zeitschrift und kaute auf irgendetwas herum. Einen Moment hob er seinen Blick, er schien gespürt zu haben dass ich ihn anstarrte. Dann senkte er ihn wieder und las weiter.

Ich war wie gelähmt. Was sollte ich jetzt machen? Der Zug ist fast leer und so wird es überhaupt nicht auffallen wenn ich mich einfach zu ihm setze, dachte ich zynisch. Warum war der Zug so leer, wo doch sonst hier alles voll war mit grölenden Kids und genervten Fahrgästen? Gut, es half alles nichts. Frechheit siegt und zudem.. ich war immerhin sicher sein glühendester Verehrer. Das dürfte ihn schließlich nicht kalt lassen. Ich riss mich zusammen, zog mein Jackett gerade und ging auf ihn zu. Jetzt hob er den Blick erneut und senkte ihn nicht wieder. Er musterte mich. Na ja, im Vergleich zu ihm war ich wirklich auffällig gekleidet. Noch dazu in so einem eher schäbigen Vorortzug.

Auf seiner Höhe blieb ich stehen. Ich spürte dass ich rot wurde, allerdings gab mir das Wissen um meinen braunen Teint eine gewisse Sicherheit.

 

»Hallo«, sagte ich knapp und versuchte zu lächeln ohne lächerlich zu wirken.

 

Er nickte. »Hallo«.

 

»Ähm…, darf ich dich mal kurz stören?«

 

Fragend sah er mich an. Oh Mann, diese Augen. Diese meterlangen Wimpern, die Lippen. So nah war er hundert Mal schöner als ich es mir ausgemalt hatte. Das blasse, völlig makellose Gesicht. Und die Hände, von denen ganz zu schweigen. Und was hatte er an… verwaschene Jeans und ein dunkelblaues T-Shirt. Und Sneakers. Also, wenn er es war, was ich da immer noch nicht glauben wollte, dann war er der normalste Junge der hier weit und breit herumlief. Ich schämte mich nun fast in meinem Aufzug, aber das konnte ich schließlich erklären.

 

»Bitte?«, hakte er höflich nach obwohl ich den Eindruck hatte, dass er leicht genervt war.

 

»Ähm, ja, also.. du kommst mir irgendwie bekannt vor.« Mehr brachte ich erst Mal nicht auf die Rolle, ich wurde in jeder Sekunde nervöser.

 

»Aha«, antwortete er nur, dabei ließ sein Blick nicht von mir ab. Klar, er würde sich fragen wie jemand so hier herumlaufen konnte.

 

»Ja, also, ich meine… spielst du zufällig in dem Orchester… also das, was zurzeit auftritt..« Gewöhnlich bin ich um Worte nicht verlegen, aber das hier überforderte mich dann doch so ziemlich.

 

»Ja«, sagte er knapp. War ihm das jetzt peinlich oder wollte er ganz einfach in Ruhe gelassen werden?

 

»Also, ähm..« „Verdammt, Ralf, reiß dich jetzt endlich zusammen. Das wird so nix, du machst dich grade ziemlich lächerlich.“ Es war wie eine Art Lähmung. War es nicht schon schlimm genug oder warum fiel mein Blick zwischen seine Beine? Für den Bruchteil einer Sekunde saß der Junge nackt vor mir und sorgte für einen ordentlichen Nachschub an Schweiß auf meinem ganzen Körper. Perfekt, dieser Mensch war einfach perfekt.

 

Der Zug verlangsamte seine Fahrt. Noch zwei Mal würde er halten, dann waren wir da und der Junge weg. Wohnte er hier in der Gegend? Musste er, sonst hätte er in einem Nobelhotel in der Stadt seine Bleibe. Plötzlich tauchten so viele Fragen auf, dass ich den Überblick verlor. „Tu endlich was. Das ist ja nicht zum aushalten. Siehst du nicht dass er darauf wartet bis du endlich wieder verschwindest?“

 

»Ähm.. ja, dann, viel Erfolg noch..«

 

»Danke.« Er sah wieder zu seiner Zeitschrift und ich trat mir geistig gerade so gewaltig in den Hintern, dass es richtig wehtat. Fast wie in Panik lief ich los, raus aus dem Abteil.

„Der größte Idiot, der auf Erden Traum wandelt“, schimpfte ich mich aus. „Und? Wer sagt denn dass der Kleine schwul ist?“, meldete sich die kluge Gegenstimme in mir. „Arsch. Was hat das denn damit zu tun? Das musst du ihn ja auch nicht fragen. Einfach ein paar Worte. Wie gut dir die Musik gefällt, dass du die Cd hast und woher er kommt ist auch keine anzügliche Frage. Immerhin hättest du ihm sagen können wie sehr es dich freut, ein Mitglied des Ensembles kennen gelernt zu haben. Glaubst du echt, das würde ihn nicht freuen? Depp.“ „Und jetzt?“. „Zu spät. Wenn du nun wieder bei ihm auftauchst fällt es wirklich auf. Du hast es verspielt, find dich damit ab.“

Nein, nicht aufgeben. Noch eine Station, noch fast eine Viertel Stunde. Ich stellte mich ans Fenster und lehnte mich hinaus. Wirklich erfrischend war die Luft draußen nicht. Stickig und schwül wurde sie, je näher man der Großstadt kam.

Ein paar Typen wankten auf dem Bahnsteig herum, Flaschen in der Hand. Na ja, bei der Hitze brauchte man eh nicht viel bis die Birne zugeballert war. Die Meute stieg grölend in den Zug und ich hoffte inständig, ihnen nicht begegnen zu müssen.

 

Der Zug fuhr wieder an und ich hielt den Kopf in den Fahrtwind. Das war dann doch sehr angenehm, zudem bereinigte es meine turbulenten Gedanken. Da saß mein Traum sozusagen, einen Wagen weiter. Und ich brachte es nicht fertig… dann machte es klick. Genau, das war’s. „Wenn du ihm wirklich auf den Geist gehst, was soll es. Du wirst ihn vielleicht nie wieder sehen.“ Ich fuhr mir durch meine Haare, obwohl man von einer Frisur nach dem Angriff durch den Fahrtwind sicher nicht mehr sprechen konnte und nahm alles zusammen, was ich noch an Reserven in mir hatte. Nervös suchte ich die Eintrittskarte und marschierte erhobenen Hauptes auf das Abteil zu, in dem er saß.

Diesmal näherte ich mich von hinten, er konnte mich also erst Mal nicht sehen. Gebannt blieb ich stehen und hatte so die Gelegenheit, seine schönen Hände zu studieren. Ich holte tief Luft, stellte mich neben ihn und versuchte, so verlegen wie möglich zu erscheinen.

»Darf ich… jetzt noch mal kurz stören? Dauert nur einen Moment.«

 

Er sah erneut auf, aber ich konnte seinem Blick überhaupt nichts entnehmen. Egal, ich wollte ihn gar nicht erst zu Wort kommen lassen. »Ich bin auf dem Weg zu dem Konzert… und ich würde es ganz toll finden wenn du.. mir hier ein Autogramm drauf geben würdest. Ähm, natürlich auf dem Abschnitt den ich wieder krieg..«. Dabei hielt ich ihm die Eintrittskarte hin.

 

Der Junge sah sie an, dann mich. Und plötzlich erhellte sich das nachdenkliche Gesicht. War da so etwas wie ein Strahlen zu erkennen? Mein Herz machte kleine Sprünge. »Oh.. das.. klar, hast du was zum schreiben?«

 

Entsetzt über meine Nachlässigkeit fummelte ich in sämtlichen Taschen. Aber Kugelschreiber und der dergleichen haben immer dieselbe Eigenschaft: Sie sind nie da wenn man sie braucht. Und das war jetzt wirklich wichtig. Aber ich wusste schon im Vorfeld, ich hatte keinen einstecken. Nur, es hätte ja sein können. »Sche… ich hab nichts..« Mann war ich nervös. Und der Junge schien eine Engelsgeduld zu haben.

 

»Hm, ich auch nicht.«

 

»Das ist aber schade. Also,.. was könnte man denn da machen?«

 

»Vielleicht der Schaffner? Der war noch nicht hier.«

 

Langsam brachte ich meine vielen Fragen in eine ausgabereife Form. »Gute Idee. Aber wo kann der jetzt sein?«

 

»Weiß nicht. Da vorne, hinten, keine Ahnung. Aber ich hab vielleicht ne andere Idee. Wenn du eh schon auf dem Konzert bist, dann könnte ich es dir ja auch dort geben.«

 

Wieder Luftsprünge in meiner Brust. Diese Lösung war genial und ich hoffte, der Schaffner käme nicht.

Nur ein Abteil weiter hörte ich die besoffenen Typen herumkrakeelen. Ordinäre und vulgäre Ausdrücke schallten durch den halben Zug. Ekelhaft. An denen wollte ich auf keinen Fall vorbei und im nächsten Abteil war die Erste Klasse. Da war mir der Weg zu weit.

»Darf ich mich setzen?«, fragte ich dann folgerichtig. Er würde nein sagen wenn er es nicht wollte. Und zudem würde ich ihm jetzt genau in die Augen sehen. Da könnte man sicher auch so manches herauslesen.

 

Er nickte aber ganz selbstverständlich. »Bitte, klar.«

 

»Ähm, wieso fährst du eigentlich nicht in der Ersten Klasse? Ich mein, das hier..« Ich machte eine ausladenden Armbewegung während ich mich ihm gegenüber setzte.

 

Er lächelte. Ja, ein süßes Lächeln. »Hm, nee, das ist nichts für mich. Da sitzt man immer alleine. Und zudem, so oft fahr ich ja auch nicht.«

 

In diesem Moment brach das Inferno herein. So zumindest kam es mir vor. Ich wurde wie von einer Riesenfaust getroffen aus meinem Sitz herausgehoben und landete sehr unsanft auf dem Körper meines Gegenübers. Jede Anstrengung, mich unter Kontrolle zu bekommen, scheiterte. Begleitet wurde das alles vom hellen Kreischen der Bremsen.

Nach endlosen Sekunden herrschte plötzlich fast tödliche Stille. Der Zug stand auf offener Strecke und nur langsam wurden Stimmen laut.

Es dauerte einen Moment, bis ich die Lage überblickte. Nachdem ein Aufschlaggeräusch ausgeblieben und auch sonst anscheinend nichts in die Brüche gegangen war, wurde mein Verdacht auch schon von irgendjemand bestätigt.

 

»Was für ein Arschloch hat da die Notbremse gezogen?«, rief wer quer durch die Wagen.

 

Noch war ich nicht richtig bei Sinnen, aber eines drang dann doch durch, in eine bestimmte Stelle meines Gehirns. Die Signale, die in diesem Zentrum ankamen, waren eindeutig. Und es war fantastisch, trotz Schock. Wann war ich einem Jungen schon mal so nah gekommen, vor allem in wirklich kürzester Zeit.. Und wie das sich anfühlte. Das weiche T-Shirt.. die Arme, an denen ich mich ohne es wirklich gewollt zu haben, festkrallte. Und unfreiwillig war auch die Nähe meines Gesichts zu seinem. Sein Atem roch nach Pfefferminze.. Wie herrlich musste es sein, diese Lippen zu küssen. Und erst an dem Minzegeschmack mit der eigenen Zunge teilhaben zu dürfen.. Noch jemand nahm jetzt regen Anteil an dem Geschehen, aber das musste ich verbergen. Zum großen Glück sieht man in Anzughosen nicht immer auf den ersten Blick, wenn sich der darin befindliche Teil allzu neugierig den Dingen widmet.

Mühsam stemmte ich mich von dem Jungen hoch und ich betrachtete mir den „Prellbock“ noch einmal als Ganzes. Ein Geschenk des Himmels.

 

Der Junge saß da, noch so halb unter mir, mit weit aufgerissenen Augen sah er mich an. »Was um Himmels Willen..«

 

»Keine Bange, jemand hat die Notbremse gezogen. Nichts passiert.«

 

»Uff, das hab ich ja noch nie erlebt..«

 

Ich stellte mich wieder hin. »Hast du dich verletzt?«

 

Er tastete sich ab. »Nee, ich nicht.. aber«, sein Blick fiel auf den Geigenkasten, der unter den Sitz gerutscht war. Hastig zog er ihn hervor und während ich mich wieder langsam setzte, öffnete er das sicher uralte Behältnis vorsichtig. Und dann zog er sie heraus, diese wunderschöne Geige. »Puh, was ein Glück. Nichts passiert.«

 

»Ist sie.. sehr wertvoll?«, wollte ich wissen und merkte mir vor, dem Auslöser der Notbremse einen Kuss zu geben, wer oder was es auch immer war.

 

»Na ja, so richtig nicht. Das ist immer so ein Klischee, dass derartige Instrumente wertvoll oder alt sein müssen. Die hier ist von meinem Opa. Stammt aus dem Erzgebirge und ist erst so, na ja, ungefähr fünfzig Jahre alt.«

 

Schön und gut. Aber wollte ich das wirklich wissen? War nicht viel wichtiger, wer sie da in der Hand hielt?

 

Nervös sah der Junge auf die Uhr. »Zum Glück ist noch Zeit.«

 

»Woher kommst du eigentlich?«, fragte ich nun endlich.

 

Während er sein Instrument wieder sorgfältig verstaute erklärte er mir, dass er aus Frankfurt käme und auch dort wohnen würde. Nicht sehr weit dahin von mir aus..

 

Der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Offenbar waren es die besoffenen Typen gewesen. Ich wollte von nun an nicht mehr über den Suff und seine Folgen fluchen. Mein Dank war ihnen sicher.

 

Als der Zug langsam in den Hauptbahnhof einfuhr hatte ich so einiges über den Schnuckel erfahren. Unter anderem, dass er Nino hieß und Musik machte seit er laufen konnte. Dass er deshalb nie eine Schule von innen gesehen hatte, immer nur Privatunterricht. Genauere Sachen wollte ich noch nicht wissen, es musste einfach funktionieren dass wir uns beim Konzert, wie auch immer, noch einmal trafen.

 

»Ich werd von meinem Manager am Bahnsteig abgeholt. Also wir, ich mein wenn’s klappt, können uns nach dem Konzert treffen. Es gibt einen VIP-Bereich im ersten Stock, da sind wir immer noch so ne Stunde.«

 

»Hm, wäre schön, aber da komm ich ja nicht rein.«

 

»Musst auch nicht. Bleib beim Eingang, da sehe ich dich dann schon.«

 

Kaum hatte der Zug gehalten, war der Junge im Bahnsteiggetümmel verschwunden. Ich blieb eine Weile stehen. Logisch war das nun alles nicht. Wir hätten im Zug sicher jemanden gefunden der etwas zum Schreiben hatte und spätestens sein Manager hätte mir sicher vorgefertigte Autogramme geben können. Es konnte nicht sein, dass Nino das nicht bedacht hatte. Was war da los?

Nicht ohne einen gewissen Stolz, gepaart mit einer gehörigen Portion Zuversicht, verließ ich den Bahnhof und stieg in die Straßenbahn Richtung Theater.

 

 

Der Vorhang ging auf und mit jedem Meter den er sich hob, verdoppelte sich mein Herzschlag. Und da saß er. Jetzt wo ich ihn ein bisschen näher kannte, war es noch viel schlimmer als vorher. Seine schöne Stimme, die blauen Augen. Diesmal brauchte ich nicht zu rätseln, ich wusste es. Da, sah er grade zu mir? Nein, doch nicht. Er tauchte mit den ersten Takten wieder ab in diese Welt, die mir trotz allem fremd war. Er lebte für seine Musik, das konnte ich ganz deutlich aus unserem kurzen Gespräch heraushören.

Nun saß er da oben. Ob er mich nun doch erkannte unter all den Besuchern? Immerhin saß ich wieder ganz vorne und der Dirigent versperrte die Sicht auch nicht.

Ob er an mich dachte, so wie ich an ihn? Zugegeben, seine Bewegungen hatten feminine Züge, auffällig fast. Aber das musste schließlich nichts heißen. Nun gut, ich versuchte an nichts derartiges zu denken, wollte mich der Musik hingeben. Aber es gelang mir nicht. Ich stellte mir ihn als meinen Freund vor. Wie ich ihn begleitete um die ganze Welt. Im Rampenlicht stehen, immer neben ihm. Und die Welt hätte wissen dürfen, dass wir uns lieben. Nach den Konzerten essen gehen in den teuersten Restaurants, in Nobelhotels absteigen und mit ihm über rote Teppiche laufen wenn es Preise einzuheimsen gab. Vielleicht würde er ja schon bald ein berühmter Solist? Ich ertappte mich dabei, wie ich meine beiden Daumen drückte. Dafür, dass all das in Erfüllung gehen würde. Oder doch wenigstens der Teil, das wir Freunde werden könnten.

Er schloss wieder die Augen. Zart und doch kraftvoll bewegte er den Geigenbogen, spreizte anmutig die Finger auf den Saiten. Anmutig, das war es was zu all dem passte. Ein Traumboy eigentlich. Zu schade, wenn so was Hetero wäre.. Ich schluckte. Lagen wir nicht grade nackt in einem schönen, großen Bett? Lächelte er mich an, in der einen Hand ein Glas Sekt um einen gelungenen Auftritt mit mir zu feiern? Nur mit mir und sonst niemandem?

Auch ich machte jetzt die Augen zu, immer intensiver wurden meine Gedanken. Wie er wohl schmeckte? Wie würden sich seine Lippen anfühlen auf meinen? Unter die Gürtellinie kam ich in meinem Geist nur für Sekunden, da war eh alles reine Spekulation. Und zudem war es mir an der Stelle völlig egal wie er aussehen würde. Klar, ich hatte seine Hände nicht nur studiert weil sie schön waren. In der Regel leitet man ja auch, ob Unfug oder nicht, gern die Länge des.. Das würde schon passen, zudem musste diese Vorstellung wieder weg, meine Hose drückte plötzlich. Ich blinzelte zu ihm hin. Sah er mich wirklich nicht? Egal. Noch eine Stunde, dann würde ich ihm wieder gegenüberstehen. Und zumindest hätte ich schon ein Vorteil dem übrigen Mob gegenüber: Ich durfte ganz nah an den VIP-Bereich, vielleicht sogar hinein? Mit ihm, anstoßen.. Ein Seufzer entwich mir.

Die Stunde flog herum wie nichts und noch während der Saal wie immer heftig applaudierte, stand ich auf. Fast magische Kräfte zogen mich hinaus aus dem Saal, hinauf in den ersten Stock.

Doch schon oben an der Treppe wurde ich aufgehalten. Wo ich hinwollte und dass das kein öffentlicher Bereich sei. Ich konnte reden wie ich wollte, man ließ mich nicht durch. Es gab nicht mal eine Diskussion. Verbot für alle, basta. Und von Nino keine Spur.

 

Da stand ich nun, mit einem Schlag lösten sich meine Hoffnungen in dichten, ekligen Rauch auf. Keine Chance. Ich kannte hier sonst niemanden und zudem kam ich mir dann auch recht blöd vor. Man hielt mich doch nicht für einen kreischenden Teenie, der ob solcher Nähe zum Idol in Ohnmacht fallen würde?

Wütend und enttäuscht zugleich stieg ich die Treppen wieder hinunter, nicht ohne mich ständig umzudrehen und nach oben zu blicken. Nur Security, sonst kein Mensch.

Ein Blick auf meine Uhr mahnte dann trotzdem zur Eile, wenn ich den letzten Zug nach Hause nicht verpassen wollte.

 

Auch auf dem Theaterplatz blieb ich noch eine Weile stehen, gab es dann aber endgültig auf. Er kam nicht, niemand aus dem Ensemble war zu sehen. Nur ne Menge fremder Leute, wie immer nach diesen Vorstellungen.

Morgen war er fort. Lange Zeit. Hatte ich mir einfach nur zu viele Hoffnungen gemacht, die nicht einmal im Ansatz begründet waren? Sicher. Ich benahm mich doch wie ein Teenie, der sich solche Sachen Nacht für Nacht zusammenträumt.

 

Trotzdem hatte ich ein blödes Gefühl überall in mir, als ich in den Zug einstieg. Ein kleiner Teil meiner Träume hätte ja wahr werden dürfen.

Es war derselbe Zug mit dem wir gekommen waren, ich erkannte ihn an dem Graffiti an den Waggons. Und ich fand das Abteil.

Ich ließ mich auf dem Platz nieder, auf dem er gesessen hatte. Haftete da noch sein Geruch in dem Polster, jener Geruch der mich in der Nase kitzelte als ich auf ihn gefallen war? Nach Pfefferminze und.. so nach Junge? Blödsinn.

 

Ich lehnte mich zurück, um mich mit einem leisen Schrei sofort wieder aufzusetzen.

 

»Es war nicht sonderlich klug sich so in die Sonne zu legen«, hörte ich eine Stimme an meinem Ohr. Müde drehte ich mich um und sah einer Frau direkt ins Gesicht. Tina.

 

Es dauerte eine Weile, dann kehrte ich in die Wirklichkeit zurück. Mein Körper war schweißnass und mein Rücken brannte entsetzlich. Ich war eingeschlafen, da auf meinem Handtuch am Baggersee. Aufgewacht durch meinen eigenen Schrei..

Erschrocken sah ich auf die Uhr. Noch zwei Stunden bis das Konzert begann.. Das könnte verdammt knapp werden. Fluchend setzte sich mich auf.

 

»Danke, Tina.«

 

Die Freundin meiner Eltern sah mich sorgenvoll an. »Das sieht nicht gut aus. Ich hol gleich mal was..«

 

»Danke, nicht nötig, ich muss schnellstens nach Hause. Will auf ein Konzert und das wird eng.«

 

»Na dann kannst aber froh sein wenn du dich mit dem Sonnenbrand anlehnen kannst. Mach zu Hause wenigstens was drauf, soviel Zeit muss sein.«

 

So schnell war ich noch nie mit dem Rad wieder zu Hause wie an diesem Tag. Und ständig hatte ich die Bilder meines Traums vor Augen. Was, wenn nicht alles nur ein Traum war? Wenn er nachher wirklich in dem Zug sitzen würde.. das könnte ich mir niemals verzeihen.

 

Rasch sprang ich unter die Dusche. Anzug, Hemd, Krawatte.. dazu hatte ich weder Lust noch Zeit. Ich schlüpfte in die neuen Jeans und ein weißes T-Shirt ohne Aufdruck musste es auch tun. Schnell in die Schuhe, Kippen einstecken, Schlüssel schnappen und weg.

 

Es gelang mir gerade noch in den Wagen des Zuges zu springen. Sekunden später wäre es vorbei gewesen.

Völlig fertig ließ ich mich erst einmal in einen Sitz fallen. Verschwitzt, außer Atem. Autsch, bloß nicht anlehnen. Klasse, genau das was ich jetzt brauchte. Aber es war nichts zu machen, basta und Ende.

Nach einigen Minuten stand ich auf. Ich musste mich vergewissern, dass der Nino, falls er so hieß, im Zug war oder eben nicht. Natürlich glaubte ich nicht wirklich daran, aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Es dauerte nur wenige Minuten bis ich wusste, dass er nicht in dem Zug war. Blödsinn an so etwas zu glauben, dafür war der Traum bis auf das Ende eben viel zu schön um wahr zu sein.

Mein Rücken spannte nicht nur, er tat auch höllisch weh. Ob das dieser Traum wert gewesen war? Ich wollte es lieber nicht wissen.

 

Der Zug fuhr im nächsten Bahnhof auf ein Nebengleis. Man würde auf eine Überholung warten, es käme deshalb zu einer kurzzeitigen Verspätung, hieß es dazu nur lapidar. Diese Überholung kam einfach nicht, immer öfter fiel mein Blick auf die Uhr. Erstaunlich wie schnell die Zeit vergeht, wenn man davon nicht viel hat.

Zunehmend nervös geworden rauschte der Schnellzug schließlich doch noch vorbei und die Fahrt ging weiter. Zum Glück wurde dann wenigstens nicht auch noch die Sache mit der Notbremse wahr.

 

Warum standen so viele Leute an der Straßenbahnhaltestelle des Hauptbahnhofs? Ohne den Grund zu kennen ahnte ich das nächste Unheil. Strom weg, Unfall irgendwo, vielleicht ein Streik. Zum Theater waren es gut zehn Minuten, wenn man einen Sprint hinlegte. Gut, ich bin nicht unsportlich, aber bei der immer noch drückenden Hitze war das kein leichtes Unterfangen. Trotzdem, ich durfte nicht zu spät kommen, zu schnell saß dann jemand auf meinem Platz..

 

Total kaputt kam ich schließlich vor dem Theater an. Meine Lungen waren leer, sie brannten wie mein Rücken und die Zunge klebte in meinem Gaumen fest, genauso wie mein Shirt auf der schweißnassen Haut.

Da standen sie, alle schön angezogen. Keiner, aber auch keiner trug annähernd Klamotten wie ich. Zweifel stiegen auf, ob sie mich überhaupt so hineinlassen würden. Das hätte dann wenigstens etwas mit dem Traum gemeinsam. Ich griff in meine Hosentaschen und noch während ich das tat, sah ich die Eintrittskarte vor meinem geistigen Auge auf dem Schreibtisch liegen. Vorsichtshalber in Gemeinschaft mit einem Kugelschreiber.

Okay, nicht aufregen, sagte ich mir. Das ist schief gegangen und das hatte so kommen müssen. Schicksal bezeichnet man das im Allgemeinen. Ganz einfach. Eine Karte zu bekommen war unmöglich, es würde auch nichts nützen zu sagen, die Nummer 13 wäre mein Platz… 13, natürlich.

Ich setzte mich auf einen der Betonklötze auf dem Vorplatz und steckte mir eine Zigarette an. Wenigstens hatte ich an die gedacht.

Langsam leerte sich der Platz, die Leute strömten jetzt hinein. Da, hin zu meinem Schnuckel, der von mir überhaupt nichts wusste und ich doch soviel von ihm..

Ich ging langsam zu den großen Fensterscheiben, wo auf vielen Plakaten die Aufführungen der nächsten Zeit angekündigt wurden. Da hing auch das mit dem Orchester. Nahe ging ich ran, ganz nahe. Aber mein Schnuckel war nur sehr undeutlich zu erkennen, außerdem wurde die Hälfte seines Gesichts vom Dirigenten verdeckt. Schon wieder..

Zu grübeln, was und warum das alles daneben gegangen war, hatte ich dann keine Lust mehr. Fast drei Stunden blieben mir bis der letzte Zug fuhr und vorher wollte ich gar nicht zurück. Geld hatte ich nicht viel mitgenommen, aber für zwei oder drei Bier reichte es.

„Cafe Ballerina“. Genau, nur ein paar Minuten weg. Ich war früher öfter in diesem Schwulencafe. Da war keine Anmache angesagt, einfach nur draußen sitzen und die Leute beobachten.

 

Kurz darauf saß ich aufrecht auf einem der Stühle, anlehnen war wirklich nicht möglich. Ich nahm auch das gelassen, das war eben nicht mein Tag. Schließlich wäre es bestimmt kein Vergnügen gewesen, zwei Stunden aufrecht in dem Theater zu sitzen.

 

Mir fiel ein Reisebus auf der Rückseite des Theaters auf, dorthin hatte man von hieraus einem guten Blick. War das vielleicht der Bus, wo die Musiker.. ?

 

Ich sah auf die Uhr. Verdammte Zwickmühle. Wenn die wirklich noch in den VIP-Bereich gehen würden, konnte ich es mir schminken. Dann hätte ich keine Chance, wegen meinem Zug. Aber nun – das hatte ich ja nur geträumt. Vielleicht fuhren sie ja gleich nach der Veranstaltung weg, immerhin mussten sie Morgen schon in der nächsten Stadt auftreten. Ich rechnete mir aus, wie lange ich hier warten konnte. Nun gut, wenn sie bis dahin nicht herausgekommen waren.. c’est la vie!

Hätte ich mich doch nur bequem hinsetzen können. So lümmelte ich eher auf meinem Platz herum und trank das eiskalte Bier. Es war ja noch viel Zeit.. während der langsam Zweifel an meinem Tun aufkamen. Was sollte das eigentlich alles? Gut, ich könnte ihn tatsächlich um ein Autogramm bitten. So tun, als wäre es reiner Zufall dass ich an ihn geraten war. Und dann? „Du spinnst. Der steigt ein und fährt weg. Das war’s dann“, kam die böse Stimme wieder. Aber sie hatte recht.. „Und wenn er schwul ist und sich auf der Stelle dort in dich verliebt? Was dann?“, sagte die gute Stimme. Ich musste kichern, wozu ich meine Hand vor den Mund hielt. So ein ausgeprägter Schwachsinn. Verlieben, der, ausgerechnet in mich.. Selten dämlich.

Ich bestellte das nächste Bier, nach einem Dritten würde mir das alles mit Sicherheit Schnurzpiepegal sein.

„Hallo“, meldete sich die böse Stimme wieder, „ist da oben vielleicht jemand zu Hause? Wo lebst du eigentlich?“ Ja, ja, in einer Traumwelt. Hatte mir ein Luftschloss gebastelt in den letzten drei Tagen. Unfug zusammengereimt und sogar schon lebhaft geträumt. Was sollte ich am Ende mit einem Autogramm? Auf einer Visitenkarte womöglich, nicht mal ein Foto von dem Kerl.. Die Sache wurde schließlich immer abstruser. Ich ignorierte mittlerweile den Bus, war doch alles egal. Und außerdem.. wieso jagte ich quasi einem Phantom hinterher? Es gab doch genug andere Schnuckis, vor allem saßen davon jetzt ein paar in dem Cafe. Aber immer Pärchen, keiner war davon alleine hier. Nur ich, wie immer.

„Hihi. Weißt du woher das kommt?“, meinte die gute Stimme. „Weil du immer rechtzeitig die Flinte ins Korn geworfen hast. Jetzt reiß dich mal zusammen. Auf einen Versuch solltest du es ankommen lassen. Zu verlieren gibt’s nichts. “ „Jau, so ist’s. Und wie kommst dann Heim? Zu Fuß?“ Die böse Stimme hatte wieder Recht. Ein Blick auf die Uhr. Wollte ich den Zug erreichen, konnte ich mich noch genau eine halbe Stunde hier herumdrücken. Und in die passte das dritte Bier.

Vielleicht wäre ich ja noch zur Vernunft gekommen, aber der Alkohol in Verbindung mit Hetze und Hitze und dann diesen Boy vor Augen – das zeigte alles eine gewisse Wirkung. Trotz meiner etwas unbequemen Lage setzte ich mich also erst mal richtig fest. Das Cafe wurde immer voller, was um diese Zeit völlig normal war. So fand ich dann auch Ablenkung, allein durch schauen und horchen. Aber die Themen der Jungs um mich herum waren belanglos, nichts was mich beschäftigt hätte. Dass auch noch zwei so Schnuckel an meinen Tisch kamen und höflich um Platznahme baten, war mir dann auch egal. Neid kam auf, das gebe ich zu. Und mit Alk im Kopf hat man sehr schnell wirre Vorstellungen da oben. Was die nach dem Besuch hier wohl anschließend treiben würden? Lecker gerochen haben sie auch, weiß der Geier nach was. Zitrone oder so.

Fast schon reflexartig fiel mein Blick dennoch immer mal wieder rüber, zu dem Bus. Das dritte Bier stand vor mir und in einer Viertelstunde war der ganze Zauber aus.

Ich zahlte vorsichtshalber, die Kellner kamen ja auch nie zum kassieren wenn man dringend wegmusste. In Anbetracht der knappen Zeit zog ich das Bier in einem Zug leer, was von meinen beiden Tischnachbarn doch recht argwöhnisch beobachtet wurde. Aber zu dem Zeitpunkt war mir das dann schon wirklich egal. Ich fühlte mich nicht nur angesäuselt, das war schon ein halber Schlag.

Ich spürte ihn so richtig als ich aufstand um allmählich Richtung Heimat zu pilgern. Den Jungen, wie hieß er noch? Nino? hatte ich schon in der Schublade „abgehakt“ verstaut. Nichts war’s mit Schicksal. Nicht mal ein lumpiges Autogramm.

Ich rückte den Stuhl unter den Tisch, wünschte den beiden da noch einen schönen Abend und lief langsam los. Schwankte ich schon? Nein, noch nicht wirklich. Aber richtig sicher fühlte ich mich auch nicht mehr auf den Beinen.

In dem Augenblick wo ich noch ein letztes Mal zu dem Bus hinüber sah, nahm ich Bewegungen wahr. Irgendwas tat sich dort. Schnell noch einen Blick auf die Uhr und okay, ich konnte es mir leisten, hinten am Theater vorbei zur Straßenbahnhaltestelle zu laufen.

Also steuerte ich geradewegs auf den Bus zu und mit jedem Meter den ich ihm näher kam, bemerkte ich mehr Leben in der Ecke dort. Menschen, Leute, wie auch immer, strömten aus dem Hinterausgang. Sekunden später wurde mir klar, dass sie es waren. Das Ensemble. Sind sie doch nicht in den VIP-Bereich. Ich wusste im Moment nicht, ob das gut oder schlecht sein sollte. Gut, weil ich diesen Jungen jetzt doch noch einmal sehen würde, schlecht, weil mir die Zeit davonlief. Ich hatte keine Alternative zum Zug, ich musste den erwischen.

Ich beschleunigte meine Schritte und vernahm erste Stimmen. Wieso waren die so hektisch? Und laut zeitweise? Hörte sich an wie Streit oder zumindest eine Diskussion. Ohne mich davon ablenken zu lassen, steuerte ich schnurstracks auf die Leute zu, die jetzt in einer großen Gruppe dort standen. Jeder hatte einen Kasten bei sich, die unmöglichsten Formen hatten die Dinger. Meine Augen suchten in der Dämmerung jenes Gesicht, auf dessen Eigentümer meine ganze Aufregung diesen und der letzten Tage lastete. Aber ich sah ihn nicht. Sollte ich wirklich dahin, bis ganz nah? Ein paar Typen sahen aus wie Security, die würden mich bestimmt rechtzeitig abfangen. Ich tat so, als wäre ich völlig zufällig auf diesem Weg, das war schließlich nicht verboten.

Und dann sah ich ihn. Er stand im Mittelpunkt der Gruppe und fuchtelte mit den Armen, er war es auch, der so laut gestikulierte. War da was passiert? Musste wohl. Ich verlangsamte meine Schritte, die beiden Sicherheitsmenschen dabei nicht aus einem Auge lassend. Aber die hörten nur dem Manöver dort zu und beachteten mich gar nicht. Langsam kam ich näher, der Platz war nun durch helles Scheinwerferlicht an der Fassade ausgeleuchtet. Ich hatte den Jungen jetzt genau im Blickfeld – und musste mit ansehen, wie er seinen Geigenkasten mit aller Wucht zu Boden schmetterte. Erschrocken blieb ich stehen. Der Junge heulte, zumindest war das auf die Entfernung mein Eindruck. Jetzt kamen auch Zwischenrufe der anderen, einer ging zu dem Jungen hin und wollte ihn scheinbar beruhigen. Aber das schien irgendwie nicht zu klappen, mein Engel stieß ihn mit zornigen Worten beiseite.

Und dann lief der Junge los, bahnte sich einen Weg durch die Gruppe – und ging genau auf mich zu. Er schien sein Umfeld gar nicht wahrzunehmen, sein Blick war starr auf den Boden gerichtet. Na ja, und dann blieb mein Herz beinahe stehen. Mit jedem Meter, den er auf mich zukam wurde meine Atemluft knapper. Er sah mich immer noch nicht, bis er praktisch vor mir stand. Abrupt bremste er seinen Schritt, blieb einen Moment vor mir stehen und sah mich an. Oh Gott, er sah mich an. Augenfarbe nicht erkennbar, weil es an dieser Stelle schon ziemlich düster war. Aber die Haare, das Gesicht, die Figur.. Dafür musste es gar nicht hell sein. Sein Gesicht glänzte von den Tränen und der Blick verriet sowohl Wut, Verzweiflung, Zorn, Traurigkeit. Alles zusammen.

 

„Aha. Und jetzt? Willst ihn anmachen oder was?“ höhnte die böse Stimme. „Dein Zug, Freundchen. Und vergiss den da, der will von dir nichts.“

„Du musst ja nicht gleich fragen was er hat, das geht dich erst Mal nichts an. Frag ihn nach der Uhrzeit, einer Zigarette, nach dem Weg. Irgendwas. Nur dumm dastehen macht sich nicht gut“, fiel die gute Stimme ein.

 

Wieso ging der eigentlich nicht einfach an mir vorbei? Noch immer standen wir da wie die Ölgötzen.

 

Ich gab meinem Herz einen Stoß, folgte meiner neutralen Stimme. »Ähm, geht es dir nicht gut?« Immerhin, er konnte darauf in verschiedensten Variationen antworten. Schlimmstenfalls halt gar nichts sagen oder mich anpöbeln wie die anderen da drüben.

 

»Nein«, antwortete er reichlich trotzig. Eine schöne, warme Stimme, au weia. Und in seinen feuchten Augen spiegelten sich die Lichter der Stadt. Meine Güte, was war der Junge hübsch. Und das hatte nichts mit dem Bier zu tun, mit dem man sich ja ab einer gewissen Menge auch jemanden schön saufen konnte. Der war so oder so erotisch, geheimnisvoll.

 

»Kann ich dir.. vielleicht helfen?«

 

»Nein.«

 

Noch immer stand er da, sah aber jetzt an mir vorbei, so wie mir schien, völlig ins Leere. Was sollte ich jetzt noch machen? Er hatte eindeutig nein gesagt. In jeder Sekunde scannte ich sein Gesicht. Wie eben und gleichmäßig. Alles stimmte daran. Die Ohren, die Nase, die Augen sowieso. Und lange Wimpern hatte er auch. Den Anzug, na ja, den würde er schließlich nicht immer tragen, auch wenn er selbst darin eine gute Figur machte.

Jetzt sah er mich wieder an. Gleich würde er mich wegjagen oder ohne ein weiteres Wort weiterlaufen. Oder mich zusammenfalten dass ich ihn endlich in Ruhe lassen soll. Es war die gleiche Situation wie im Zug..

Er zog die Nase hoch, was mich zur sofortigen Gegenreaktion verleitete. Ich zog augenblicklich ein Taschentuch aus meiner Jeans, auch wenn’s schon etwas krumpelig war. Wenigstens nicht gebraucht.

 

Er sah es an, dann mich, dann wieder in meine Hand und schließlich nahm er es. »Danke.«

 

Uff, ein ganz winziger Schritt in meine Richtung. Aber es konnte immerhin alles gewesen sein. Er wischte sich erst über sein Gesicht und dann schnäuzte er herzhaft. Mein Blick ging an ihm vorbei zu der Gruppe hin. Die standen noch immer da, diskutierten untereinander, hin und wieder sah der eine oder andere zu uns herüber. Aber keiner setzte sich in Bewegung, auch die Sicherheitsfuzzis ignorierten uns beide.

Der Junge steckte das Taschentuch ein. Wieso blieb er immer noch stehen?

 

„Dein Zug ist weg, nur damit ich’s gesagt hab.“ Die böse Stimme hatte Recht, das war’s dann. Aber damit war nun eh alles egal. Es war warm, ich hatte nichts zu versäumen, eine Nacht würde ich mir bis zum Frühzug schon um die Ohren schlagen können. Schade nur, wenn das wegen diesen paar Minuten passieren müsste.

 

»Kann ich dir nicht irgendwie… helfen?«

 

Er sah mich an, mit diesen wunderschönen, wenn auch traurigen Augen. Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht, aber es sah ziemlich gequält aus. »Ich wüsste nicht, wie.«

 

»Hm, wenn ich wüsste was passiert ist, wer weiß…«

 

Jetzt stieg wieder der volle Zorn in sein Gesicht. »Was passiert ist?« Das war dann eine ganze Stufe lauter. Erschrocken wich ich ein Stück zurück. Er zeigte mit dem Arm hinter sich, ohne seinen Blick von mir zu wenden. »Da, diese unfähigen Tölpel.«

 

Ich folgte mit meinem Blick seinem Arm in die Richtung. Wen meinte er damit? Das Ensemble?

 

»Da legt man einmal, für ein paar Sekunden nur, seine Sachen hin und schon… ich fass es einfach nicht.«

 

»Was ist denn passiert?«

 

Sein Blick schien zu fragen, ob ich Hörprobleme hätte. Wahrscheinlich dämmerte ihm dann aber, dass ich nicht hellsehen kann. Er wurde noch ein Tick lauter. »Die.. die.. ach.« Er winkte ab.

 

„Frag ihn jetzt nichts. Wenigstens nicht um was es da geht. Er ist wütend und das kann leicht auf dich überschlagen, auch wenn du nichts damit zu tun hast.“ Oh nein, gute Stimme, ich werde mich hüten. Aber was bitteschön schlägst du vor? Händchenhalten vielleicht?

Dummerweise waberte der Alkohol in meinem Kopf herum, das dritte Bier begann seine ganze Wirkung zu entfalten. Im Nachhinein war es vielleicht ganz gut, denn anders hätte ich keinen Plan mehr gehabt. So war ich etwas mutiger als sonst.

 

„Komm auf die doofe Tour.“ Gut, also dann.. »Also, im Grunde geht es mich wirklich überhaupt nichts an, aber ich hab gesehen dass du irgendwas da vorne aufn Boden geschmettert hast.. Gab’s da einen Grund dafür?«

 

Er sah mich an und verrollte irgendwie seine schöne Augen. »Sag mal, bist du betrunken?«

 

Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Er ging gar nicht erst auf meine Frage ein, sondern mischte sich in meine Privatangelegenheit. Aber gut, sollte er haben. »Nicht ganz. Aber wenn man verabredet ist und diese Person einfach nicht kommt, dann kann schon passieren dass man wütend ist und…«

 

Er hob beide Hände. »Schon gut, schon gut, ich wollt dir nicht zu nahe treten. Außerdem, ich bin reichlich durch den Wind.«

 

Oh, ein neuer Zug dieses Schnuffis kennen gelernt. Er gab alles zu und wollte mich nicht anmachen. Das gab viele Punkte für ihn. »Also sehe ich das jetzt so, dass wir beide nicht in der allerbesten Laune sind«, log ich, denn ich war durch dieses Gespräch hin und weg, trotz seiner Frage eben. Roch er nicht doch nach Pfefferminze? Ich grinste kurz. Immer noch standen wir da wie bestellt und nicht abgeholt.

 

»Ähm, ich würde dich ja gern zu einem Kaffee oder so einladen, aber ich hab mein bisschen Geld da drüben gelassen und dann weiß ich ja auch nicht ob du Zeit und Lust hast.« Ich merkte meinen Fehler erst, als ich ihn begangen hatte, denn ich zeigte bei „da drüben“ auf das Ballerina. Zum Glück konnte er nicht sehen, dass ich ne richtige Ampel bekam. Dem Gefühl nach garantiert leuchtend rot. Er sah hinüber zu dem Cafe, dann auf mich. Was würde gleich passieren? Scheiße, nicht mal ein Autogramm würde er mir jetzt noch geben, sofern er wusste was das mit dem Cafe auf sich hat.

 

»Ja also.. ich brauch was Stärkeres als Kaffee.«

 

Was sollte ich jetzt machen? Warum verdammt noch mal ging das hier nicht vorwärts? Wir redeten und redeten, ich musste allmählich ganz dringend ein Klo aufsuchen, mein Mund war logischerweise auch schon wieder trocken und dabei hatte ich noch drei oder vier Cent einstecken. Und ganz wichtig, mein Zug war weg. Allerdings, das war nun nicht mehr wirklich wichtig, nichts zu ändern.

 

»Okay, komm, ich gebe einen aus«, sagte er plötzlich und stiefelte schnurstracks auf das Ballerina zu. In einem Meter Abstand folgte ich ihm, ständig auf der Hut was passieren würde wenn er die Typen dort sitzen sah. Wenn er nicht auf dem Mond aufgewachsen war, müsste er schon jetzt erkennen was es mit dem Laden auf sich hatte. Weil sich da nämlich zwei Jungens grade herzhaft am küssen waren. Mein Magen wollte von zu unterst nach zu oberst, mir wurde wirklich etwas schlecht. Erst mal, er wusste dann sofort was bei mir Sache war und dann.. „Wart ab was er macht.“ Was sollte er schon machen? Ich wartete wirklich jede Sekunde drauf dass er stehen blieb, mir vielleicht den Vogel zeigte und mich dann einfach stehen ließ. Aber das tat er nicht.

Als wir vor dem Cafe standen starrte er kurz auf die beiden Jungen, die ihre Lippen bis dahin noch immer nicht auseinander gebracht hatten.

 

»Könnt man auch ein bisschen diskreter machen«, flüsterte er mir zu.

 

Aha, abzuschrecken schien es ihn wenigstens nicht. Noch ein Punkt auf seine Liste. Ich sagte ihm vorsichtshalber nicht, dass mir das sehr gut gefiel und ich das mit ihm auch gern mal machen würde.

Just trennten sich die beiden Siamesische Zwillinge und gingen Händchen haltend von dannen.

 

Ohne Kommentar setzte sich der Junge auf einen der frei gewordenen Stühle und ich mich erst mal daneben.

 

»Oh, hast du es im Kreuz?«, fragte er besorgt, nachdem er merkte dass ich dasaß als hätte ich einen Besenstiel unterm Shirt.

 

Ich lächelte gespielt gequält. »Nee, Sonnenbrand.«

 

»Autsch«, sagte er nur mitleidig und nahm die Getränkekarte.

 

Ich blieb einfach mal so sitzen. Jetzt die andere Karte zunehmen und studieren, mit welchem teuren Getränk ich ihn schröpfen konnte – das wollte ich ihm nicht antun.

 

»Was möchtest du?«, fragte er dann und sah mich wieder so lieb an. Der wusste doch wo wir hier waren, oder? Ich sah mich noch einmal kurz um. Oh ja, man musste blind wie ein Maulwurf sein wenn man das nicht sah. Die meisten Typen waren voll gestylt und die Gestik und Mimik und das Gekiekte zwischendrin.. Nun gut, vielleicht war es ihm ja auch nur egal.

 

»Also ich bleib beim Bier.. «

 

Sah er mich grade skeptisch an? Egal, er hatte gefragt und ich geantwortet.

 

Er nickte und winkte den süßen Kellner an den Tisch. »Ein Martini trocken und n Bier.«

 

Jetzt saßen wir da. Er sah mal zu mir, dann ins Cafe, wieder die Straße hinunter. »Wolltest du dich hier mit jemandem treffen?«

 

„Brauchst nicht lügen, er weiß alles.“ Danke, gute Stimme. Wenn dem nur mal so wäre.

 

»Ja.«

 

»Aha.«

 

Meine Güte, zum Teufel mit diesem Versteckspiel. Er würde jetzt nicht einfach davonlaufen. Er weiß es, garantiert. Spätestens..

 

»Hat nicht mal angerufen?«, wollte er jetzt wissen.

 

Ich schüttelte nur den Kopf. »Ich muss mal dringend…«

 

»Klar.«

 

Ich stürmte in das Cafe und knallte die Klotür hinter mir zu. Dann lehnte ich mich laut ausatmend an die Wand. Mein Gott, was für ein Spiel trieb dieser Hase da mit mir? Nur ganz langsam wagte ich einen Blick in den Spiegel. Na ja, gestresst sah ich schon aus. Ziemlich sogar. Ich schnüffelte an meinem T-Shirt, aber es roch nicht abartig.

Meine kleine Notlüge würde er nie rauskriegen, damit war ich schon zufrieden. Die Frage war jetzt nur, wie es weitergehen sollte. Allmählich machte ich mir doch Gedanken um eine nächtliche Unterkunft. Dumm gelaufen.

Mein Schwanz blieb ganz artig, obgleich ich in der momentanen Ruhe feststellen musste, dass mich der Junge, dessen Namen ich immer noch nicht kannte, doch ganz schön rattig gemacht hatte.

 

Als ich zurückkam und mich setzte, hatte er sein Handy am Ohr und ich horchte völlig zufällig mit.

 

»Das ist kein Witz«, fauchte er in das Telefon und nun sah ich, dass er am rauchen war. Auch recht. Noch ein Punkt.

»Nein, vergiss es. Ohne Margie fahr ich nicht, ausgeschlossen. Nein, nein.. nun hör doch.. Arsch«.

 

Das letzte Wort sagte er wohl, als das der Anrufer nicht mehr hören konnte. Oder doch? Egal, ging mich nichts an. Das heißt, eigentlich schon. Denn wer zum Kuckuck war Margie? Und außerdem, der Junge schien richtig zornig werden zu können.

Er hob ohne ein Wort sein Glas und hielt es zu mir hin. Ich stieß mit ihm an und nahm einen kräftigen Schluck. Das leichte Geschwummse in meinem Kopf hatte schon wieder nachgelassen, es dürfte also nichts weiter passieren.

 

»Sag, mal, wie heißt du überhaupt? Ich mein, wir sitzen hier und du hast einen ausgegeben, wofür ich auch mal Danke sagen will.« Ein bisschen Höflichkeit, wenn auch total übertrieben, konnte es nicht schlechter machen.

 

»Angelo«, antwortete er.

 

»Ralf.«

 

Erneut stießen wir an. Also doch nicht Nino, aber irgendwie gab’s da im Hinterkopf einen Zusammenhang. Egal, ich fand den Namen sehr südlich und passend zum Eigentümer war er allemal.

 

Er lehnte sich zurück, faltete seine Hände auf dem Schoß und schien zu grübeln. Sollte ich da jetzt was dazu sagen? Besser nicht.

 

»Dein Bekannter kommt scheinbar wirklich nicht?«, fragte er plötzlich. Zum Teufel mit dieser Erfindung.

 

»Nein, ganz sicher nicht. Und was ist mit dir? Ich mein, was war denn da drüben los?«

Allmählich taute das Eis ein wenig, da wollte ich ein paar Schritte schneller gehen. Wer weiß, wann der auf einmal aufsteht und Tschüs sagt?

 

Er setzte sich auf und lehnte sich über den Tisch, wobei er mir mit seinem Gesicht gefährlich nahe kam. Doch Pfefferminze? Ich sog die Luft ein um das zu prüfen, aber ich schnupperte nur seinen warmen Atem. Wie gut das tat..

 

»Ich hab nach der Aufführung meine Geige auf so ne Kommode abgelegt, wollte mit unserem Leiter noch kurz was besprechen. Kaum hab ich mich umgedreht, kommt so n blöder Arsch mit ner Riesenlampe angedampft und bleibt mit dem blöden Ding an meinem Geigenkasten hängen. Ist ja nicht schlimm eigentlich, aber ich hatte den Kasten noch nicht geschlossen. Prompt fliegt er auf den Boden, die Geige fällt raus und der Idiot trampelt voll drauf. Der hat zusammen mit dieser Lampe bestimmt ne Tonne gewogen und das war’s dann auch.«

 

Ich versuchte ein entsetztes Gesicht zu machen. „Eins und eins, Ralf. Nicht dumm daherreden jetzt.“

»Oha. Und jetzt? Ich meine, was ist mit der Tournee?«

 

Er sah mich entgeistert an. »Woher weißt du das denn?«

 

Sollte ich jetzt alle Karten auf den Tisch da legen? Angefangen von der CD über den schnöden Traum bis zu dieser Stelle? Warum nicht? DAS war immerhin nicht gelogen.

 

»Also, offen gestanden, ich war schon drei Mal auf dem Konzert. Heute wollte ich auch noch mal rein, aber irgendwie ist alles schief gelaufen. Hab unter anderem das Ticket zu Hause liegen lassen.«

 

Er sah mich an wie einen Flaschengeist. »Du warst auf den Konzerten?«

 

»Hab ich ja grade gesagt. Mir gefällt diese Musik, ich hab auch eure CD. Und deshalb weiß ich auch das mit der Tournee.« Das kam nicht ganz ohne Stolz. „Sag dass du wegen ihm da warst. Dann kannst mal sehen wie der guckt“, dröhnte die böse Stimme. „Würde dir so passen. Sag nix“, meinte die Gute.

 

»Wirklich?«

 

»Klar, deswegen bin ich ja auch hier in der Stadt, ich wohne Außerhalb.«

 

»Ah, und dein Bekannter wollte auch mit oder wie?«

 

Stahl hätte man schmelzen können mit der Hitze, die plötzlich in mir aufstieg. Aber ich konnte dazu schließlich nicht schweigen. »Ähm, nein, der wollte sich mit mir treffen weil ich ja nun nicht rein konnte«, log ich in der Hoffnung, es würde Glaubwürdig klingen.

 

Er lachte mich plötzlich an und schüttelte den Kopf.

 

»Ähm, was ist grad so Lustig?« Ich fragte mich ob er mich nun an- oder auslachte.

 

»Es ist zu komisch wie du dasitzt.«

 

Gut, es tat höllisch weh, zumindest wenn ich mich aus Versehen anlehnte, aber das ließ ich ihm nach. Denn dieses Lachen war ansteckend. Man konnte seine schneeweißen Zähne sehen und die Grübchen in seinen Wangen. Allerliebst dieser Bengel und almmählich kehrte der Grund zurück, warum ich überhaupt hier war. Wegen ihm.

 

»Du hast gut lachen. Das ist nicht grad angenehm.«

 

»Entschuldige.«

 

»Aber du wolltest noch was sagen, wegen der Tournee, mein ich.«

 

»Ja, die ist gelaufen. Also für mich zumindest. Ohne meine Geige geht’s ja wohl nicht.«

 

»Und eine andere tut es nicht?«

 

Sein Blick wurde nun eher finster. »Das meinst du nicht im ernst, oder? Ich würde meiner Margie niemals untreu. Na ja, abgesehen davon, so wirklich gefreut hat mich die Tournee nicht.«

 

»Aha. Und… warum nicht?« Er würde mir sagen wann ich ihm zu intim würde und ein kleiner Freudensprung kam nach, weil Margie offenbar seine geliebte Geige war. Müsste ihn gelegentlich fragen wie sie zu diesem Namen kam.

 

»Private Angelegenheiten«, antwortete er lapidar und nippte an seinem Glas.

 

So konnte man auch sagen, dass man nicht mehr preisgeben wollte. Ich verstand jedenfalls sofort.

 

Er sah auf die Uhr, was mich auf der Stelle unruhig werden ließ. »Musst du gehen?«

 

»Ich muss nichts, eigentlich. Nicht mehr. Die Tour hab ich abgesagt, und deswegen ist da erst mal nichts was mich zu irgendwas zwingen würde.«

 

Das beruhigte mich. »Ich hab leider meinen letzten Zug verpasst..«, brachte ich dann so locker ins Gespräch.

 

»Oh, und jetzt?«

 

Als Antwort zog ich nur die Schultern hoch.

 

»Wo gehst du denn dann hin, ich mein die Nacht über? Oder fährst mit dem Taxi.. ach so, ich vergaß, du hast je keine Kohle mehr.«

 

»So ist es. Ich such mir ein lauschiges Plätzchen unter der Brücke.«

 

Er grinste bis über beide Ohren. »Im Ernst jetzt?«

 

Hoppla. Er machte sich Sorgen. „Dann jammere mal ordentlich. Drück ihm auf die Tränendrüse. Und mach hin, bevor er geht.«

 

»Nee, ist so. Ich kenn hier niemanden und kostenlose Logis gibt’s in der Stadt auch nicht.«

 

Er hielt den Kopf schief, stütze ihn mit beiden Armen auf dem Tisch ab und musterte mich. Wie schön es doch ist, von so einem süßen Bengel angestarrt zu werden. Diese Augen, diese Lippen. Jetzt fielen mir die äußerst erotischen Mundwinkel auf. Sie schrieen „küss mich“ ohne Ende. »Vielleicht bei der Heilsarmee?«

 

Ich merkte, dass er mich aufzog und spielte mit. Es machte Spaß sich mit ihm zu unterhalten und ich fühlte ziemlich deutlich, dass die Schwärmerei umzuschlagen begann. »Hm, ja, die haben sicher auch noch ne Suppe für einen armen Tropf wie mich.«

 

Er lachte und winkte den Kellner zu uns. Meinte er das am Ende wirklich ernst? Sollte ich mich am Hauptbahnhof tatsächlich bei denen melden? Es hätte mir nichts ausgemacht, schließlich ist irgendwann immer das erste Mal.

 

Er zahlte und stand auf, dabei grinste er in mein verdattertes Gesicht. »Was ist, willst du vielleicht hier übernachten?«

 

»Ähm.. nee, eigentlich..«

 

»Ja dann komm.«

 

»Wohin?«

 

»Mit mir, was denn sonst?«

 

»Und dann?«

 

»Mein Gott, wir haben einen alten Kohlekeller, da wird sich ein Platz für dich finden.«

 

»Du meinst..« Mir drehte sich plötzlich alles, was nicht nur vom Alk kam.

 

»Nun mach, ich hab Hunger und wenn wir hier noch ne Weile rumhängen brauchen wir gar kein Bett mehr.«

 

Was sagte er eben? Bett? Wir? Mir wurde immer komischer. Was hatte der vor? Wir kannten uns eine Stunde höchstens und er lud mich so quasi zu sich ein. Nun, wie auch immer, ich versuchte dann auch gar nicht weiter zu fragen. „Geh mit, du Trottel, und halt um Himmels Willen die Klappe.“

 

Ich schlich mehr oder weniger hinter ihm her.

 

»Sag mal, hast du es auch mit den Füßen?«

 

»N… nein, eigentlich…«

 

Er schüttelte nur den Kopf und schließlich ging ich neben ihm her.

 

Wir liefen zu den Parkplätzen, die nur für Künstler und Bedienstete des Theaters vorgesehen waren.

 

»Deine Kumpels sind wohl schon alle weg, wie?«

 

»Das sind Kollegen, bestenfalls. Klar, die müssen morgen früh um fünf losfahren.«

 

»Und dir macht es echt nichts aus hier zubleiben?«

 

»Nee, das tut es nicht«, antwortete er und nestelte in seinen Taschen. Schließlich klimperte ein Schlüsselbund in seiner Hand.

 

Ich fragte ihn nicht wie viel ein junger Musiker verdient, schwor mir aber auf der Stelle, ein solcher zu werden wenn man sich dann so einen Wagen leisten konnte.

 

»Nobel«, entwich es mir dann auch nur, als ich auf dem Beifahrersitz Platz nahm.

 

»Gehört meinem Vater«, sagte er nur und startete die was weiß ich wie viel PS.

 

Ich hoffte nur dass er wusste, wie man tief fliegende Flugzeuge durch die Stadt steuert. Aber er wusste es. Immer wieder sah ich neben mich, ließ meinen Blick über diesen Körper schweifen. Allerdings muss ich zugeben, dass mir dieser Anzug von ihm mehr und mehr auf den Wecker ging. Der verriet eigentlich doch nichts. Vor allen Dingen – mein Blick ging in untere Regionen des Objekts meiner allmählich ansteigenden Begierde – dort unten. Da sah ich aber nichts. Gar nichts. Wie fein doch enge Jeans.. Ich spürte, wie mich der Junge nervös zu machen begann. Wo fuhr er mich denn überhaupt hin? Und vor allem, warum? Normalerweise hätte ich ihn nach dem schmucken Auto ausfragen sollen, da gab’s jede Menge Gesprächsstoff. Aber die Karre juckte mich nicht. Nur der, der sie fuhr. Und der schwieg. Sah hinaus in die beleuchtete Stadt, fummelte eine Zigarettenschachtel aus der Jackentasche und hielt sie mir hin.

 

»Steckst mir eine an? Kannst dir auch eine nehmen.«

 

Warum zum Teufel zitterten jetzt meine Hände? Ich suchte mein Feuerzeug, zündete zwei Kippen an und dann steckte ich eine frech direkt in seinen Mund. Okay, hatte ich bis dahin schon öfter mal gemacht, aber als er die Lippen spitzte um den Kippen in Empfang zu nehmen, da rastete ich beinahe aus. Spielte dieser unverschämt hübsche Bengel nur mit mir? Waren wir auf dem Weg, direkt in sein Bett? Brauchte er mich jetzt als Blitzableiter für seinen Frust? Im Grunde Dinge, die mir recht gewesen wären.

 

Aber keine Sau hatte mir dahin gesagt, ob der süße Schnuckel überhaupt schwul war.

 

»Darf ich fragen, wohin wir überhaupt fahren?«

 

»Sind gleich da«, bekam ich nur als Antwort, nachdem Angelo aus der Stadt hinausgefahren war.

 

Gut, er wollte es mir entweder nicht sagen weil er aus irgendeinem Grund keinen Bock dazu hatte, oder es sollte eine Überraschung werden.

Obwohl das Schiebedach bis zum Anschlag geöffnet war, kühlte es nicht ab. Auch Angelo packte jetzt seinen Krawattenknoten und zog ihn bis fast zur Brust, dann machte er die oberen beiden Hemdsknöpfe auf. Diese Aktionen, selbst nur aus dem Blickwinkel betrachtet, sorgten erneut für einen gewaltigen Schub meiner Hormone. Die kamen damit nun allmählich nicht mehr klar. Zum Glück machten meinem Rücken das Anlehnen in dem weichen Autositz keine großen Probleme und so saß ich einigermaßen bequem. Dumm nur, dass ich mir dann erstens sehr gut vorstellen konnte, wie ICH ihm diesen Knoten und Knöpfe aufmachen dürfte und zweitens wie das dann weiterging.

Erst die Krawatte übern Kopf ziehen, dann langsam ein Hemdknopf nach dem anderen aufmachen. Hatte er Brusthaare? Nee, das konnte ich mir bei ihm nicht vorstellen. Vielleicht ein süßer Lustpfad, jener Haarstrich vom Bauchnabel bis runter.. seufzt. Das Hemd aus der Hose ziehen und dem Zuckerhasen beim ausziehen helfen. Sicher hatte er ne ganz flache Brust und einen eben solchen Bauch. Sixpack? Vielleicht, er hatte ja eine Bombenfigur. Und dann den Gürtel aufmachen. Es hat was, find ich, wenn man den Gürtel dann ganz langsam aus den Schlaufen zieht. Klar, im Grunde nicht vonnöten, aber es ist doch toll wenn man auf diese Art Zeit gewinnen konnte. Dann die Hosenknöpfe aufmachen.. erst den obersten, dann weiter und…

Ich setzte mich noch bequemer, denn nun wurde es eng in meiner Hose. Angelo widmete mir keinen Blick, der war fest auf die Fahrbahn geheftet. Welch eine Wonne, langsam alle Hosenknöpfe aufzumachen. Was hatte er drunter an? Eine Short? Slip? Tanga? Gar nichts? Ups, ein kleiner Stich in meinem ganzen Körper. Ich spürte schon förmlich den Bund jener Unterhosen zwischen meinen Fingerspitzen, hob ihn vom Bauch ab. War er rasiert? War er beschnitten? Egal, bei ihm würde ich alles hinnehmen. Ich musste meine Arme in den Schoß legen, denn jetzt war es doch zu offensichtlich was sich da zwischen meinen Beinen tat. „Mein Gott, du bist ja endgeil. War es das was du wolltest? Nur mit ihm ins Bett?“ Keine Ahnung, ich hatte auf die Frage der bösen Stimme keine Antwort. Aber sie versuchte mir ja nur ein schlechtes Gewissen einzureden. Am liebsten hätte ich eine Kombination gehabt. Freund und Liebhaber. Bettgenosse oder wie auch immer. Zweifellos war ich rattenscharf und ich hatte keinen Grund, mich dessen zu schämen. Hab mal gelesen, dass man in unserem Alter alle fünf Minuten an Sex denkt. Ich schenkte meinem Fahrer einen süffisanten Seitenblick. Er auch? Ich jedenfalls konnte an überhaupt nichts anderes mehr denken. Bis das Bier seine andere, weniger erfreuliche Wirkung zeigte. »Angelo, ist es noch weit?«

 

»Nicht sehr, warum?«

 

»Ähm, das Bier..« Irgendwie wurde ich an die Weiber erinnert wenn wir mit denen unterwegs waren. Eine musste immer, egal wie lange die Fahrt dauerte oder mit was. Etwas peinlich war’s mir deswegen, allerdings wusste ich spätestens jetzt wie die sich fühlten.

 

Er grinste mich an. »Wenn du noch zehn Minuten durchhalten könntest..«

 

Ich nickte eifrig, denn das war gerade so zu schaffen. »Okay, das ist kein Problem.«

 

Nun erst merkte ich, dass wir eigentlich in meine Richtung fuhren. Sollte ich ihm das sagen? Dann würde er mich nach Hause fahren, bestimmt. Und ich hatte das Nachsehen. „Glaubst du wirklich dass der was von dir will? Denk an die Gespenster. Der wird dich im höchsten Fall durchknallen in seinem Frust und das war’s. Also muss er gar nicht wissen dass du hier in der Gegend wohnst. Wahrscheinlich interessiert ihn das nicht mal“, mahnte die böse Stimme. „Und wenn’s doch mehr wird? Dann wird er fragen wieso du es ihm nicht gesagt hast.“ Beide hatten Recht, aber ich nahm den Zwischenweg. Sollte es mehr werden, würde ich ihm auf jeden Fall sagen dass ich es ihm nur darum verschwiegen hatte, „weil ich mich in dich verliebt hab“. Das wäre die Alternativlösung und nicht mal gelogen. Gut, dass ich Megascharf auf ihn war, das bekam er von mir zu hören wenn er ähnliches durchmachte.

Ein Dorf vor meinem bog er schließlich ab. Endlich, denn der Druck in meiner Blase begann bei jeder Erschütterung zu schmerzen.

 

Ich kannte dieses Kaff natürlich sehr gut, einige meiner Freunde wohnten hier. Wieso war mir Angelo da nie begegnet? Nun gut, zweitausend Einwohner waren nicht grade wenig.

 

Er fuhr aber nicht in das Kaff hinein, sondern steuerte einen unbefestigten Weg am Ortseingang an. Auch diese Ecke kannte ich, es gab da draußen nur ein Gehöft. Also begann es mir folgerichtig zu dämmern. Der wollte es hier draußen in der Einsamkeit mit mir treiben. Allerdings – dazu war ich erst mal gar nicht in der Lage. Ich musste in den nächsten Minuten pinkeln, sonst gäbe es keine Garantie. Dieser unselige Zustand vereitelte übrigens auch das weitere Vorgehen in meiner Fantasie – ihn auszuziehen betreffend.

Angelo hielt aber nicht an. Wollte der tatsächlich zu dem Hof dahinten? Den kannte ich nun nicht näher, da er zu weit draußen lag. Die Federung des Sportwagens ließ mich jetzt jedes kleine Steinchen auf dem Weg spüren und ich hielt einige Male die Luft an.

Was hatte er übrigens gesagt? Er hätte Hunger? Das war natürlich auch wieder Auslegungssache. Hunger hatte ich auch irgendwie, auf ihn. Meinte er das? Irgendwie dotterete noch der Alk in meinem Kopf und nur deshalb kam ich auf diese delikate Vorstellung. Wir beide vernaschen uns. Hat ja auch mit Hunger und Sattwerden zu tun.

Langsam kamen wir dem Gehöft näher, es schien wie verlassen. Völlig dunkel alles. Egal, Hauptsache die hatten dort ein Klo. Das war das Einzige, was ich auf den letzten Metern noch denken konnte.

 

Er fuhr den Wagen in eine ziemlich große Garage, in der man ohne Quälerei die Türen öffnen und aussteigen konnte. Ich bewegte mich sehr langsam, außerdem meinte ich Schweiß auf meiner Stirn zu spüren. Der Druck.. es war fast nicht mehr auszuhalten.

»Angelo, ich muss jetzt ganz dringend..«

 

Er lachte, was ich diesmal allerdings weniger lustig fand. »Klar, du platzt ja gleich. Komm mit, ich zeig dir das Klo.«

 

Nur Augenblicke später betrat ich dieses und nun ließ ich es laufen. Meine Güte, tat das gut. Es lief und lief und lief. Nun erst begann ich langsam mein Umfeld zu registrieren. Ein Gästeklo, aber vom Feinsten. Es roch nach Wald und Wiese, keine kühle Kachellandschaft. Schöne Farben, harmonisch aufeinander abgestimmt. Wenn der Rest des Hauses so aussah.. Ich hatte ja kein einziges Auge auf mein Umfeld bis hier drin.

Blick in den Spiegel. Okay, nicht grade das Maß aller Dinge, aber der Tag war auch schon ewig lang und anstrengend sowieso.

Ich schüttelte meinen kleinen Freund ab. War der bereit, sollte es heute Nacht noch zu einer sicher schicksalhaften Begegnung mit der gleichen Art kommen? Ich ließ ihn ein bisschen draußen hängen, aber er zeigte nur eine minimale Regung. Nun gut, in dem Augenblick, wo ich meinen Schnuffi ohne jedes Textil sehen würde, käme der Kleine sicher in Fahrt. „Haha, du siehst immer noch Gespenster. Glaubst du allen ernstes, der ist schwul?“ „Man kann’s nicht wissen, und träumen ist ja allemal erlaubt.“ Ich klatschte mir ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht und glaubte einfach fest daran, dass das alles hier kein Zufall gewesen sein sollte. Allerdings war gerade deswegen weiteres Vorgehen angedacht. An erster Stelle war herauszufinden, was der Junge für Gefühle überhaupt hegte. War er nun schwul oder nicht? Oder Bi oder wie? Er hatte doch irgendwas von „privaten Angelegenheiten“ gefaselt. Könnte das nicht eine Freundin betreffen? Möglich, aber auch schon wieder im großen, weiten Bereich der Spekulation. Diese simple Frage konnte ich ihm stellen. „Benimm dich anständig. Und komm nicht auf die Idee, mit schwulem Krimskrams anzufangen. Lass ihn machen.“ Jawohl, gute Stimme. „Du malst dir da was aus. Der ist gefrustet und hat dich nur mitgenommen, weil er jemanden um sich braucht.“ Jawohl, böse Stimme. Beide sollt ihr mich aber ab jetzt in Ruhe lassen, okay? Ich werde jetzt einfach da rausgehen und nichts tun als antworten. Der Rest gibt sich.

 

»Lebst du noch?«, hörte ich seine schöne Stimme vor der Tür.

 

Sekunden später stand ich vor ihm. Er hatte sich in der Zwischenzeit umgezogen und. oha.. Ein weißes T-Shirt und eine kurze, weiße Hose aus so einem flauschigen Stoff. Meine Güte, so ähnlich hatte ich mir das vorgestellt. Ihn vorgestellt. Ob das nun Sonnenbankbräune war oder echt, das kratzte mich nicht, er sah auf alle Fälle zum anbeißen aus. »Da bin ich wieder«, grinste ich.

 

»Schön, komm mit in mein Zimmer. Die Eltern schlafen schon, also sei bitte ein bisschen leise.«

 

Ich tapste also sozusagen auf Zehenspitzen hinter ihm her. Wir durchquerten den Vorraum und meine Vermutung, die bewohnten hier eher eine Villa als einen alten Bauernhof, bestätigte sich.

Sein Zimmer war nicht wie ich vermutete oben, sondern weiter hinten den Gang entlang. Er öffnete die Tür und vor mir breitete sich sein Reich aus. Wundern sollte mich ja nichts mehr, auch hier hatte ich eher das Gefühl, eine Präsidentensuite zu betreten. Die mussten Geld haben ohne Ende, aber woher, das wollte ich jetzt nicht fragen.

 

»Setz dich«, sagte er knapp und wies mir mit der Hand einen Platz auf der mit weißem Leder bezogenen Couch. Ich bekam Gewissensbisse ob ich mich mit meinen Jeans da reinlümmeln sollte, aber die waren ja noch neu. »Ich schiebe uns schnell eine Pizza in den Ofen. Du magst doch Pizza?«

 

Was für eine Frage. »Klar.«

 

»Okay, ich komm gleich wieder.«

 

Ich nutzte seine Abwesenheit für das Studium seines Zimmers. Jugendlich war da drin überhaupt nichts. Keine Poster, keine bunte Lampen. Nur Repliken alter Meister an der Wand, Bücherregale mit einer Menge schnöder Schinken und Lexika. Ein Schreibtisch mit PC und ein Notenständer, die Sitzgruppe, in einer Ecke der Fernseher und das war’s. Die Musikanlage dürfte bereits in die Kategorie nostalgisch fallen und die CDs in einem Ständer daneben enthielten – was hätte ich anderes erwarten können – Klassische Musik in allen Richtungen.

 

»Wohnt ihr schon lange hier?«, fragte ich, während er wieder hereinkam und eine Flasche Mineralwasser sowie zwei Gläser auf den Glastisch stellte.

 

»Seit einem halben Jahr ungefähr.«

 

Irgendwie war der Junge auffällig Wortkarg. Nun, ich würde herausfinden ob das seine Art war oder nur an diesem, für uns beide lausigen Tag, lag. »Und hast schon Freunde gefunden?« Das war die viel bessere Variante als die ewig gleiche Frage nach einer weiblichen Begleitung.

 

»Nee, hatte ich noch gar keine Zeit, bin ja ständig am Proben. Wir basteln sozusagen an einer neuen CD und da bleibt kaum Platz.«

 

Nun war diese Antwort doch nicht so eindeutig. »Und ne Freundin?« Ich heftete meinen Blick auf seine Augen. Aber da passierte nichts was mich hätte stutzig werden lassen.

 

Es war ziemlich zermürbend, dass er nur den Kopf leicht schüttelte und darauf gar keine Antwort gab. Denn ich wusste dann immer noch nicht, ob er grade keine hatte oder generell nicht.

Angelo setzte sich mir gegenüber und warf ganz lässig seine Beine über die Lehne. So, jetzt endlich. Freies Blickfeld. Schöne Füße, denke ich noch so beim scannen. Und nun seine Hose.. Okay, Luft war dort nicht drin, das war eindeutig. Bemerkte er eigentlich meine Blicke? Er sah mich an. Wartete er etwa, bis ich etwas sagen würde? »Schön habt ihrs hier«, bemerkte ich dann. Und weiter: »Wie bist du eigentlich zu diesem Orchester gekommen?«. Denn das interessierte mich unter anderem auch und zudem wollte ich an der Stelle „Freundin“ nicht weiter bohren.

 

Er stand auf, ging zu einer Kommode und fischte ein Album heraus. Aha, jetzt kommt die Vergangenheit ans Tageslicht. Und zu dem ein altbekanntes Mittel, um sich näher zu kommen. Körperlich mein ich. Ist wie mit Briefmarkensammlungen.

 

Dass er sich dann direkt neben mich setzen würde hatte ich trotzdem nicht erwartet. Über den Tisch wäre auch gegangen, aber so war’s mir freilich ungleich lieber.

 

Er legte das Album auf meine Schenkel. Keine große Sache eigentlich, aber dabei setzte er sich eben ziemlich dicht neben mich. So nah, dass sich unsere Beine berührten. Dabei fiel mir auf, wie warm mir in den ganzen Klamotten war. Aber ich konnte ihn ja kaum fragen ob ich mich deren entledigen dürfte. Also konzentrierte ich mich zunächst auf diese Nähe. Unsere Schultern erfuhren auch leichten Kontakt und nun blätterte Angelo in dem Album. Ich hoffte, es würde tausend Seiten haben. Von Müdigkeit nun keine Spur mehr, im Gegenteil. Gut, es war auch hier trotz offenem Fenster fast heiß, trotzdem störte mich seine Körperwärme nicht die ich nun zu spüren bekam. Wie weit war sein Kopf von meinem? Zehn Zentimeter? Fünf? Egal, viel zu weit. Waberte da grade ein Hauch von süßlichem Schweißgeruch in meine Nase? Oh, meiner vielleicht? Ich senkte meinen Kopf etwas und versuchte herauszufinden ob das von mir stammte. Es war nicht eindeutig, aber um meinetwillen MUSSTE er von ihm stammen.

Ich betrachtete mir die alten Fotos von ihm, den Eltern, dem Orchester, dem Hund, der Katze, dem Haus. Schon in frühen Jahren war zu erkennen, dass aus dem Bürschchen mal ein hübscher Mann werden würde. Ein bisschen mehr von ihm konnte ich auf den Urlaubsfotos von ihm sehen. Leider war der Fotograf zu weit weg oder man sah nur Angelos Gesicht bis zur Brust. Ich kam mir vor wie ein hungriger Wolf, dem Angesichts seiner Beute der Sabber zwischen den Fängen herunter läuft. Aber es kam kein Foto, auf dem Angelo so richtig lecker aussah. Ich mein, so eins, wo er nicht viel anhatte. Ständig waren meine Blicke auf die Fotos weiter als er mit seinen Beschreibungen, ich hoffte und betete dass da nicht doch ein weibliches Wesen erschien, in zwieträchtigem Einklang mit ihm. Aber ein solches Foto folgte nicht. Auch keins mit einem männlichen Pendant.

 

»Das war vor fünfzehn Jahren, da war ich Zwei«, kommentierte er eines der Fotos, wo er auf einem kleine Plastiktraktor im Zimmer herumgurkte.

 

Danach war die Frage, wie alt er war, hinfällig.

 

»Die Pizza dürfte fertig sein«, unterbrach er den Ausflug in die Vergangenheit und eilte erneut aus dem Zimmer.

Wenig später erfüllte der Duft von Käse, Salami, Zwiebeln und Tomaten den Raum. Ich hatte gar nicht bemerkt was für einen Hunger ich noch hatte und es dauerte nicht lange, bis nur noch ein paar Krümel unsere Teller zierten.

 

Wir setzten uns wieder zusammen, zündeten Zigaretten an und erneut begann die Reise durchs Album.

 

Irgendwann hielt er dann seine erste Geige in der Hand und ich erfuhr nun den Werdegang seiner musikalischen Karriere. Aber das alles drang nur Bruchstückhaft in mein Hirn. Längst machten sich dort ganz andere Bilder breit, solche, die in einem Fotoalbum der gewöhnlichen Art sicher überhaupt nichts zu suchen hatten. Immerhin war mir ab und an der Blick zwischen seine Beine gegönnt und ich studierte die süße Stoffbeule bis auf die letzte Mikrofaser. Ja, darunter verbarg sich bestimmt ein recht ansehnliches Objekt. Ob ich dieses je in Natura zu sehen bekam? Diese Finger, mit denen er die Seiten umblätterte. Schlank, wie gemalt. Die auf meiner Haut, egal an welcher Stelle.. ich holte tief Luft.

 

»Oh, langweile ich dich? Ich mein, du wolltest ja wissen, wie…«

 

»..nein, um Himmels Willen. Das ist sehr spannend«, fiel ich ihm ins Wort und es bestand damit ein direkter Bezug zum Zustand in meiner Hose. Die Jeans verhinderten zum Glück, dass man das sofort erkennen konnte. Dieser Junge begann, mich rasend zu machen.

 

Irgendwann kam er auf die letzte Seite des Albums und klappte es zu.

 

»Sehr schön«, sagte ich, »wirklich sehr schön.«

 

Wenn er noch so ein paar Alben hatte war die Nacht gelaufen. Es würde bald hell werden, vielleicht noch ein Frühstück und dann ab nach Hause. Aber von nun an wollte ich mich gar nicht mehr auf diese Art abspeisen lassen. Nein, so einfach war das jetzt nicht mehr. Ich hämmerte mir ein, dass dies niemals der erste und auch letzte Treff gewesen sein konnte und durfte.

 

»Sag mal, was machst eigentlich jetzt, so ohne deine… Margie?«

 

»Gute Frage. Sie ist hin, glaub auch nicht dass man sie reparieren kann. Der Robert aus dem Team hat sie an sich genommen, der meint das wäre machbar. Mal sehen. Werd erst Mal ne Auszeit nehmen bis die von der Tournee zurückkommen, danach… gucken halt.«

 

»Oh, das sind aber ein paar Wochen..«

 

»Zwei Monate genau. Aber das macht nichts.«

 

Ich wollt grad sagen, dass das bei dem Reichtum hier sicher kein Problem war. Aber ich ließ es sein, nicht meine Sache. Verbeißen musste ich mir allerdings auch den Vorschlag, doch einfach mich anstelle von Margie zu nehmen. Wollte ich doch auch mal so von ihm „gestreichelt“ werden. Ihn jetzt zu fragen, ob wir in der freien Zeit was zusammen machen könnten, schien mir auch zu früh. Aber wenn ich dieses Haus verlassen würde, egal wann, dann tät ich ihn das fragen wollen. Nahm ich mir fest vor.

 

»So, also..«, meinte er denn auch, »wenn du schlafen gehen möchtest?«

 

Was kam nun? Letzter Akt des Tages oder besser dieser Nacht? Komplimentierte er mich jetzt hier raus weil er seine Ruhe haben wollte? Aber das Wort Akt.. Ich horchte in mich hinein. Keine Empfehlung meiner Stimmen? Kein Für und Wider? Aufbleiben konnte ich schließlich nicht und trotz allem begann eine gewisse Müdigkeit meinen Körper zu erfassen. Allerdings standen gewisse Nervenzellen noch immer unter Hochspannung. Aber es half nichts. »Ja, denn..«

 

»Du kannst in einem der Gästezimmer pennen. Musst du… irgendwie raus? Ich mein, zur Arbeit oder so?«

 

Gute Frage, aber er stellte sie nach meinem Geschmack etwas spät. »Nein, ich hab Urlaub.«

 

»Ah, prima. Komm, ich zeig dir dein Zimmer.«

 

Nun also ging’s los. Während ich ihm nachdackelte, heftete ich meinen Blick auf seinen Hintern. Der war in seinem Anzug so gut wie nicht auszumachen gewesen, aber jetzt, in diesen engen Hosen, präsentierte sich mir die Offenbarung. Mehr als einmal hätte ich am liebsten meine Hand da draufgelegt. Meine Güte, welche Schätze verbarg dieses lästige Stück Stoff. Und so greifbar nahe. Ich wurde wieder munter und eines war jetzt schon sicher: Ich würde kein Auge zukriegen. Und ich würde meinen kleinen Freund so oder so zur Ruhe bringen müssen.

Wir nahmen die Treppe nach oben, vorbei an schönen, geschmackvollen Bildern und alles auf wertvollen Teppichen. Nun, das nahm ich zumindest an. Das „Gästezimmer“ entsprach natürlich dem Standard in diesem Hause.

 

»Dort ist das Bad, es ist alles drin was man so braucht.«

 

Klar, ich hatte nichts anderes erwartet. Das Bett war auch groß genug für Vier, da konnte man sich reinlegen wie man wollte, die Füße hätten nie im Freien gehangen.

 

»Okay, ich weck dich dann nicht, kannst ruhig ausschlafen, Gute Nacht.«

 

Ich nickte und hob die Hand. »Dir auch.«

 

Zack, weg war er, ließ mich allein zurück in diesem Zimmer.

Mit einem Seufzer ließ ich mich auf das Bett fallen. Ja, das war genau meine Kragenweite. Nur alleine da drin, das war nicht das Wahre. Aber was konnte man schon ändern? Der wollte wirklich nichts von mir und es fiel mir nicht leicht, das einfach so hinzunehmen.

Ich zog mich aus und in Anbetracht der Umstände, dass es heiß war und ich allein, ließ ich nichts an. Nackt inspizierte ich das Interieur. Wer hier sonst so schlief? War das eine Marotte von ihm, fremde Jungs mitzunehmen? Vielleicht wollte er ja auch nur angeben. Anderen zeigen, wie schön sie es hier hatten? Gut, im Grunde war mir das egal. Ich tigerte ins Bad, das so groß war wie anderer Leute Wohnzimmer. Warum sollte hier kein Whirlpool stehen? Es fehlten nur die goldenen Wasserhähne.

Ein Sprung unter die Dusche war dringend fällig, egal wie müde oder spät.

Mein Schwanz war nicht zu bremsen, als das fast kalte Wasser an mir herunter lief. Aber ich ließ ihn in Ruhe. Ganz weit hinten, in den Tiefen meiner Wunschgedanken, hatte ich diese Nacht nämlich noch immer nicht aufgegeben. Sollte es nichts werden, dann war das eben Pech. Wenn doch, wollte ich ein guter und feuriger Liebhaber sein und da war es besser, jetzt die Finger von der Wichserei zu lassen. Obschon es sehr anstrengend war, es nicht zu tun…

 

Was führte der wirklich im Schilde? Ich lag dann auf dem Bett, gezwungenermaßen auf dem Bauch. Ich hatte den Sonnenbrand fast völlig vergessen, aber nun meldete er sich zurück. Noch mal aufstehen und ins Bad, womöglich gab’s da ja was dagegen. Aber so gut war man dann doch nicht ausgestattet, stellte ich dort fest und Angelo jetzt noch mal zu stören.. Delikat war diese Vorstellung schon. Ob er auch nackt schlief wie ich immer? „Du wirst jetzt ins Bett gehen und ihn nicht noch mal stören“, maulte die böse Stimme.

Ich würde eigentlich gar nicht auf dem Bauch schlafen können, hatte ich nie gekonnt. Auf der Seite probiert, das ging, auch wenn meine Schultern in Mitleidenschaft gezogen waren. Ich löschte das Licht und schloss die Augen. Es war eine sehr komische Mischung aus Müdigkeit, Wachsein, Schmerzen und – reichlich aufgedreht was das erotische Denken betraf. Ich sah ihn da unten, in seinem Zimmer. Lag er auch nackt auf seinem Bett? „Du kannst dir einen runterholen, das wird nix mehr“ bockte die böse Stimme. Wahrscheinlich hatte sie ja Recht.

Bei allem was ja recht war, aber auf der Seite liegend zu wichsen war genau so blöd wie noch mal aufzustehen, dazu war ich echt zu müde. Also nahm ich meinen Steifen zwar wahr, aber meine Augen begannen nun auch zu brennen. Mir verging die langsam Lust und ich dämmerte allmählich in einen sicher tiefen Schlaf.

Aber in die absolute Stille schwang plötzlich ein Ton. Ich horchte auf, dann setzte ich mich auf. Schalmeien? Engel? War ich tot? Gestorben an gebrochnem Herzen? Sonnenstich?

Ich stand auf und ging zum Fenster. Lauschte in den Morgen, der sich als orangeroter Streifen im Osten dazu anschickte, die Nacht zu vertreiben. Er begann genauso undefinierbar wie er gegangen war.

Aber diese Klänge waren eigentlich überall und jetzt erkannte ich sie auch. Nicht laut und eher weit weg. Es dauerte einige Momente bis ich begriff, doch noch am Leben zu sein und dass ich das auch nicht geträumt hatte. Es kam von unten irgendwo. Sollte ich nachsehen? Mein Schwanz war in Ruhestellung gegangen und kurz entschlossen zog ich meine Short an, schlich zur Tür, machte sie leise auf und lauschte hinaus in den Gang. Mehr im Unterbewusstsein hoffte ich ja damit, meinen Schnuckel wieder zu Gesicht zu bekommen. Dummerweise fehlte er mir nämlich schon…

Die Musik kam von unten und es war nun eindeutig eine Geige. Es gab kein anderes Instrument nebenher und ich ging nun davon aus, dass Angelo der Urheber war. Warum um Gottes Willen spielte er mitten in der Nacht – oder am frühesten Morgen?

Ich lief den Gang entlang, unten brannte irgendwo Licht und der Schein führte mich da oben. An der Balustrade blieb ich stehen und sah hinunter. Aber der Klang war immer noch weit weg. Spielte Angelo im Keller? Treppe für Treppe ging ich nach unten. Seine Zimmertür stand auf, ich lugte kurz hinein, aber der Raum war leer.

Jetzt konnte ich genauer hören woher es kam. Tatsächlich aus dem Keller? Ich ging immer dem Klang nach, er zog mich wie an einem unsichtbaren Band. Dann kam die Tür, hinter welcher ich es deutlich hören konnte – dort musste er sein. Ich drückte langsam die Klinke herunter und öffnete die Tür einen Spalt, ich wollte Angelo ja nicht zu Tode erschrecken.

Ich lehnte mich an den Türrahmen und sah hinein in den Raum, der eher einem Tonstudio glich.

Da saß er, auf einer Art Barhocker. Er trug nur noch seine Short, sonst nichts. Die nackten Füße abgestützt, den Rücken ganz leicht gekrümmt. Die Augen geschlossen, war er wieder fort, nicht hier. Nicht in dieser Welt. Die Lampe an der Wand hinter ihm als einzige Beleuchtung in dem Raum, ließ die Konturen seines Körpers wie eine goldene Aura erscheinen. Angelo hatte wohl geraucht, dünne, bläuliche Schwaden waberten im Lichtschein wie feiner Nebel und verliehen der ganzen Situation etwas absolut Unwirkliches. Meine Güte, ein Bild für die Götter. Eine Gänsehaut krabbelte meinen erhitzen Körper herunter, auch wegen dem Lied, das er spielte. Eine wunderbare Melodie, niemand anderes würde sie so spielen können, das war mir sofort klar. Ich ließ mich am Türrahmen herunter auf den Boden sinken, auch wenn es schmerzte. Meine Knie mit den Armen umklammert an die Brust gezogen, stützte ich mein Kinn darauf und schloss ebenfalls die Augen. Er verstand es, mich mitzunehmen auf eine wunderschöne, mit bunten Blumen übersäte Sommerwiese. Ich sah uns darauf herumtollen, Fangen spielen, im Gras wälzen und ich hörte uns lachen. Wir kitzelten uns mit Grashalmen und seine Augen glitzerten im hellen Sonnenlicht.

 

Plötzlich ging dieses Licht aus. Erschrocken öffnete ich die Augen. Er schaute zu mir herüber und lächelte. »Hab ich dich geweckt? Das tut mir leid, ich… ich konnte einfach nicht schlafen.«

 

»Du hast mich nicht geweckt, ich war auch noch wach. Aber.. spiel doch weiter. Wunderschön, dieses Stück.«

 

»Ja, eigentlich… ich hab’s grade zum ersten Mal gespielt. Ist mir so in den Sinn gekommen.«

 

Ich fragte mich, ob es mit uns zusammenhing. Es würde so gut zu diesem Tag passen. Zu uns beiden.. „Hoffnungsloser Träumer. Der nimmt eine neue CD auf und nun übt er. Vergessen?“ Die böse Stimme versuchte mir diese romantischen Minuten hier unten zu nehmen. Ich hörte nicht auf sie.

 

»Aber jetzt ist wirklich spät«, sagte Angelo und stand auf. Sixpack, ich wusste es. Und einen Lustpfad hatte er auch. Wie gut ich doch bin in solchen Dingen. Allerdings trugen diese Erkenntnisse nicht dazu bei, an irgend etwas anderes zu denken.

 

»Bis wir heraufkommen scheint die Sonne«, seufzte ich.

 

Er lächelte, packte das Instrument in den Behälter und kam auf mich zu. Dieser elegante Gang..

 

»Und du wolltest nicht auf die Tournee, obwohl das eben doch sehr gut geklungen hat? Mit dieser Geige meine ich..«

 

»Nein. Das ist nur ein Ersatz. Du hörst es nicht, aber es ist eben nicht Margie.«

 

Weiter darüber diskutieren wollte ich nicht und vermutlich hatte er recht. Ich würde die Unterschiede niemals erkennen.

Aber das war nicht der Punkt. Der stand inzwischen vor mir und ich erhob mich. Wir beide nur mit Shorts bekleidet, so nah beieinander. Angelo sah mich an, und dieser Blick sorgte schon wieder für eine Gänsehaut. Was fragten denn diese Augen dauernd? War es wirklich nur Einbildung, dass sie das taten? Was hätte ich dafür gegeben, ihn jetzt einfach anfassen zu dürfen. Irgendwo, ich hatte nicht einmal eine besondere Stelle auserkoren. Am liebsten aber doch ein Kuss. Auf diesen herrlichen Mund.. Wie schön wäre es gewesen, wenn er mir gesagt hätte, „dieses Lied ist für dich.“

 

»Ich glaub, zum Schlafengehen gehen ist’s allmählich schon reichlich spät… vielmehr zu früh, meinst du nicht?«

 

»Hm, du hast vielleicht recht, aber durchmachen… das ist nicht meins. Ein paar Stunden brauch ich schon«, antwortete er mir.

 

„Mensch, sag, wir legen uns zusammen hin – in ein Bett – und dann bleib ich auch den ganzen Tag neben dir liegen.“ Die Sehnsucht nach ihm begann, unerträgliche Ausmaße anzunehmen. Ich ließ meinen Blick über seine haarlose Brust schweifen, die kleinen, dunklen Knospen… und endlich, er tat dasselbe. Ich konnte seinem Blick folgen und ich meinte, er würde etwas schneller atmen. Daneben glaubte ich nur noch ein Geräusch wahrzunehmen. Einbildung oder nicht: es knisterte. Und zwar gewaltig.

Dumm nur, dass wir beide anscheinend auf das gleiche warteten und keiner den Anfang machen wollte. Okay, nüchtern betrachtet wusste er dass ich schwul bin. Zwei Eingänge neben dem „Ballerina“ gibt’s nämlich ne stinknormale Kneipe und als Hetero wäre ich ja da rein und nicht in ein Schwuppencafe. Aber, ging er am Ende davon aus dass ich eben nur gar nichts gegen Schwule hab und rein zufällig da mein Geld gelassen hatte? Unter anderem, weil dieses Cafe viel schnuckeliger ist? Nicht unbedingt logisch, aber auch nicht unmöglich.

Wie gut er roch. Scheinbar war er auch noch duschen gewesen und duftete ganz leicht wie nach Äpfeln.

 

»Wird dich dein Bekannter nicht vermissen? Oder hast ihm angerufen und gesagt wo du jetzt bist?«

 

Ich dachte, mich rührt der Schlag, das durfte jetzt nicht wahr sein. Er hatte meine Erfindung immer noch nicht vergessen. Und dennoch – warum eigentlich? Mir wäre das Schnurz gewesen, ihm nicht. „Sag’s ihm. Los jetzt, alles auf eine Karte. Alles, hörst du? Es ist an der Zeit, reinen Tisch zu machen.“

 

Mein Blick ging an ihm vorbei, hinten in der Ecke fixierte ich einen Punkt. Ich suchte nach Worten, malte mir aus was passieren würde wenn ich ihm die Wahrheit an den Kopf warf. Ich bekam auf einmal Angst dass er mich hinauswerfen würde.. nur, wie wahrscheinlich war das alles? Zumindest mit einem konnte ich rechnen: Er ahnte etwas. Musste etwas ahnen.

 

»Oh, ich glaub, das war keine gute Frage«, nahm er mir dann den Einsatz ab, offenbar war ihm mein folgender Gesichtsaudruck aufgefallen.

 

»Doch, doch, es macht nichts. Es ist nur… ich hab dich angelogen.« So, es war raus. Nun müsste die Spirale folgen. Eins würde das andere ergeben. Adieu Angelo.. „Vergiss wenigstens nicht dir ein Autogramm geben zu lassen, bevor er sich zum Teufel jagt.“

 

Er packte mich plötzlich an den Schultern und zwang mich so, ihm in die Augen zu sehen. Das tat zwar ein bisschen weh, aber immerhin, er fasste mich an. Das hatte vor allem Vorrang. »Angelogen? Wie, was denn?« Seine Stimme war ruhig geblieben, ein Pluspunkt.

 

»Es ist… es war alles anders. Alles, verstehst du?« Jetzt hätte ich mir doch in den Arsch treten können. Warum hatte ich es nicht einfach bei einem „ja, ich hab ihn angerufen und es ist alles okay“ belassen? Nein, ich musste ja wieder bei der Wahrheit bleiben. Hätte das nicht noch Zeit gehabt? „Von welcher Zeit redet du? Nachdem du ihn ins Bett gezerrt hast oder wie?“ Die böse Stimme ging mir grad mächtig auf den Geist. „Lügen haben kurze Pimmel.“ Das war ja nun wieder Auslegungssache.

 

»Ich versteh gar nichts.«

 

Gut, wie sollte er auch. Ich holte tief Luft. Seine Berührung tat wahnsinnig gut, die Wärme seiner Hände durchströmtem meinen ganzen Körper, als würde Strom hindurchfließen. Trotzdem zuckte ich einen Moment lang und schlagartig nahm er seine Hände weg. »Schei.. entschuldige, ich hab deinen Sonnenbrand vergessen. Tut’s noch weh?«

 

Er hatte das Thema gewechselt, was mir jetzt nicht unlieb war. „Nun jammer schon, Mensch. Natürlich tut das weh. Soll er wissen dass du leidest.“

 

»Na ja, schon..«

 

»Ich hab was, das hilft bestimmt. Komm mit hoch.«

 

»Also so schlimm ist nun auch wieder nicht.«

 

»Egal, es ist besser wenn da was draufkommt. Sieht nicht schön aus wenn die Haut da in Fetzen geht wie bei einer Schlange die sich häutet.«

 

Ich nickte, er hatte in allen Punkten Recht. Und ich spürte beim Herauf gehen bereits seine Hände auf meinem Rücken. Wie sie zart und gleichmäßig das was weiß ich auf meiner Haut verteilt. Denn eins war klar – ich alleine konnte das ja nicht machen, da war Hilfe vonnöten.

 

Er führte mich in sein Zimmer. »Warte einen Augenblick, ich hol nur eben das Zeugs.«

 

Der war gut. Wo hätte ich denn hinsollen? Wie vertraut mir seine Bude schon vorkam. Als wäre ich hier schon ewig ein- und ausgegangen. Mittlerweile ging die Sonne auf. Mir war klar, dass zumindest für mich die Nacht gelaufen war. Ich konnte nie schlafen wenn ich wusste, draußen ist heller Tag. Und der würde zudem wieder so heiß werden wie der letzte.

Ich setzte mich auf die Couch und grübelte. Irgendwie war das alles nicht greifbar. Zumal ich keine Ahnung hatte was Angelo danach machen würde. Ging der wirklich noch ins Bett? Und seine Eltern, die mussten doch auch demnächst hier irgendwie auftauchen. Die Zimmertür stand offen und ich lauschte. Aber es tat sich nichts, das ganze Haus blieb ruhig. Ein Blick auf die Uhr, es war halb Sechs. Klar, so früh würden die nun wohl kaum aus den Federn.

Ach, was machte ich mir da eigentlich für Gedanken? Es sollte sich doch alles nur um den Jungen drehen. Vielleicht cremte er mich ein, fertig.

Angelo kam ins Zimmer, was man absolut nicht hören konnte. Der weiche Teppichboden schluckte jedes Geräusch und so stand er plötzlich vor mir, in der Hand eine Flasche mit was weiß ich drin.

»Leg dich aufs Bett«, befahl er fast und dem leistete ich begeistert Folge, was ich mir natürlich nicht anmerken ließ.

 

 

Ich legte mich also auf sein Allerheiligstes hier drin und zog sein Kopfkissen an meine Brust. Erst mal ganz tief Luft holen. Durch die Nase, versteht sich, und die Düfte da sortieren. Ja, das war mehr als erregend. Der Geruch schien mir recht eindeutig und mein kleiner Freund meinte das auch. Ich spürte, wie er gegen die Matratze drückte. Er tat das mit Nachdruck, als sich Angelo neben mich setzte. Ich schloss die Augen, wollte mich einfach nur den nun kommenden Momenten hingeben. Ich hörte wie er die Flasche aufschraubte.

»Achtung, das ist jetzt ein bisschen kalt«, warnte er und ich krallte mich in das Kopfkissen. Da war es, dieses seltsame Gefühl. Ich spürte deutlich wie er den Inhalt der Flasche auf meinen Rücken laufen ließ. Von oben, am Hals, fing es an, dann über beide Schulterblätter, das Rückgrat entlang bis zur Hüfte. Je näher er meinem Hosenbund kam, desto fester klammerte ich mich ins Kopfkissen. Mein Freund war derweil knallhart und plötzlich wurde mir klar, dass das hier Konsequenzen haben könnte. Hätte ich Arsch doch bloß gewichst, denn jetzt konnte ich keine Garantie mehr geben dass nicht ein Ungemach passiert. Ich zuckte kurz zusammen als ich Angelos Hände auf meinen Schultern spürte. Langsam begann er die Flüssigkeit zu verreiben. Es tat gar nicht weh, im Gegenteil.

 

»Was war denn nun mit der Lüge?«

 

Rumms. Das hatte ich bereits völlig vergessen. Aber okay, das war vielleicht auch der richtige Zeitpunkt. »Na ja, ich hab gar niemanden erwartet.«

 

»Aha. Und wieso hast du mir das auf die Nase gebunden? Gab doch keinen Grund dazu, oder?« Er redete leise, hörte nicht auf mich durch sein Streicheln fast verrückt zu machen.

 

»Es gab schon einen Grund.«

 

»Na, den wirst du mir ja jetzt sicher darlegen wollen.«

 

Ich überlegte jedes einzelne Wort. Die Gefahr, ihn durch unüberlegtes Gefasel zu erschrecken, war groß. »Ich hab mich nur in das Cafe gesetzt weil,…«

 

»..Weil was?«

 

»Ich hab das Ticket ja wirklich zu Hause liegen lassen. Und nur aus Frust darüber hab ich mir ein paar Bierchen genehmigt.«

 

»Und wieso erzählst du mir dann von einem Bekannten, den es gar nicht gibt?«

 

Verdammt nicht einfach, bei der Wahrheit zu bleiben. „Mach dem ein Ende. Sag’s ihm, jetzt.“

 

Ich wollte mich umdrehen, um ihm bei meiner Beichte ins Gesicht sehen zu können. Aber erstens war da noch mein kleiner Freund, der sich auch von dieser Situation nicht hatte ablenken lassen und zweitens die beiden Hände, die mich wieder sanft auf die Matratze drückten. »Bleib liegen, ich bin noch nicht fertig. Also, was ist nun mit deiner.. Lüge?«

 

Gut, er hatte es ja so gewollt und ich wirklich keine Alternative mehr. Ich musste reinen Wein einschenken. »Ich war wegen dir auf den Konzerten.« Das war mir nicht leicht gefallen und erst jetzt fiel meine Erektion in sich zusammen. Angelo hörte schlagartig auf, mich einzucremen, ließ seine Hände aber auf meinem Rücken liegen. Wie gut das tat.. Ich kniff die Augen zu, wartete was nun kommen würde. Aber es folgte eine elend lange Pause. Die machte mich beinahe verrückt.

»Wegen mir?«, fragte er dann und ich meinte, er würde das mit einem Lächeln sagen.

 

Erneut wollte ich mich umdrehen, erneut drückten mich die Hände zurück. Er wollte mir scheinbar gar nicht in die Augen sehen. »Wieso wegen mir?«

 

„Weil du so gut Geige spielen kannst“? Das wäre absolut albern gewesen. Eine einzelne Geige konnte man außer bei einem Solo gar nicht heraushören und das wusste keiner besser als er selbst. »Du bist mir halt aufgefallen.«

 

»Wieso das denn?«, hakte er nach und allmählich bekam ich das Gefühl, er wolle mit mir spielen. Mich necken. »War ich so gut? Oder meinst du mein Outfit?«

 

Jetzt war ich sicher, er wusste längst was Sache war. Und ich musste diesem Fangen spielen eine Ende bereiten. Ich drehte mich nun doch um, woran er mich diesmal auch nicht hinderte. Jetzt konnte ich ihm wieder in diese schöne Augen sehen. Dieses Gesicht, was mich seit der ersten Stunde an einem Stück verfolgte. »Du bist hübsch. Das ist mir eben aufgefallen.« Damit war es gesagt. Er konnte mich jetzt nicht weiter in die Enge treiben, es lag an ihm diese Aussage zu interpretieren.

 

»So?«, meinte er nur und setzte auch noch diesen Dackelblick auf. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass sich zwischen uns etwas ändert. Nichts Negatives. Wir begaben uns auf eine doch ziemlich intime Ebene, ich hatte ihm immerhin gestanden dass ich ihn hübsch finde. Wie konnte er das auslegen? Zu aller erst, so etwas sagen Heteros eigentlich nicht zum gleichen Geschlecht und dann – sah er mir eigentlich nicht an dass ich ihn anhimmelte? Stand in meinen Augen denn so gar nichts geschrieben, was ihn selbst drauf bringen musste? Sicher hatte ich keine Herzchen in den Pupillen, aber weit entfernt konnte das auch nicht sein.

Er sah mich nur an, oder war es eher ein studieren? Sag was, meine Güte, irgendwas. Dieses Schweigen machte mich noch fast krank. Dann dauerte mir das zu lange und ich legte mich wieder hin, wobei jede Faser meines Körpers unter einer ungeheuren Spannung stand. Erneut begannen seine Hände, auf meinem Rücken leichte Kreise zu ziehen. Was dachte er denn jetzt bloß? Sollte ich nachfragen was er davon hielt? Nein, er war dran.

 

»Das hat auch noch keiner zu mir gesagt«, kam dann ziemlich leise, fast, als redete er mit sich selbst.

 

»Dann war’s Zeit«, murmelte ich in das Kopfkissen. Keine Ahnung ob er es gehört hatte, jedenfalls machte er einfach weiter mit seinen gefühlvollen Fingern. Mann, tat das gut. Ich versuchte, an nichts zu denken. Nur zu fühlen und weiter das Kissen zu beschnüffeln. So, dass er das natürlich nicht merkte.

 

»Sag mal, wieso warst du eigentlich in dem Cafe?«

 

Er gab nicht nach mit seinen Fragen, obwohl doch eins und eins zwei gab. Oder für ihn vielleicht nicht?

 

»Du warst ja auch da, oder nicht?«, versuchte ich es mit einer Gegenfrage.

 

»Ja, aber nur weil du da hinwolltest.«

 

»Oh, mein Lieber, ich hab nie gesagt dass wir da reingehen sollten. Du bist ja schließlich vorgegangen.« Immerhin, das hatte ich noch im Kopf, trotz Bier in der Birne.

 

»Wollte ich das?«

 

Verflucht, dieses Miststück.. aber ein so liebes.. »Ja«, konterte ich.

 

Er hörte dabei nicht auf mit seiner zärtlichen Massage. Jetzt kam er langsam in den Bereich, wo wieder reichlich Gänsehaut produziert wurde. Meine Lenden sind ziemlich empfindlich..

 

»Ist auch egal. War ja ganz nett da.«

 

Ich musste dann doch grinsen. „Weil sich da die Jungs geknutscht haben?“ Sollte ich ihn das fragen? Lust dazu hatte ich. Er stellte sich doof und ich konnte das schließlich auch ganz gut.

Als seine Hände in die Nähe meines Hosenbundes kamen wandte sich mein Körper unbewusst und auf der Stelle kehrte die Erektion zurück, und zwar bis zum Anschlag. Diese Situation war reichlich prickelnd. Ein steifer Schwanz ersetzt ganz ohne Zweifel jede noch so ernst gemeinte Frage. Wenn ich mich da ganz einfach umgedreht hätte.. Wieso fummelte er so lange am Hosenbund herum? »Ist’s dort arg schlimm?«, fragte ich deswegen mehr oder weniger scheinheilig.

 

»Ja, ganz schön rot.«

 

Um wie das Ganze zu unterstreichen, zog er den Hosenbund ein wenig weiter hinunter. Das jagte erneut einen Schauer über meinen Körper – und der ging direkt hinein in meinen knallharten Schwanz. Ich konnte nichts dagegen machen, denn dummerweise passte in der Sekunde alles zusammen. Die Umgebung, die Ruhe, diese absolute Nähe zu diesem Schnuckel, seine zarten Finger an diesen Stellen, sein Geruch, der sich durch meine Körperwärme um ein Vielfaches verstärkt hatte. Die Vorstellungen im Auto, wie er da unten saß auf dem Hocker, fast nackt. Mir war nun auch egal ob er es mitkriegen würde, ich ließ meinen Körper einfach auf all das reagieren.

Das geschah durch krampfhaftes festhalten des Kopfkissens, in dem ich mich noch so nebenher verbiss, die Beine zuckten und mein Körper schüttelte sich, bäumte sich schließlich kurz auf wie bei einem Stromschlag. Am Ende tanzten Sterne hinter meinen zugekniffenen Augen.

Während Angelo weiter unbeirrt meine Taille bearbeitete, ebbte mein Orgasmus nur langsam ab. Ganz allmählich verschwand das Rauschen und Pochen meines Blutes aus den Ohren, lösten sich meine verkrampften Finger aus dem Kissen, öffnete sich mein Mund, sackte mein Körper schließlich entspannt auf die Matratze. Okay, es war passiert. Da half kein Fluchen und kein Beten mehr. Wann hatte ich je so einen Abgang? Noch nie, stellte ich befriedigt fest. Und auf diese Art und Weise schon mal gar nicht. Einfach durch Berührungen und das nicht mal an exponierter Stelle.

Aber das war ja nun doch nicht alles. Ich spürte die Nässe an meinem Bauch und ich musste damit rechnen, dass das durch die Hose ging. Auf seine Bettwäsche und ich sah die dunklen Flecken schon vor mir. „Langsam. Erst mal in Ruhe sortieren. Was kommt als nächstes? Du könntest einfach mal so liegen bleiben. Tun, als wärst eingeschlafen.“ Die Idee der guten Stimme fand ich absolut top.

„Für wie doof hältst du den? Der ist doch nicht von Gestern und glaubst du im ernst, der hat nicht gemerkt was da grad gelaufen ist? Sprichwörtlich?“ Nun gut, es lag an mir. Trotzdem, ich könnte es ja darauf ankommen lassen. Augen zulassen und so tun, als sei ich sanft eingeschlummert.

 

»So, fertig«, hörte ich die Stimme über mir und dann spürte ich, wie der Hosenbund wieder hochgeschoben wurde. Hatte Angelo wirklich nichts gemerkt? Oder versteht er es, solche Sachen äußerst diskret zu behandeln? Wie würde ich reagieren, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre?

»Kannst dich umdrehen.«

 

Au, das war es, was ich nun gar nicht hören und noch weniger tun wollte. Darum hielt ich die Augen geschlossen und rührte mich nicht. Angestrengt lauschte ich, wie er darauf reagieren würde. Aber er sagte nichts mehr. Ich hörte wie er die Flasche zuschraubte, sie irgendwohin stellte und dann… dann kam, womit ich im kühnsten Traum nicht gerechnet hatte: Er setzte sich erneut auf das Bett neben mich und dann legte er sich hin. Das war in dem großen Bett ohne Anstrengung möglich. Mein Herz begann erneut zu rasen. Ich musste in jedem Fall an genau dieser Stelle liegen bleiben, des Flecks wegen. Also, nichts tun, gar nichts.

Ich hörte ihn jetzt atmen. Wir berührten uns zwar nicht, aber ich schätzte den Abstand zwischen uns minimal.

Nach einigen Minuten, in denen ich mich nun auch in allen Punkten beruhigt hatte, spürte ich die Müdigkeit aufkommen. Das war ja auch der reinste Marathon bis hierher. Fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen. Wenn er sich schon neben dich legt, sagte ich mir, kann eine Runde Schlaf wirklich nichts ausmachen.

 

Ich weiß nicht mehr wie lange ich geschlafen hatte, jedenfalls wurde ich irgendwann wach. Es war nicht hell in Angelos Zimmer, mein erster müder Blick stellte fest, dass der Rollladen fast geschlossen war. Er ließ nur so viel vom Tageslicht herein, dass man sich orientieren konnte. Ich wusste sofort wo ich war und auch die letzten Minuten waren noch sehr lebendig. Ich öffnete die Augen ein bisschen weiter und dann… ja, ich dachte wirklich ich träume noch. Angelo lag neben mir, auf dem Rücken. Der Junge hatte seine Augen geschlossen und er war nackt. Er hatte seine Hosen nicht nur runter- sonder ganz ausgezogen. Und er gab sich einer äußerst delikaten Handlung hin. Ich kniff mich vorsichtshalber in den Arm, aber das tat weh.

Ganz langsam bewegte er seinen Arm auf und ab, fast wie in Zeitlupe. Genüsslich wie mir schien, holte er sich keinen halben Meter von mir einen runter. Das drang nur allmählich bis zu meinem Bewusstsein vor. Kein Traum, das war herrliche Wirklichkeit. Zugegeben, etwas heller hätte das Umfeld sein dürfen, denn so ganz richtig konnte ich sein bestes Stück nicht sehen. Nur eins – klein war’s nicht grade. Sofort stand auch meins wieder Spalier und ich rätselte, ob dieser Anblick nicht noch mal für einen Orgasmus ohne Hand reichen könnte. Das war einfach nur obergeil, zumal es doch schon ne Weile her war dass ich so etwas live miterlebt hatte. „Wach doch jetzt einfach auf. Er muss immerhin damit rechnen.“ Stimmt. Er hatte die Augen zu, also war es ihm scheinbar völlig egal ob ich das mitkriegen würde oder nicht. Sollte ich ihn aber jetzt erschrecken? Man weiß ja wie es ist, wenn dabei gestört wird. Das ist pures Lustgift. Aber dennoch.. Es stand noch alles offen zwischen uns. „Er ist genauso schwul wie du.“ Jawohl, das durfte ich jetzt an dieser Stelle getrost annehmen. Und wenn er es nicht war, dann schien er zumindest nicht abgeneigt zu sein, es mit mir zu treiben. So was soll es schließlich auch geben. Ach, wie gern hätte ich jetzt da das Kommando übernommen. Das Ding in die Hand nehmen oder noch besser, in den Mund. Diese Vorstellung wanderte wieder auf direktem Weg zwischen meine Beine, wo es schon wieder ziemlich eng und hart zuging.

 

Ob er es zulassen würde? Das konnte ihm ja keinen Schaden zufügen und ich wäre endlich am Ziel.

Es war einfach nicht auszuhalten. Er hielt öfter in seinen Bewegungen inne, fuhr sich mit dem Daumen über die Eichel. Verflucht… Ich räusperte mich. Egal was jetzt passieren würde.

 

Langsam drehte er seinen Kopf zu mir, die Augen hatte er nun aufgemacht. Er sah, dass ich ihn sah. Und was tat er? Er lächelte. Ja, verdammt, ein süßes, verführerisches Lächeln.

»Gefällt dir das?«, flüsterte er.

 

 

»Und wie«, kiekste ich. Ja, und jetzt? War das alles? Sollte ich nur zusehen dürfen? Das konnte er mir nicht antun. Bei allen anderen vor ihm hatte mir das gereicht, aber Angelo? Nein, das war mir zu wenig. Nur, wie jetzt?

 

»Mach doch mit«, sagte er jetzt leise, schloss die Augen und drehte den Kopf zurück.

 

Gut, wenigstens das. Ihn abspritzen zu sehen war ja auch schon fast mehr, als ich verlangen konnte. Also drehte ich mich auf den Rücken, was dank der Creme längst nicht mehr so schmerzte. Dass meine Hose noch feucht war, konnte er in dem Dämmerlicht nicht sehen und so zog ich sie ohne lange zu Zögern herunter und ließ sie vors Bett fallen. Guckte er mir zu? Nein, er hatte die Augen immer noch geschlossen und wichste im selben, langsamen Tempo weiter.

Ich tat es ihm nach, mit dem Unterschied dass ich ihn keine Sekunde aus den Augen ließ. Dabei stieg aber das Verlangen, dorthin zu greifen, immer weiter. Was würde er machen wenn ich jetzt… „Du denkst zuviel. Wenn er es nicht will, wird er das schon sagen.“ Langsam streckte ich meinen Arm aus und fuhr zärtlich über seinen Bauch. Das kribbelte nun wieder in meinem Körper.. Nur mit der Fingerspitze malte ich kleine Kreise um seinen Bauchnabel, fuhr ganz langsam hinunter. Derweil ließ sich der Boy nicht in seiner Handlung stören. Er atmete ganz ruhig, fast so, als wäre nichts.

Tja, und dann ließ er seinen Schwanz los, legte beide Arme neben sich. Für mich war dies das Zeichen, das Zepter sozusagen in die Hand zu nehmen und ich ließ mich nicht lange darum bitten. Meine Güte, was ein schönes Gerät. Nicht zu groß, nicht zu klein. Ich hatte noch nie in meinem Leben einem Jungen einen geblasen, irgendwie ergab es sich nie. Dabei war es mein heimlicher Wunsch, schon immer gewesen. Ich würde ihn mir jetzt erfüllen, egal was für Folgen das haben dürfte. Langsam rückte ich Angelo näher und näher. Trotz seiner geschlossenen Augen würde er das schon merken, dachte ich.

Und schließlich war ich noch ein paar Zentimeter von meinem Ziel entfernt. Geheimnisvolle Gerüche waberten mir entgegen, süß und enorm anregend.

Meine linke Hand umspannte schließlich den Lustspender, der diesen Namen in aller Form verdient hatte und streckte meine Zunge aus. Mein Körper fühlte sich bestimmt an wie Stahl und zitterte vor Aufregung, als meine Zungenspitze die Eichel berührte. Langsam ließ ich sie kreisen, aber weiter kam ich nicht. Plötzlich schnellte Angelos Körper auf und ohne Vorwarnung sprühten mir die Fontänen entgegen.

Irgendwie dauerte es eine Weile, bis ich die Lage richtig einordnen konnte. Angelo war in die Kissen zurückgefallen und ich spürte sein Sperma an meinem Gesicht herunter laufen. Zumindest das, was nicht direkt in meinem Mund gelandet war, das hatte ich reflexartig schneller geschluckt als ich reagieren konnte.

Sekundenlang wusste ich nicht wie ich damit umgehen sollte. War das jetzt gut oder schlecht? Tausend Gedanken huschten in meinem Kopf herum. Man sollte das nicht machen und so weiter. Aber dann beruhigte ich mich. Es war passiert, nichts mehr zu ändern. Jetzt erst realisierte ich den Geschmack in meinem Mund und alle ehemaligen Vorstellungen, wie das schmecken würde, ließ ich fallen. Ich beschloss, dass das zumindest bei ihm nicht das letzte Mal gewesen war. Sofern sich das wiederholen würde.

 

»Das war toll«, schnaufte mein Engel und zog mich zu sich hin. Und in diesem Augenblick wusste ich woran ich mit ihm war. Ich ließ mich fallen, in dieses erst jetzt aufkommende, tolle Gefühl. Angelos Körper war weich und feucht von Schweiß, der seinen leisen, animalischen Geruch um ihn legte und mich daran erinnerte, dass da noch jemand war.

 

Langsam zog Angelo meinen Kopf zu sich hin, bis sich unsere Lippen trafen und ein neues, unbekanntes Spiel begann: Das Spiel unserer Zungen. Wie herrlich das schmeckte, genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte.

 

Nun spürte ich eine Hand auf meiner Brust, die langsam nach unten wanderte und sich unbeirrt dem Ziel dort unten näherte. Immer fester saugten sich unsere Lippen, ja näher sich die Hand meinem jetzt großen Freund näherte – um ihn schließlich kraftvoll und lüstern zu packen. Angelo brauchte nur ein paar Bewegungen lang, dann ergoss ich mich auf das Bettlaken. Mir war es egal und Angelo offenbar auch.

 

Nur ganz langsam ließen wir voneinander ab. Jetzt Worte zu machen fand ich irgendwie schnöde. Einwirken lassen, das war viel schöner. Neben ihm im Arm zu liegen, seinen Herzschlag und das Atmen zu spüren, die Wogen der Erregung mit ihm ausklingen zu lassen.

Trotzdem..

»Angelo?«

 

»Ja?«, wobei er meine Haare kraulte.

 

»Hab ich dir gesagt, dass ich nur auf den Konzerten war weil ich.. mich in dich verliebt hab?«

 

Er lächelte mit geschlossenen Augen. »Nein, hast du nicht.«

 

»Aber, ich muss es jetzt nicht wiederholen? Außerdem, im Grunde wollte ich ja auch nur ein Autogramm von dir. Also, zumindest war das meine echte Absicht.«

 

Er lachte. »Ein Autogramm? Das sieht in meinen Augen aber eigentlich so ganz anders aus.«

 

Ich lachte mit. »Ja, stimmt. Aber.. wie ist es mit dir? Ich mein, ab wann hast du gewusst dass ich schwul bin?«

 

Er legte einen Arm um meinen Hals und sah mich an. »Es hat ne Weile gedauert. Zuerst war da das Cafe. Aber das musste ja nichts heißen, ich mein, nicht Hundertprozentig. Aber wie du beiden angestarrt hast…«

 

»Als die sich küssten?«

 

»Ja. Du hast sie ja beinah mit den Augen gefressen dabei. Na und dann hier.. Deine Blicke sagten mehr als jedes Wort. Ich hab dich nicht zappeln lassen, falls du das glaubst. Ich wollte lediglich wissen, ob du nur aufs Bett aus warst. Das mag ich nicht. Auch nicht, wenn ein Typ so gut aussieht wie du.«

 

»Wirklich?«

 

»Wenn ich es dir sage.«

 

 

Als wir schliefen, waren seine Eltern wohl irgendwann arbeiten gegangen, weshalb wir später alleine im Esszimmer saßen. Kaffee gab’s und leckere Sachen, woher die auch immer stammten. Viele Worte machten wir bis dahin nicht, immerhin galt es doch ein ziemlich aufregendes Erlebnis zu verdauen.

 

»Was machen wir heute noch?«, fragte Angelo dann aber doch und da wusste ich, das war keine Eintagsfliege. Wir mussten Freunde werden, dafür würde ich schon sorgen. An Ideen, was man anstellen konnte, mangelte es mir ja nie.

 

Während ich noch meinen Kaffee austrank, ging Angelo aus dem Zimmer. Wenige Augenblicke später kam er zurück und legte ein Foto von sich vor mir auf den Tisch. Ein schönes Foto, auf dem er wirklich so aussah wie ich ihn jetzt kannte.

Er beugte sich über mich und dann kritzelte er gekonnt sein Autogramm quer über das Bild.

Das war einfach toll, aber er war noch nicht fertig.

 

Er malte dann ein Herz darunter und schrieb dazu „Für Ralf. In Liebe, dein Angelo“

 

Ich sprang auf und fiel ihm um den Hals, worauf ein inniger Kuss folgte.

»Hast du Lust? Auf einen Badesee? Da sind wir unter uns..«

 

Tina rammte einen Sonnenschirm in den weichen Sand. »Du hast erst Mal Sonne genug gehabt«, kommentierte sie ihre Tat.

 

Ich legte mich unter den Schirm auf das Handtuch, das groß genug war für Zwei. Angelo lag bereits darauf und schirmte mit dem Arm über dem Gesicht das helle Sonnenlicht ab. Ganz dicht rückte ich neben ihn, so dass sich unsere Arme berührten.

 

Ich holte tief Luft, schloss die Augen und betete, dass ich nicht aufwachen würde und alles war nur ein Traum. Zur absoluten Sicherheit kramte ich in meiner Tasche das Foto mit dem Autogramm heraus und suchte Angelos Hand. Fest umklammerten wir sie gegenseitig und mit dem Bild in der einen und Angelos in der anderen Hand schlummerte ich endlich ein, es galt, viel Schlaf nachzuholen..

 

*** ENDE***

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