Boston, here I come – Teil 1 New York

Um 15:20 Uhr klopften die ersten Gäste bereits wieder an die Tür des Busses. Das liebe ich an den Deutschen, sie sind in der Regel pünktlich und je höher das Durchschnittsalter der Reisegruppe ist, desto pünktlicher sind sie. Wir hatten schließlich noch zehn Minuten Pause, ehe die offizielle Abfahrt anstand. Ich blickte zu Juan, der missmutig den Knopf drückte und so den Einstieg freigab. Ich erhob mich und klappte den Sitz zurück, sodass meine Schäfchen einsteigen konnten. „Let’s take a smoke.“

Im Gegensatz zu deutschen Reisebussen verfügte der Prevost, mit dem wir unterwegs waren, über nur einen Fronteinstieg, den Notausstieg, an den man auch die Behindertenrampe anbringen konnte, lasse ich mal unerwähnt. Ich hatte kaum aufgeraucht, da kam auch schon Opa Friedrich, mit 82 Jahren das älteste Mitglied der Truppe, wieder aus dem Bus gestiefelt. Grinsend steckte er sich eine Zigarette an. „Herr Gordon, ich glaube, wir sind vollzählig. Lassen Sie sich aber beim Nachzählen Zeit, dann kann ich auch noch ein Rauchopfer bringen. Wer weiß, ob man das am Flughafen machen kann. Der Flug wird schon schwer genug für mich.“

Ich lachte ihn an. „Wie sie wünschen, aber ich hab auch noch vier, fünf Züge und wir wollen dem Staat doch nichts schenken.“

Er schüttelte den Kopf. „Um Gottes Willen, die Steuern sind hoch genug.“

Nachdem ich die Zigarette ausgetreten hatte, bestieg ich den Bus und zählte die Häupter meiner Lieben. 43 Gäste saßen brav auf ihren Plätzen, mit Opa Friedrich und dem Fahrer, die draußen standen, waren wir komplett. Ich stieg aus und nickte Juan zu. „We are ready.“

Er nickte und der 28 jährige Latino kletterte an seinen Arbeitsplatz hinter dem Lenkrad. Als auch der weißhaarige Brillenträger im Bus war und ich mich auf den Platz des Reiseleiters gesetzt hatte, wurde die Tür geschlossen und der Motor angelassen. Juanito, wie ich ihn in intimen Momenten nannte, fädelte sich in den nachmittäglichen Verkehr auf der Surf Avenue ein. Als wir die Auffahrt zum Shore Parkway erreicht hatten, grinste er mich an. „Time for your last words.“

Ich nickte ihm zu und griff mir das Mikrofon. „Tja, meine Damen und Herren, das war Coney Island, die letzte Station auf ihrer Rundreise von Chicago über die Niagarafälle bis nach New York. Wir hoffen, dass ihnen der Besuch des ehemals größten Vergnügungsparks der Welt Spaß gemacht hat, das Wetter hat ja für September auch einigermaßen mitgespielt.“ Ich blickte in die Runde und konnte zustimmendes Nicken sehen. „Zwar hat es nicht mehr den Charme der 50er-Jahre, wie sie ihn vielleicht noch aus Filmen kennen, aber das Viertel ist im Umbau begriffenen und ich verspreche ihnen, wenn sie in einem Jahr wiederkommen, sie werden es nicht mehr wieder erkennen. Aber auch das ultimativ letzte Ziel der Reise, der JFK-Airport, wird bei ihrer Rückkehr anders aussehen, er wird mal wieder umgebaut.“ Ich trank einen Schluck Cola und stellte die Dose wieder in den Halter. „Zwar gehört JFK zwar nicht mehr zu den Top Ten der Flughäfen, aber er ist immer noch der größte Flughafen von New York mit fast 48 Millionen Fluggästen im Jahr. Erbaut wurde er 1942, der Flugbetrieb auf dem Idlewild Airport, so hieß er zunächst, wurde 1948 aufgenommen. Zu seinem heutigen Namen kam er Weihnachten 63. Auf Beschluss des Bürgermeisters und des Stadtrats der Stadt New York und der Flughafengesellschaft wurde er zum Gedenken an den ermordeten Präsidenten in John F. Kennedy International Airport umbenannt.“ Ich blickte zum Fahrer und nickte dem Latino zu. „Now!“

Juan wechselte die Musik, aus den Lautsprechern ertönte „Time to Say Goodbye“ in der Duettversion von Andrea Bocelli und Sarah Brightman. Gut, es mag zwar kitschig sein, aber die Erfahrung hatte gezeigt, dass, wenn man zum Abschied einer 8-tägigen Rundreise durch fünf Bundesstaaten der USA auf die Tränendrüse drückt, die Trinkgelder reichlicher fließen. Schließlich müssen wir auch Leben und ein Zubrot kann jeder gebrauchen.

„Meine Damen und Herren, sie hören es an der Musik, es wird Zeit ‚Auf Wiedersehen‘ zu sagen. Wir, Juan und ich, hoffen, dass ihnen die letzten Tage mit uns gefallen und sie einen guten Eindruck vom unserem Heimatland bekommen haben. Sie konnten viele Eindrücke sammeln, wir haben viel erlebt und gesehen, ebenso wurden die Kameras mehr als gequält, …“ Vereinzeltes Gelächter war zu hören. „Ich hoffe mal, sie haben erkannt, dass die USA nicht nur aus den pulsierenden Metropolen besteht, sondern aus vielen, unterschiedlichen Landschaften, die auf ihre Art liebenswert und einzigartig sind. Zwar haben sie den Indian Summer nur in seinen Anfängen mitbekommen, aber ich denke mal, sie haben dieses einzigartige Naturschauspiel auch genossen. Sie müssten ihn mal in 14 Tagen erleben.“ Ich räusperte mich leicht. „Im Namen ihres Reiseveranstalters Müllers Welttouristik und von Lensing Travel als durchführendem Unternehmen bedanken wir uns für das entgegengebrachte Vertrauen. Uns bleibt nur noch übrig, ihnen einen angenehmen Flug und eine weiche Landung in München zu wünschen. Vielleicht sieht man sich irgendwann ja einmal wieder, denn sie wissen, die Welt ist ein so globales Dorf. In diesem Sinne: Bon Voyage, Happy Landing und Goodbye.“ Ich verneigte mich vor dem applaudieren Publikum und setzte mich wieder.

Der Latino grinste mich an. „Good job!“

Kurze Zeit später kam Opa Friedrich an und tippte mir auf die Schulter. „Darf ich mal das Mikro …“

Ich blickte zu ihm auf und reichte ihm das tragbare Aluminiumteil. „Bitte.“

„Danke, mein Lieber!“ Er pustete ins Mikro. „Versteht man mich?“ Zustimmendes Gemurmel war zu vernehmen, ich erhob mich und stellte mich hinter ihn. „Herr Gordon, Herr Juan! Als Alterspräsident unserer Gruppe fiel mir die Aufgabe zu, mich im Namen aller Mitreisenden bei ihnen beiden auf das Herzlichste zu bedanken. Ich muss wirklich sagen, unser junger Fahrer hier beherrscht sowohl den Großstadtdschungel als auch die Wildnis der Landstraße, normalerweise schlafe ich nicht in Bussen, schon gar nicht im Ausland, aber bei ihm fühlte ich mich immer wie in Abrahams Schoß.“ Die Leute klatschten wie erwartet. „Nun zu Ihnen, Herr Gordon. An ihrer Aussprache merkt man zwar, sie sind Amerikaner, aber mehr habe ich als pensionierter Deutschlehrer nichts auszusetzen. Meine Frau und ich machen ja drei oder vier Studienreisen pro Jahr, wir sind also alte Hasen. Das eine kann ich Ihnen sagen, so umfassend informiert und gut geführt wurden wir noch nie. Deshalb haben wir gestern beim Abendessen einmal den Hut rum gehen lassen und für unser Dreamteam gesammelt.“ Unter großen Applaus überreichte er mir einen Umschlag und schüttelte mir danach die Hand.

Das vor Abschluss einer Fahrt bereits für Fahrer und Reiseleiters gesammelt wird, ist eher unüblich geworden, aber Ausnahmen bestätigen halt die Regel. Ich griff nach dem Stimmverstärker. „Damit hätten wir nicht gerechnet, … aber … from the bottom of my heart … Danke! Ich kann ihnen allen versprechen, wir, Juan und ich, werden heute Abend das erste Bier auf ihr Wohl trinken. Nochmals: Danke!“

In die erneute Beifallskundgebung schaltete sich Juan ein. „Ladys and Gentlemen, es wird nicht nur ein Beer, I promise!“

Das Ausladen vor Terminal eins verlief reibungslos. Während Juan mit den Koffern beschäftigt war, musste ich nochmals viele Hände schütteln. Magdalene Laufenberg, die Frau von Opa Friedrich, nahm mich zur Seite. „Herr Gordon, auf ein Wort.“

„Moment bitte, Frau Laufenberg, ich komme gleich zu ihnen.“ Ich musste mich erst noch von dem Reporter-Ehepaar aus München verabschieden, PR kann ja nie schaden. „So, jetzt bin ich für sie da.“

„Es geht um den Indian Summer, machen sie da auch Touren?“ Sie schaute sich ängstlich um. „Mein Mann soll nichts mitbekommen!“

Ich blickte mich um, Opa Friedrich stand am Heck des Busses und wartete auf die Koffer. „Natürlich! Wollen sie mit dem Wohnmobil fahren oder soll es eine Bustour sein?“

Sie sprach unheimlich leise. „Natürlich mit dem Bus! Mein Mann hat seinen Führerschein vor zwei Jahren freiwillig abgegeben und ich habe nie einen besessen.“

Ich nickte. „Gut, dann wäre der Ausgangspunkt der Reise aber Boston und nicht New York, von hier bieten wir nur Wohnmobil-Touren an.“

„Und wann startet die nächste Tour?“ Ich musste mich anstrengen, um sie zu verstehen.

Ich zuckte mit den Schultern. „Da müsste ich im Katalog nachsehen, auswendig weiß ich das auch nicht. Aber wieso fragen Sie?“

„Wissen Sie, mein Mann und ich feiern nächsten Samstag unsere Smaragdhochzeit, wir sind dann 55 Jahre verheiratet. Diese Tour war das Geschenk an uns selber.“ Sie tat unheimlich verschwörerisch. „Ehe Fritz auf den Gedanken kommt, unsere Hochzeitsreise nach Berchtesgaden zu wiederholen, meine Tochter hat so was angedeutet, schenk ich ihm lieber das. Ist doch eine gute Idee, oder?“

„Denke ich auch mal, obwohl ich noch nie in Berchtesgaden war.“ Ich grinste sie an und gab ihr meine Karte. „Schicken Sie mir am besten eine Email, ab wann sie können, dann suche ich ihn was Entsprechendes raus.“

Sie steckte den Karton in ihre Handtasche. „Das wird mein Enkel machen, ich kenne mich mit den Teilen überhaupt nicht aus. Aber melden werde ich mich auf alle Fälle, da können sie sicher sein.“

Aus dem Hintergrund hörte ich ihrem Mann rufen. „Magda! Wo bleibst du denn? Flirtest du etwa mit jungen Männern?“

„Bin ja schon bei dir, Fritzemännchen!“ Sie schüttelte mir noch einmal die Hand und machte sich in Richtung Ehemann an.

Ich blickte den Beiden noch lange hinterher, so rüstig würde ich in Ihrem Alter auch noch gerne sein. Juan tippte mir auf die Schulter und riss mich so aus meinen Gedanken. „Can we go?“

Ich nickte und stieg hinter ihm in den Bus ein. In der Viertelstunde, die wir bis zur Auffahrt des Van Wyck Expressways brauchten, wir mussten ja einmal um den ganzen Flughafen rum, zählte ich das Trinkgeld. Ich staunte nicht schlecht, es waren knapp 1100 $. Ich zählte 500 ab und steckte sie mir in die Hemdtasche, die nächsten 500 wanderten in meine Hose, der Rest verschwand wieder in dem Umschlag, den Opa Friedrich mir gegeben hatte. Ich zückte einen Kuli und schrieb in großen Lettern 93 $ FUND auf das Kuvert, das war die freiwillige Sozialkasse für uns Angestellte. „Ich fang schon mal an, hinten sauber zu machen.“

Er nickte nur und achtete auf den dichter werdenden Verkehr. Viel zu tun gab es nicht, nur fünf oder sechs Coladosen und vier Zeitungen wanderten in den Mülleimer. Kein Wunder, wir hatten den Bus ja auch erst um 9.00 Uhr sauber aus dem Depot geholt und die Küche blieb heute kalt, ich machte sie dennoch sauber. Als ich fertig war, ging ich wieder nach vorn, nahm die Scheine aus meiner Hose und steckte es ihm in die Brusttasche. „Hier, dein Anteil.“

„Thanks.“ Er hielt meine Hand fest, drückte sie auf seine Brust und schaute mich an. „Sollen wir irgendwo noch parken?“

Ich ließ mich auf meinen Sitz fallen. „Juanito, du vergisst, der Bus hat GPS und kann jederzeit geortet werden. Ich glaube auch nicht, das du meinen Vater erklären möchtest, warum wir für 20 Meilen zwei Stunden brauchen. Außerdem …“

Er lachte mich an und fasste sich in den Schritt. „What? Wir brauchen doch nur eine Viertelstunde.“

„Erstens habe ich keine Lust auf einen Quickie und zweitens: Wo willst du mich denn ficken? Hier im Mittelgang, wo von draußen jeder Cop reinschauen kann? Oder nehmen wir die Fahrerkabine, in der sich kaum eine Flunder bewegen kann?“ Ich stöhnte. „Ich dachte eigentlich, es reicht dir, wenn wir es ab und an auf unseren Touren machen. Dass du mich auch zu Hause aufspießen willst, ist mir neu … oder hat deine Carmen mit dir Schluss gemacht?“

Er zog einen Flunsch. „Nein, hat sie nicht! Sie hat … sie hat ihre Tage!“

Das ist halt das Problem, wenn man sich mit machohaften Bi-Typen einlässt, wenn Not am Mann ist, wird man gebraucht, sobald ein Rock auftaucht, ist man abgemeldet. „Da musst du dann durch, aber heute ist Samstag, wir könnten abends um die Häuser ziehen, ein paar Clubs unsicher machen und dann zu mir, mein Bett ist groß genug. Ich muss nur morgen Mittag bei der Familie aufkreuzen.“

Er grummelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. „Ich kann zwar nichts versprechen, aber ich will es versuchen. Ich habe echt Druck auf den Eiern.“

Ich konnte innerlich nur grinsen, so groß konnte der Druck eigentlich nicht sein, denn bei der letzten Zwischenübernachtung vor New York, im Storm King State Park nahe West Point, hatte er mich dreimal im Bett festgenagelt. Mit seinem über acht Inch langen Hammer konnte er wirklich gut umgehen, sehr gut sogar. Auch seine Zunge katapultierte mich regelmäßig in den siebten Himmel der Geilheit, egal ob er mit ihr von vorne oder von hinten an mir spielte. Sein Körper war nahezu perfekt, nicht zu dick und nicht zu dünn, kaum behaart und anschmiegsam wie eine Katze. Aber dieser stolze Adonis hatte leider doch drei kleine Fehler, er war bi, ließ sich nicht ficken und er küsste auch nicht, jedenfalls keine Männer.

Ich glaube, jetzt sind einige Erklärungen fällig, denn ansonsten würde die Geschichte, die ich zu erzählen habe, nur noch konfuser werden, als sie es jetzt schon ist. Zu Juan, dem Busfahrer, ist eigentlich schon alles gesagt, was ist zu sagen gibt. Kommen wir also zu mir: Mein Name ist Gordon Henry Lensing, habe vor vier Monaten die Columbia Business School mit dem MBA verlassen und feiere Ende Oktober meinen 23.sten Geburtstag.

Dass die Geschichte in den USA spielt und ich als Reiseleiter im väterlichen Betrieb arbeite, dürfte dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein. Aber, um die Fragen zu beantworten, warum ich in diesen Job arbeite und die Geschichte, die mein Leben verändert hat, ausgerechnet in Deutsch schreibe, sind noch unbeantwortet.

Dass ein frisch von der Universität entlassener Student im väterlichen Betrieb anheuert, ist sicherlich nichts Ungewöhnliches. Mein alter Herr besitzt sogar ein Busunternehmen. Da ich aber von Technik so viel Ahnung habe wie eine Kuh von der Relativitätstheorie, bei meinem Wagen nur weiß, wo der Tank ist und wie man den Zündschlüssel umdreht, aber schon immer gut mit den unterschiedlichsten Leuten umgehen konnte, war klar, dass ich als Tourguide für ihn arbeite.

Da wir gerade noch bei meinem Produzenten sind, kann ich auch die nächste Frage, nämlich die nach der Sprache, beantworten. Mein Alter Herr besuchte 1970 seinen Großonkel, der in Brooklyn einen kleinen Busbetrieb samt angeschlossener Garage besaß. Bei diesem Besuch lernte er auch meine Mutter kennen und es war, wie beide immer lautstark versichern, Liebe auf den ersten Blick, man heiratete schlussendlich. Die Familie meine Mutter betrieb, ebenfalls in Brooklyn, ein kleines Reisebüro. Opa Walter, der Vater meiner Mutter, kam als Kriegsgefangener in die Staaten, verliebte sich in die Krankenschwester des Kriegsgefangenenlagers, meine liebe Oma Rita. Aufgrund dieser familiären Bindungen war klar, dass wir Kinder zweisprachig erzogen wurden: Daheim wurde Deutsch gesprochen, außerhalb des Hauses nur Englisch.

Wer die Zeilen bisher aufmerksam gelesen hat, dem dürfte auch klar sein, das meine Mutter keine Enkel von mir erwarten kann, denn, um mit Oma Rita zu sprechen: Ich bin verzaubert! Man kann es auch profaner ausdrücken und mich schwul nennen, aber mir gefällt der Ausdruck. Mein Outing vor drei Jahren haben meine Eltern relativ gut weggesteckt; ok, ich gebe es zu: Mama besser als Papa, aber egal.

New York ist zwar ein Mekka der schwulen Community, es gibt nichts, was es nicht gibt oder geben kann, aber vielleicht liegt es gerade an der Masse der Möglichkeiten, die einem hier geboten werden: meinem Traumprinzen hatte ich noch nicht gefunden. Die Szene ist einfach zu riesig und oftmals zu oberflächlich, mir jedenfalls.

Jetzt kommt Juan ins Spiel. Vor zwei Jahren, ich hatte gerade Semesterferien, fuhren wir das erste Mal zusammen. Das Durchschnittsalter der Gruppe lag bei knapp 70 und irgendwann haben wir dann entdeckt, dass man doch zusammen Spaß haben kann. Wir sind kein Paar, wir haben nur ab und an Sex miteinander. Er sieht zwar gut aus, aber leider hat er die genannten drei Fehler, die eine engere Beziehung mit ihm von Anfang an scheitern lassen, ich bin halt der große Romantiker.

Da sich Lensing Travel auf Busrundreisen spezialisiert hat und hauptsächlich das deutschsprachige Klientel bedient, erwartet Papa von all seinen Mitarbeitern, sich mit unseren Gästen unterhalten zu können. Von seinen Reiseleitern erwartet er fließendes Deutsch; seinen Fahrern zahlt er auch einen Sprachkurs, der wenigstens die Grundbegriffe vermittelt. Da der Latino aber alsbald zum Reiseleiter mutieren wollte, er hat leichte Probleme mit den Augen, reden wir halt Deutsch miteinander.

Er riss mich aus meinen Tagträumen. „Wie sieht eigentlich dein Dienstplan für die nächsten Wochen aus? Fahren wir mal wieder zusammen?“

Wollte er mich anmachen? „Äh, am Montag bin ich im Büro, dann übernehme ich für Cindy ihren Teil in New York bei ‚Big Apple bis Florida‘ und ab Freitag geht es dann auf die kleine Oststaaten-Tour und danach? Danach ist erst einmal Urlaub angesagt.“

Er warf mir einen fragenden Blick zu. „Wieso übernimmst du für Cindy? Du solltest doch übermorgen auf die große Oststaaten-Tour, zusammen mit Peter.“

Wieso kannte er meinen Dienstplan? „Stimmt, aber es gab eine kleine Änderung. Cindy ist gestern mit einem Blinddarmdurchbruch ins Krankenhaus eingeliefert worden, von daher … streiche Toronto, setze Washington, aber Hauptstadt bleibt Hauptstadt.“

„Das mit Cindy tut mir leid, aber eigentlich auch nicht.“ Jetzt hatte ich die Fragezeichen in den Augen. „Dann haben wir Freitag wieder das Vergnügen miteinander, ich freue mich schon!“ Er fasste sich in den Schritt und rückte den kleinen Juan in Position.

Das konnte ja heiter werden! Aber wenn ich es mir recht überlegte, war diese Änderung eigentlich gar nicht so schlecht. Anstatt mit dem dicken Peter, der schnarcht wie ein ganzes kanadisches Holzfällerlager zusammen, in einem Zimmer zu nächtigen, war die Aussicht, mit Juan das Bett zu teilen, dreimal angenehmer. Aus Kostengründen teilen sich Geschlechtsgenossen ein Zimmer bei Rundreisen, sie müssen ja sowieso zusammenarbeiten, warum sollten sie auch nicht zusammen nächtigen? Eine der Devisen meines Vaters, die er wahrscheinlich sofort überdenken und über Bord werfen würde, wenn er wüsste, wie einige seiner Angestellten sie auslegten. Ich bin nicht der einzige Verzauberte in seiner Firma.

„Nicht nur du!“ Ich grinste. „Aber bitte tue mir einen Gefallen, ja?“

„Welchen?“ Er lächelte verschmitzt.

„Kauf‘ dir bitte einen Lipgloss, damit du endlich das Küssen lernst!“

„Was du immer hast!“ Er stöhnte. „Ich bin ein Mann, ich küsse keine Männer.“

„Nein, du bist ein Mann, der besser blasen kann als jede Frau.“ Ich war zornig! Aber auf wen? Auf ihn oder auf mich? Ich mochte ihn, soviel stand fest. Liebe war es zwar nicht, aber ich hätte mich mit der Rolle der passiven Stute für ihn abfinden können, wenn er… ja wenn er mir gegenüber einmal die Zärtlichkeit an den Tag gelegt hätte, die er normalerweise seiner Freundin Carmen oder irgend einem anderen weiblichen Wesen entgegen bringt. Küssen gehört für mich einmal dazu! Scheiße, wie kann man so verzweifelt sein?

„Woher willst du denn wissen, wie eine Frau bläst?“ Verhöhnte er mich etwa?

Ich schnaufte, nicht nur innerlich. „Auch wenn du es dir nur schwer vorstellen kannst, aber Patsy Schroeder hat mir beim Abschlussball in der Highschool einen geblasen!“ Ok, das war mit 17, somit schon längst verjährt. Sie hat sie so dämlich angestellt, ich musste bei all ihren krampfhaften Bemühungen immer an Henry McGregor, den Captain unseres Basketballteams denken, der mich zwei Tage zuvor in Grund und Boden gefickt hatte, denken, damit der kleine Gordon seine Spannkraft behielt. Es war einfach nur … öde und langweilig, aber ich wollte ja mitreden können! Wie naiv kann man nur sein?

„Die kann ja nichts gewesen sein!“ Seine Stimme war mehr als verächtlich. „Ich glaube, ich musste dir mal meine Carmencita vorbei schicken. Die kann vielleicht blasen! Da vergeht dir echt Hören und Sehen!“

„Ach ja?“ Gut, jetzt war ich nicht ganz höflich. „Und warum bläst sie dir dann keinen? Vor fünf Minuten wolltest du mich noch ficken, also so toll … so toll kann sie wirklich sein.“

„Hör auf!“ Er wurde er ärgerlich. „Sie ist wirklich eine Kanone!“

Ich bin zwar keine Diva, aber ich konnte nicht anders. „Na dann, … dann hab ich dir einen Vorschlag zu machen!“

„Welchen?“ Er wurde anscheinend neugierig.

Himmel, jetzt war ich in der Bredouille! „Dann kommt heute Abend beide vorbei und veranstaltet an mir ein Blaskonzert. Ich bin ja echt gespannt, wie sie es findet, wenn sie mit dir um meinen Abgang wetteifern muss.“

Er stöhnte, seine Stimme war kaum zu vernehmen. „Mensch Gordon! Mach es mir doch bitte nicht so schwer.“

Die letzten zehn Minuten der Fahrt bis zum Vinegar Hill, dort befindet sich das Lensingsche Busdepot, verbrachten wir schweigend. Ich hatte keine Lust mehr, mit ihm zu reden, er anscheinend auch nicht. Aber es war mir mehr als egal! Ich wollte mich nicht mehr länger als Fickfleisch behandeln lassen, als Notnagel! Ich wollte einen Partner, einen Freund, einen Gefährten.

Die Abgabe des Fahrzeuges erfolgte fast mechanisch. Es war einfach nur Routine. Als wir im Aufenthaltsraum standen, blickten wir uns nur an, hatten uns aber inhaltlich nicht mehr zu sagen. Er reichte mir die Hand und verabschiedete sich. „Wegen heute Abend … I will give you a call.”

Ich stand gedankenverloren dar und hätte eigentlich schreien können, aber das hätte auch nichts gebracht. Ich ließ mich vom Bereitschaftsfahrer, solch einen Luxus leistet sich mein Vater, zu meinen Apartment an der Codman Plaza bringen. Normalerweise machen sie keine Taxidienste, aber ich bin ja der Sohn des Chefs, da machen sie gerne eine Ausnahme.

Der Anrufbeantworter blinkte, meine Mutter erinnerte mich an das morgige Mittagessen im familiären Kreis, ich solle die ja pünktlich sein. Mütter! Ich schmiss mich erst einmal aufs Bett und gönnte mir eine Runde Schlaf.

Als ich aufwachte, blickte ich aus meinem Panoramafenster und sah den East River in der Dämmerung. Eigentlich ein Bild für eine Postkarte, die Brooklyn Bridge zur rechten Hand, der Blick auf Lower Manhattan vor mir. Was bei vielen Touristen ein Entzücken hervorrufen würde, war aber mir alltäglich, es war nichts Besonderes. Gut, das Apartment hatte ich Muttern zu verdanken, nach meinem Outing war sie der Meinung, ich bräuchte mein eigenes Reich, müsste man eigener Herr sein.

Aber wahrscheinlich wollte sie nur, dass die Kabellaien mit meinem Vater aufhörten. Sie zog ihre eigenen speziellen Fäden und ich bekam mein Refugium. Aus meinem Kinderzimmer sah ich auf den gleichen Fluss, nur trennen mich heute 10 km Luftlinie von dem Blick damals.

Gegen kurz nach acht bekam ich richtigen Hunger, mein Magen krampfte sich regelrecht zusammen. Kein Wunder, hatte ich doch bis auf ein Hot Dog bei Nathan’s seit dem Frühstück nichts richtiges mehr gegessen. Als ich meine Küche betrat und den Inhalt meines Kühlschranks inspizierte, fiel es mir wie Schuppen aus den Augen, ich hatte vergessen, einzukaufen. Als Reiseleiter isst man meistens mit den Gästen und das meistens auch kostenlos, von daher ist der Nahrungsmittelvorrat in den eigenen vier Wänden meistens eher kärglich bemessen.

Zwar glänzt meine geliebte Heimatstadt durch den Beinamen, sie würde niemals schlafen, was ja auch stimmte, aber ich hatte wirklich keine Lust mehr, einen Einkaufswagen durch die endlos langen Gänge eines Supermarktes zu schieben, um Brot, Butter, Wurst und sonstige Nahrungsmittel käuflich zu erwerben, vom späteren Kochen einmal ganz abgesehen. Daher rief ich den Pizzadienst an und orderte neben einer Teigscheibe auch einen Salat, man muss ja auch Vitamine und Ballaststoffe zu sich nehmen.

Gegen zehn, das Mahl war beendet, und die Flasche Rotwein, die ich gleich mit bestellt hatte, zur Hälfte geleert, entschied ich mich für eine Dusche. Danach würde ich mich ins Nachtleben stürzen und dort nach meinen grünäugigen, dunkelhaarigen Traummann mit athletischer Schwimmerbrust und kurzem Bürstenhaarschnitt suchen und ihn bestimmt auch finden.

Unter dem Wasserstrahl malte ich mir in den schillernsten Farben aus, wie wir uns in später einer kleinen, verträumten Bar im Village zum ersten Mal begegnen, dann in die Augen des anderen abtauchen und so diese schreckliche Welt um uns herum total vergessen würden. Danach würden wir händchenhaltend im Mondenschein über die Brooklyn Bridge zu mir gehen, es uns vor dem Kamin mit einer Flasche Champagner gemütlich machen und, bevor die Callas die Costa Diva aus der Norma von Bellini trällert, anfangen, unsere Körper sinnlich und mit viel Hingabe zu erforschen. Kurz vor der endgültigen Vereinigung auf dem Bärenfell, ich hatte vorher, mit all meiner mir gegebenen Leidenschaft, seine beiden süßen Apfelbäckchen sanft liebkost und seine heilige Pforte mit meiner Zunge mehr als gekitzelt, riss mich mein Telefon in die Wirklichkeit zurück. Ich verfluchte in diesem Moment Philipp Reis für seine Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Telefonie.

Nass und nackt, wie ich war, taperte ich den Flur entlang. Wo war das scheiß Telefon? Aber ich hatte Glück im Unglück und fand den Hörer, bevor der Anrufbeantworter das Gespräch entgegen nehmen konnte. „Hello?“

„Hallo Gordon, Michael hier.“ Ein Arbeitskollege von mir, ebenfalls verzaubert, aber mit rotem, wallendem Haar, man konnte seine irischer Herkunft beinahe sehen.

„Was gibt es?“ Normalerweise bin ich nicht zu kurz angebunden, aber ich tropfte meinen Flur voll.

„Ich komme gerade aus dem Village, da ich dachte, ich müsste Morgen auf Tour gehen … ich habe gerade meine Mails abgerufen und von der Änderung erfahren … ich übernehme ja für dich die große Oststaaten-Tour.“ Ich hasse lange Einleitungen!

„Stimmt, Cindy ist krank geworden, deshalb ist der ganze Dienstplan durcheinandergeraten.“

Er lachte. „Ich hab meinen Blinddarm mit 15 verloren … aber Gordon, ich hab die Tour noch nie gemacht, deshalb wollte ich fragen, ob du … mir eventuell … deine Unterlagen …“

Darum ging es also, er wollte meine Notizen. „Kein Thema, die kannst du kriegen! Wann willst du sie dir abholen?“

„Ich dachte eigentlich, ich komme morgen Abend gegen acht bei dir vorbei, bringe was vom Chinesen mit und wir machen uns einen Gemütlichen, nur du und ich.“ Man konnte fast sein Grinsen hören. „Ich hab ja Montag frei.“

„Du Glücklicher! Ich muss ins Office und mich mit Paps rumschlagen.“ Ich konnte mir schon denken, worauf das hinauslaufen würde: Wir würden, nach gemeinsamen Essen, zusammen in Bett landen, um dort meine Notizen zu besprechen. Mir sollte es eigentlich egal sein, nach acht Tagen mit Juan war mir jedwede Abwechslung angenehm. Zwar würde er den ganzen Mann in mir fordern, er ist halt reineweg passiv, aber Abwechslung erfreut ja, wie der Lateiner zu sagen pflegt. „Dann sag ich mal bis morgen. Oder gehst du heute noch raus?“

„Lohnt sich nicht mehr! Ich habe schon meinen Pyjama an, dachte ja, mein Wecker klingelt um sechs. Werde morgen dann ins Studio gehen und etwas länger trainieren! Willst du denn noch raus?“

„Ich stand gerade unter der Dusche, als du angerufen hast.“ Ich ließ seine Frage unbeantwortet. „Wir sehen uns dann morgen und …“

„Was?“ Er war eindeutig neugierig.

„Power dich nicht zu sehr aus! Du musst ja fit sein für die Besprechung.“ Ich grinste mich frech im Spiegel, der im Flur hing, an.

„Keine Angst, Gordon, werde ich bestimmt nicht machen! Dann sag ich mal Gute Nacht!“

„Wünsch ich dir auch! Bis morgen.“ Ich legte auf und blickte nach unten, ich stand mittlerweile ich in einer Wasserlache.

Zurück im Bad, duschte ich zu Ende, ich hatte ja noch Schaum in den Haaren. Einige Handgriffe noch und mein Körper war ausgehfähig. Ich entschied mich für meine schwarzen Levys, auf die Unterhose verzichtete ich, ein weißes Shirt und ein fliederfarbenes Hemd. Nach dem dritten Versuch gelang es mir schließlich, die Hose zu schließen. Ich sollte es Michael gleichtun und morgen mal wieder was für meinen Körper tun. Ich bin zwar nicht so dick, aber ein, zwei Kilo weniger auf meinen Hüften, würden meiner Figur sicherlich nicht schlecht bekommen.

Aus dem Kleiderschrank griff ich mir die wärmere Lederjacke, denn, wenn ich später aus der Szene zu Fuß nach Hause laufen würde, ich hasse die New Yorker Metro in der Nacht, würde sicherlich ein kalter Wind vom Atlantik her pfeifen. Eine Erkältung wollte ich, so kurz vor meinem Urlaub, nicht riskieren.

In der Bahn, die mich in die Stadt brachte, saß sich einem Pärchen gegenüber. Sie interessierte mich überhaupt nicht, er dafür umso mehr. Gute Figur, kurze, schwarze Haare, athletischer Körper, ein Grübchen auf der rechten Wange, einfach nur zum Anbeißen. Der einzige Fehler, den ich ausmachen konnte, war, er mochte mit Frauen. Aber eins stand für mich fest: Wenn ich meinen Traumprinzen heute nicht finden würde, der Knabe mit dem süßen Lächeln auf seinen Lippen würde für mich die Wichsvorlage abgeben.

Vier Drinks und drei Kneipen später, es war kurz nach zwölf, stand für mich fest, ich wäre besser bei einem guten Buch zuhause geblieben. Mr. Perfect hatte ich – wieder einmal – nicht gefunden: Ich mag halt keine Oberflächlichkeit, aber die scheint in einer Stadt, in der Schein mehr ist als Sein, an der Tagesordnung zu sein.

Entsprechend gefrustet machte mich auf den Heimweg. Nach ein paar Blocks taten mir allerdings schon die Füße weh. Wie sollte ich dann einen Fußmarsch von über einer Stunde überstehen? An der Spring Street tauchte ich daher in den Untergrund, ich nahm, obwohl ich es nicht wirklich mochte, in der Nacht die U-Bahn. Wenigstens hier hatte ich Glück, ich hätte kaum den Bahnsteig betreten, da fuhr auch schon die Linie C ein. Keine Viertelstunde später, ich hatte die Metro an der High Street Station in Brooklyn verlassen, bog in die Straße ein, die mich zu meiner Bettstadt bringen sollte.

Als ich an meinem Haus ankam, wunderte ich mich etwas: Obdachlose sind eher selten in meinem Viertel. Auf den Treppenstufen, die zur Haustür führten, saß jemand, seinen Kopf, wohl aus Schutz vor der Kälte, zwischen seinen Knien eingeklemmt. Auch wenn es nicht gerade im Sinne der Nächstenliebe ist, aber wenn man, wie ich, in York aufgewachsen ist, kümmert man sich um solche Gestalten nicht, man lässt sie in Ruhe und spricht sie nach Möglichkeit auch nicht an. Als ich meinen Schlüssel aus der Hosentasche zog, um die Tür aufzuschließen, blickte ich die Gestalt dennoch an. Ich konnte es nicht fassen, wen ich da sah! Es war Juan, der da saß und vor sich hin fror.

„What are you doing here?“

Er hob ganz langsam den Kopf. „I am waiting … for you.”

Ich ging zu ihm, packte ihn an der Schulter. „Come on!“

In meinem Flur angekommen, zog ich mir erst mal die Jacke aus und blickte ihn an, er fröstelte immer noch. Ich schubste ihn mehr, als er selber ging, in die Dusche. Fast mechanisch zog er sich aus. Als er nackt war, blickte er mich hilfesuchend an. „Hold me! Please!“

Ich umarmte den Latino, der mit sechs Fuß nur knapp kleiner war als ich. Meine Hände tasteten über seinen Rücken, ich wiegte ihn fast wie ein Kleinkind, bedeckte sein Gesicht mit Küssen und hätte mich beinahe selbst vergessen. Als er sich urplötzlich wieder schüttelte, wurde auch ich in die Realität wieder zurückkatapultiert. Ich deutete nur auf das weiße Emaile und er betrat, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, die Dusche. Als er die Tür geschlossen hatte und ich das Wasser rauschte hörte, ging ich erst einmal mein Schlafzimmer.

Ich schälte mich aus meinen Klamotten und zog mir, nackt wollte ich nicht vor ihn treten, eine Boxershort über, das Shirt hatte ich angelassen. Aus meinem Kleiderschrank holte ich ein Badetuch und meinen alten Bademantel. Mit den Froteeteilen bewaffnet, betrat ich wieder das Bad, Dampf schlug mir entgegen. Er muss meine Anwesenheit gespürt haben, denn kaum hatte ich den Bademantel abgelegt, stellte das Wasser ab und öffnete die Tür. Stolz sah er nicht aus, mein Macho. Er wirkte eher wie ein kleines Kind. Mit dem Badeschal in meiner Hand ging ich auf ihn zu. Er strahlte mich an und ich rubbelte ihn trocken. Als der letzte Wassertropfen von seiner Haut verschwunden war, hüllte ich ihn den Bademantel, griff mir seine Hand und zog ihn hinter mir her in Richtung Flur.

In der zentralen Verteilungsstelle meiner Wohnung angekommen, übernahm er die Führung und drängte mich ins Schlafzimmer, schubste mich auf mein Bett. Ich saß kaum, da baute er sich vor mir auf, klemmte meine Knie zwischen seine Beinen, ließ den Bademantel fallen, griff an meine Hüften, um mir mein Shirt über den Hals zu ziehen. Es lag kaum auf dem Boden, da ging er einen Schritt zurück, griff nach meinen Füßen und warf mich so auf den Rücken. Es dauerte nur Sekunden, dann umfasste er den Bund meiner Boxer, zog sie zu sich und ich lag nackt auf meinem Bett. Er schob mich in die Mitte meine Matratze, bedeckte mich mit seinem Körper, versuchte so wohl, mich zu wärmen. Seine Hände gingen ziellos auf Wanderschaft, sie waren über allen und nirgends.

Juan knabberte an meinem Ohrläppchen, küsste meinen Hals und setzte seine Reise nach unten fort. Er umspielte mit seiner Zunge meine linke Brustwarze, saugte daran wie ein Ertrinkender. Die Finger seiner linken Hand spielten mit meinem rechten Nippel, zwickte ihn zärtlich. Als er mit seinem Ohr meinen schneller werdenden Herzschlag lauschte, war ich mehr als überrascht. Ich fühlte mich wohl und geborgen, so innig und liebevoll hatte er mich noch nie behandelt. Ich weiß nicht, wie lange wir so gelegen haben, für mich waren es gefühlte Stunden.

Plötzlich setzte er sich in Bewegung, seine Nase ging über mein Brustbein wieder auf Reisen, nächster Halt war mein Bauchnabel. Mit den Lippen umschloss er die natürliche Vertiefung, die Zunge stieß in die Tiefen vor. Wohlige Schauer durchfluteten mich regelrecht, als er versuchte, in seiner Mundhöhle einen Unterdruck zu erzeugen, um so den Boden der Mulde anzuheben. Meine Hände lagerte ich auf seinem Kopf und meine Finger wuselten durch seine Haare. Als sich die Druckverhältnisse um meinen Nabel änderten, wäre ich fast abgehoben. Seine Lippen vibrierten, als der Überdruck pfeifend entwich.

Er robbte noch etwas tiefer, seine lange Zunge umspielte den Rand meiner Eichel, nur die Nille ließ er außen vor. Ich weiß nicht, wie viele Umrundungen es waren, aber dann tauchte der kleine Gordon in die Wärme seines Mundes ab und fühlte sich dort offensichtlich wohl. Dass der Latino blasen konnte, wusste ich ja, sein Zungenspiel hatte ich bisher immer genossen, aber heute ging er einen Schritt weiter. Bildeten bisher seine Mandeln die Grenze des oralen Spielfeldes, so fiel hier und jetzt diese Grenze und meine Kuppe drang in die bisher unbekannten Gebiete seines Rachens vor. Noch nie zuvor hatte ich seine Lippen dabei an meinem Schwanzansatz gespürt.

Während ich den Kehlenfick einfach nur genoss, spielte er mit meinen Bällen und betastete sie sanft und zart, nicht fordernd und quetschend, wie er es sonst immer machte. Ich wollte, dass die Zeit stehen bleibt und diese Intimität nie aufhören möge, so geil war ich in dem Moment. Aber dann er entließ meine acht Inch in die Freiheit, leckte den Stamm entlang und widmete sich mit aller Zärtlichkeit seiner Lippen meinen Bällen. War das Wechselspiel zwischen Über- und Unterdruck an meinem Nabel schon geil, machte er mich fast verrückt, als er es erst mit meinem rechten, dann mit meinem linken Ei wiederholte, einfach göttlich, einfach zum abheben.

Ich wandt mich wie ein Aal, aber ich konnte weder seinem Mund noch seinen Händen entfliehen, ich wollte es auch gar nicht. Juan tastete nach meinen Beinen, als er die Kniekehlen gefunden hatte, ging er mit seinem Kopf noch oben und blickte mich lüsternd an. Wie in Zeitlupentempo drückte er meine Beine nach oben und je höher sie wanderten, desto näher rückte er an mich heran. Er musste sich wohl auf seine Unterschenkel gesetzt haben, ich konnte seine Nähe deutlich spüren. Aber um mir seine Lanze einzurammen, und ich hätte mich gegen diese Eroberung gewiss nicht gewehrt, war er mir einfach zu nah, zur Gattung der Schlangenmenschen gehört er leider nicht.

Er leckte über meinen Damm, speichelte ihn ein, um sich dann ausführlich mit meinem Tal zu beschäftigen. Aber anstatt sich zu bewegen, bewegte er mich. Ich kam mir vor wie ein lebendes Schaukelpferd, seine Zunge bildete den Auflagepunkt, meine Ritze die Kufe. Aber dieses lustvolle Wippen, so angenehm es auch war, hatte alsbald ein Ende. Als wenn er eine Feststellbremse gezogen hätte, kam ich zum Stehen. Er kannte augenscheinlich noch ein Ziel, meine heilige Pforte. Wieder einmal kam die Saugglocke in Form seines Mundes zum Einsatz. Ich hätte fast abgehoben, so geil machte er mich damit. Ich wimmerte und stöhnte, endlich hatte er ein Einsehen und setzte bei dem Druckwechsel seine Zunge ein. Ich spürte, wie er mich aufbohrte und in mich eindrang.

Er sollte mich endlich aufspießen, ich wollte ihn in mir haben, ich wollte ihn spüren, ich war Wachs in seinen Händen. So sehr ich ihm meinen willigen Hintern auch entgegenstreckte, ihn fast anbettelte, er machte keinerlei Anstalten, meinen Wunsch nach Füllung zu erfüllen. Stattdessen ließ er abrupt von meinem Portal ab und fokussierte sich auf mein bestes Stück.

Er grinste mich an, lies seinen Kopf zwischen meine Beine sinken. Sein Zäpfchen bildete keinen Widerstand, meine Eichel war binnen Sekunden von seiner Schluckmuskulatur eingeklemmt. Er bearbeitete mich und mein bestes Stück mit einer derartigen Hingabe, die ich bisher nicht kannte, jedenfalls nicht von ihm. Er machte mich fast wahnsinnig, meine Hände krallten sich in die Bettdecke. Als seine Zähne dann anfingen, an meinen Schaft zu knabbern, so, als würden sie an einem zu trockenen Keks mümmeln, konnte ich mich fast schon nicht mehr halten.

Als er mit seinem linken Zeigefinger durch das Tal der Könige fuhr, verkrampfte ich mich. Bitte! Nimm mich endlich! Aber er tat es nicht, nur seine Koppe spielte ja nur an meinem Eingang. Als er endlich das Tor durchschritt und ich seinen Finger in mir spüren konnte, öffneten sich sämtliche Schleusen bei mir. Ohne dass meine Sahne das Tageslicht sah, pumpte ich die milchige Flüssigkeit Schub um Schub direkt in seinem Magen. So einen Orgasmus hatte ich selten erlebt.

Fertig wie 10.000 Russen sackte ich auf dem Bett zusammen, fiel in eine Art ist Stasis. Ich konnte er nichts mehr denken, nichts mehr fühlen, nicht mehr handeln. Ich blickte auf und sah in zwei fast schwarze Augen, die mich sanftmütig anlächelten. Juan gab seine Position auf und krabbelte wieder zu mir hoch. Er küsste mich auf die Nase. „Ich hoffe, es hat dir gefallen.“

Und ob es das hat! Ich rang immer noch nach Atem, war nicht fähig, mich irgendwie zu äußern. Ich sah zu, wie er aufstand, die Bettdecke unter mir hinweg zog, um sie gleich darauf wieder auf meinen schweißnassen Körper zu legen. Dann war er kurz verschwunden, er musste wohl das Licht in meiner Behausung gelöscht haben. Das Nächste, was ich spürte, war, wie er das Laken zu Seite schlug und zu mir unter die Decke gekrabbelt kam. Er drehte mich auf meine linke Seite, meine gewohnte Schlafposition. Seine Rechte, bis gerade eben noch auf meiner Hüfte, fuhr ein Stück nach unten und spreizte meine beiden Halbkugeln. Mit seiner Zunge fuhr er meine Nackenwirbel entlang, ich wurde wieder wuschig. Würde er mich jetzt wieder in den Himmel der Geilheit schicken?

Ich spürte, wie er mit seinem harten Rohr durch meine Furche fuhr. Ich war voller Erwartung, wollte ihn und seine 21cm in mir haben, jetzt und sofort. Er sollte mir den Arsch aufreißen, mein Innerstes nach Außen krempeln, um es dann wieder in mich hinein zu stopfen. Aber die Eingangstür, an der er kurz stoppte, ließ er ungeöffnet, stattdessen parkte er seinen Freudenspender in meinem Tal, er klemmte ihn einfach zwischen meinen Backen ein.

Seinen Atem spürte ich an meinem Ohr, er flüsterte mir etwas zu, aber was er sagte, verstand ich leider nicht. Mein Spanisch ist nur sehr, sehr lückenhaft, es reicht gerade, um meiner Puerto Ricanischen Putzfrau einige Anweisungen zu geben. Sein Arm umschlang mich, zog mich noch näher zu sich heran. „Sleep tight, my dear!“

Das konnte jetzt doch wohl nicht sein Ernst sein! Ich kam mir wie ein Steak vor, das war nur von einer Seite gebraten hatte. Erst geht er ran wie ein Berserker, als gebe es kein Morgen mehr, sorgt für einen der gigantischsten Abgänge meines Lebens, und dann dreht der Herr sich einfach um, will kuscheln und anscheinend schlafen. Die Regelmäßigkeit seiner Atemgeräusche legte jedenfalls die Annahme nahe, dass er schon längst in Morpheus Armen schlummerte. Verstehe einer die Bi-Typen, besonders wenn sie Latinos sind.

Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als ich die Augen aufschlug. Der Radiowecker, der neben dem Bett stand, zeigte 9.20 Uhr. Ich griff mir das Teil, stellte den Alarm auf elf. Anderthalb Stunden würden ausreichen, um mich für das anstehende familiäre Essen entsprechend landfein zu machen. Ich schaute mich um, der Platz neben mir war leer. Hatte ich das Ganze nur geträumt? Ein Blick auf den Boden belehrte mich dann eines Besseren, mein alter Bademantel lag vor dem Bett, also war es real gewesen, dass ein empfindlicher Teil von mir ganz in Juan gesteckt hatte. Wo war der Knabe? War er gegangen?

Ich ließ meinen Kopf wieder in die Kissen sinken, wollte noch eine Mütze voll Schlaf nehmen. Die kommenden Stunden mit meiner Familie würden anstrengend genug werden. In diesem Moment betrat ein nackter Latino mein Schlafzimmer, der kleine Juan, der eigentlich gar nicht so klein ist, zeigte die deutlichen Spuren einer morgendlichen Versteifung. Träumte ich immer noch? Ich hatte Juan ja schon oft im Adamskostüm gesehen, aber noch nie, wie er in jeder Hand eine Tasse Kaffee vor sich hertrug. Vorsichtig stellte er das Porzellan auf der Nachtkonsole ab. „Guten Morgen, mein Engel! Gut geschlafen?“

Hatte ich richtig gehört? Er, der Macho, nannte mich Engel? Ich grinste ihn an. „Habe ich, aber ich hatte einem ganz komischen Traum.“

 

Interessiert blickte er mich an, kam auf mich zu, seine Hände streichelten mich über Gesicht und Haare. Juan beugte sich zu mir herunter und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Welchen?“

 

„Von so einem Typen, der mich nachmittags auf dem Highway vergewaltigen wollte, später im Bett mir den Staubsauger machte und dann aber zum Kuscheltiger mutierte.“ Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

 

Er zog einen Flunsch. „Hat ein Mann nicht ein Recht auf Zärtlichkeit?“

 

„Doch hat er, aber vielleicht …“

 

„Vielleicht was?“ Die Fragezeichen in seinen Augen waren unübersehbar.

 

„Vielleicht hätte es dem potentiellen Opfer gefallen, wenn es nach dem großen Blaskonzert noch eine entsprechende Zugabe gegeben hätte!“ Irgendwie wollte ich es ihm heimzahlen: Mich erst heiß und geil zu machen und dann einfach beiseitezulegen, ist ja auch nicht die feine englische Art.

 

Er tat ganz unschuldig. „Du hättest ja was sagen können … ich dachte immer, du stehst auf romantisches Kuscheln.“

 

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte; jetzt war ich noch Schuld daran, dass er mich nicht gefickt hat. Männer! „Stehe ich ja auch, … aber du kannst mich nicht auf den Gipfel der Geilheit führen und dann am Gipfelkreuz einfach stehen lassen. Ein guter Bergführer begleitet den Wanderer auch wieder ins Tal zurück.“

 

Er wirkte plötzlich ziemlich kleinlaut. „Sorry …“

 

Irgendetwas hatte er, da war ich mir sicher, ich erkannte ihn ja kaum wieder. Gestern noch der wilde Tiger, der hemmungslose seine Beute reißt, heute die sanfte Schmusekatze, die maulig wird, wenn sie ihre Streicheleinheiten nicht bekommt? Seine Wandlung vom Saulus zum Paulus konnte ich nicht so ganz nachvollziehen, vor allem fehlte mir der auslösende Faktor, der für diese Metamorphose verantwortlich zeichnete.

Aber solch schwerwiegende Gedanken wollte ich mir auf nüchternem Magen nicht machen, daher wechselte ich das Thema. „Gib es auch etwas Essbares zum Kaffee?“

 

Bedauernd schüttelte er den Kopf. „Sorry, but your fridge is like the deep space: a great nothing!”

 

Ich lachte verlegen, mir fiel der vergessene Einkauf wieder ein. „Ich werde heute Nachmittag noch in den Supermarkt, ich brauche morgen ja was zum Frühstück. Aber dein Kaffee ist köstlich.“

 

Ein Lächeln huschte über seine Lippen. „Und was machst du sonst noch heute?“

 

„Heute ist Sonntag … nach guter deutscher Sitte trifft sich da die ganze Familie zum Mittagessen.“ Ich atmete tief durch. „Wie lange das dauert? Ich kann es dir nicht sagen. Danach der Einkauf … vielleicht geh ich noch ins Studio, wenn ich es zeitlich auf die Kette kriege.“

 

„Und heute Abend? Any plans for the night?“ Sein Blick hatte etwas Eindringliches an sich.

 

Ich stellte die Kaffeetasse ab. „Michael kommt um acht, …“

 

„Michael? Doch nicht etwa unser Mister Furgesson?“ Was sollte die Schärfe in seiner Stimme?

 

Als ich nickte, verfinsterte sich sein Gesicht. „Doch! Er übernimmt ja die Tour für mich, …“

 

„Und was will die irische Obertuke von dir? Doch nicht etwa …“ War er eifersüchtig?

 

Ich ließ mir nichts anmerken. „Wir wollen erst was essen und dann die Unterlagen durchgehen, ist ja sein erster Einsatz auf der Tour. Was hast du denn vor?“

 

„Nichts, ich dachte eigentlich, wir … wir könnten …“ Warum wurde er jetzt verlegen?

 

„Was?“ Juan, rede endlich mit mir, Gedankenleser bin ich leider nicht, denn dann würde ich nicht als Reiseleiter arbeiten, sondern als Wahrsager beim Zirkus oder in irgendeiner TV-Show und da das große Geld kassieren.

 

Er erhob sich, in der Tür stehend wandte er sich zurück und blickte mich an. „Ich wollte mit dir … Ach egal! Ich werde mir von dieser Schwuchtel nicht den Abend versauen lassen. Es reicht absolut, wenn ich ihn und sein weibisches Gehabe im Bus erlebe. Ich geh jetzt besser …“

 

Ich blickte auf den leeren Türrahmen und verstand die Welt nicht mehr. Was war nur in den Latino gefahren? Ich konnte mir beim besten Willen keinen Reim darauf machen, so kannte ich ihn gar nicht. Juans Benehmen war wirklich … strange. Als ich die Tür zum Badezimmer aufmachte, stand er angezogen vor mir. „Juanito, …“

 

Er funkelte mich an. „Nenn mich nicht so! Ich bin nicht dein … Du kannst dich ja melden, wenn du … die rote Bitch bestiegen hast! Aber desinfizier dich danach … ich will mir ja nicht die Krätze holen!“ Er drängte sich an mir vorbei.

 

Das Nächste, was ich hörte, war die Wohnungstür, wie sie ins Schloss fiel. Ich hätte doch besser Psychologie studiert und nicht Wirtschaftswissenschaften, vielleicht hätte ich dann sein Verhalten deuten können. So war es für mich ein Buch mit sieben Siegeln.

 


 

Als ich wieder im Bett lag, grübelte ich noch lange darüber nach, was da gerade geschehen war. Aber so sehr ich auch meine kleinen grauen Zellen anstrengte, mir wollte einfach keine vernünftige Erklärung für sein merkwürdiges Verhalten einfallen. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass es bei der Fehlersuche sinnvoll sei, die Chronologie der Ereignisse zu betrachten. Aber dieser Ansatz brachte mich auch nicht wirklich weiter, so oft ich auch die letzten 96 Stunden vor meinem geistigen Auge wieder und wieder ablaufen ließ.

Wir hatten, bis auf die Episode in der letzten Nacht, bisher immer nur außerhalb von New York City das Wort Begehren buchstabiert, nie innerhalb der Stadtgrenzen. Eigentlich auch kein Wunder, denn, sobald wir im Big Apple waren, bestand für uns keinerlei Notwendigkeit mehr, ein Zimmer miteinander zu teilen, jeder von uns hatte ja seine eigene Wohnung, sein eigenes Leben. Diesem ungeschriebenen Gesetz zwischen uns verdankte ich auch wohl die drei erfolgreichen Tauchversuche in meiner Grotte in dem Hotelzimmer nahe West Point.

Der Episode im Bus, als wir zum Depot zurückfuhren und Juan mich zum schnellen Sex überreden wollte, maß ich keine große Bedeutung bei. Sie war – in meinen Augen – von Anfang an sowieso zum Scheitern verurteilt gewesen, denn, bei genauerer Betrachtung der Situation, fehlten sowohl Zeit als auch Gelegenheit, Hormone in Wallung zu bringen. Gut, ich hätte besser meine vorlaute Klappe halten sollen, aber der Vorschlag mit dem Blaswettbewerb auf meiner Trompete war ja nur die passende Retourkutsche auf seinen Hinweis auf das Rote Meer seiner Carmen.

 

Das Telefon unterband weitere Grübeleien über den Sachverhalt als solchen. Mutter war am Rohr, sie ermahnte mich, ja pünktlich zu sein, wir hätten Gäste, Ethan und seine Verlobte hätten was Wichtiges mit ihnen zu besprechen, was keinen Aufschub zuließ. Als guter Sohn, der ich nun einmal bin, versprach ich ihr, frisch gewaschen und rasiert, um eins an der heimischen Tafel zu sitzen und ihre Speisen brav zu verzehren und mich für das labende Mahl auch überschwänglich zu bedanken.

 

Plötzlich hörte sie sich richtig besorgt an. „Junge? Geht es dir gut?“

 

„Wieso sollte es nicht?“ Was hatte sie?

 

„Na … ich kenne dich ganz genau, ich bin schließlich deine Mutter. Du hast doch bestimmt noch nicht gefrühstückt, oder?“ Hat sie eine Webcam bei mir installiert?

 

„Mom, du hast mich durchschaut; ich hatte bisher nur einen Kaffee, ich hab gestern vergessen, meinen Kühlschrank aufzufüllen. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.“

 

Man hörte, wie sie schwer einatmete. „Gordon! Ich sag dann gleich Maria Bescheid, sie soll dir ein Care-Paket zusammenstellen. So geht das nicht mit dir weiter, Junge! Du weißt doch, Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit am Tage. Ich will doch nur, dass es dir gut geht, mein Sohn. Du bist doch mein Augenstern.“

 

„Ja, Mama, ich habe dich auch lieb. Ich werde jetzt unter die Dusche tapern und mich frisch machen. … Ach Mama? Darf ich Gel in meine Haare schmieren oder muss ich wieder den Mittelscheitel tragen?“ Ich liebe es einfach, sie aufzuziehen.

 

„Gordon Henry Lensing, es steht schon in der Bibel, du sollst Vater und Mutter ehren … und sie nicht verarschen! Dein Onkel Ethan kommt mit dieser dümmlichen Heather Jefferson zum Essen, die sind schon lästig genug. Was die beiden wollen, weiß der Henker! Da brauch ich keinen Sohn, der mein Nervenkostüm zusätzlich noch strapaziert.“ Ich liebe meine Mutter, sie ist einfach die Beste!

 

Ethan, Mamas ehemaliger Schwager, war mehr als kirchlich angehaucht und ich wandelte, ob meiner sexuellen Präferenzen, seinen Worten nach auf den Pfaden des Teufels. „Alles klar, ich hoffe, ich hab noch genug Gel im Bad!“

 

„Junge! Übertreib es nicht! Dein Vater hat es im Moment wieder mit seinem Herzen!“

 

„Dann bis später … und Ma? Ich liebe dich!“

 

„Ich dich auch, auch wenn du mir manchmal den letzten Nerv raubst!“

 

 

Gegen halb eins stand ich vor der Haustür und wartete auf mein Taxi, das mich zu meinen Eltern bringen sollte. Ich bin zwar keine Rockefeller, aber den Luxus eines Chauffeurs musste ich mir jetzt gönnen, ich hatte im Bad mal wieder etwas länger gebraucht. Eine andere Möglichkeit, noch rechtzeitig zur heimischen Tafel zu kommen, hatte ich leider auch nicht. Außerdem? Ethan und seine Heather konnte man nur besoffen ertragen und ich brauche meinen Führerschein.

Mein eigener Wagen stand sicher im Depot, die Miete für eine Garage sparte ich mir. Gut, ich hätte auch eine Viertelstunde zur Firma laufen können, um dort mein Auto, das sicherlich versteckt hinter irgendwelchen Bussen parkte, abzuholen, aber dann würde ich zu spät kommen, ich musste ja um die Marinebasis herum fahren. Auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel scheiterte, sowohl das Busnetz als auch die Führung der Metro-Linien sind von einem besoffenen Taxifahrer im Vollrausch erfunden worden.

Gegen fünf vor eins hielt der gelbe Wagen am Goodwill Park am Astoria Boulevard, ich war zu Hause und hatte sogar noch Zeit für eine Zigarette, zuhause darf ja nicht mehr geraucht werden, seid Papa seinen Herzinfarkt hatte. Mama wollte ihn schützen, aber sie hatte anscheinend vergessen, seinen Schreibtisch in der Firma zu inspizieren; in der obersten Schublade lagerte immer noch eine Kiste Zigarren, die er angeblich nur für Geschäftsabschlüsse aufbewahrte. Wer es glaubt!

 

 

Als ich die Tür zu unserer Etage aufschloss, wurde ich schon erwartet. Oma Rita begrüßte mich auf das Heftigste. „Schatz, hast du etwas Verstand für Ethan mitgebracht?“

 

Ich grinste sie an. „Granny, tut mir leid, soviel Gehirn hatte der Drugstore nicht vorrätig. Der Apotheker verkauft es nur in kleinen Fläschchen und nicht fassweise!“

 

Ein Schmunzeln umspielte ihre Lippen. „Wir bräuchten wohl mehr als ein Barrel … der Kerl ist einfach nur … abartig in seinen Ansichten, wir leben doch nicht mehr im Mittelalter!“

 

„Was ist denn schon wieder passiert?“ Ich umarmte sie.

 

Sie holte tief Luft. „Geh rein und hör dir den Scheiß selber an!“

 

Ich war um keinen Zentimeter schlauer, als ich das Wohnzimmer betrat, indem die ganze Sippschaft versammelt war. Als höflicher Mensch begrüßte ich jeden der Anwesenden, alle machten ernste und betretene Gesichter, am schlimmsten jedoch sah der Frauenschwarm unserer Familie aus, mein drei Jahre älterer Bruder Greg. Er saß da wie ein kleines Häuflein Elend. Mein Vater reichte mir zur Begrüßung einen doppelten Cognac. Ich blickte ihn an. „So schlimm?“

 

Er nickte. „Schlimmer!“

 

Das konnte ja heiter werden! Ich drehte mich um und fand die Person, die ich suchte. „Ah, Mum, wegen gerade … können wir mal kurz …“ Ich deutete in Richtung Küche, sie nickte, anscheinend hatte sie den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. In der Küche angekommen, begrüßte ich erst einmal Maria, unsere Perle, die am Herd stand und in den Köpfen rührte.

 

Als meine Mutter hereinkam, blickte sie erschöpft. „Junge! Gut, das du da bist!“

 

Ich sah sie eindringlich an. „Mum, kannst mal bitte mal erklären, was hier los ist?“

 

„Dein Bruder hat wieder mal großen Bockmist gebaut …“ Sie blickte auf den Boden, um mich nicht anschauen zu müssen.

 

„Ist eine seiner Freundinnen schwanger?“ Ich versuchte, mit Ironie sie aufzuheitern. „Aber was macht dann Ethan mit seiner Neuen hier? Er hat doch wohl ich mit dieser Heather?“

 

Der Scherz kam nicht gut an. „Gott bewahre! Etwas Geschmack hat er ja dann doch noch …“

 

Ich überlegte. „Also, wenn er nichts mit dieser dummen Pute hatte … wieso ist Ethan dann hier und wieso sieht mein Bruder aus wie das fleischgewordene Leiden Christi?“

 

„Er ist … er hat … er soll …“ Sie rang nach Worten.

 

Maria klapperte etwas lauter als unbedingt notwendig, als sie die Schüsseln aus dem Schrank nahm. „Gladys, nun sag es ihm schon! Gordon ist alt genug, er weiß schon längst, wie man Kinder machen kann, auch wenn er es nicht tut.“

 

„Maria, ich kann es nicht aussprechen, es ist so …“ Fast hilfesuchend blickte sie auf die Köchin, die weit mehr war, als nur eine Hausangestellte.

 

„Also gut!“ Sie atmete tief durch. „Gordon, man hat deinen Bruder … beim Pimpern erwischt … mit der Tochter von dieser … von dieser Heather. So, nun ist es raus!“

 

Dass Heather eine Tochter hatte, war mir neu. Die zwei Mal, die ich sie bisher gesehen hatte, war sie immer ohne Anhang gekommen und, ehrlich gesagt, viel geredet habe wir nicht. „Sie hat eine Tochter?“

 

Mutter nickte. „Ja, aus ihrer ersten Ehe mit Norman Schroeder, der damals den Spirituosenladen an der Hoyt Avenue hatte und selbst sein bester Kunde war. Sie hat nach der Scheidung damals ihren Mädchennamen Jefferson wieder angenommen. … du müsstest diese Patricia eigentlich kennen, sie ging auf deine Highschool und ist ein Jahr jünger als du.“

 

„Patricia? … Moment! … Patsy Schroeder ist ihre Tochter?“ Mir versagte fast die Stimme. Mit der Tochter verbanden mich, bis auf das eine Erlebnis, keinerlei Berührungspunkte außer einem gelegentlichen Hallo auf dem Schulhof, ihre Mutter interessierte mich damals noch viel weniger.

 

„Ja, sie studiert jetzt an der Cornell und kommt ab und an an den Wochenenden her.“

 

„Und wie kommt es, dass Greg mit Patsy …“ Nun war ich neugierig.

 

„Das weiß ich auch nicht! Und ehrlich gesagt, ich will es auch gar nicht wissen. Fest steht auf jeden Fall, die beiden haben gestern … miteinander … geschlafen und sind von Heather erwischt worden. Jetzt verlangt Ethan, dass Greg sie heiratet, er hätte sie ja zur Frau gemacht, sie zum Sex gezwungen, sie quasi vergewaltigt. Ihre Ehre müsste wieder hergestellt werden. Der ganze puritanische Mist …“

 

Ich bracht in schallendes Gelächter aus, die beiden Damen im Raum schauten mich an, als ob ich seinen fremden Stern kommen würde. „Ich fasse es nicht!“

 

Ein tadelnder Blick meiner Mutter traf mich. „Das ist nicht zum Lachen!“

 

„Doch, Mum, ist es! Wenn du wüsstest …“ Ich konnte mich kaum einkriegen.

 

„Wenn ich was wüsste?“ Die Schärfe in ihrer Stimme erschreckte mich.

 

„Mum, was kriege ich, wenn ich meinem werten Herrn Bruder den Arsch rette?“

 

„Meinen mütterlich Dank … und 1.000 Dollar Taschengeld für deinen Urlaub!“ Das war ein Wort!

 

„Also dann, meine Damen! Folgt mir ins Wohnzimmer und genießt einfach das Schauspiel. Darf ich vorgehen?“

 

„Moment, ich stell den Herd kleiner.“ Maria hat halt einen Sinn für das Praktische.

 

 

Als ich die Tür zum Wohnzimmer aufstieß, verstummten sofort alle Gespräche. Ich blickte in die Runde, es waren alle noch da, niemand war gegangen. Ethan und seine Verlobte standen an der Tür zum Flur, Oma Rita thronte, mit einem Brandy in der Hand, auf ihrem Lieblingssessel am Fenster, Greg saß verloren wie ein verurteilter Sexualstraftäter auf dem Sofa und Paps stand, wie bestellt und nicht abgeholt, an der Bar. Die folgende Konversation verlief in Englisch: Ethan war zwar mit Mamas Schwester verheiratet gewesen, spricht aber kaum noch unsere Sprache, und Heather versteht kein Wort ausländisch. Von daher gebe ich des Gespräch, des besseren Verständnisses wegen, in Deutsch wieder.

Ich ging auf meinem Bruder zu und setzte mein strahlenstes Lächeln auf. „Brüderchen! Ich hab grad die freudige Botschaft gehört! Gratulation! Du willst also endlich in den Hafen der Ehe einlaufen und die Vielweiberei aufgeben? Meinen herzlichsten Glückwunsch!“ So viel Schadenfreude musste sein, er sollte wenigstens etwas leiden. „Da werden die heterosexuellen Damen unter 25 in ganz New York City ja bald Trauer tragen, wenn die Nachricht bekannt wird.“

 

Wenn Blicke töten könnten, man hätte im Hause Lensing einen Trauerfall. „Leck mich!“

 

Ich schüttelte den Kopf. „Wo Schokolade doch so billig ist!“ Ich ging wieder auf meinen Vater zu. „Dad, krieg ich noch einen Drink? Ich möchte einen Toast ausbringen, auf meinen Bruder und seine Patsy.“ Mein alter Herr schaute mich so an, als ob ich ihn aufgefordert hätte, das Rote Meer zu teilen.

 

„Äh, ja …“ Er hantierte mit den Karraffe, goss mir einen Cognac ein und reichte mir das Glas. „Hier.“

 

Ich ging auf die potentiellen Schwiegereltern zu, blieb aber auf halben Wege stehen. „Auf Greg, den ehemaligen Frauenflachleger. Bruderherz, normalerweise tragen ja die jüngeren Kinder die Sachen der Älteren auf, diesmal ist jedoch umgekehrt! … Aber es gibt ja für alles ein erstes Mal.“ Er blickte mich an, als ob ein Pferd mit ihm sprechen würde. „Ich kann nur für dich hoffen, dass deine Patsy mittlerweile besser blasen kann als vor sechs Jahren, damals konnte sie es nicht! Ihre Saugerei war wirklich … abturnend.“

 

„Was … was hast du da gerade gesagt?“ Das war Mum, die immer noch in der Tür stand.

 

„Meine Tochter hatte noch nie … noch nie … Sex mit einem Mann! Sie ist … war … Jungfrau, bis … gestern.“ Das war Heather, die augenscheinlich nach Luft rang.

 

„Du willst doch nur dein Bruder schützen, der sich seiner Verantwortung vor Gott entziehen will!“ Das war Ethan, der Moralapostel.

 

Ich blickte ihn scharf an. „Wieso sollte ich ihn schützen wollen? Er hat mich ja immer nur als Weichei bezeichnet und fertiggemacht. Ich, der kleine Bruder, der verzauberte Prinz.“ Ich liebe theatralische Pausen. „Aber was wahr ist, muss auch war bleiben! Das predigt ihr doch immer, oder? Wenn ich mich recht erinnere, war ihre Patsy damals mit Steven aus dem zweiten Stock … liiert. Stimmt’s?“ Ich blickte die rotgefärbte Frau an Ethans Seite an.

 

„Du meinst doch nicht den jungen Townsend bei uns aus dem Haus?“ Das war Maria, die seit über 30 Jahren alles über jeden Bewohner hier wusste, ich nickte in ihre Richtung.

 

„Die beiden waren nur befreundet!“ Trat Heather jetzt schon ihren Rückzug an?

 

Mit einer Handbewegung wischte ich Heathers Einwand weg. „Wie dem auch sei, … jedenfalls auf meinem Abschlussball hab ich ihre Patsy mit Harvey Firestine in der Umkleide erwischt. Sie stand mit offener Bluse an der Wand und er hat sich seinen Dödel eingeklemmt, als er seinen Reißverschluß … egal.“ Dass ich mit Henry McGregor ebenfalls zum Sex verabredet war und nur anstelle der rechten Umkleide die linke Kabine betreten hatte, lasse ich mal unerwähnt. „Damit ich Steven nichts sagen, hat sie mir, quasi als Schweigegeld, einen Blowjob spendiert.“

 

„Der kann ja wohl nichts gewesen sein! Bist du vielleicht deshalb verzaubert?“ Das war Oma, die kein Blatt vor den Mund nimmt.

 

„Nein, Granny, sie war nur der letzte Topfen …“

 

„Meine Tochter hatte bis gestern noch nie … bis zu dieser Vergewaltigung …“

 

„Ich kann sie beruhigen, sie war damals schon lange keine Virgo intacta mehr. Fragen sie Seth Williby, Stuart Granger, Brian Doherty, Finn Gruber … am besten das ganze Basketballteam von damals. Sie war nicht nur deren Cheerleaderin, sie war auch die Mannschaftsmatratze, wenn sie verstehen, was ich meine, Missis Schroeder … äh … Jefferson!“ Ich kippte den Inhalt des Glases hinunter.

 

„Ethan, … ich muss mit Pat reden. Wenn das stimmt … was … was diese Schwuchtel … gerade gesagt hat, dann … dann hat sie mich die ganzen Jahre … angelogen. Was hab ich nur falsch gemacht in ihrer Erziehung?“ Einsicht ist immer der erste Schritt zur Besserung.

 

„Heather, sie vergessen sich wohl! Mein Sohn mag ja vieles sein, verzaubert ja, aber eine Schwuchtel ist er ganz bestimmt nicht! Kehren sie mal erst vor ihrer eigenen Haustür, ehe sie sich über den Dreck von anderen Leuten echauffieren.“ Das war Dad, der sich wohl ob der Heuchelei aufregte.

 

 

Als die Tür ins Schloss gefallen war, gingen fünf Seufzer der Erleichterung durch den Raum. Granny meinte nur lapidar: „Na, dann werde ich deren Gedecke mal wieder in den Schrank stellen.“

 

„Mach das Mutter, Maria und ich werden uns dann ums Essen kümmern.“

 

Greg kam auf mich zu, legte mir seine Hand auf die Schulter und zog mich an sich. „Alter, das werde ich dir nie vergessen!“

 

So viel Nähe von ihm hatte ich seit Opas Beerdigung nicht mehr erfahren. „Kein Thema!“

 

„Doch! Du hast einen gut bei mir! Dad, ich glaube, wir haben uns einen Drink vor dem Essen verdient oder was meinst du?“ Langsam wurde er wieder der alte Gregory.

 

„Gordon und ich schon, wir brauchen ja auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Du aber solltest besser etwas kürzertreten, mein Sohn, wenn du nicht wieder in fremden Betten erwischt werden willst. Noch einmal wird dein Bruder dir sicherlich nicht den Arsch retten können.“ Paps lachte. „Aber ich will mal nicht so sein! Meine Herren, bitte an die Bar.“

 

Während mein Erzeuger die Gläser nachschenkte, rückte mir Greg erneut auf die Pelle. „Und sie hat dir ehrlich einen geblasen?“

 

„Ja, sie hat an mir genuckelt.“ Ich war leicht genervt. „Können wir jetzt bitte das Thema wechseln?“

 

Dad stellte uns die Drinks hin und wir stießen an. „Auf unseren Helden!“

 

„Das war keine Heldentat, das war …“ Ich versuchte, seine Euphorie zu bremsen. „… eher Zufall!“

 

Er ließ sich jedoch nicht beirren. „Ob Zufall oder nicht, du warst zur rechten Zeit am rechten Ort und nur darauf kommt es an. Aber … da fällt mir was ganz anderes ein … wenn du sie in der Umkleide … was hast du denn dann da gemacht? So ganz zufällig?“

 

Ich verdrehte die Augen. „Ja, ich … äh …“

 

„Dad, was soll die Frage? Du warst du auch mal jung, oder? Was macht man wohl auf seinem Abschlussball in der Umkleide der Sporthalle? Keine Idee?“ Greg war wieder ganz das alte Ekel, das ich kannte. „Entweder schaut man anderen Pärchen beim Fummeln zu oder man fummelt selber, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Da unser Kleiner hier aber keine Spanner ist, er hätte bei mir ja mehr als eine Möglichkeit gehabt, tippte ich mal, unser Gordon wollte selber etwas Spaß haben.“

 

Das konnte nicht wahr sein! Das Familienoberhaupt nickte. „Wer war denn die Glückliche?“

 

Er grinste über beide Backen. „Väterchen! Bei den Vorlieben deines Jüngsten? Fragt besser nach dem Glücklichen.“ Da rettet man seinem Bruder seinen Arsch, und was ist der Dank? Er verhöhnt einen.

 

Gott sei Dank, kam jetzt die Damenriege wieder aus der Küche. „Kommt ihr dann?“

 

Paps eilte, sein Glas in der Hand, dienstbeflissen an den Tisch, als Familienoberhaupt kam es nur ihm zu, den Braten anzuschneiden. Eine Sitte, die ich nie verstanden habe. Greg stieß mich an. „Nun sag schon! Wer war es?“

 

Ich schüttelte den Kopf, es sollte niemand erfahren. „Der Genießer schweigt!“

 

„Spielverderber! Dann rate ich einfach mal.“ Er leerte sein Glas.

 

Ich kippte auch meinen Rest durch die Kehle. „Bitte! Tu dir keinen Zwang an!“

 

Er strich sich über das Kinn. „Na, dann tippte ich einfach mal auf … Henry McGregor!“

 

Ich erstarrte, wie einst Lot, zur Salzsäule. „Woher … woher … weißt du das?“

 

Greg klopfte mir brüderlich auf die Schulter. „Kleiner, ich habe Augen im Kopf! Auch wenn du meinst, ich schaue nur Frauen hinterher, aber ich hatte immer einen Blick für meinen kleinen Bruder übrig. Du hast dich dein Leben lang nie großartig für Sport interessiert, höchstens für Eistanzen oder Turmspringen oder so einen Tuntensport … dann plötzlich verschlingst du alles, was mit Highschool-Basketball zu tun hat? Dann hängt Henry, der Captain eures Teams, hier jede freie Minute rum? … Da brauchte man nur eins und eins zusammenzählen, um zu wissen, dass ihr ein Paar seid!“

 

„Kommt ihr bitte zu Tisch!“

 

„Ja, Granny, einen Augenblick noch!“ Ich blickte auf meinen Bruder. „Wissen es die anderen?“

 

Er schüttelte mit dem Kopf. „Nein! Du warst schon immer ein guter Schauspieler und … es hat keiner mitgekriegt, die …“ Er deutete auf die anwesende Familie. „… die waren zu sehr mit sich selber beschäftigt. In dem Jahr haben ja Luke und Christopher geheiratet, wir waren ja nur die kleinen Brüder. Dann lass uns mal Essen fassen, kleiner Bruder.“

 

„Ja, großer Bruder!“

 

Er zog meinen Stuhl vom Tisch und bedeutete mir, Platz zu nehmen. „Du solltest ihn in den nächsten Tagen einmal besuchen.“

 

Ich blickte ihn erstaunt an. „Wo denn? Er ging damals zur Army, er ist jetzt wahrscheinlich irgendwo in Übersee …“

 

Er setzte sich. „Nein! Er ist vor einem Monat nach Hause zurückgekehrt. Das habe ich jedenfalls von Rachel, seiner Schwester gehört, und die kenne ich ziemlich gut, wenn du verstehst. Er würde sich sicherlich freuen, wenn du …“ Er kniff mir ein Auge zu.

 

 

Um allen Verwirrungen vorzubeugen, muss ich an dieser Stelle wohl wieder einmal etwas aufklären; ich schreibe und schreibe und vergesse dabei immer wieder, die Zusammenhänge mitzuteilen: Also, wie ich bereits erwähnt hatte, haben meine Eltern sich 1970 kennen- und auch lieben gelernt. Ein Jahr später erfolgte die Hochzeit und nach weiteren zehn Monaten erblickten Christopher und Luke das Licht der Welt. Mama hatte mit den Beiden wohl genug zu tun, Papa hatte mittlerweile den Betrieb seines Großonkel übernommen und dann beide Geschäfte, sprich den Busbetrieb und das Reisebüro, zusammengelegt, Lensing Travel ward geboren.

Mit diesen Aufgaben hatten sie wohl auch genug zu tun, denn in der folgenden Dekade, sagen wir es einmal so, passierte nicht viel in ihrem Leben. Die Zwillinge wuchsen heran, die Firma gedieh ebenfalls; alles war, wie man das so schön ausdrückt, im grünen Bereich. Dann kam Greg, der Nachzügler, die Zwillinge hatten gerade die Elementary School verlassen. Weitere drei Jahre später kam ich dann dazu und übernahm die Rolle des Nesthäkchens. Gregory William Lensing hatte mir wohl nie verziehen, dass ich ihn von diesem Thron gestoßen habe.

Luke leitet mittlerweile erfolgreich die Filiale von Lensing Travel in Boston, sein um fünf Minuten älterer Bruder Christopher die weitaus stärker wachsende Depandance in Miami. Die wichtigsten Niederlassungen der Firma wurden von der Familie betreut. Man könnte meinen Vater auch als modernen Fugger bezeichnen: alles in Familienhand.

 

 

Dann passierte etwas, was bisher nur sehr selten in unserer Familie passiert ist: Mutter klopfte an ihr Glas, alle Blicke wanderten auf sie. „Ähem, … das Küchenkabinett, bestehend aus den weiblichen Mitgliedern der Familie, hat getagt und ist zu folgendem Entschluss gekommen, den ich euch hiermit verkünden möchte.“

 

Maria, die mit am Tisch saß, grinste nur. „Amen!“

 

„Nachdem wir die schlüpfrige Klippe der gestrigen Nacht, dank Gordons aktiver Beteiligung, sicher umschifft haben, halten wir es dennoch für besser, Greg etwas aus der Schusslinie zu nehmen. Von daher haben wir einstimmig beschlossen, dass er einen seiner Brüder im nächsten halben Jahr in der Führung der Außenstellen unterstützen wird. Wir überlassen ihm zwar die Wahl, ob Boston oder Miami, aber wir würden Florida bevorzugen. Wir erwarten die Entscheidung bis zum Nachtisch und jetzt: weiterhin: Guten Appetit!“ Sie setze sich wieder, nahm ihr Besteck auf, als sei nichts geschehen und aß weiter.

 

Wir Männer blickten uns an und wussten nicht, was wir sagen sollten. Gut, es betraf mich zwar nicht direkt, aber es ging immerhin um meinen Bruder, dem ich anscheinend doch nicht so egal war, wie ich bisher immer gedacht hatte. Dass keiner mehr ein Wort wechselte, brauche ich ja wohl nicht extra zu erwähnen.

Bevor Maria abräumen konnte, wir hatten mittlerweile alle unsere Teller geleert, erhob ich mich und klopfte mit der Schneide des Messers an mein Wasserglas. „Granny! Mum! Maria! Wir haben die Entscheidung des Küchenkabinetts vernommen und respektieren sie.“ Etwas anderes wäre mir auch nicht über die Lippen gekommen, denn ich kannte die wahren Machtverhältnisse in meiner Familie; die Frauen haben die Hosen an! „Aber ich möchte doch, der Fairness halber, darum bitten, dass das Küchenkabinett mit dem Auftragen des Desserts etwas wartet, bis das Barkabinett eine adäquate Antwort formulieren kann. Ich danke schon jetzt für das gewährte Verständnis!“

 

Oma Rita blinzelte mich an. „Gordon, du kannst deine Herkunft wirklich nicht verleugnen! Du bist wie dein Großvater, er hatte auch immer eine Ausrede parat, wenn er sich um eine Entscheidung drücken wollte. Einen Drink habt ihr Zeit, mehr nicht!“

 

„Jungs, dann kommt mal mit!“ Paps erhob sich schleppend. An der Bar angekommen, schüttete er uns einen Dreifachen ein. „Einen haben sie uns ja erlaubt, aber über die Größe haben sie nichts gesagt.“

 

Nach Lachen war uns zwar nicht zumute, aber dennoch prosteten wir uns zu. Ich blickte meinen Bruder an. „Hast du dich schon entschieden?“

 

Er zuckte mit den Schultern. „Ich habe ja nur die Wahl zwischen Pest und Cholera!“

 

Paps trank einen Schluck. „Dann nehmen die Pest und geh nach Miami zu Christopher!“

 

„Werde ich wohl auch machen! Aber danke, Gordon, dass du versucht hast, wenigstens noch eine Galgenfrist für mich herauszuschlagen.“ Er blickte niedergeschlagen

 

„Ich würde jetzt gerne eine rauchen!“ Bei einer Zigarette kann ich am besten denken.

 

Mein Vater grinste mich an. „Dann lass uns doch mal in den Nordflügel, in dein altes Zimmer, gehen. Da steht, glaube ich, noch ein Aschenbecher.“

 

Der alte Schlawiener! Wir betraten meine alten Räumlichkeiten, leichte Kälte schlug uns entgegen. Ich verteilte eine Runde Glimmstängel und blickte sehnsuchtsvoll auf den East River, der vor meinem Fenster entlang floss. Mitten in einem meiner wirren Gedanken drehte ich mich abrupt um und blickte meinen Bruder an. „Du gehst nach Boston, denn das ist es, was die Frauen eigentlich wollen!“

 

Ich blickte in Fragezeichen. „Wie? Sie haben doch Florida für mich ausgesucht!“

 

„Greg, du bist vielleicht der Frauenflachleger in der Familie, ich hingegen bin der Frauenversteher!“ Ich zündete mir eine neue Zigarette an. „Nehmen wir ein Ehepaar, frisch verheiratet. Die Frau sagt: ‚Schatz, wir können dieses Thanksgiving auch bei deinen Eltern verbringen.‘ Sie meint aber, das genaue Gegenteil, sie will zu ihren Eltern.“

 

Paps nickte. „Da ist wirklich was dran.“

 

„Du meinst also, wenn eine Frau A sagt, meint sie in Wirklichkeit B?“ Greg wirkte etwas überfordert.

 

„So in der Art, hängt aber immer auch von den Umständen ab.“ Ich aschte ab. „Betrachten wir doch mal die Alternativen: Miami oder Boston. Ich frage dich, wo ist der Unterschied?“

 

„Die Temparaturen sind vollkommen unterschiedlich … Bruderherz, worauf willst du hinaus? Ich seh noch nicht klar!“ Er war wirklich ratlos.

 

„Mum stellte dir das Ultimatum, nachdem du hier in New York mit deiner Beinahe-Cousine im Bett warst. Ein Skandal drohte! Was sagt die Familie? Was die Nachbarschaft? Was die Freunde? Sie sorgt sich um ihren Sohn, will, dass er eine vernünftige Partnerin findet, … das wünscht sich jedoch jede Mutter.“ Bei mir hatte sie diesen Wunsch, Gott sei Dank, schon aufgegeben. „Aber was ist in Miami? Die Bevölkerung ist eher alt, nicht umsonst ist Florida der Rentnerstaat, die Kundenstruktur aber, die wir da unten haben, ist eher jung und dynamisch. Aber es sind hauptsächlich Touristinnen, die ihren Urlaub dort verbringen, ihren Spaß haben wollen. Also wirst du da eher an dein Vergnügen als an eine Bindung denken.“

 

Er zuckte mit den Schultern. „Könnte sein!“

 

„Und jetzt nimm mal Boston! Eine riesige Studentenstadt! Die Bevölkerung ist jung und dynamisch, die Touristen Mittelalter bis Scheintod. Mit denen du wirst du sicherlich nichts anfangen, sondern dir was in deinem Alter suchen.“ Ich drückte die Zigarette aus. „Eine Studentin oder so!“

 

Greg blickte fragend unseren Vater an. „Was sagst du?“

 

Er räusperte sich. „Nun, auch wenn dein Bruder um drei Ecken denkt, seine Argumentationskette ist nicht von der Hand zu weisen, sie ist in sich schlüssig.“

 

 

Wieder im Esszimmer angekommen, das Dessert war mittlerweile aufgetragen, verkündete Greg seine Entscheidung, künftig Luke zu unterstützen. Fast zeitgleich seufzte der weibliche Teil der Lensingschen Famile so etwas wie „Gott sei Dank!“

 


 

Als ich gegen fünf wieder in meinem eigenen Reich war, blickte ich aus dem Fenster. Die Sicht war gut, man konnte sogar den Luftschacht des Brooklyn-Battery-Tunnels sehen, der vor Governors Island aus dem Wasser in die Höhe ragt. Ich danke Mutter heute noch, dass sie mir das Apartment im achten Stock gekauft hat. Der Ausblick ist einfach herrlich, vorausgesetzt, das Wetter spielt mit.

Auf die geplante körperliche Ertüchtigung im Fitnessstudio hatte ich jetzt keine Lust mehr, dazu war das Mittagessen, trotz aller Turbulenzen, die es gegeben hatte, doch zu gut gewesen und ich konnte mir Marias Cherry Pie doch nicht entgehen lassen. Daher verließ ich erst weit nach dem Kaffee die elterlichen Gefilde.

 

Ich schaltete den Fernseher ein und zappte mich durch die Programme, auf allen 150 Sendern lief nur Schrott. Auf einem der Lokalsender, davon gibt es weit über 20 in New York City, lief eine Reportage über Wetten auf Highschool-Basketball, ein neues Geschäftsfeld der Wett-Mafia. Plötzlich fiel mir Henry wieder ein.

Was hatte Greg gesagt? Er wäre wieder im Lande, weg von der Army. Wie lange hatten wir uns nicht mehr gesehen? Ich überlegte, während ich auf die Mattscheibe starrte und das Programm schon gar nicht mehr wahrnahm. Ja! Im vorletzten Sommer war es. Wir liefen uns zufällig am Madison Square Garden über den Weg: Er in Uniform, wohl in Begleitung einiger Kameraden, ich im Anzug, umringt von sechs Kommilitonen, wir hatten den letzten Test für das Bachelor-Examen geschrieben und wollten feiern. Nach einem kurzen Hallo und dem Versprechen, bald miteinander zu telefonieren, ging jeder wieder seinen Weg. Das Versprechen wurde nie eingehalten.

Ich ging an meinen Schreibtisch und suchte nach meinem alten Organizer, dort müsste mindestens die Nummer seiner Eltern zu finden sein, einen anderen Anhaltspunkt hatte ich ja nicht. Nachdem ich die Zahlen gewählt hatte, die dort standen, läutete es. Rachel war am Rohr. Als ich ihr sagte, dass mein Bruder mir erzählt hätte, ihr Bruder sei wieder in der Stadt und ich ihn suchen würde, klang sie zuerst ziemlich niedergeschlagen. Nach einigem guten Zureden gab sie mir dann doch endlich seine neue Nummer. Ich stutzte, der Anschluss begann mit 718, der Vorwahl von Staten Island. Was hatte einen quirligen, aktiven und lebenslustigen jungen Mann auf die Insel der Kleinbürgerlichkeit und von ihm so gehassten Spießigkeit verschlagen?

 

Es dauerte gefühlte Ewigkeiten, bis jemand abnahm. „Hello? Henry here!“

 

Seine Stimme! Er war es! „My captain!“

 

„Gordon? Is it you?” Seine Stimme klang gebrochen, fast abgehackt, so, als suchte er nach Worten.

 

„Yes, it’s me, my dearest friend!” Meine Stimme versagte beinahe auch ihren Dienst.

 

„That’s good!“ Er hörte sich erleichtert an.

 

Im ersten Teil des Gespräches, das wir führten, tauschten wir die Informationen aus, wie ich ihn gefunden hatte. Der zweite Teil der Konversation drehte sich um meinen Bruder und dessen obskuren Handlungen, die eigentlich den Anlass für den Beginn bildeten. Er lachte über diesen Coitus Interruptus durch die potentielle Schwiegermutter. Im dritten Teil des Telefonats tauschten wir uns über unseren jeweiligen Werdegang des jeweils anderen aus, seinen in der Armee und meinen an der Uni und im väterlichen Betrieb. Summa summarum, bisher war es nichts Wesentliches, über das wir sprachen. Aber die frühere Vertrautheit war wieder da.

 

Da ich nicht weiß, wie fundiert die Kenntnisse der englischen Sprache meiner Leserschaft sind, erlaube ich mir einmal, das weitere Gespräch auf Deutsch wieder zugeben. „Gordon, wohnst du eigentlich immer noch bei deinen Eltern?“

 

„Nein, schon lange nicht mehr. Ich hab jetzt mein eigenes Appartement mit Blick auf den East River. Du kennst doch noch das alte Eagle Warehouse?“

 

„Da haben wir doch mal …“ Er gluckste.

 

„Der Teil der Old Fulton Street ist jetzt der Beginn der Codman Plaza, verkauft sich wohl besser.“ Das Erlebte überging ich geflissentlich, die Straßenbezeichnungen laufen wirklich durcheinander.

 

Er atmete schwer. „Der schnöde Mammon!“

 

Himmel! Wir hatten mittlerweile schon über eine halbe Stunde miteinander gesprochen, ohne aber wirklich etwas Wesentliches zu bereden. Weshalb hatte ich ihn eigentlich angerufen? Aus purer Sehnsucht? Aus romantischer Verklärtheit? Aus reiner Neugier? Ich wusste es wirklich nicht genau! Ich wusste nur, ich war froh, seine Stimme zu hören, den Bass des altvertrauten Henry McGregor, der seine Jeanshosen immer eine Nummer zu klein kaufte, nur um sich für die Frauen interessanter machen; jedenfalls behauptete er das damals immer.

Sollte ich ihm sagen, was mich wirklich bewegte? Sollte ich ihm sagen, das ihn vermisst habe? Über all die Jahre? Sollte ich vor ihm in die Hosen runterlassen und mich outen? Gut, wir haben damals mehr als einmal miteinander gefickt, wir hatten unseren Spaß, … aber … während ich diesen Weg tatsächlich auch zu Ende ging, mich vor meiner Familie offenbarte, wusste ich wirklich nicht, wie es auf seiner Seite aussah. War es ihn für ihn nur eine Phase? Eine Verwirrung der Gefühle? Ein Zeitvertreib mangelnder anderweitiger Gelegenheit? Aber! Er war Captain der Basketballmannschaft, er war bei der Army! Da ist man normalerweise nicht verzaubert.

Was sagte ich stattdessen? „Wir sollten beizeiten mal ein Bier miteinander trinken, mein Alter!“

 

„Stimmt! Sehe ich genauso. Fragt sich nur, wann und wo?“ Er atmete tief durch. „Wie sieht es denn zeitlich bei dir aus?“

 

Ich räusperte mich. „Morgen bin ich den ganzen Tag im Büro, von Dienstag bis Freitag spiele ich Stadtführer, danach geht es auf Tour für eine Woche … aber danach, danach habe ich Urlaub.“

 

„Ob es morgen bei mir klappen wird, kann ich nicht sagen. Ich müsste einige Terminen umlegen, aber … ich hab ja jetzt deine Nummer, seh sie im Display.“ Er klang wie der alte Henry, den ich kannte und mochte. „Pass auf, mein Bester, ich melde mich auf alle Fälle bei dir, denn Aug in Aug quatscht es sich erheblich besser als am Telefon!“

 

Ich nickte, obwohl er es nicht sehen konnte. „Sehe ich genauso!“

 

„Dann sag ich mal …“ Er stoppte. „In welchem Stockwerk wohnst du eigentlich?“

 

„Im achten, über mir sind nur noch die Penthäuser, aber der Ausblick ist einfach nur herrlich, du wirst ihn mögen!“ Ich schwärmte mal wieder von meiner Postkartenidylle.

 

„Aber einen Aufzug hast du?“ Den Sinn der Frage verstand ich nicht.

 

„Natürlich! Meinst du etwa, ich fauler Mensch laufe acht Stockwerke zu Fuß?“

 

„Dann ist ja gut! Gordon, ich ruf dich auf alle Fälle an oder quatsch dir auf den AB. Denn ich muss … ich muss dir was … was Wichtiges mitteilen, aber, wie gesagt, nicht am Telefon.“ Seine Stimme verlor an Klarheit.

 

„Mach das! Dann sag ich mal, wir hören dann voneinander …“ Der Abschied nahte. „… und zwar in den nächsten Tagen und nicht erst in den nächsten Jahren! Einverstanden?“

 

„Darauf kannst du einen lassen …“ Er lachte plötzlich wieder. „… und das zu mir ja keine fremden Frauen ansprichst! Tschüß, du Kraut!“

 

 

Kraut! Mein alter Spitzname! Ich schüttelte den Kopf und grinste in mich hinein. Wie lange hatte ich ihn nicht mehr gehört? Es waren Ewigkeiten; David Goldenstein, der dickliche Rabbinersohn, und Chester Stableles, der Apothekersprössling, waren, bis auf Henry gerade, die letzten, die mich so genannt hatten. Chester in der Uni, wir waren die Einzigen, die an Columbia Business School studiert hatten, und David, als wir uns zufällig in der Szene über den Weg gelaufen waren, es war eine billige Drag-Show und er war der Star.

Woher der Name kam, dürfte ja wohl auch klar sein, oder? Ich hatte, wie alle Lensings vor mir, an der Highschool Deutsch belegt und konnte, der Familie sei Dank, die Sprache besser als Mister Dunn, der Lehrer mit den Brillengläsern, die so dick waren wie Glasbausteine.

 

Ich kam ins Grübeln, was mochte aus den anderen meines Abschlussjahrganges geworden sein? Hatten sich ihre Wünsche, die sie im Jahrbuch damals geäußert hatten, erfüllt? Waren sie erfolgreich gewesen oder sind sie kläglich gescheitert? Was ist aus Noah Gabriel geworden, der damals im Krankenhaus sein Entlassungszeugnis in Empfang nahm? Ich kam mir vor wie ein alter Mann, der über seine längst vergangene Jugend sinnierte und dafür dringend eine Zigarette brauchte.

Ich ging an die Garderobe, in der Jacke steckte ja meine Packung, so dachte ich jedenfalls. So sehr ich auch die Taschen abklopfte, aber die Pappschachtel war nirgends zu finden. Entweder hatte ich sie bei der Rückfahrt im Taxi verloren oder sie lag noch bei meinen Eltern. Beide Möglichkeiten brachten mich dem Rauchopfer nicht näher, ich stöhnte, denn ein Gang zum nächsten Laden war jetzt nicht mehr zu vermeiden. Mit dem Anorak in der Hand verließ ich meine Wohnung und machte mich auf den Weg in die Water Street, dort würde ich die mit Papier ummantelten Tabakprodukte käuflich erwerben können.

 

 

Als ich nach einer Viertelstunde meine Wohnung wieder betrat, blinkte der Anrufbeantworter, es musste mir jemand eine Nachricht hinterlassen haben. Ich drückte auf Wiedergabe und nachdem mir die Maschine aus Korea Datum und Zeit des Anrufs genannt hatte, hörte ich Juans Stimme aus den Minilautsprechern krächzen. „Hi Sweety, sorry wegen heute Vormittag, ich hab wohl … überreagiert. Habe lange nachgedacht und … Scheiße! … Warum bist du nich da? … Na ja, ich werde mich gleich mit Carmen treffen, wir müssen einige Dinge klären. Ich hoffe mal, sie killt mich nicht. Bin dann bis Donnerstag im Liniendienst, wir sehen uns dann Freitag, freu mich schon, mein Kleiner. Kiss!“

 

Nun verstand ich nur noch Bahnhof, was wollte er eigentlich von mir? Männer! Es geht nicht mit ihnen, aber es gibt auch nicht ohne sie! Aber lange konnte ich über diesen Satz nicht nachdenken, es klingelte an der Tür. Wer mochte das jetzt sein? Bis zu Michaels avisierter Ankunft war noch fast eine halbe Stunde Zeit. Die Gegensprechanlage brachte des Rätsels Lösung: der Rothaarige stand bereits vor der Tür und begehrte Einlass, den ich ihm auch gewährte.

Drei Minuten später stand er bei mir im Flur, in der rechten Hand hielt er seine Sporttasche, in seiner Linken trug er eine rote Tüte von Chung, dem Chinesen aus der Tillary Street. Er trug unter seinem Anorak, den ich ihm abnahm und an die Garderobe hängte, einen Sportanzug. „Sorry, aber ich hatte keine Zeit mehr, mich umzuziehen. Erzähl ich dir gleich. Können wir essen?“

 

Ich nickte. „Dann geh schon mal vor, du kennst dich ja aus.“ Er hatte mich schon ein öfters besucht. „Essen wir aus den Schachteln oder nehmen wir Teller? Besteck oder hat er Stäbchen eingepackt? Was willst du trinken?“

 

„Äh, Schachtel … ich bräuchte eine Gabel, wenn du mit den chinesischen Dingern umgehen kannst … erst mal einen O-Saft, wenn du hast. Komme ja gerade vom Sport.“ Er lachte und ging ins Esszimmer, während ich die Küche aufsuchte, um ihm dann mit den entsprechenden Utensilien zu folgen.

 

Er schaute mich zwar etwas irritiert an, als ich ihm einen Teller hinstellte, aber Essen aus Schachteln kann man während der Arbeitszeit machen, wenn man kaum Zeit hatte, aber im privaten Rahmen finde ich diese Behältnisse nicht ganz so prickelnd. „Hab nur noch Ananassaft im Kühlschrank, muss morgen dringend einkaufen. Oder doch lieber ein Bier?“

 

Er grinste mich an. „Ne, Pinapple geht schon. Ich hab Spring Rolls, Chicken, Duck und Pork. Wir können ja teilen!“

 

„Okay, während du servierst, hole ich die Getränke.“ Also brauchte auch ich Besteck, denn eine Frühlingsrolle kann man nicht mit Stäbchen essen, jedenfalls ich nicht.

 

Während wir aßen, erklärte er mir erst einmal seinen Aufzug, den ich, sagen wir es einmal so, etwas merkwürdig fand. In seinem Studio wäre ihm wieder einmal, der Mann seiner Träume über den Weg gelaufen: Typ blonder, kurzgeschorener, stark behaarter, kanadischer Holzfäller. Warum müssen alle Männer nur immer aus dem Versandhauskatalog kommen?

Auf jeden Fall, der Ire mit dem wallenden Dichterhaar war hin und weg, vergisst die Zeit und sein eigenes Training, kriegt fast einen Abgang, als man sich unter der Dusche gegenübersteht. Warum haben alle Traumtypen immer Mörderschwänze von 25 Zentimetern aufwärts? Man nimmt dann gemeinsam noch einen Vitamindrink an der Theke und unterhält sich, um dann gemeinsam das Studio in der Hoffnung auf weitere Gemeinsamkeiten, die es noch zu entdecken gilt, zu verlassen.

 

„Ich wollte dich gerade schon anrufen und für heute Abend absagen, da kommt so eine Tussi, springt aus ihrem Japaner, und knutscht ihn vor meinen Augen regelrecht ab!“ Er war mehr als angewidert. „Der Typ war verheiratet! Warum gerate ich immer nur an die falschen Männer?“

 

Ich wusste nicht, ob ich weinen oder lachen sollte. „Du Ärmster! Wenn ich mal Zeit haben sollte, werde ich dich bedauern.“

 

„Mach dich ruhig lustig über mich, ich habe es anscheinend nicht anders verdient!“ Er schmollte stocherte in seinen Essen herum. Er vermengte es mit dem Rest der scharfen Soße, die ihren Namen wirklich verdient hatte.

 

„Michael, die Wahrscheinlichkeit, dass du in deinem Gym in Howard Beach deinen Traumprinzen triffst, der auch noch deinen Vorstellungen entspricht, ist nahezu gleich null, da wohnen doch nur …“ Weiter kam ich nicht, mein Gegenüber bekam zu seinen roten Haaren urplötzlich auch noch rote Augen und Backen, er muss wohl direkt auf eine Chilischote gebissen haben.

 

„Shit!“ Er griff nach seinem Saft, stürzte ihn herunter, aber ehe ich um den Tisch herum war, um ihm auf den Rücken zu klopfen, war es schon geschehen. Ein Hustenanfall erschütterte ihn, der Inhalt seiner Mundhöhle und wohl noch einiges Andere, ergossen sich, wie bei einem Kleinkind, das sich verschluckt hat, auf seine Trainingsjacke.

 

Ich eilte in die Küche, um Servierten zu holen, die hatte ich vorher nicht mit zum Tisch gebracht, fand aber nur ein ganz normales Trockentuch. Besser als nichts! Als ich ihn notdürftig gereinigt hatte, klopfte ich ihm auf die Schulter. „Geht es wieder?“

 

Er blickte mich an, es war ihm augenscheinlich leicht peinlich. „Ja, danke dir! Aber …“ Er roch an sich selber. „Wie soll ich damit nach Hause kommen? Ich stinke wie ein Penner!“

 


 

Ich blickte ihn an, wie er bedröppelt da saß. „Es gibt nichts, was Muttis Spucke nicht wegbekommt.“

 

Der Witz ist zwar schon alt, aber dennoch huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Und was macht Mama jetzt mit mir?“

 

„Dich erst mal mit ins Bad nehmen, da können wir dich dann trockenlegen.“ Ich grinste. „Wenn ich das hier machen würde, müsste ich morgen die Putzfrau bestellen.“ Er folgte mir ins Badezimmer. Ich ließ heißes Wasser in das Waschbecken ein, etwas Handwaschmittel dazu, fertig war die Basis für die Rettungsaktion. „Deine Jacke bitte.“

 

Langsam schälte er sich aus seiner Trainingsjacke und gab sie mir. „Hier.“

 

„Danke dir.“ Ich weichte das Teil ein und fing an zu rubbeln, um die Flecken herauszubekommen. Ich verfüge zwar über eine Waschmaschine und sogar einen Trockner, aber die nutze ich normalerweise nur für meine Bettwäsche und für Badenlaken nach irgendwelchen Dusch- oder anderen Orgien. Für nur ein Teil schmeiß ich die Maschine nicht extra an, so energiebewusst bin ich mittlerweile, auch wenn ich Amerikaner bin; schließlich zahle ich den Strom aus eigener Tasche.

Meine normale Wäsche macht Maria, die Hausperle meiner Eltern. Mutter ist der Ansicht, ein Mann könne eh nicht bügeln und auf meine paar Sachen mehr käme es wirklich nicht an. Greg kommt in den gleichen Genuss, was auch nicht verwundert, denn er wohnt ja vis-à-vis. Eigene vier Wände und der Service des Hotels Mama, das nenne ich Luxus pur, er brauchte noch nicht einmal zu kochen, was ich denn und an schon selber tat, so denn mein Kühlschrank voll war. Dementsprechend klingele ich mindestens zweimal im Monat bei meinen Eltern an, übergebe den Korb mit der Schmutzwäsche und nehme die frisch gewaschenen und gebügelten Sachen in Empfang. Etwas Luxus braucht der kleine Gordon ja auch.

Paps hatte damals die gesamte oberste Etage, bestehend aus vier Wohnungen, für uns gekauft und umbauen lassen. Ein Flügel war für ihn und Mama, einer für Oma und Opa, der damals noch lebte, im dritten Teil wohnten wir Kinder und eine Wohnung bekam Maria samt Familie, ihr Mann fährt immer noch für Dad. „Gib mir mal dein Shirt, das ist ja auch ganz … nass.“

 

Michael grinste, als er es mir gab. „Das ist nicht das einzige, was momentan feucht an mir ist.“

 

Ich warf das weiße Baumwollteil zu der Jacke ins Becken und drehte mich zu ihm um. „Was noch?“

 

„Das hier!“ Er zog seine Trainingshose samt Slip in einem Rutsch auf die Oberschenkel herunter, legte so den Blick auf seine Kronjuwelen frei, und deutete auf sein Zepter.

 

Ich blickte auf die abstehenden 15 Zentimeter und musste mehr als grinsen, er tropfte förmlich vor Geilheit. „Michael, Kleinigkeiten werden sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger!“

 

Er hatte Fragezeichen in den Augen. „Wie meinst du das denn jetzt?“

 

„Ganz einfach!“ Ich ging auf die Knie, leckte über die triefnasse Kuppe, die vor meinen Augen tanzte, und verleibte sie mir voll ein. Meine nassen Hände um klammerten seinen Hintern, packten fest zu, und ich begann mit dem, was jeder Schwule in meiner Situation gemacht hätte: Blasen!

Kaum hatten meine Lippen den dichten roten Urwald, der sich um die Erhebung ausbreitete, erreicht, begann er, wie wild zu stöhnen und mir entgegen zu arbeiten. Dass ich diese Art der mündlichen Prüfung perfekt beherrsche, ist mir schon mehr als einmal bestätigt worden, aber dieses Mal war es auch eine Premiere für mich: Nachdem seine fleischige Kuppel erstmals mit meinen Mandeln kollidierte, krampfte er zusammen und feuerte eine Ladung Sahne nach der anderen in meinem Schlund.

 

Er fasste mein Gesicht, drehte es zu sich hoch, sodass ich ihn ansehen konnte. „Sorry, aber … das ging nicht anders. Ich bin den ganzen Tag schon … rattig … war geil auf den Typen aus dem Studio … und jetzt … deine Lippen … das war einfach zu viel!“

 

„Kein Thema!“ Ich erhob mich und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen, er sollte wenigstens schmecken, was er mir gar in meiner Mundhöhle gepumpt hatte. „Kann ja jedem passieren.“

 

„Es ist mir aber schon …“ Er wirkte unsicher. „… peinlich, so schnell komme ich normalerweise nicht!“

 

„Ach Michael! Mach dir darum mal keinen Kopf, ist ja keiner gestorben! Hol dir besser mal ein Shirt aus meiner Kommode, du weißt ja, wo sie steht. Ich möchte nicht, dass du krank wirst, denn … wer soll dann die Tour übernehmen?“ Dass ich grinste, verrate ich jetzt mal nicht.

 

Als er die Wasserspiele wieder betrat, hatte er ein violettes Shirt aus Satin über seiner Brust, er musste also in meinen Schubladen gewütet haben, denn das lag ganz unten. „Sehr modisch!“

 

Die Ironie in meiner Stimme hatte er augenscheinlich überhört, dass starke Lila des Oberteils biss sich mit dem seegrasgrünen Stoff, der seine Beine umspannte. „Find ich auch!“

 

„Du musst noch mal in mein Schlafzimmer, ich brauche noch zwei Bügel.“ Ich blickte ihn sanft an.

 

Er brachte kurze Zeit später das Gewünschte. „Hier!“

 

„Danke.“ Ich nahm die Kleideraufbewahrungsgerätschaften an mich und hängte, nachdem ich die Kleidungsstücke auf selbige verfrachtet hatte, diese zum Trocknen in der Dusche auf, wenn sie denn tropfen sollten, dann sollten sie das gefälligst auch hinter dem Vorhang machen; ich hatte keine Lust, morgen das Bad zu wischen.

 

Als wir wieder im Wohnzimmer waren, fragte ich den Rotschopf nach seinen Getränkewünschen, er orderte Bier. Mir fiel ein ganzes Gebirge vom Herzen, denn zwei Sixpacks Bud lagerten noch im Kühlschrank, ansonsten herrschte auch getränketechnisch Mangelwirtschaft in meinem Kühlschrank. Ich gab ihm seine Flasche, setze mich jedoch nicht zu ihm, sondern an meinen Schreibtisch und fuhr den Rechner hoch.

Nach gefühlten Ewigkeiten – wieso Winzigweich immer Ewigkeiten braucht, um zu starten, kann ich auch nicht sagen! – begrüßte mich mein der Desktop, ein liegender Männerakt, den ich selbst mal geschossen hatte. Der Nackte war Kenneth, einer meiner Tutoren am Collage, er nennt den süßesten Arsch der Welt, den ich kenne, sein eigen.

Michael schmunzelte, sagte aber nichts. Ich öffnete Word und aus meinen unzähligen Unterordnern in den eigenen Dateien suchte ich die Unterlagen für die große Oststaatentour zusammen. „Soll ich sie die als Mail schicken?“

 

„Gordon, ich würde mich freuen, wenn du das machen könntest, aber … meine Tinte ist leer und bei den Preisen …“ Er wirkte konsterniert. „… ich bräuchte sie einmal auf Papier.“

 

„Kein Thema, ich hab noch genügend Toner.“ Es wird mir nie einleuchten, warum die Anschaffung eines neuen Druckers oftmals billiger ist, als Tinte zum weiteren Betrieb des Bisherigen zu erwerben.

 

Mein Brother spuckte Blatt um Blatt aus, ich gab sie ihm und er las und las. Etliche Seiten überflog er nur, anscheinend kamen sie ihm bekannt vor. Bei einigen Ausdrucken stutzte er, bei anderen Elaboraten kam er ins Grübeln. „Super! Ich danke dir mehr als tausendfach!“

 

„Kein Thema! Wofür sind den Freunde da?“ Ich schaute ihn intensiv an.

 

Er wirkte ziemlich konsterniert. „Um einander zu helfen, das ist klar, aber … die ganze Ausarbeitung? Du musst etliches an Zeit investiert haben, um das auf Papier zu bringen. Und das gibst du so einfach her? Wie soll ich dir jemals danken können?“

 

Ich blickte ihn intensiv an. „Michael, ich kann ich beruhigen! Ich habe lediglich die Notizen meines Dads zu dieser Tour in den Rechner getippt und ab und an um einige moderne Punkte erweitert, wir leben ja nicht mehr in den 80ern. Mehr habe ich nicht getan! Wenn du jemanden Dank sagen willst, dann meinem Vater, denn … er hat die Grundlage geschaffen, mein Beitrag ist nur schmückendes Beiwerk!“

 

„Das mag ja sein, aber …“ Er rang augenscheinlich nach Worten. „… du gibst dein Wissen einfach so weg? Das verstehe ich nicht! Wie kann man so etwas machen? Wissen ist doch Macht!“

 

Seine Logik verstand ich nicht. „Moment, … wir wollen, dass unsere Kunden zufrieden sind?“

 

Er schaute mich wie neues Auto an. „Ja! Denn das gibt ja das Trinkgeld!“

 

„Richtig, aber das ist der falsche Ansatz!“ Seine Augen blickten wirr.

 

„Wieso? Trinkgeld auf den vollen Hunderter abgerundet, geteilt durch zwei, ich eine Hälfte ist für mich, der Fahrer bekommt die Andere, der Rest in den Fund.“ Er zitierte Dads Regularien bezüglich des freiwilligen Obolusses unserer Gäste.

 

„Michael, die Regelung über das Trinkgeld mag für dich wichtig sein, aber nicht für die Firma! Lensing will zufriedene Gäste haben, denn nur zufriedene Gäste sind positive Multiplikatoren …“ Ich blickte ihm in die Augen. „… und nur die bringen wiederum neue Kunden, an denen wir wieder neu verdienen können!“

 

Er bearbeitete sein Kinn. „Du meinst also, ein Gast, der nach einer Tour einen Hamilton freiwillig gibt, ist besser als einer, der einen Jackson springen lässt, weil er meint, es gehört zum guten Ton?“

 

Ich nickte. „Der Typ, der dir von sich aus 10 $ gibt, weil er sich super fühlt, sorgt bei 4 bis 5 Freunden, allein durch Mundpropaganda, dass sie dir ebenfalls einen Zehner geben werden; der, der dir einen Zwanziger reicht, wird für keinen Nachwuchs sorgen. Was ist dir also lieber?“

 

Er ging kurz in sich. „Natürlich der erste Gast, wenn man es langfristig betrachtet, denn jeder seiner vier Freunde bringt wiederum vier Freunde … dass macht eine Quote von elf zu eins.“

 

Nun musste ich überlegen, einer mit vier Freunden und diese jeweils mit vier weiteren Gästen? Ich rechnete und kam auf insgesamt 21. Diese jeweils mit einem Zehner zu einem einzigen Zwanziger? Mathematisch war zwar nicht ganz korrekt aber, für Otto-Normalverbraucher konnte man es so gelten lassen. „Stimmt!“

 

Er nickte nur und vertiefte sich weiter in die Unterlagen. Plötzlich fing an, zu lachen. „Echt lustig!“

 

Ich zuckte zusammen. „Was meinst du?“

 

„Hier …“ Er deutete auf das Blatt Papier, das vor ihm lag. „… du beschreibst gerade die Methode, wie man Cranberries erntet. Das man dafür die Felder unter Wasser setzt, ist doch nur normal!“

 

„Für uns ist das alltäglich, aber für unsere Gäste? In Europa ist es normal, in den Wald zu gehen die Beeren zu suchen, die man ernten will. Dass wir hier ganze Landstriche unter Wasser setzen, um an die Früchte zu kommen, ist für die eher befremdlich. Aber … bei diesem Thema fällt mir was ganz anderes ein!“ Ich grinste ihn an.

 

Die Augen des Iren blickten mich funkelnd an. „Was denn?“

 

„Dein Busch …“ Ich deutete auf seinen Schritt. „… könnte auch mal wieder geerntet werden! Der Urwald da unten turnt eher ab. Wir leben ja nicht mehr in der Steinzeit, wo das noch en vogue war.“

 

Er grinste mich an. „Dann sei mal ein guter Holzfäller und fang mit der Rodung an.“

 

Ich blickte ihn fragend an. „Ich hab freie Hand?“

 

Er nickte. „Du bist der Barbier …“

 

„Dann mach dich schon mal frei, ich komme gleich mit Kamm und Schere!“ Ich ging ins Bad, um die notwendigen Utensilien zu holen. Mit Handtuch, Kamm, Schere und Langhaarschneider sowie einem Rasierer samt Gel kam ich zurück. Er stand mittlerweile nackt in meinem Wohnzimmer. „Leg dir das Badelaken unter, die Couch soll ja nicht leiden. Bin gleich wieder da, brauch noch ne Schüssel heißes Wasser.“

 

„Alles klar, Boss!“ Er grinste mich hämisch an.

 

Als ich auch die letzten Utensilien griffbereit platziert hatte, machte ich mich ans Werk: Die Sackhaare mussten einfach ab und das Loch sollte auch freigelegt werden. Bei den oberen Gärten entschied ich mich für einen starken Rückschnitt, etwas musste stehen bleiben, denn ganz ohne Kontrast würde sein Schwanz nur noch kleiner wirken.

Es war zwar nicht ganz einfach, mit einem Kamm durch seine fast verfilzte Schambehaarung zu kommen, es ziepte wohl, jedenfalls ließen seine heftigen Körperbewegungen darauf schließen, aber das war mir im Moment mehr als egal. Ich setzte den 5-Millimeteraufsatz auf den Akkurasierer und legte los, die ersten roten Stoppeln fielen der Mechanik zum Opfer. Ich betrachtete mein Werk und war mehr als zufrieden mit mir.

Um den Einwegrasierer, der gleich zum Einsatz kommen sollte, nicht von Beginn an unbrauchbar zu machen, entschied ich mich, die Haare um seinen recht beeindruckenden Beutel erst mit der Schere zu traktieren, was ich dann auch tat. Dann erst benetzte ich Sack und Damm mit dem warmen Wasser. Den für die Rasur notwendigen Schaum lieferte mir die Dose Rasiergel, die ich mitgebracht hatte.

Er lag breitbeinig vor mir, der weiße Schaum, der sich aus dem blauen Gel gebildet hatte, bildete einen starken Kontrast zu seiner sonst eher blässlich anmutenden Haut. Dem kleinen Gorden wurde es eng in seiner stofflichen Hülle. Konzentriert ging ich an mein Werk, mit meiner linken Hand spannte ich die feine Haut, die seine Golfbälle umschloss, mit der Rechten führte ich den Rasierer.

Die ersten Haare fielen dem blanken Stahl zum Opfer, nach drei, vier Minuten und einigen Um- und Verlagerungen der sahneproduzierenden Keimdrüse war die linke Hälfte seines Beutels blank wie ein Kinderpopo. Die Rodung der letzten 50% der Waldfläche war nicht ganz so einfach, mussten doch Spann- und Führhand gewechselt werden, als Rechtshänder kein so leichtes Unterfangen. Ein paar Mal rutschte mir die rechte Hand weg, die Finger glitten auf dem rutschigen Untergrund aus. Fast wäre ich wie Hänschen in der Grube mit dem Daumen in selbiger zu landen, aber nur fast!

Ich glaube nicht, dass Michael etwas dagegen gehabt hätte, wenn es zum Totalschaden gekommen wäre. Im Gegenteil, als ich die Wiesen im Tal mähen wollte, stützte er sich mit seinen Füßen an meinen Schultern ab und zog seine Backen derart auseinander, dass die quergestreifte Muskulatur Schwerarbeit leisten musste, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Als das letzte Heu eingebracht war, der Rasierer seine letzte Ruh in der Wasserschüssel gefunden hatte, konnte ich nicht anders und strich mit rechten Mittelfinger über die Öffnung. Er wand sich wie ein Aal und seine Finger, die um die Böschung lagerten, glitten ein Stück tiefer und gaben so den Anblick auf den ganzen Abgrund frei.

 

Wie dazumal der Graf von Monte Christo verlangte auch Klein-Gordon in den Genuss von Luft und Licht zu kommen und als guter Landesvater, der ich nun einmal bin, entließ ich den armen Häftling in die ersehnte Freiheit. Großen Resozialisierungsmaßnahmen bedurfte es nicht, nur zwei, drei Streicheleinheiten und der stand wie eine amerikanische Eiche. Die Kuppe hatte gerade die erste Luft geschnuppert und fuhr, freiheitsliebend, wie sie war, durch das Tal auf und ab, genoss ihren neuen Bewegungsspielraum.

Es war jedoch, wie so häufig bei frisch entlassenen Sträflingen, es brauchte nicht lange, da drückte sie sich auch schon gegen die Tore des Gefängnisses. Allerdings war der neue Knast nicht so geräumig wie der Alte, Einzelhaft war angesagt und die war auch noch im Stehen zu vollziehen. Ich glaube zwar, dass das gegen die Genfer Konventionen verstößt, aber das war mir und besonders Klein-Gordon im Moment egal.

 

Seine Öffnung war ja noch genug geschmiert, aber eine weitere Portion der blauen Masse konnte nicht schaden. Wer gut schmiert, der fährt bekanntlicherweise ja auch gut und so fuhr Klein-Gordon wieder ein und erkundete die Haftbedingungen in dem irischen Château d’If. Michael warf seinen Kopf hin und her. Dass erste Gefängnistor war passiert, jetzt ging es in die hinteren Haftzellen, dort wo niemals Tageslicht hinkommt.

„Gordon … ich … ich …“ Er hechelte. Unbeirrt setzte sich der Haftantritt fort, ich kniete ja zwischen seinen Beinen, die Stellung war somit ideal, den Druck etwas zu erhöhen, um so in das Kellerverlies vorzustoßen. „Gordon … ich … ja … nicht so schnell … ich …“

Als ich zum ersten Mal ganz in ihm steckte, spreizte er noch einmal ein Stück seine Beine auseinander. Mein Shirt flog auf den Boden. Es wurde Zeit, die Wachmannschaft zu wechseln. Ich ließ etwas Luft zwischen ihn und mir kommen, um gleich einen neuen Stoßtrupp hinterher zu jagen. „Nein … ja … nicht … ich … bin nicht … Gordon … ja … fick mich …“

 

Ich blickte ihm direkt in die Augen. ‚Was meinst du, was ich hier gerade tue? Halma spielen?‘, schoss es mir durch den Kopf. Ich wollte ihn, wollte mich in ihm austoben, meinen Spaß an, in und mit ihm haben. Irgendwie störte jedoch die scheiß Hose, die mir mittlerweile in meinen Kniekehlen hing, und der breite Ledergürtel, der mich bei jedem Rückstoß ein erneutes schnelles Vorrücken abnötigte.

Ich griff nach seinen Füßen, führte seine Beine über seinen Kopf, mit Not gelang es mir, seine Fersen mit meiner Linken zu umfassen, mit der rechten Hand nestelte ich an meiner Hose und versuchte sie abzustreifen. Kein ganz einfaches Unterfangen will man die Verbindung nicht abreißen lassen, jedwede Fluchtmöglichkeit für den Gefangenen sollten ja verwehrt werden. Mittlerweile hatte ich mich freigestrampelt, meine Bewegungsfreiheit wiedererlangt, jedenfalls konnte ich meine Beine frei bewegen. Der Gefangene steckte immer noch in seiner Einzelzelle und es schien ihm in der Enge mehr als zu gefallen. „Ich bums dich bis nach Flushing und wieder zurück!“

 

Er stöhnte, zog seinen Kanal noch enger zusammen. „Gordon … ja … härter … nein … ich will dich … in … mir haben … ich … ich bin nicht … ja …“

 

Unsere Münder suchten und fanden sich, spielten und rangen miteinander. Je intensiver unser Zungenspiel wurde, desto heftiger wurden auch meine Hubbewegungen, lange konnte es nicht mehr dauern. „Du bist so … eng …und … geil! Ja …“ Um weitere Fluchtversuche zu unterbinden, flutete ich die tiefsten Verließe und brach erschöpft auf ihn zusammen.

 

Auch sein Herz raste wie wild, das konnte ich hören. Als er sich etwas beruhigt hatte, rückte er noch näher an mich heran, als wollte er sich erneut aufspießen. „Das war … einfach nur … galaktisch! Bitte zieh ihn nicht raus.“

 

Ich blickte ihn an und strich ihm über die Wange. „Ich soll wohl in dir einschlafen?“

 

„Keine schlechte Idee …“ Er grinste mich an. „Aber das meine ich nicht, … Was ich dir die ganze Zeit sagen wollte, …“

 

„Was?“ Ich blickte ihn fragend an.

 

„Ich hab Angst um die Couch, … ich bin doch nicht gespült, wenn du verstehst?“ Er schaute verstohlen auf den Boden.

 

„Dann wollen wir mal ganz vorsichtig zu Werke und in die Dusche gehen!“ Ich zog ihn näher zu mir heran, sodass er nur noch mit dem halben Rücken auf dem Sofa lag. Mach der endgültigen Kappung der Verbindung sah ich die Bescherung, der Gefangene hatte sich mehr als schmutzig gemacht und bedurfte dringend eines reinigenden Wasserstahls.

 

In der Dusche verlief alles in geordneten Bahnen, wir wuschen uns gegenseitig (und nicht nur die Rücken) und knutschten Ewigkeiten. „So, und nun lass mich mal alleine …“ Warum komplimentierte er mich aus der Emailletasse?

 

Als ich hörte, dass der Wasserstrahl kurz unterbrochen wurde und nach einiger Zeit das Plätschern wieder einsetzte, konnte ich mir denken, was er da alleine reinigen wollte. Eigentlich hätte ich es ihm gerne gleich getan, ich war ja seit mehr als 96 Stunden ungefickt und hätte mich über eine Füllung mehr als gefreut, aber das ist das Problem, wenn man sich mit einem rein passiven Mann einlässt, er lässt sich immer und überall besteigen, aber als aktiver Bergführer ist der weniger bis gar nicht zu gebrauchen.

 

 

Als wir eine halbe Stunde später, wir hatten noch den Wohn- und Essbereich meiner Behausung in einem etwas wohnlicheren Zustand versetzt, zusammen im Bett lagen, setzte alles daran, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Zuerst dachte ich, es wäre Spaß, aber dem Iren war es mehr als ernst. Er machte mich heiß, blies auf meiner Trompete zum Angriff. Als die Truppen sich in Bewegung gesetzt hatten und in langen Märschen durch sein Tal patrouillierten, gerieten sie in einen Hinterhalt, aus dem es kein Entrinnen gab. Sämtliche Rückzugsversuche unterband er, der Eingang der Talschlucht folgte jeder meiner Bewegungen.

Er drehte sich zu mir um, drückte mir einen Kuss auf die Nase und grinste. „Chef, so können wir jetzt einschlafen.“ Eng an und in den anderen geschmiegt, schliefen wir ein.

 

 

Geweckt wurde ich durch das Klingeln an der Tür. Ich blickte mich um. Wo war Michael? Schlaftrunken ging ich zur Tür und betätigte die Gegensprechanlage. Am anderen Ende meldete sich der Ire. „Ich hab uns Frühstück geholt, der Kaffee müsste schon durchgelaufen sein. Lässt du mich jetzt rein?“

 

Ich öffnete die Tür und machte mich auf die Suche nach meinem Bademantel, denn nackt wollte ich ihn nicht empfangen. Irgendwie war es mir … peinlich wäre der falsche Ausdruck, nackt kannte er mich ja, sogar in Aktion hatte er mich schon mehr als einmal erlebt … nein, es war wohl eher das Gefühl, dass zu viel Offenheit hier und jetzt unangebracht wäre. Wir hatten einen schönen Abend gehabt und, ich gebe es ja zu, die Nacht war auch nicht schlecht, aber das sollte es dann auch gewesen sein.

Ich bin gewiss kein Sexmonster, ich bin bloß ein junger Mann, der sich nach einem festen Freund sehnt. Aber mehr als ab und an eine gemeinsame Nacht um Spaß zu haben, mehr konnte ich mir mit dem Iren einfach nicht vorstellen, auch bei aller Bindungssehnsucht, die ich innerlich verspürte und die an mir nagte. Dazu sind wir einfach vom Typ her zu unterschiedlich, er würde mich sicherlich an die Kette legen, so er denn könnte.

 

„Gut, das du dir was übergezogen hast, denn ansonsten wüsste ich nicht, an was ich lieber knabbern würde: an dem Hotdog oder an deinem Würstchen, Chef.“ Er grinste mich an.

 

Der Kaffee dampfte mittlerweile in den Tassen. „Ich bin aber nicht dein Boss, ich bin nur sein Sohn.“

 

„Also bist du das indirekt, …“ Er zwinkerte mir zu. „… und man sollte immer einen guten Draht zur Geschäftsführung haben.“

 

Was sollte nun das denn wieder? „Und … für was du brauchst du die guten Verbindungen? Willst du dich für den Posten der Chefsekretärin bewerben, die mit dem Boss in der Mittagspause …“

 

Er lachte. „Wenn du heute schon in dem Glaskasten deines alten Herrn sitzen würdest, würde ich mir das echt noch überlegen, aber so? Du tourst ja auch noch durch die Lande und außerdem, wie alt ist dein Vater? Der macht mindestens noch 20, 25 Jahre.“ Er blickte mich an. „Ehe du auf seinem Stuhl sitzen wirst, werde ich über 50 sein und ob ich dann noch so schnell die Beine in den Kronleuchter bekomme, …? Wage ich mal zu bezweifeln, denn in Vaters Familie kommt Arthrose häufig vor.“

 

Ich schaute ihn an. „Na ja, aber noch kannst du es. Und wer weiß, ob ich dich mit 50 überhaupt noch haben will. Da nehm ich mir dann lieber knackiges, williges Frischfleisch!“

 

„Wenn du dann noch einen hoch kriegst! Du wirst ja auch nicht jünger, Boss. Der Zahn der Zeit nagt auch an dir.“ Er rang nach Atem. „Aber wozu gibt es Viagra?“

 

Scherzend verbrachten wir den Rest der morgendlichen Mahlzeit, dann ermahnte uns die Uhr zum Aufbruch. Ich musste ins Büro, um dort meinen Dienst zu versehen, und Mister Furgesson wollte Morgen ja auch auf große Fahrt und musste noch packen.

 

 

Im elterlichen Betrieb angekommen lud ich mich erst mal selber zu einem Kaffee bei Elisabeth Willsey ein, ich musste mich ja über den neusten Tratsch und Klatsch in der Firma informieren lassen. Nebenbei gesagt, Elli ist die Dame, der Michael eine Stunde zuvor noch den Job abspenstig machen wollte. Wir waren gerade bei Ian Macgregor, dem neuen Mitarbeiter in der Buchhaltung angelangt, der sich urplötzlich von seiner Frau getrennt hat und jetzt immer seine Mittagspause immer mit den Fahrern verbringen würde, als Paps in sein Vorzimmer trat.

Mein alter Herr sah mich erstaunt an. „Junior! Was machst du denn hier?“

 

„Auf meinen Dienstplan steht Office …“ Diesmal hatte ich große Augen. „… and here I am. Was soll ich machen? Irgendwelche Aufgaben? Oder kann ich mir selbst was aussuchen? Ich glaube, ich sollte mal wieder meine Kenntnisse im Rechnungswesen auffrischen.“

 

„Buchhaltung ist zwar nicht schlecht, aber …“ Er schüttelte den Kopf. „… mach dich erst einmal mit Gregs Aufgaben vertraut … den Rest besprechen wir dann beim Mittagessen. Du kannst sein Büro nehmen, das ist ja frei.“ Er deute auf die Tür neben seinem Büro.

 

Danke! Wirklich toll! Mein Bruder arbeitet als Assistent der Geschäftsführung, also als Mädchen für alles Mögliche und Unmögliche und war, in meinen Augen, nur ein besserer Laufbursche für meinen Vater. Gut, er arbeitet Sondertouren aus und ist für die Neukundengewinnung verantwortlich, aber die Lensingschen Busse zeichnen sich durch eine Auslastung von über 95% aus, viel Potential für neue Großkunden war somit echt nicht gegeben.

Ich ging in Gregs Reich, setzte mich hinter seinen Schreibtisch und fuhr den Rechner hoch. Viel Persönliches von ihm war nicht zu entdecken: Ein Bild unserer Eltern bei ihrer Silberhochzeit hing fast lieblos neben der aktuellen Tourtafel, sein Organizer lag aufgeklappt neben dem Bildschirm, ein Paar Ersatzschuhe standen unter der Heizung. Alles in allem versprühte der Raum eher den Charme eines Krankenzimmers als eines geschäftigen Büros. Gott sei Dank, meine Zeit hier würde begrenzt sein.

 

In meinem Posteingang fand ich eine Mail eines gewissen Daniel Eichhorn, der Name sagte mir zwar nichts, der Betreff umso mehr: Anfrage Laufenberg. Dieser Daniel musste also besagter Enkel sein, der mich in Omas geheimen Auftrag kontaktierte. Der Inhalt war schnell zusammengefasst, sollten sie die Reise nicht bis Freitag nach dem Ehejubiläum angetreten haben, müsse sie wohl oder übel mit ihrem Fritzemann nach Berchtesgaden. Magda Laufenberg sollte geholfen werden! Aber ein Blick in das Buchungssystem ließ all ihre Hoffnung schwinden. Die Reise am Freitag war ausgebucht, am Sonntag hatte ich zwar noch vier freie Plätze, aber der Termin war ja zu spät. Niedergeschlagen blickte ich vom Bildschirm auf und startete die Wand mit der Tourentafel an.

Moment! In der nächsten Woche steckten drei gelbe Leisten und die Farbe Gelb bedeutet bei Lensing eine deutschsprachige Reiseleitung: Montag, Freitag und Sonntag. Die Touren am Wochenende waren klar, aber am Montag? Auch ein erneuter Blick in das Buchungssystem brachte keinen Erfolg, es war nichts zu finden, es musste also eine Sonderreise sein. Da ich aber mit meinem Passwort nicht an Gregs Dateien kam, ging ich kurzerhand ein Büro weiter und fragte Dad, der, wie so oft, mit Zahlenspielereien beschäftigt war. Wozu gibt es eigentlich Computer?

 

„Dad, ich hab ein kleines Problem.“ Ich kam mir vor wie ein Schuljunge.

 

Er blickte von seinen Papieren auf. „Welches?“

 

Ich räusperte mich. „Wir haben nächsten Montag eine Sonderreise ab Boston, ich finde aber nichts dazu im System und an die Notizen meines Bruders komme ich nicht heran, dazu reicht wohl mein Passwort nicht aus.“

 

Er lächelte mich süffisant an. „Wieso willst du das wissen?“

 

„Nun, ich hab auf meiner letzten Tour ein ziemlich nettes Ehepaar kennengelernt, beide weit über 80, sie feiern am Wochenende ihren 55. Hochzeitstag. …“ Ich erzählte ihm den Rest der Geschichte, sein Grinsen wurde immer breiter.

 

Er rieb sich das Kinn. „Das ist eine Schnupperreise für Zeitungsredakteure, wir wollen das Geschäft mit den Leserreisen etwas ankurbeln, … war eine Idee deines Bruders … er wird auch die Reiseleitung übernehmen. Vier Plätze sind noch frei, soviel ich weiß. Kostet 1.800 pro Nase im Doppelzimmer bei Vollverpflegung für 11 Tage, wenn sie zu den Fällen wollen 200 mehr, aber da sie da schon waren, glaube ich, die wollen lieber wandern. Wenn du es schaffst, ihnen auch den Flug zu verkaufen, kriegst du die Provision.“ Er tippte was in seinen Rechner. „Ich hab dir gerade die Beschreibung geschickt. Dann tu dein Bestes und vergiss unser Mittagessen nicht, ich hohl dich in anderthalb Stunden ab, solange brauche ich noch … und jetzt … lass mich wieder alleine.“

 

Da war er wieder, mein alter Vater. Gestern noch war ich der gute Mensch von Sezuan, der Greg den Arsch gerettet hat, heute wieder der verzauberte Sohn, mit dem er Schwierigkeiten hatte, ein vernünftiges Gespräch zu führen. „Alles klar.“

 

Der besagter Daniel in seiner Signatur seine Erreichbarkeit aufgeführt hatte, griff ich mir das Telefon und wählte die Nummer, die da geschrieben stand. Es läutete. „Der Daniel hier, wer ist da?“

 

Ich war überrascht, eine solche Stimme hatte ich nicht erwartet. „Gordon Lensing von Lensing …“

 

Er lachte. „Ich weiß schon, der süße Reiseleiter, den Oma am liebsten adoptiert hätte. Wehe, du machst mir mein Erbe streitig! Was gibt es?“

 

Seine Stimme klang nett, sympathisch sogar. „Es geht um die Anfrage … ich nehme an, ihre Großeltern wollen eine deutschsprachige Reiseleitung …“

 

„Wäre besser, aber … wenn ich mit Sie angesprochen werde, komme ich mir vor wie mein Vater, also bleiben wir am besten beim Du!“ Sein Bass sagte mir mehr als zu, er klang sehr erotisch. „Also, was hast du anzubieten?“

 

Mich, nackt auf einem Silbertablett! Die Stimme war einfach nur … geil! Schade, dass Bildtelefonie nicht verfügbar war, ich hätte sofort blankgezogen! „Äh … die normale Tour, die zeitlich passen würde, ist leider schon ausgebucht, aber … ich hätte noch eine Sondertour … 12 Tage … von Boston nach New York …“

 

„Wie viel?“

 

Ich war perplex, normalerweise hört man sich erst die Reisebeschreibung an, ehe man nach dem Preis fragt. „Je nachdem, welche Flüge ich noch kriege … zwischen 2.600 und 2.800 pro Nase … hängt ganz von der Gesellschaft ab.“

 

Er überlegte einen Moment. „Also, Oma ist die Reise 5.000 Euronen wert, den Rest zahl ich. Buch sie Business oder, wenn es nicht anders geht, auch First. Die Hintergründe erkläre ich dir später, wenn du mir …“

 

Ich wurde neugierig, was wollte der Knabe? „Wenn ich dir was?“

 

Einen Augenblick herrschte Ruhe. „Deine private Mailadresse gibst, wir können ja mal camen oder …“

 

Wie von der Schlange Ka aus dem Dschungelbuch hypnotisiert, nannte ich meine Adresse. „Aber … was ist mit dem Zeitunterschied?“

 

„Darum mach dir mal keine Sorgen. Ticker mich einfach heute Abend zwischen sieben und acht deiner Zeit via MSN an, ich müsste eigentlich on sein. Ich möchte ja wissen, welcher Typ Oma so beeindruckt hat, dass sie mich …“ Eine Türglocke war im Hintergrund zu hören. „Schick mir die Beschreibung als PDF und jetzt entschuldige, kriege gleich Kundschaft, muss ja Omas Flug verdienen.“ Er legte auf.

 


 

Was war das denn für einer? Eine Stimme wie Joe Cocker, männlich markant und einfach nur geil, nur seine letzte Äußerung war etwas … merkwürdig, um es vornehm auszudrücken. Aber ehe ich den Neuronen erlaubte, auf meinen Gehirnautobahnen einer Amokfahrt zu veranstalten, machte ich die E-Mail fertig und schickte sie an den Mann, dessen Sprachorgan mich unheimlich in seinen Bann gezogen hatte. Dann erst hob ich die Geschwindigkeitsbeschränkung auf.

Der Stau war gerade dabei, sich langsam aufzulösen, als Elli das Büro betrat und meinte, ich müsse, bevor ich für meinen Vater zum Essen gehen würde, noch dringend bei der Bank vorbeischauen. Was sollte ich in dem Finanztempel? Ein Konto hatte ich schon längst, zwei Kreditkarten nannte ich auch mein Eigen und Dank der Anlagestrategie meines Patenonkels hatte ich den letzten Börsencrash gut überlebt: Bundesdeutsche Staatsanleihen sind zwar nicht so gewinnbringend, aber sie sind erheblich sicherer als solche von Lehman Brothers oder Merrill Lynch.

 

Ich ließ mich vom Bereitschaftsfahrer zum Hanson Place bringen, dort befindet sich unsere Filiale der Bank of New York, der ältesten Bank der Vereinigten Staaten, die 1784 von Alexander Hamilton, dem ersten Finanzminister der USA, gegründet wurde. Anscheinend wurde ich schon erwartet, ich nannte eine Information nur meinen Namen und schon wurde ich in das Büro des Direktors geführt.

Ein Mann mittleren Alters mit Namen Jeff Clarkson empfing mich, der übliche dunkelgraue Anzug, die rote Krawatte, etwas Farbe muss ja sein, schwarze Hornbrille und Bürstenhaarschnitt. Als Ausweisdokument, das ich auch ich bin, reichte ihm mein Führerschein. Er breitete eine Menge an Papieren vor mir aus und bedeutete bei jedem einzelnen Blatt, an der mit einem X gekennzeichneten Stelle zu unterschreiben. Die Tinte mit meinem Kaiser Wilhelm auf dem letzten Schriftstück war kaum getrocknet, der raffte er die Papiere auch wieder zusammen und schüttelte mir erneut in die Hand. Die Unterlagen würden mir zu gehen und er wünschte mir noch einen schönen Tag, denn damit hatte ich sein Büro auch schon wieder verlassen. Was hatte ich da eigentlich unterschrieben?

 

Wieder im Büro angekommen, wollte ich mir die halbe Stunde, die ich noch bis zum Essen mit Paps hatte, mit einer Partie Spider Solitär verbringen, aber kaum hatte ich den Rechner hochgefahren, meldete sich Elli via Gegensprechanlage bei mir: Ian Macgregor wäre jetzt da.

Was mochte der Neue aus der Buchhaltung von mir wollen? Berührungspunkte hatten wir eigentlich nicht, denn ich gehörte ja zum fahrenden Personal, er war Verwaltungshansel. Wenn wir Reiseleiter unsere Bürotage hatten, verbrachten wir sie meist in irgendwelchen Reisebüros, quasi als lebende Werbebroschüre für potentielle Kunden. „He should come in.“

 

Als sich die Tür öffnete, musste ich erst mal kräftig durchatmen, ein blondgelockter Recke, knappe 200 Zentimeter vom Scheitel bis zur Sohle, Typ Footballer, betrat mein Büro. Ich musterte ihn näher und tippte auf Verteidiger, entweder Linebacker oder Cornernack. Fußballer sehen anders aus, nicht nur in den Staaten. Sein Händedruck war unheimlich weich. Wieso arbeitet jemand mit einem solchen Aussehen als Buchhalter? „Hello Mr. Lensing. I hope I don’t disturb you …“

 

In seine graugrünen Augen hätte ich abtauchen können. „If you say Mr. Lensing I expect my father standing next to me. I am Gordon.”

 

Ein Grübchen zierte seine linke Wange, als er mich anlächelte. „Nice to meet you, Gordon.“

 

Soll ich mich gleich ausziehen? Willst du mich hier und jetzt? „What can I do for you?”

 

Er lächelte mich an. „Here …“ Als er mir den Stapel Papieren überreichte, den er in seiner Linken trug, mussten wir leider das Händchenhalten beenden.

 

Ich warf einen Blick auf die Papiere, es waren die Lohnabrechnungen für unsere Aushilfen und für die Büroangestellten, die ihr Gehalt immer zur Monatsmitte bekamen. Wieso, um alles in der Welt, sollte ich die Gehaltsschecks gegenzeichnen? Das ist doch normalerweise Gregs Aufgabe, gut, der war heute nicht da, aber Papa war zeichnungsberechtigt. „I can’t help you even if I would like to.“

 

„Sorry to correct you, but you can!” Er grinste mich an und ich bedeutete ihm erst einmal, Platz zu nehmen.

 

Wie er mich aufklärte, hatte ich seit einer Stunde Vollmacht für sämtliche Firmenkonten. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, dazu diente also mein Besuch bei der Bank. Aber wieso sollte ich, der Reiseleiter, plötzlich solche Befugnisse bekommen? Gut, ich war der Sohn des Chefs, aber viel Ahnung von der Verwaltung hatte ich nicht. Wie auch? Seit meinem Abschluss war ich mehr oder minder nur als Reiseleiter unterwegs gewesen und hatte mich fast nie um die alltägliche Arbeit im Betrieb gekümmert. Wozu auch? Dazu bestand kein Grund.

Normalerweise prüft man ja Belege, aber da sämtliche Zahlungsanweisungen schon von Sean Dissleton, unserem Chefbuchhalter, unterschrieben waren, konnte ich ruhigen Gewissens auf eine erneute Begutachtung verzichten, sie waren bestimmt vorher schon mehr als dreimal kontrolliert worden. Ich zückte also meinen Füller und setzte meinen Wilhelm auf knapp 100 Gehaltsschecks, mir schmerzte das Handgelenk. Paps würde mir einiges erklären müssen, soviel stand fest.

 

Der Footballer stieß beim Verlassen des Büros mit meinem Vater zusammen, der mich wohl abholen wollte. „Junior, ich wollte dich zum Essen abholen. Wie ich sehe, hast du Ian schon kennengelernt.“

 

Ich blickte ihn an. „Habe ich! Aber jetzt verrate mir mal, wieso ich die Gehaltsschecks unterschreiben sollte?“

 

„Gleich! Jetzt lass uns los.“ Sein mehr als süffisantes Lächeln störte mich etwas.

 

 

Eine halbe Stunde später saßen wir im Klubhaus des Dyker Beach Golf Course, Dads Rückzugsort unter der Woche. „Du solltest das Huhn nach karibischer Art nehmen, das ist köstlich!“

 

Wohl aus Trotz orderte ich beim Kellner, als er die Bestellung aufnehmen wollte, ein großes Steak, gut durchgebraten, mit Kräuterbutter und Folienkartoffel und ein Glas Rose. „Also, ich höre.“

 

Mein Vater blickte mich erstaunt an und schüttelte den Kopf. „Junge, du musst noch viel lernen … Geschäfte macht man nicht zu Anfang eines Essens! Aber egal: Deine Mutter und ich haben gestern noch lange geredet und … die letzte Eskapade deines Bruders hat leider … zu einer erheblichen Änderung unserer Pläne geführt.“

 

Ich stocherte lustlos in meinem Salat, der als Vorspeise gereicht wurde. „Das heißt genau?“

 

„Nun, wenn ich mich in fünf Jahren aus dem täglichen Geschäft zurückziehen werde, …“ Er räusperte sich. „… sollte Christopher eigentlich hier in die Zentrale wechseln, Luke nach Miami und Greg wäre dann soweit, Verantwortung in Boston zu übernehmen.“ Er atmete noch einmal schwer durch. „Und ehe du fragst, wo du in dieser Gleichung steckst, für dich hatten wir eigentlich …“

 

Nun wurde ich neugierig. „Der bin ich ja mal gespannt, welche Rolle du deinem schwulen Sohn zu gedacht hast.“

 

Wie immer, wenn dieses Wort fiel, zuckte mein Vater zusammen, als ob man ihm heißes Wasser über seine Hände gegossen hätte. „Junge, sag so was nicht! Du bist vielleicht … verzaubert, aber … deine Mutter und ich hatten eigentlich an den Posten des touristischen Direktors gedacht, also derjenige, der neue Reisen entwickelt, neue Trends aufspürt, … so was in der Richtung. Was meinst du, weshalb du in all deinen Semesterferien und seit deinem Abschluss durch die Gegend getourt bist?“

 

Gut, seit meinem Abgang von der Columbia vor vier Monaten hatte ich maximal drei Tage am Stück in meinem Apartment verbracht und vorher? In meiner vorlesungsfreien Zeit war ich überall, aber nicht zuhause. Sollten meine Eltern mich so verplant haben? Registriert hatte ich es eigentlich nicht, jedenfalls nicht bewusst. Es war für mich eigentlich schon immer klar gewesen, dass meine drei älteren Brüder irgendwann einmal das Unternehmen übernehmen würden, und ich, der Freigeist, der Künstler in der Familie, zwar durch die Firma mein gesichertes Auskommen haben würde, aber mehr als Reiseleiter konnte ich mir nicht vorstellen, dazu machte ich den Job auch zu gerne. Rein wirtschaftliches Denken war nicht meine Sache.

„Ich soll also Touristikmanager und Chefreiseleiter werden?“ Ich blickte meinem Vater in die Augen. „Wann wolltest du mir denn diese Nachricht verkünden?“

 

Er fühlte sich sichtlich unwohl, das sah man „Zu deinem 25sten Geburtstag, mein Sohn, also in zwei Jahren.“

 

Ich atmete tief durch, 25 werde ich erst in 25 Monaten. „Und was hat Gregs Bettgeschichte mit Patsy jetzt geändert? Mein Bruder treibt es doch mit fast jeder Frau, die bei drei nicht auf den Bäumen ist. Das hatte dich bis jetzt nie gestört. Warum ausgerechnet jetzt?“

 

Die Augen meines Vaters suchten sehnsüchtig nach dem Keller, der uns bedient hatte. Er wollte wohl um eine Antwort herumkommen, aber leider ließen der stupsnasige Schwarze sowie der Hauptgang auf sich warten. „Äh … weißt du, auf wen du hinauskommst?“

 

Wollte er ablenken? „Dad, können wir bitte beim Thema bleiben?“

 

Meinen Einwand überging er geflissentlich. „Auf meine Mutter, … deine Oma Ursula war Meisterin darin, einem peinliche Fragen zu stellen.“

 

Ich ging kurz in mich. Was war an der letzten Frage peinlich? Dass ich sie gestellt hatte? „Dad …“

 

„Schon gut! Aber … hör endlich auf, mich mit deinen schwarzen Augen so intensiv … zu mustern, ich komme vor, als wäre ich ein Teenager, der etwas ausgefressen hat. Das hast du von deiner Uroma, sie brauchte einen nur anzusehen und schon man hatte ein schlechtes Gewissen.“ Er lockerte sich die Krawatte, ich beobachtete ihn weiter. „Gordon, … bitte!“

 

Ich grinste. „Nur der Gerechte hat einen tiefen Schlaf! Wie würde Oma sagen? Nun mal Butter bei die Fische!“

 

„Also, um es kurz zu machen, …“ Er schnappte nach Luft. „… deine Mutter und ich haben damals, als dein Grandpa starb … aus steuerlichen und finanziellen Gründen … auf eine Fusion verzichtet.“

 

Ich war verwundert, was wollte er mir damit sagen? „Paps? Was meinst du?“

 

„Die Reisebüros und das Busunternehmen firmieren zwar alle unter Lensing, aber …“ Er atmete schwer. „… aber sind es bis heute noch zwei eigenständige Firmen. Das müssen wir ändern, um zu wachsen, aber Ethan hält 25% des Reisebüros und von daher müssen wir ihn mit ins Boot kriegen! Nur aufgrund dieser Tatsache schicken wir deinen Bruder in die Verbannung! Aus keinem anderem!“

 

Ich war perplex. „Nur … weil Ethan Anteilseigner ist und Greg mit seiner Fast-Stieftochter …?“

 

Er atmete mehr als tief ein. „Junior! Es interessiert mich überhaupt nicht die Bohne, welche Blume dein Bruder gerade bestäubt, … Hauptsache … er lässt sich kein Kind andrehen. Aber Ethan muss ja zu der Fusion sagen, sonst können wir das Ganze vergessen. Auszahlen können wir ihn nicht. Nach der letzten Bilanz ist sein Anteil drei Millionen wert. Er würde bestimmt das Doppelte verlangen, damit er darauf verzichtet.“ Er wirkte niedergeschlagen.

 

Ethans Frau war die Schwester meiner Mutter und starb mit 42 an Krebs, ein Jahr nachdem Grandpa von uns gegangen war. Er erbte ihr gesamtes Vermögen, also ein Viertel der Reisebüros, die restliche Hälfte gehört Oma, die ihren Schwiegersohn schon immer lieber von hinten sah. „Du entschuldigst mich bitte, ich muss mal eben kurz telefonieren.“

In der Lobby telefonierte ich mit dem Greg, einem Mitarbeiter der Finanzbehörde. Was mich mit ihm verband, kann sich das geneigte Publikum ja denken. Wäre er nicht so besitzergreifend gewesen, aus uns wäre bestimmt ein Paar geworden, aber ich lasse mich nicht gerne 24 Stunden am Tag kontrollieren, ich brauche etwas Freiraum, auch innerhalb einer Beziehung. Aber wir sind nach der Trennung gute Freunde geblieben und ich habe ihm schon zu zwei verbilligten Reisen nach Thailand verholfen, er schuldete mir also etwas.

Als ich zum Tisch zurückkehrte, servierte uns der Kellner den Hauptgang. Ich ließ mir die ersten Bissen meines Steaks schmecken. „Paps, … mal eine Frage.“ Mir kam eine Idee. „Wie viel kannst du privat lockermachen? So … von jetzt auf gleich?“

 

„Junior?“ Mein alter Herr sah mich an, als käme ich von einem anderen Stern. „Deine Mutter und ich? Auf drei bis vier, wenn deine Oma mitzieht? Sagen wir mal 10 Millionen. Auf was willst du hinaus?“

 

Ich trank einen Schluck. „Dad, ganz einfach. Ethan hat jetzt noch eine Sperrminorität, du bist auf Gedeih und Verderb auf sein Ja angewiesen, oder?“

 

Mein alter Herr nickte. „Genau!“

 

„Also, … sorgen wir dafür, dass sein Anteil kleiner wird.“ Ich blickte meinen Vater an. „Der alte Angus Rhumpsley will doch wohl immer noch seine Reisebürokette im Mittleren Westen verkaufen, oder?“

 

Paps nickte. „Ja, schon seit drei Jahren! Er preist seine 45 Büros an wie Sauerbier, aber … bei seinen Preisvorstellungen …“ Er schüttelte seinen Kopf. „… da findet der nie einen Käufer!“

 

„Er hat einen! Das Reisebüro Lensing kauft, um seinen Marktanteil zu erhöhen, seine Kette. Es bedarf jetzt aber es einer Kapitalerhöhung, an der sich Ethan mit 25% beteiligen muss, nämlich …“ Die Kartoffel hätte noch etwas gekonnt. „… in der Höhe seines Anteils.“

 

„Äh … Junior … worauf willst du hinaus?“ Dad war heute von der langsamen Art.

 

„Wenn ich die Offerte richtig verstanden habe, will der alte Angus mindestens 8.000.000 $ haben?“

 

„Richtig! Ein utopischer Preis!“ Er zuckte mit den Schultern. „Bei der Wirtschaftslage!“

 

„Nein, das ist unsere Verhandlungsbasis. Onkel Ethan müsste sich also mit zwei Millionen an der geplanten Kapitalerhöhung beteiligen, wenn er weiterhin ein Viertel der Firma halten möchte. Aber nach meinen Informationen beträgt sein aktuelles Kreditlimit maximal eine viertel Million. Du kannst die Zahlen gerne durch deinen Banker … diesen Clarkson … überprüfen lassen.“ Ich grinste meinen Erzeuger an. „Onkelchen hat sich leider etwas an der Börse verspekuliert. Es bleiben ihm nur zwei Möglichkeiten, entweder er verkauft seine Anteile an dich oder er stimmt einer Reduzierung seines Stimmenanteils zu.“ Der Wein war wirklich vorzüglich. „Wenn er verkauft, dann scheitern im letzten Augenblick die Verhandlungen am Verkäufer, denn nur wenn Angus abbricht, kann Ethan uns nicht verklagen, man hätte ihn durch ein abgekartetes Spiel aus der Firma vertrieben.“

 

Man sah förmlich, wie der Hirnkasten meines Vaters arbeitete. „Und was wäre, wenn Ethan mit einer Reduzierung seines Stimmenanteils einverstanden wäre? Die Möglichkeit besteht doch auch!“

 

Ich nickte zustimmend. „So er denn damit einverstanden wäre, hatte erstens keine Sperrminorität mehr und dann müsste man, durch geschickte Buchführung, die Reisebüros arm und den Busbetrieb reich rechnen, damit sich sein Gesamtanteil an der neuen Firma relativ kleinen ausfallen würde.“

 

„Der Plan ist gut!“ Mein alter Herr blickte mich vertrauensvoll an. „Bis wann könntest du ihn in die Tat umgesetzt haben?“

 

Nun hatte ich die Fragezeichen in den Augen. „Ich habe heute meinen Bürotag, ab Morgen bin ich wieder der fahrenden Truppe zugeteilt!“

 

„Falsch …“ Er schob seinen Teller ein Stück von sich weg.

 

„Äh, wie?“

 

„Der Grund, weshalb wir hier gemeinsam zu Mittag essen, ist eigentlich …“ Warum wurde er jetzt wieder nervös?

 

„Ich höre?“ Mein Blick auf ihn wurde wieder strenger.

 

Er schaute auf seinen Teller, um mich nicht ansehen zu müssen. „Nun, … da Greg nicht mehr da ist, … dachte deine Mutter … du solltest jetzt schon … in die Verwaltung …“

 

„Dad! Nun lass dir nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen.“

 

„Du sollst jetzt schon die Nachfolge deines Bruders als Assistent der Geschäftsleitung antreten.“ Er atmete tief aus. „Und wie ich sehe, die passenden Ideen hast du ja.“

 

Mist! Hatte ich durch mein vorwitziges Gedankenspiel, Ethan aus der Firma zu kegeln, mir selbst ein Eigentor geschossen? „Ich soll also Büromensch werden?“

 

Seine Stimme wurde ganz leise. „Ja.“

 

Meinen Frontallappen drohte der nervliche Overkill, Tausende Gedanken schossen mir im Bruchteil einer Nanosekunde auf einmal durch meinen Schädel. „Ich mache es, … unter drei Bedingungen!“ Was hatte ich da gerade gesagt? „Ich nehme mal an, dass ich das gleiche Gehalt kriege wie mein Bruder …“

 

„Ja, …“ Was sollte er auch anders sagen?

 

„Also, dann hier die Bedingungen …“ Der theatralische Räusperer musste sein. „… das Büro wird komplett nach meinen Wünschen umgestaltet, ich soll mich ja wohlfühlen.“

 

Überrascht schaute er mich an. „Ich ruf gleich die Maler an …“

 

„Eher einen Innenarchitekten, das Büro ist mir … zu unpersönlich.“ Selbst eine Gefängniszelle ist individueller eingerichtet. „Weiter im Text: Ich mache ein oder zwei Touren pro Quartal …“

 

Er nickte dienstbeflissen. „Du musst ja am Puls der Zeit bleiben.“

 

Das ging mir alles zu glatt, also musste ich schwerere Geschütze auffahren. „Falls ich mal den Mann meines Lebens finden werde, wirst du ihn herzlich in die Familie aufnehmen. Ich habe keine Lust, mich verstecken zu müssen und ihn an Thanksgiving alleine zu lassen.“

 

Paps wurde bleich. „Junior … du verlangst etwas viel von mir.“

 

„Wieso? Gleiches Recht für alle, …“ Ich hatte kein Mitleid mit ihm. „… wenn du Greg Damenbesuch gestattest, musst du mir auch Herrenbesuch erlauben.“

 

„Von mir aus, aber …“ Er blickte mich an. „… noch ist es ja nicht soweit, noch nicht!“

 


 

Als wir wieder im Büro waren, wurde mein Vater ziemlich hektisch. Er verzog sich in sein Büro und telefonierte und telefonierte. Ich wusste zwar nicht, mit wem er sprach, aber dass er sprach, konnte ich an der Telefonanlage sehen. Die Lampe neben seinem Namen leuchtete permanent Rot. Viel zum Arbeiten kam ich auch nicht, erst musste unser Systemadministrator meinen Account umstricken, damit ich Einblick in alle Bereiche der Firma bekam, dann kam Carlo Lungioni, der Innendekorateur, der für die Inneneinrichtung unserer Reisebüros verantwortlich zeichnet. Meinem Vater schien es doch ernst zu sein, er hatte für die neue Inneneinrichtung 20.000 bewilligt.

 

Gegen vier gab er sich höchstpersönlich die Ehre. „Junior, du machst jetzt Feierabend.“

 

Er staunt blickte ich ihn an. „Jetzt schon?“ Hatte ich das wirklich gesagt?

 

Mein Produzent nickte. „Ja, denn du bringst deinen Bruder gleich zum Flughafen und du musst ja noch packen.“

 

Ich stutzte. „Wieso und was muss ich packen?“

 

Dad hatte wieder dieses süffisante Lächeln auf seine Lippen. „Ich habe gerade mit Angus telefoniert und dich angekündigt. Du fliegst morgen mit Ian Macgregor nach Milwaukee in seine Zentrale und ihr prüft in den nächsten drei Tagen seine Bücher auf Herz und Nieren. Hotelzimmer hab ich euch auch schon gebucht. Elli gibt dir gleich die Unterlagen. Laptop hast du ja.“

 

Ich war baff, ich sollte mit dem Footballer nach Wisconsin. „Äh, wieso Ian? Wäre Mr. Dissleton nicht die bessere Wahl?“ Nichts gegen den blonden Recken, aber allein bei dem Gedanken wurde es Klein-Gordon schon jetzt etwas eng in seinem Gefängnis. Ob ich die Tortur durchstehen würde, ohne Schaden zu nehmen? Außerdem wäre unser Chefbuchhalter sicherlich erfahrener als der Neuling in dem Metier, es ging schließlich um eine millionenschwere Investition.

 

Mein Vater schüttelte energisch den Kopf. „Nein, es wird langsam Zeit, einen Generationswechsel einzuleiten, von daher … ich habe vollstes Vertrauen zu euch.“

 

War das ein Ritterschlag? Ich war mir unsicher, denn mein Vater war mit allen Wassern gewaschen, jedenfalls dann, wenn es ums Geschäft ging und hier ging es um das ganz große Geschäft. „Wie du meinst! Kommst du mit?“

 

Er blickte mich fragend an. „Wohin?“

 

„Nach Hause, um Greg Adieu zu sagen.“ Schließlich schickte er nicht jeden Tag einen seiner Söhne ins Exil.

 

„Das habe ich heute Morgen schon getan, mich …“ Er kam ins Stottern. „… mich von deinem Bruder verabschiedet.“ Paps mochte alles, aber keine großen Abschiedszeremonien, die gingen ihm immer an die Nieren, auch wenn er das nie zugeben würde. Er war ja der große und starke Mann in unserer Familie und Gefühle ließ er nur ungern die Oberhand über sich gewinnen. Man merkte ihm, nicht nur in diesen Wesenszug, seine deutsche Erziehung an: Frauen zeigen Gefühle, Männer Stärke. Ob dieses Gebaren im Zeitalter der Emanzipation noch angebracht ist, wage ich einmal zu bezweifeln.

 

„Alles klar, aber ich grüß ihn trotzdem von dir.“ Diese kleine Spitze musste sein.

 

Er schluckte. „Mach das!“

 

 

Ich nahm diesmal meinen eigenen Wagen und fuhr zur elterlichen Etage am Astoria Boulevard mit dem Blick auf Hallets Cove. Als ich meinen Saturn Astra dort parkte, fragte ich mich, wann ich in den letzten drei Jahren an zwei Tagen hintereinander meine Eltern besucht hatte. Es musste bei der Beerdigung von Tante Nora, Ethans Frau und Mutters Schwester, die an Krebs starb, gewesen sein. Wurde ich sentimental? Ich schüttelte die grauen Gedanken ab; Greg ging ja nicht von uns, er flog nur nach Boston, wenn auch aus unerfreulichen Gründen.

Als die Wohnung betrat, herrschte betretenes Schweigen. Die drei Frauen der Familie Lensing, Maria zählte ich einfach mal dazu, waren mit ihrer euphorischen Entscheidung von gestern wohl doch nicht mehr so ganz glücklich am heutigen Tage. Irgendwie kam mir der Zauberlehrling in den Sinn, die Geister, die ich rief … aber da mussten sie jetzt durch, koste es, was es wolle.

In Gregs Wohnung standen einige Kisten zum Abtransport bereit, ein Fahrer würde sehen in den nächsten Tagen nach Massachusetts bringen. Für die ersten Tage würde der Koffer reichen, der gepackt im Flur stand. Er würde fürs Erste bei Luke in dessen Gästezimmer unterkommen, eine neue Behausung würde er sicherlich in den nächsten Tagen finden. Ein möbliertes Apartment sollte wohl reichen, denn ich hatte irgendwie die kleine Hoffnung, dass sein Exil nicht allzu lange andauern würde, auch wenn Paps den Auftrag zur Umgestaltung seines Büros schon längst unterschrieben hatte.

Viel gesprochen wurde nicht. Es lief alles mehr oder minder mechanisch ab, fast wie mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks. Die Verabschiedung viel ziemlich tränenreich aus und auch ich musste das eine oder andere Mal mehr als schlucken, sonst hätte ich auch geweint. Nicht, dass es mir was ausgemacht hätte, aber ich bin der Sohn meines Vaters, offen die innersten Gefühle zu zeigen, das fällt auch mir irgendwie schwer.

Ich nahm seinen Koffer an mich und fuhr mit dem Aufzug schon einmal nach unten, wo ich ihn im Kofferraum verstaute und mir die Wartezeit mit einer Zigarette verkürzte. Zwar begleiteten ihn unsere drei Damen noch nach unten, aber mit zum Flughafen kommen, wollte keine von ihnen. So blieb mir die Aufgabe des Begleiters des letzten Ganges.

 

Die Fahrt nach La Guardia dauerte keine Viertelstunde. Wir sprachen über Belanglosigkeiten, er versuchte sogar, einige Scherze zu reißen, was ihm aber misslang. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, so schnell seine Zelte hier abbrechen zu müssen. „Du hast ja ab jetzt meinen Job, das Passwort für meinen Kalender lautet 24Crescent3b‘. Kopier dir sämtliche Termine und Kontakte, die wirst du noch brauchen.“

 

Fest war meine Stimme zwar auch nicht, aber ich musste grinsen. „Wieso hast du die Adresse von Tante Martha als Zugangscode?“

 

Er blickte zu mir herüber. „Brüderchen, sentimentale Gründe. Dort hatte ich mein erstes Mal.“

 

„Bitte? Habe ich richtig verstanden? Du hast mit Mutters Cousine …“ Das durfte einfach nicht wahr sein, Martha war zwar ein paar Jahre jünger als Mutter, aber dennoch eine ganz andere Generation.

 

„Gordon, ich bitte dich! Ich bin doch kein Mumienschänder!“ Er lachte.

 

„Moment, ich muss das erst einmal zusammen kriegen. Wenn du nicht mir ihr …?“ Ich grübelte. „Mit wem hast du dann bei ihr? Martha … hat doch nur … einen Sohn.“

 

„Stimmt! Sie hat ihren Sean, ansonsten kommt ihr ja kein Mann mehr ins Haus!“ Sein Lachen wurde diabolisch. „Aber … nicht, dass du etwas Falsches von mir denkst, ich wildere nicht in deinem Gefilden. Es war unser erstes Jahr auf der Senior High, er war damals total in Grace verschossen, einem der Borlund Mädchen. Beim Ausflug am Labor Day spielte ich dann, ihm zu Gefallen, den Begleiter für Joan, ihre Schwester, denn die beiden gab es nur im Doppelpack. Tja, den Rest kannst du dir denken. Während er mit seiner Grace in seinem Zimmer … hab ich meine Unschuld auf Marthas Couch mit Joan Borlund verloren.“

 

Ich schüttelte den Kopf. „Brüderchen, Brüderchen, Brüderchen! Was soll ich nur von dir halten? … Treibst es auf diesem alten braunen Cordsofa! Etwas Geschmack hätte ich dir ja zugetraut, aber …“

 

Er winkte ab. „Hör bloß auf! Ich brauchte hinterher Ewigkeiten, um die Flecken wieder aus dem Stoff zu kriegen. Meinst du, der Arsch hat mir geholfen?“

 

Ich griente ihn an. „Du tust mir richtig leid, ich bedauere dich, wenn ich mal Zeit habe. Aber du solltest ja auch den Anstandswauwau spielen und nicht den Zuchtrüden geben, mein Lieber! Und … wo gehobelt wird, …“

 

„… fallen Späne.“ Er vollendete den Satz.

 

„Ne, Greg, in deinem Fall …“ Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „… bei dir tropft Sperma!“

 

„Arsch!“

 

Wenigstens war die Anspannung von ihm gewichen, als ich vor dem Terminal parkte. Ich drückte ihm seinen Koffer in die Hand. „Soll ich noch mit rein kommen?“

 

„Nein, besser nicht, ist schon so schwer …. genug.“ Er schüttelte den Kopf. „Da muss ich jetzt alleine durch, ich habe die Musik bestellt, also muss ich sie auch bezahlen.“

 

Wir umarmten uns zum Abschied. „Greg, du wirst philosophisch … war ja nur ein Angebot.“

 

„Danke dir trotzdem! Es ist nur …“ Er rang nach Worten. „Wehe du küsst mich jetzt!“

 

„Wir sehen uns bald wieder, mein Großer! Versprochen!“ Ich drückte ihm dennoch einen Kuss auf die Wange. „Halt die Ohren steif … aber diesmal nur die Ohren!“

 

„Haha … hab dich auch lieb, kleiner Bruder, und nun mach, dass du abhaust, sonst …“ Er verrieb sich eine kleine Träne, die seine Wange runterkullerte.

 

„Hier!“ Ich reichte ihm mein Taschentuch. „Männer, die ihre Gefühle zeigen, sollen bei Frauen ja gut ankommen, aber wie das bei verheulten Gesichtern aussieht, kann ich dir leider nicht sagen.“

 

„Arsch!“

 

Als ich wieder im Wagen saß, beobachtete ich ihn noch, wie er das Gebäude betrat. Kurz vor dem Eingang stoppte er noch einmal, drehte sich um und winkte mir zu. Da war sie wieder, diese Schwere. Ich hasse Abschiede.

 

 

Auf dem Weg zu meiner Wohnung fuhr ich an einem Supermarkt vorbei. Auch wenn ich die nächsten Tage wieder mal außer häusig sein würde, etwas Essbares für den heutigen Abend und das morgige Frühstück brauchte ich dennoch. Den indianisch aussehenden Obstverkäufer, der gerade dabei war, eine Ladung an Ananas dekorativ auf einer Gondel zu drapieren, hätte ich am liebsten mit in den Wagen gepackt, aber ich begnügte mich dann doch mit einer seiner Südfrüchte, die er fachmännisch vor meinen Augen zerlegte.

An der Kasse kriegte ich meinen üblichen Schock. Der Boden des Einkaufswagens war kaum bedeckt, aber ich war 43,28 $ los. Warum zahlt man als Single für seine Lebensmittel fast genauso viel wie eine vierköpfige Familie?

 

 

Als ich meine Wohnung betrat, blinkte der Anrufbeantworter wie wild. Ich verstaute aber erst einmal meine Einkäufe und befragte dann erst den Telefonknecht. Der erste Anrufer beglückwünschte mich zu einem Gewinn bei einem Preisausschreiben, an dem ich nie teilgenommen hatte. Ich sollte, um in den Genuss der Prämie zu kommen, nur eine kostenpflichtige Nummer anrufen. Der Zweite in der Reihe Henry McGregor, der mitteilte, dass es heute nicht mehr klappen würde, ein Termin mit einem Siegmund wäre nicht verleg bar gewesen. Er würde sich Morgen wieder melden. Der Dritte im Bunde war Juan, der mit viel Spaß auf meiner Tour wünschte, anscheinend waren in die Änderungen in der Firmenstruktur noch nicht bis ins Fahrerlager durchgedrungen. Nach einer Werbeunterbrechung, diesmal ging es um ein afrikanisches Hilfsprojekt, das dringend meine Unterstützung bedürfte, fragte Ian Macgregor an, ob ich ihn morgen früh um neun in der St Marks Avenue abholen könne, wir waren also fast Nachbarn, wenn man fünf Kilometer noch zur Nachbarschaft rechnen kann. Lasst but not least, Chester Edward Miles III lud mich zum Ligatreffen am kommenden Samstag ein, so ich denn diesmal in der Stadt wäre.

 

Als Ersten auf meiner Anrufliste rief ich Ian an, denn das Gespräch müsste am schnellsten beendet werden können. Nach dem zweiten Klingeln hob er ab. „Macgregor.“

 

„Hello Ian, Gordon here!“

 

Um eure Englischkenntnisse nicht zu überfordern, werde ich das Gespräch auf Deutsch wiedergeben. „Gordon, danke für den Rückruf. Ist mir zwar etwas peinlich, aber einen eigenen Wagen habe ich nicht mehr und mit dem Koffer im Bus? Ich weiß nicht. Kannst du mich denn abholen?“

 

„Kann ich, hab ja das gleiche Problem mit dem Gepäck. Wenn du mir nur noch verraten könntest, an welcher Hausnummer ich dich abholen soll, die St Marks ist ja nicht gerade eine kleine Straße.“ Sie zieht sich von Flatbush Farm über den St Johns Park bis hin zur New York Avenue.

 

„Sorry, das zu ihm habe ich hatte ich schon vergessen, St Marks Ecke Vanderbuilt, da werde ich dann mit meinem Köfferchen stehen.“ Er gluckste.

 

„Ist notiert. Wir fahren von da aus in die Firma, holen uns die letzten Instruktionen ab, und lassen uns dann vom Bereitschaftsfahrer zum Flughafen bringen, damit wir pünktlich den Flieger erreichen.“

 

„Machen wir! Wir sehen uns dann morgen früh um kurz vor neun, ich muss jetzt noch meine Lieblinge versorgen, ich lasse sie hier drei Tage alleine.“ Er legte auf und ich fragte mich, welcher Natur seine Lieblinge waren.

 

Bei Henry erreichte ich nur den Anrufbeantworter, anscheinend dauerte sein Termin mit diesem Siegmund doch länger als gedacht. Ihm teilte ich mit, dass sich meine Pläne aufgrund der neusten Entwicklungen geändert hätten und ich erst ab Freitag wieder erreichbar wäre. Ob meine letzten Worte „Miss you, my Captain“ auf dem Magnetband aufgezeichnet wurden, kann ich wirklich nicht sagen.

 

Der nächste Anruf galt Juan, ihn vermutete ich bei seiner Carmen. Besagte Dame war allerdings nicht erfreut über meinen Anruf und meinte nur, ich könne diesen Wichser nur noch über seine Mutter erreichen, sie hätte ihn rausgeschmissen. Das Treffen am Sonntag muss wohl doch nicht so gut verlaufen sein, wie Juan sich erhofft hatte.

 

Chester war hocherfreut, als ihm mitteilte, dass ich nun, als Assistent der Geschäftsleitung, wohl wieder öfter an dem Treffen der Liga teilnehmen könne. Er, der millionenschwere Erbe eines Vermögens aus Korruption, Korrumption, Korrelation und anderen Ionen, war einfach nur … süß. Er ist zwar eine Obertunte par excellence, aber mittlerweile ein sehr, sehr guter Freund, auch wenn doppelt so alt ist wie Mainereiner.

Was meinte er zu der Entwicklung? „So, gay power took over the management of Lensing Travel. That’s great! It is a small step for a man but a great step for the community! Congratulations, Gordon, congratulations!”

 

Um das zu verstehen, muss ich wieder einmal etwas weiter ausholen, ich hoffe, man verzeiht es mir. Ein Schwulenreferat, wie an deutschen Hochschulen, gab es an der altehrwürdigen Columbia nicht, als ich die Uni zum ersten Mal betrat. Aber die verzauberten Studenten erkennen sich trotzdem und taten das auch schon in der Vergangenheit.

Wenn man den Gerüchten um die Entstehung der Liga Glauben schenken kann, dann wurde sie auf einer Fete in den Hamptons Mitte der achtziger Jahre aus einer Champangerlaune heraus gegründet. Die ‚League of fruity Gents‘, deren Ziel es war und ist, die schwule Weltherrschaft zu erringen (mit Kleinigkeiten gab man sich noch nie zufrieden), kann man zwar mit Liga der schwulen Männer übersetzen, aber Gents heißt auch das Herrenklo und Duftstecker mit fruchtigen oder anderen Gerüchen waren damals enorm in Mode.

Noch heute ist sie ein Treffpunkt schwuler Studenten aus reicherem Hause. Man kennt sich, man sieht sich, man hilft sich, und was man sonst noch macht, ist jedem selber überlassen. Es ist halt eine lustige Gemeinschaft, der Spaß steht im Vordergrund, und kein ernsthafter Altherrenclub mit festen Regeln.

 

Der Koffer war schnell gepackt und nach einem Sandwich wollte ich es mir mit einem Bier auf dem Sofa gemütlich machen, die nächsten Tage würden anstrengend genug werden. Ich hatte mir gerade ein Bud aus dem Kühlschrank genommen, da fiel mein Blick auf die Küchenuhr, sie zeigte kurz vor neun.

Wie von der Tarantel gestochen, lief ich zurück ins Wohnzimmer und fuhr den Rechner hoch. Ich hätte fast meine Chatverabredung mit diesem Daniel, dem Mann mit der erotischen Stimme, vergessen. Ich glaubte zwar nicht, dass er noch online wäre, schließlich war es in der alten Welt schon 3 Uhr in der Nacht, aber ich wollte ihn wenigstens eine Nachricht hinterlassen, denn versprochen ist versprochen und ich pflege meine Versprechen eigentlich zu halten.

 

Ich startete MSN und siehe da, ich hatte eine Offline-Nachricht erhalten. Die nächsten Schritte waren schnell erledigt, der Kontakt wurde hinzugefügt und ich probierte mein Glück, denn sein Status war auf abwesend gesetzt. Zwei Schluck Bier später las ich die Antwort auf mein ‚hallo Daniel‘. Er wollte wissen, woher ich um diese Uhrzeit kommen würde. Nach einigen Minuten des hin und her Schreibens einigten wir uns darauf, via Cam und Headset unser Gespräch fortzusetzen.

Als ich sein Videobild zum ersten Mal sah, war ich nur noch hin und weg. Hatte mich bisher nur seine Stimme in den Bann geschlagen, sein nackter Oberkörper, den er mir präsentierte, war auch nicht von schlechten Eltern. Vor mir saß eindeutig jemand, der sich intensiv um seinen Körper kümmert, die Muskeln wohl definiert, kein Gramm Fett zu viel, ein Adonis ohne ein einziges Haar auf der Brust.

 

„Gordon! Mach den Mund zu!“ Das war der erste Satz, den ich von ihm vernahm. Ich stammelte irgendetwas, denn er rückte ein Stück weg von der Kamera, präsentierte mir seinen Bauchnabel. Den Mann will ich haben! Jetzt und sofort! „Ich scheine dir wohl zu gefallen, oder?“

 

Ich nickte. „Eindeutig! Aber sag einmal, sitzt du eigentlich immer nackt vor der Cam?“

 

„Nein! Das mache ich nur, wenn ich mit Amis chatte …“ Er lachte. „Spaß beiseite, ich war gerade auf dem Weg ins Bett.“ Er deutete nach hinten.

 

„Ist ja auch schon spät bei euch. Aber früher … früher habe ich es nicht geschafft. Der Tag war wirklich … abwechslungsreich.“ Ich nahm mir die Krawatte ab, die mich den ganzen Tag über begleitet hatte.

 

„Was war denn so interessant?“ Er streifte sich über seine Brustwarze, wie gern würde ich sie jetzt lecken.

 

„Ist eine ziemlich lange Geschichte, ich weiß nicht, ob du so lange Zeit hast. Wann musst du eigentlich raus?“

 

Seine Hand winkte ab. „Darum mach dir mal keine Sorgen, ich muss morgen erst um zwei in der Klinik sein, habe Spätschicht.“

 

Krankenhaus? Ich hatte er noch seine Äußerung im Ohr, er erwartete Kundschaft und müsse die Reise seine Großeltern finanzieren. Von daher dachte ich, er wäre … „Und was machst du im Krankenhaus?“

 

Das Spiel seiner Bauchmuskeln war bewundernswert, während er lachte. „Kein Krankenhaus, ich arbeite in einer Kurklinik hier in Bad Tölz, bin Physiotherapeut und medizinischer Bademeister. Damit verdiene ich meine Brötchen und nebenbei massiere ich einige Privatkunden und das örtliche Eishockeyteam, … von irgendetwas muss man ja leben.“

 

„Du sagst es! Aber um ehrlich zu sein, ich dachte schon, du würdest …“ Sollte ich es aussprechen?

 

„Auf den Strich gehen?“

 

Mir stockte der Atem. „Ja, deine Äußerung am Telefon … war eindeutig zweideutig, von wegen Kundschaft … von daher … ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich das gedacht habe.“

 

„Ne, die Zeiten sind schon lange vorbei. Heute verdiene ich mein Geld auf ehrliche Art und Weise.“ Seine Offenheit überraschte mich, ich entledigte mich meines Hemdes.

 

Ich konnte es nicht fassen. „Du hast wirklich mal …“

 

Er nickte. „Ja, ich hab angeschafft. Aber wahrscheinlich nicht so, wie du denkst. Das erste Mal war in München, kurz nach meiner Schulentlassung. Ich war neugierig und hab auf dem Bahnhofsklo einem Typen einen geblasen, nicht mehr. Der steckte mir dann einen Zwanziger in die Hemdtasche und meinte, wir können das gerne mal wiederholen. Irgendwie bin ich da hineingeraten.“

 

„Kann passieren, mir hat mal so eine alte Vettel Geld geboten, … aber ich hab dankend abgelehnt.“ An die Geschichte erinnere ich mich nur ungern, aber das ist ein anderes Kapitel.

 

„Ich habe das auch nicht lange gemacht, aber während meiner Ausbildung …“ Er atmete tief durch. „… während meiner Lehre hatte ich einen Sugardaddy. Alle wohnten im Schwesternwohnheim, nur ich hatte ein eigenes Apartment in bester Lage von München. Der Typ war einfach nur vernarrt in mich. Du wirst lachen, ich brauchte nur vor ihm zu wichsen und mein Auskommen war gesichert. Er hat mich nie angefasst, einfach nur beobachtet, auch beim Sex … an die Kameras gewöhnt man sich schnell.“

 

Ich kam ins Stottern. „Bist du nicht immer so … offen?“

 

„Im Gegensatz zu dir, …“ Er grinste. „… sitze ich hier nackt vor der Cam. Du hast ja immer noch deine Hosen an. Gleiches Recht für alle. Du siehst mich, also will ich auch dich sehen!“

 

Auch wenn mein ‚Offen‘ anders gemeint war, zog ich mir die Hose samt Retro aus. „Besser?“

 

„Eindeutiges Ja! Sieht lecker aus, was ich da sehe. Wenn dieser scheiß Teich nicht wäre, der sich da Atlantik nennt, ich wüsste genau, was ich jetzt mit dir anstellen würde.“ Er grinste über beide Backen.

 

Ich tat ganz unschuldig. „Und was?“

 

„Als ob du das nicht wüsstest!“ Er strich über seine Männlichkeit, die sich noch mehr versteifte. Sein Zepter war wirklich ansehnlich, ich hätte es gerne einmal (oder auch mehrmals) körperlich berührt, nicht nur aus der Nähe gesehen.

 

Während der folgenden zwei Stunden, in denen wir miteinander sprachen, teilten wir einfach alles. Ich nahm den Laptop mit eingebauter Kamera sogar mit aufs Klo, er wollte unbedingt sehen, wie ich mein Geschäft verrichte, er hatte zuvor in ein Glas geschifft. Ich hätte nie gedacht, dass es mich reizen würde, einen anderen Mann dabei intensiv zu beobachten. Dass wir, während wir uns gegenseitig unsere Lebensgeschichten erzählten, auch zweimal Hand an uns legten und uns einen von der Palme schüttelten, lasse ich einfach mal unerwähnt. Dieses private Glücksgefühl lasse ich einmal privat bleiben.

Der Masseur ist, ebenso wie ich, beidseitig bespielbar, Küssen ist ein absolutes Muss, Händchenhalten und Romantik brauchen wir wie die Luft zum Atmen, charakterlich und emotional schienen wir wie für einander geschaffen zu sein. Aber wir waren beide Realisten genug, um zu erkennen, dass einzig die geografische Lage unserer Wohnsitze das größte Hindernis einer engeren Verbindung darstellte.

Als ich gegen kurz nach elf den Chat beendete, hatte ich das Gefühl, den Menschen am anderen Ende der Leitung schon seit Ewigkeiten zu kennen. Die Vertrautheit war fast unheimlich. Der Termin für die nächste Camsession nach meiner Rückkehr aus Milwaukee war schon ausgemacht.

 

Obwohl ich es eigentlich nicht wollte, ich hatte ja, während der Videokonferenz mit dem süßesten Masseur der Welt, schon zwei Mal abgespritzt, legte ich noch einmal Hand an mich. Wer mir dabei als Wichsvorlage diente, muss ich wohl nicht großartig erwähnen, oder?

 

 

Der Wecker klingelte, ich rieb mir die Augen. „Milwaukee, ich komme!“

 

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