Kastanienbraun – Between – Teil 4

Es war eine sternenklare Nacht und der Mond strahlte in voller Pracht, leuchtete mir so den Weg durch die leeren Straßen. Nicht einmal ein Auto fuhr vorbei – Alles schlief noch tief und fest.

Ich machte mich auf dem Weg zum nächsten Bahnhof, um mit den Zug so weit weg wie nur möglich zu fahren. Es war ein ganz schöner Fußmarsch dorthin, der aber bei der angenehmen Nachtluft sehr gut zu ertragen war. Meine Füße hatten mich schon die ganzen Tage nicht im Stich gelassen, so trugen sie mich auch noch diesen Weg.

Als ich gerade beim Bahnhof ankam, hielt ein Zug am Bahnsteig, in dem ich kurzerhand einstieg. Dabei wusste ich noch nicht einmal wohin dieser fahren würde. Mir war alles egal, da ich nur endlich meine Füße hochlegen wollte.

Ein freier Sitzplatz war schnell gefunden und so machte ich es mir bequem und schlief auch kurz darauf ein.

Erst eine tiefe Stimme weckte mich eine ganze Zeit später: „Fahrkarte bitte.“

Vor Schreck zuckte ich zusammen und musste auch noch feststellen, dass ich vergessen hatte einen Fahrschein zu lösen.

„Äh… ja“, stotterte ich.

Der Schaffner schaute mich über seine Brille hinweg streng an.

„Sie haben doch eine Fahrkarte, oder?“, fragte er mich direkt.

Was sollte ich machen? Mir blieb nichts anderes übrig als die Wahrheit zu sagen: „Nein, ich habe vergessen eine Karte zu lösen.“

Da ich nicht wusste wohin der Zug überhaupt fuhr, hätte ich auch schlecht eine nachlösen können und so schmiss der Mann, der ja nur seinen Job machte, mich bei der nächsten Haltestelle aus dem Zug.

Vorher durfte ich eine nette Geldstrafe zahlen, so dass mir kaum noch was von meinem Geld übrig blieb. Der Ort in dem ich gelandet war, sagte mir gar nichts, weshalb ich mich erst einmal umsah. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits nach sechs war.

Der Bäcker im Bahnhof hatte bereits geöffnet und es roch herrlich nach frischen Brötchen. Mein Magen hing schon in den Kniekehlen, so dass ich mein Kleingeld zusammenkratzte und mir etwas kaufte.

Genüsslich aß und trank ich in aller Ruhe und beobachtete dabei die Leute, die in der morgendlichen Hektik ihren Weg gingen. Dann schaute ich mich außerhalb des Bahnhofes um, schließlich brauchte ich für die nächste Nacht eine Übernachtungsmöglichkeit.

Der erste Weg führte mich allerdings zu den öffentlichen Toiletten, da ich mehr aus nötig musste. Am liebsten hätte ich es mir verkniffen, aber dafür war es einfach zu nötig. Schon die Tür sah nicht wirklich einladend aus und der Geruch der mir entgegenkam hatte es mehr als in sich.

Es roch irgendwie nach Verwesung und natürlich nach Fäkalien. Nachdem ich die Klinke mit den Ellenbogen runter gedrückt und mit den Fuß aufgestoßen hatte, schauten mich zwei junge Männer erstaunt an.

„Was willst du hier?“, raunte der eine.

„Ja, verzieh dich“, kam es von dem anderen.

Erst jetzt bemerkte ich, dass die zwei mit Drogen herumhantierten und da ich keinen Ärger wollte, machte ich mich schnell aus dem Staub. Anschließend suchte mir einen Baum und erleichterte mich dort, bevor ich mich weiter umsah.

Mir viel ein altes Haus am anderen Ende der Straße auf, dass ich mir genauer ansah. Ein großes Schild stand auf dem Grundstück mit der Aufschrift:

 

Betreten auf eigene Gefahr! Eltern haften für ihre Kinder.

Doch das hielt mich nicht davon ab, das Haus zu betreten. Meine Neugier war viel zu groß und außerdem brauchte ich ein Dach über den Kopf. Die Fenster waren teils eingeschlagen und die Türen herausgetreten, doch es bot einem Schutz vor der Hitze am Tage und dem kühlen Wind in der Nacht.

Nachdem ich mich etwas umgeschaut hatte, schlug ich in einem Raum mein Lager auf. Es lagen ein paar Steine herum, bei denen ich gut meinen Rucksack tagsüber verstecken konnte, so dass ich den nicht die ganze Zeit mit mir herumtragen musste.

Langsam ließ ich mich mit dem Rücken an der Wand lehnend, runter auf den Boden sinken. Ich befand mich in einem Gefühlschaos, einerseits war ich froh darüber endlich von Zuhause weg zu sein, doch andererseits war ich traurig allein zu sein.

Die ein oder andere Träne fand den Weg über mein Gesicht und so verging die Zeit bis zum Abend rasend schnell. Ich war erschrocken darüber wie dunkel es hier in dem Haus war und was für Geräusche in der Nacht zum Vorschein kamen.

Schritte im Treppenhaus und fremde Stimmen ließen mich die ganze Nacht wach bleiben. Außerdem waren Ratten unterwegs auf der Suche nach etwas Essbarem. Ich beschloss den Schutz des Hauses zu verlassen und etwas spazieren zu gehen, da ich kein Auge zu tun konnte.

Es lag ein kleiner Park in der Straße, mit ein paar Bäumen, Bänken und einem kleinen Teich. Er war auch noch um diese Zeit durch ein paar Laternen hell erleuchtet. Erst als ich den Weg entlang ging, bemerkte ich mehrere Gestalten umher huschen und hörte auch merkwürdige Geräusche.

Aus dem Gebüsch neben mir, kam ein Röcheln und ein Keuchen, so dass man glauben würde hier wird einer abgemurkst.

„Hallo?“, fragte ich zaghaft nach, „ist da Jemand?… Geht es ihnen gut?“

Ich zitterte am ganzen Körper, dennoch dachte ich, dass dort vermutlich jemand Hilfe brauchte. Deshalb ging ich auch näher an die Büsche ran. Durch ein Räuspern mache ich mich erneut aufmerksam.

Plötzlich sprang mir regelrecht ein halbnackter Mann entgegen und brüllte mich an: „Verschwinde hier! Siehst du nicht das du störst?“

Ich zuckte erschrocken zusammen und sah hinter ihm einen nackten Jungen zum Vorschein kommen. Eine unbekannte Hitze stieg in mir auf, ich nahm meine Beine in die Hand und rannte so schnell ich konnte zurück zur Straße.

Erst kurz vor den Toiletten kam ich zum Stehen und stützte mich keuchend auf meine Knie. Das war mir vielleicht peinlich. Da hatte ich doch tatsächlich zwei beim Sex gestört. Kaum hatte ich wieder genügend Atem, ließ mich ein Hupen beiseite springen.

„Hey Kleiner, wie wäre es mit uns beiden?“, kam es aus dem Auto.

Der Mann hätte locker mein Vater sein können, wenn nicht sogar schon mein Opa. Es sah außerdem sehr ungepflegt aus, schien aber viel Geld zu haben, wenn man sich den Wagen ansah. Erst jetzt bemerkte ich die ganzen Jungen, die sich wie eine Hühnerschar vor den Toiletten aufgereiht hatten. Teils an der Wand gelehnt, manche etwas abseits, andere halbnackt – alle in Pose.

„Na was ist?“, sprach mich der Mann abermals an und stieg aus seinem Auto aus.

Ich bekam es mit der Angst zu tun und rannte so schnell ich konnte weg in Richtung Abrisshaus. Auf den Weg dorthin drehte ich mich immer wieder um, doch ich war mir nicht sicher, ob der Mann mir folgen würde.

Vor dem Haus blieb ich stehen und wartete einen Augenblick, bevor ich rein ging. Wie es aussah, hatte der Mann verstanden, dass ich kein Interesse an seinem Angebot hatte. Wieder an meinem Schlafplatz angekommen, brauchte ich erst mal ein neues Shirt, da meines vom rennen ganz verschwitzt war.

Ich durchwühlte die Steine, wo ich meinen Rucksack versteckt hatte, doch er war weg! Mein ganzes Hab und Gut musste irgendwer geklaut haben. Ich hämmerte mit den Fäusten auf die Steine ein, während meine Tränen alles um mich herum verschwimmen ließen.

Wie sollte ich hier draußen in so einer harten und grausamen Welt überleben? Darüber hatte ich mir keine Gedanken gemacht.

~Ende~

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