Das Internat – Teil 1

So eine Kacke man, dachte ich. Jetzt muss ich für drei Monate aufs Internat. Meine Lehre zum Koch sah vor, dass ich Blockunterricht hatte. Und dieser Blockunterricht fand auf einer Berufsschule irgendwo im Schwarzwald statt.

Und um nicht jeden Tag heimfahren zu müssen, war dort ein Schülerinternat angeschlossen, wo mich mein Lehrbetrieb angemeldet hatte. Ich wusste zwar, dass nächste Woche wieder die Schule anfing, aber ich hatte nicht gerechnet, soweit fahren zu müssen.

Also fing ich an zu planen was ich denn mitnehmen sollte. Von anderen Lehrlingen hörte ich dass man dort in zwei Bettzimmern schlief. Das war auch noch so etwas, was mir überhaupt nicht gefiel. Bei meinem Glück bekam ich sicher so einen Heini aufs Zimmer, mit dem man nicht auskam.

Ganz ruhig Daniel, dachte ich, abwarten was auf dich zu kommt. So hatte ich eine Woche Zeit alle Vorbereitungen zu treffen.

*-*-*

Der Tag kam und ich belud meinen Wagen. Von meinen Eltern hatte ich mich schon verabschiedet, beide waren schon bei der Arbeit. Ich schloss das Haus ab und fuhr los. Ich war froh, dass ich mir noch neue Cd´s gebrannt hatte, so wurde die Fahrt für mich alleine nicht so langweilig.

Nach zwei Stunden und einem Stau auf der Autobahn, kam ich dann endlich an. Ich stellte mein Auto auf den großen Parkplatz und beschloss erst mal mein Gepäck im Wagen zu lassen, um es später zu holen.

Ich lief also durch den Eingang die Treppe hoch und fand auch gleich das Büro. Eine kleine Schlange hatte sich gebildet, aber zwei Damen versuchten an ihren Schreibtischen alles um der Lage her zu werden, was ihnen auch sehr gut gelang, schienen ein eingespieltes Team zu sein. Das einzigste was dauerte, waren einige Schüler, die meiner Meinung nach ein wenig schwer von Begriff waren.

Ich sah mich etwas um und erhaschte hier und da, einen Blick auf einen schnuckeligen Kerl. Oh Mann, wenn so einer mit mir im Zimmer liegen würde… wäre fatal und unweigerlich musste ich grinsen.

„Name?“

Ups ich war dran…

„Daniel Krüger.. Queens – Hotel Heidelberg.“

Man brauchte eine Unterschrift von mir und ich hinterlegte eine Kaution für den Zimmerschüssel. Ich war im Begriff zu gehen, nahm meinen Schlüssel, und drehte mich zur Bürotür. Was ich nicht sah… meinen Hintermann. Über den stolperte ich und riss ihn mit auf den Boden.

Im Büro brach ein Gejohle und Gelächter los.#

„Ahm… könntest du vielleicht von mir runtergehen, bist ziemlich schwer“, kam es von meinem Gegenüber.

„Ups, natürlich,“ sagte ich.

Ich stand auf und hielt dem Jungen meine hand zur Hilfe hin.

„Danke geht schon, aber so alt bin ich noch nicht.“

„Alex, er wollte dir doch nur helfen“, sagte jemand aus Richtung Schreibtisch.

Also Alex heißt er. Ich hob meine Sachen auf und verließ schleunigst das Büro. Na prima, da hatte ich mir ja nen super Einstand geliefert. Ich lief zu meinem Auto um mein Gepäck zu holen. Mein Zimmerkollege war anscheinend noch nicht da, die Tür war noch verschlossen.

Ich öffnete und stellte erst mal alles auf den Boden. Zwei Betten, ein großer Schreibtisch vor dem Fenster, ein Schrank auf jeder Seite. Karge Einrichtung, dachte ich erst, aber ich war ja nicht in einem Hotel, sondern in einem Internat, für drei Monate ließ sich das schon aushalten.

Ich fing an auszupacken, und verstaute meine Sachen im Schrank. Am Mittag sollten wir in der Schule antanzen, uns melden und unseren Stundenplan abholen, aber bis dort hin war ja noch genug Zeit.

*-*-*

Nachdem ich das Bett bezogen hatte, beschloss ich mich noch etwas im Haus umzusehen. Auf dem Weg nach unten im Treppenhaus, kam mir Alex entgegen. Er grinste mich breit an, hob die Hände und machte gespielt einen großen Bogen um mich.

Ich mußte nun ebenfalls grinsen und lief an ihm vorbei. Als ich fast schon hinter der nächsten Biege war, rief er mir was hinter her.

„Wie heißt du eigentlich?“

„Daniel“, antwortete ich.

„Okay Daniel, dann bis später.“

Später? Ein bisschen verwirrt lief ich weiter. Unten angekommen, war anscheinend gerade Mittagessen angesagt. Frau Langer kam aus dem Speisesaal auf mich zu gelaufen.

„Ach Daniel“, na sauber, meinen Namen wusste sie nun auch schon, „bevor ich es vergesse, dein Zimmer hast du für dich alleine. Dein Zimmernachbar, hat es vorgezogen, ein Zimmer im Krankenhaus zu beziehen und erscheint in diesem Kurs hier nicht mehr.“

„Oh Mutsch, dann kann ich ja zu Daniel ziehen, mir gefällt das Zimmer nämlich nicht“, kam es hinter meinem Rücken hervor.

Erschrocken fuhr ich herum. Alex.

„Ja, ja, Alex schon klar… alle Zimmer sind gleich“, sagte Frau Langer oder wie sagte er zu ihr  -Mutsch-.

„Aber ich hab so eine langweilige Schlafnase in meinem Zimmer“, antwortete Alex.

„Du suchst also ein neues Opfer.“

„Menno, mach mich doch nicht gleich so schlecht vor Daniel.“

„Dafür wirst du schon selbst sorgen, befürchte ich.“

Er streckte ihr die Zunge heraus. Oh Mann, was soll das? Ich war vielleicht drei Stunden jetzt hier und war schon zum Diskussionsthema geworden.

„Ich will ja Daniel nur vor dir warnen!“, sagte sie und lief weiter, Alex hinter her.

„Wie meinst du das, ihn vor mir warnen? Ich bin hier wohl doch der liebste Sonnenschein, der durch das Haus läuft!“

Frau Langer fing laut an zu lachen. Da stand ich nun mitten im Flur, wie bestellt und nicht abgeholt. Also beschloss ich den beiden ins Büro zu folgen. Alex steckte sich gerade eine Zigarette an.

„Man darf hier rauchen?“ fragte ich…, eine blöde Frage, ich weiß.

„Klaro, die Chefin tut es doch auch“, antwortete Alex und ich sah, dass Frau Langer ebenfalls eine Zigarette in der Hand hatte.

„Also ich werde nicht so oft abends mich abmelden, wie mein Kollege damals“, sagte Alex.

„Hat dass einen bestimmten Grund?“ fragte Frau Langer.

Ihr Handy begann zu piepen. Ich sah zwischen den beiden hin und her.

„Du fragst dich sicherlich, woher ich und Mutsch uns so gut kennen,“ sagte er zu mir.

Kann er Gedanken lesen? Ich nickte ihm zu.

„Ich hab hier oben mal nen Kollegen besucht, als er auf dem Internat war, und gleich beim ersten Besuch bekam ich mit Mutsch schrecklich in die Wolle.“

Frau Langer grinste.

„Und seither komm ich sie regelmäßig besuchen.“

„Jetzt auch?“ fragte ich.

„Nein, diesmal musste ich selber hier auf das Internat.“

„Koch?“

„Nein, eine Lehre zum Restaurantfachmann“, sagte Alex.

„Aha, ein Kiestreter“, merkte ich an und grinste.

Den Ausdruck konnte ich mir nicht verkneifen.

„Auf den Mund gefallen ist er jedenfalls nicht“, sagte Frau Langer und widmete sich ihrem Computer und tippte eifrig.

Alex sah mich lange an und mir schien, sein Blick hatte sich in einen Dackelblick verwandelt. Zu dem hielt er auch noch den Kopf schief.

„Darf ich jetzt zu dir ziehen Daniel?“, fragte mich Alex mich plötzlich.

Ich zuckte mit den Schultern und holte mir eine Zigarette heraus.

„Du meinst das ernst?“, fragte ich etwas verwundert.

„Natürlich, ich will echt nicht mit so einer Schlaftablette im Zimmer liegen“, antwortete er.

„Und wer sagt dir, dass ich keine bin?“ entgegnete ich, „wenn du willst, kannst du gerne zu mir ziehn, habe nichts dagegen.“

„Mutsch bitte, darf ich?“, sagte er gespielt flehend.

Er kniete vor ihr hin und schaute noch treu doofer, als bei mir. Ich konnte nicht anders und musste lachen.

„Jetzt muss ich dich auch noch umtragen, nichts als Arbeit mit dir. Aber meinetwegen und verderb mir den Daniel nicht so“, sagte Frau Langer.

Was meinte sie denn nun wieder damit? Vorhin noch, sie müsse mich vor ihm warnen und jetzt soll er mich nicht verderben. Plötzlich wurde ich von Alex aus dem Gedanken gerissen.

„Kommst du mit rauf, dann kann ich gleich meine Krempel zu dir schaffen. Welches Zimmer hast du überhaupt?“

Zweihundertfünf“, antwortete Frau Langer für mich, während ich meine Zigarette ausdrückte.

„Also komm, lass uns gehen“, meinte er.

„Bring aber nachher dein Schlüssel vorbei, damit wir tauschen können!“, rief uns Frau Langer hinterher.

„Okay mach ich Mutsch.“

*-*-*

„Du hast ja sogar ein Fernseh dabei“, meinte ich erstaunt, als Alex mit der ersten Ladung seine Gepäcks ins Zimmer gestolpert kam.

„Natürlich und sogar mit eingebautem Video, falls es langweilig werden sollte, gab er lächelnd zur Antwort.

„Ich hab nur meinen CD-Player dabei und ein paar CD`s dabei“, sagte ich.

„Und was hörst du so?“, fragte Alex.

„Schau selber nach auf dem Schreibtisch steht der Stapel“, und erhob mich gerade, als er sich zum Schreibtisch bewegte.

Und schon wieder lagen wir auf dem Boden, nur dass er diesmal oben lag. Ich spürte sein Gewicht und seine Wärme auf mir. Tausend Gedanken schossen mir durch den Kopf, als er mir in die Augen sah.

Er war ungefähr so groß wie ich, 1,85. Hatte blonde, struppige Haare und dann diese blaue Augen, die mir schon bei unserem ersten Zusammenstoss aufgefallen sind.

„Baggerst du Leute immer so an, ist das deine Masche?“

Er lachte laut auf.

„Beim nächsten mal kostet dich dass eine Runde“, meinte er, stand auf und verlies das Zimmer um die restlichem Sachen zu holen.

Mann, was hab ich mir da bloß eingehandelt… der absolute Traumboy. Wie soll ich dies in den nächsten Wochen durchstehen. Das heißt wieder Arbeit für mich. Na ja, ich hätte es ja auch schlimmer treffen können.

Zehn Minuten später kam Alex mit der zweiten Fuhre Klamotten an.

„Bist du zu Hause ausgezogen, oder warum hast du so viele Sachen?“

„Das ist doch nicht viel, du solltest erst mal sehen, was ich dabei habe, wenn ich in Urlaub fliege…“

„Einen Transporter?“ lachte ich.

„So ungefähr…“, antwortete er und fing ebenso anzulachen.

*-*-*

In der Schule war nichts Interessantes, nur vielleicht das Alex neben mir saß in der Klasse. Wieder im Zimmer ließ ich mich erst mal aufs Bett fallen.

„Was treibst du eigentlich, wenn du nicht Musik hörst oder wie gerade auf dem Bett faul herum liegst?“, kam es von Alex, der auch gerade gekommen war.

„Ich spiele Volleyball,“ antwortete ich.

„Aktiv?“

„Nein, seit meiner Lehre nur noch so wie ich Zeit habe.“

„Kein Wunder siehst du so durchtrainiert aus.“

Ich wurde rot.

„Na ja du brauchst dich ja auch nicht zu verstecken,“ erwiderte ich das Kompliment.

„Ich schwimme halt sehr viel, von alleine kommt das auch nicht.“

„Dann wäre das ja geklärt“, sagte ich und er fing an zu Grinsen.

Mann, was mach ich jetzt nur… lange halt ich das nicht stand, wenn mich Alex immer so durchdringend anschaute. Ich brauchte jemand zum reden, aber wer? Eine halbe Stunde später saßen wir im Büro. Alex flachste mit Frau Langer herum, und ich amüsierte mich kräftig.

„Und schon eingelebt?“ kam es von Frau Langer.

„Ja habe ich Frau Langer,“ antwortete ich.

„Ahm.. du und Mutsch reicht mir vollkommen, lass dass mit der Frau Langer.“

„Okay, danke…, Mutsch.

Ich war in meine Gedanken versunken und zog an meiner Zigarette. Meine Gedanken waren bei Michael, mein Freund, der vor zwei Wochen mit mir Schluss gemacht hatte.

„Stimmt irgendetwas nicht?“, riss mich Mutsch aus dem Gedanken.

„Geht schon“, sagte ich.

„Wirklich, denn ich meine, wenn man Tränen in den Augen hat, läuft irgendetwas verkehrt!“

Oh Mann ich hatte nicht gemerkt wie mir die Tränen runter gekullert waren. War ich froh, dass Alex grad aus dem Zimmer raus war um sich was zu trinken zu holen.

„Willst du reden?“ fragte Mutsch mich und zündete sich eine Zigarette an.

„Ich weiß nicht genau… ach ist ja auch egal irgendwann denk ich merkt es eh jeder hier.. ich bin schwul und vor zwei Wochen hat mein Freund Schluss gemacht.“

„Und warum hat er Schluss gemacht?“, fragte sie diesmal.

Ich war erstaunt, dass sie dies völlig locker nahm, dass ich schwul war.

„Er verabschiedete sich mit dem Satz: „Ich habe mein Ziel erreicht, ich habe das was ich wollte und dazu kann ich dich nicht mehr gebrauchen…“, weiter kam ich nicht mehr, denn ich begann diesmal richtig an zu weinen.

Mutsch nahm mich in den Arm. Mit weinerlicher Stimme erzählte ich weiter.

„Das tat so weh Mutsch… er hat mich einfach nur benutzt. Kannst du dir vorstellen, der wollte nur an einen Freund von mir heran kommen, was er auch geschafft hat…“

„Stör ich…?“

Alex stand an der Tür. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.

„Nein!“, antwortete ich, griff nach meiner Zigarettenschachtel und rannte aus dem Büro.

„Daniel, bleib doch hier…“, hörte ich Mutsch noch rufen.

Aber da war ich schon auf halbem Wege die Treppe hinauf. Ich schloss das Zimmer auf und warf mich drinnen auf mein Bett. Ich konnte einfach nicht aufhören mit Weinen. Ich merkte auch nicht das Alex das Zimmer betrat, auch nicht das er sich zu mir ans Bett setzte.

Ich erschrak nur, als ich seine Hand spürte wie er mir sanft über meinen Kopf strich.

„He Daniel, sorry ich wusste von nichts, wusste nicht das du Liebeskummer hast, was ist denn passiert?“

„Hat Mutsch nichts gesagt?“, fragte ich leise in mein Kissen.

„Mutsch hat nur gesagt, dass es dir nicht gut geht. Sie würde nie etwas von jemand erzählen, wenn der damit nicht einverstanden ist.“

„Ich weiß nicht…, interessiert dich das …und was musst du überhaupt von mir denken – keine Schlafmütze sondern eine Heulsuse!“

„Also wenn mein Zimmerkumpel auf dem Bett liegt und sich die Augen aus dem Kopf heult, interessiert mich das schon.“

„Mein Freund hat mit mir Schluss gemacht?“

Seine Hand stoppte und war plötzlich nicht mehr da. Jetzt hatte ich es vermasselt, dachte ich. Ich habe zugegeben, dass ich schwul war.

„Und warum hat der Arsch Schluss gemacht?“, hörte ich ihn dann plötzlich fragen.

Oder doch nicht?

„Er hat einen anderen gefunden.“

„Das kann ich absolut nicht verstehen. Ist der Blind im Kopf. Da hat er wohl den süßesten Freund auf Erden und schießt dich in den Wind“, regte sich Alex auf.

Mit einem Ruck schaute ich auf und ihm direkt ins Gesicht.

„Hab ich dich gerade richtig verstanden?“ fragte ich verdutzt.

„Das ich dich süß finde, ja hast du.“

Ich schaute ihm in seine blauen Augen und versank förmlich darin, war keines Wortes mehr mächtig. Er kam mir näher… ich schloss meine Augen und spürte seine Lippen auf meinen…

*-*-*

Im Zimmer war es dunkel, als ich aufwachte. Mein Wecker zeigte 2:43 an. Erst jetzt merkte ich, dass ich nicht alleine in meinem Bett lag und vor allem ich war nackt. Dann fiel mir alles wieder ein. Neben mir lag Alex, ebenfalls nackt, eng an mich gekuschelt.

Er hatte mir gestanden, dass er von Anfang an sich in mich verliebt hatte, schon als ich ihn das erste Mal über den Haufen gerannt hatte und deswegen zu mir ins Zimmer wollte. Kleiner Schlawiner.

Doch ich war mir nicht sicher, was ich von der Sache halten sollte. Meine Erinnerungen zu Michael waren doch noch sehr frisch, und schmerzten doch sehr. Aber neben mir lag dieses Energiebündel, der es fertig brachte mich in wenigen Sekunden zum Lachen zu bringen.

Ich versuchte langsam meinen Arm unter ihm hervor zuziehen, was mir lediglich einbrachte, dass er sich nur noch enger an mich schmiegte. Also versuchte ich einzuschlafen und versank dann auch bald wieder in Morpheus Armen.

*-*-*

„Hab ich’s mir doch gedacht…“

Völlig verschreckt fuhr ich hoch. Mutsch stand vor meinem Bett.

„He ihr zwei Schlafmützen, die Schule fängt bald an“, sagte sie grinsend, „ ihr kommt noch zu spät, das Frühstück habt ihr jedenfalls fast verpasst.“

Alex und ich saßen mit hoch rotem Kopf im Bett.

„Jetzt stellt euch doch nicht so an, freu mich das ihr zusammen gefunden habt“, sagte Mutsch und verließ das Zimmer wieder.

Wir sahen uns an und fingen an zu lachen. Alex beugte sich über mich und fing an mich zu küssen.

„He, nicht so stürmisch, hast ja gehört wir müssen in die Schule“, drängte ich ihn zurück.

„Ich will aber nicht in die Schule“, antwortete Alex, trotzig wie ein kleines Kind.

„Bleibt dir gar nichts anderes übrig, weil ich will in die Schule.“

„Streber! Romanzentöter!“

„Aha, da werde ich dich heute Mittag vom Gegenteil überzeugen.“

„Angeber!“

Ich fiel über ihn her und kitzelte ihn durch. Mit einem lauten Schrei fielen wir aus dem Bett.

„Jetzt liegst du ja schon wieder auf mir, wird wohl zur Angewohnheit“, grinste Alex frech.

„Ja könnte ich mich echt daran gewöhnen, auf alle Fälle ist es schön weich!“, konterte ich.

„Los lass uns hinne machen, sonst kommen wir wirklich zu spät.“

„Hört, hört.“

Alex stand auf und schnappte sich seine Klamotten vom Boden die wild verstreut waren.

„Wer hat hier nur so eine Unordnung gemacht?“

„Also ich hab da jemand in Erinnerung, der sich gestern Abend wie ein „Wilder“ die Kleider vom Leib gerissen hat…“, begann ich zu erzählen.

„Gerissen wurden, dass wollen wir ja mal klar stellen!“

*-*-*

Die Schule ging schnell vorbei und ich konnte es kaum erwarten mit Alex alleine auf dem Zimmer zu sein. Doch als er reinkam, war er nicht mehr so guter Laune.

„Ist etwas?“ fragte ich ihn.

„Ich weiß selber nicht, hab mir Gedanken wegen uns gemacht.“

„Warum ist daran etwas falsch?“

Ich wurde nervös, bekam Angst.

„Es ist nichts Falsches dran, glaub mir.“

„Aber?“

„Was wird mit uns, wenn die Schule vorbei ist?“

„Wieso?“

„Du in Heidelberg, ich in Karlsruhe.“

„Das ist doch nicht weit voneinander entfernt“, warf ich ein.

„Für mich schon, ich möchte dich bei mir haben.“

„Ich doch auch“, sagte ich leise, „aber die Lehre muss ich doch fertig machen…..“

Betreten stand er vor mir.

„Willst du es beenden, bevor es angefangen hat?“

„Ich weiß nicht…“, kam es fast im Flüsterton.

Er verschwand aus unserem Zimmer. Scheiße, was muss das jetzt auch so kompliziert sein, dachte ich. Ich setzte mich an den Schreibtisch und starrte nach draußen. Total in den Gedanken versunken, merkte ich nicht mehr wie ich, mit dem Kopf auf den verschränkten Armen einschlief.

*-*-*

Ich hatte mich in Alex verliebt, und schon seit Stunden nicht mehr an Michael gedacht, es tat auch nicht mehr so weh, wie gestern. Ich nahm meine Zigaretten richtete meine Haare im Spiegel, die jetzt doch ein bisschen auf Sturm standen, und lief dann hinunter zum Büro.

Alex konnte ich nirgends aus machen. So lief ich nach draußen und steckte mir eine Zigarette an. Aber auch hier draußen konnte ich ihn nicht entdecken. Etwas besorgt ging ich wieder ins Haus.

„Hast du Alex gesehen?“, fragte ich Mutsch, die in ihrem Büro saß.

„Nein hier unten war er nicht, wieso?“

„Er ist vorhin aus dem Zimmer gelaufen, und seither nicht mehr aufgetaucht.“

„Habt ihr euch gestritten?“

„Nein, haben wir nicht, nur ein kurzes Gespräch geführt.“

Ich erzählte ihr kurz den Inhalt und auch sie verstand nicht warum Alex so reagierte.

„Das hört sich so gar nicht nach Alex an. Ich glaube, den hat es wirklich richtig erwischt.“

Ein Mädchen betrat das Büro.

„Du Mutsch, da oben im Treppenhaus sitzt jemand und heult.“

„Ja und?“

„Der sitzt auf der Treppe zu deiner Wohnung.“

„Aha“, meinte sie und schaute mich an.

Wir wussten sofort, dass dies nur Alex sein konnte. Also rannte ich in die Treppe rauf und fand ihn, wie ein Häufchen Elend da sitzen.

„He, mein Kleiner was ist los?“, fragte ich leise und nahm ihn in den Arm.

Er zuckte zusammen, denn er hatte mich wahrscheinlich nicht kommen hören. Er schaute mich mit deinen rotunterlaufenen Augen an und sagte kein Wort. Ich zog ihn an der Hand zu mir und lief mit ihm in unser Zimmer.

„So und nun erzähl was los ist!“, wieder holte ich mich und setzte mich neben ihn.

„Tut mir leid, aber ich denke ich hab mal kurz zu schwarz gesehen.“

„Ist doch nicht schlimm.“

„Das passiert mir aber immer, wenn ich bis jetzt jemanden gefunden hab, mit dem ich zusammen sein wollte.“

„Was passiert dir immer?“

„Das ich plötzlich Panik bekomme und einen Rückzieher mache.“

„Und was ist diesmal anders?“

„Weil ich mich richtig in dich verliebt habe, das war bei den anderen nie so. Ich will keine Sekunde mehr ohne dich sein, dich spüren, dich um mich haben.“

„Das ist doch gut.“

„Ich weiß aber nicht, ob es gut ist!“

„Und was ist daran so schlimm, mein Freund zu sein?“

Ich war überrascht, über die Festigkeit meiner Stimme, wo ich doch der erste war, der bei jeder Gelegenheit losheulte.

„Es ist nichts schlimm daran, nur ich habe noch nie einen richtigen Freund…, einen festen Freund, ich weiß nicht was du von mir erwartest, ich habe einfach Angst alles zu vermasseln.“

„Das einigste was ich von dir erwarte, ist Ehrlichkeit, Alex, so wie du es von mir erwarten würdest.“

„Sonst nichts?“

„Mit der Ehrlichkeit kommt alles andere von alleine, da brauchst du dir keinen Kopf zu machen, warum solltest du alles vermasseln?“

„Ich weiß auch nicht… ich bin nur total unsicher, weil ich noch nie in einer solchen Beziehung gestanden habe“, sagte Alex.

„Noch nie? Bei deinem super Aussehen, wundert mich das aber.“

„Hab dir doch gesagt, dass ich immer einen Rückzieher gemacht habe. Aber bei dir ist das anderes. Gleich von Anfang an hatte ich das Gefühl einer Vertrautheit, als würden wir uns schon ewig kennen.“

„Danke“, sagte ich und gab ihm einen Kuss, „gehen wir eine rauchen?“

„Ja, ich habe jetzt eine nötig.“

Im Büro angekommen schaute uns Mutsch nur an, aber sagte dennoch nichts.

„Hättet ihr beide Lust nachher Essen zu gehen, wenn Mutsch ihr Dienst fertig ist?“ fragte Alex.

„Italiener oder Grieche“, fragte Mutsch, und beide schauten dann mich an.

„Ich würde gerne mal wieder Pizza essen gehen, hab ich schon lange nicht mehr gemacht“, gab ich zur Antwort.

*-*-*

Ich unterhielt mich noch eine Weile mit Alex und lauschte der Musik, die im Radio lief. Mutsch arbeitete noch etwas am PC.

„Kann ich ihnen helfen?“ sagte sie plötzlich.

„Ja ich suche…“

Erschrocken drehte ich mich um und schaute zu der mir bekannten Stimme an der Tür.

„Michael? Was willst du denn hier?“

Ich spürte selbst, wie sich alles in mir zu Sträuben begann und ich sauer wurde.

„Mit dir reden“, gab er zur Antwort.

„Ich wüsste nicht was wir uns noch zu sagen hätten.“

„Bitte Daniel.“

Etwas mürrisch stand ich auf.

„Gut lass uns auf eine Zigarette hinaus gehen.“

Ich nahm meine Schachtel und Feuerzeug, und schaute kurz Alex an. Er nickte mir lächelnd zu wie auch Mutsch. Ich lief also nach draußen mit Michael.

„Was willst du noch von mir?“

„Ich hab festgestellt, das ich einen riesen Fehler gemacht habe.“

„Kommt ein bisschen spät, oder?“

„Stimmt, hab das erst gemerkt, als du nicht mehr da warst, das mir etwas fehlt.“

„Und jetzt?“

„Hab… ich .. noch ne Chance?“

„Eine Chance auf was? Meinst du, du kannst mich so mir nichts dir nichts abservieren, und dann wieder gekrochen gekommen, als wäre nie etwas gewesen?“

„Ich dachte…“

„Falsch gedacht Michael, weißt du wie sehr du mich verletzt hast, wie sehr ich wegen dir heulen müssen hab, dass möchte ich nicht noch mal erleben, ganz bestimmt nicht. Denn wer sagt mir denn, dass wenn dir wieder einer über den Weg läuft, dass du mich nicht schon wieder verlässt.“

„Ich wusste nicht, dass dich das so herunter gezogen hat.“

Betroffen schaute Michael die ganze Zeit auf den Boden.

„Wie denn auch, du hast mich ja von einem Augenblick zum Anderen sitzen gelassen, erst mit mir schlafen und danach sagen, es ist Schluss, hat dir das Spass gemacht, oder was?“

Ich redete mich in Rage.

„Daniel, was denkst du von mir.“

Das erste Mal schaute er mir in die Augen, er heulte.

„Und mit der Heulmasche brauchst du mir jetzt auch nicht zu kommen.“

„Was ist nur aus dir geworden Daniel, so kenne ich dich gar nicht.“

„Dass was du aus mir gemacht hast Michael, ganz einfach.“

„Dann hat es wohl keine Sinn mehr das wir weiter reden.“

„Nein hat es nicht, du hast gesagt es ist aus und für mich ist es aus, Pasta. Ich will mir das nicht mehr antun, Michael und außerdem habe ich mich selber jetzt in jemanden verliebt, der das krasse Gegenteil von dir ist.“

Er zuckte bei meinen Worten zusammen. Ich hatte ihn jetzt soweit, das Gefühl wie ich es damals hatte, als er mich verließ. Aber es brachte mir nicht die Genugtuung, die ich erhoffte. Jetzt tat es mir weh, was ich losgelassen hatte. Ich hatte mich auf das Niveau von Michael herunter gelassen.

„Michael es tut mir Leid, das was war zwischen uns, war schön. Aber es ist vorbei, daran kann man jetzt nichts mehr daran verändern. Ich liebe dich nicht mehr, die Gefühle sind weg, als wäre etwas in mir abgestorben. Ich hoffe du findest wo anders dein Glück. Tschüß“, sagte ich ihm legte noch mal meine Hand auf seine Schulter und ging zurück ins Internat.

Am Fenster des Büros standen Mutsch und Alex.

*-*-*

„Dem hast du es aber jetzt gegeben, du warst bis hier herauf zu hören,“ sagte Alex.

„Und warum, fühl ich mich jetzt so scheiße, jetzt wo ich ihm die Meinung gesagt hab?“, fragte ich.

„Weil du ihn jetzt genauso verletzt hast, wie er dich, nur das dies nicht deiner Art entspricht“, erklärte Mutsch leise und setzte sich wieder auf ihren Bürostuhl.

„Mir tut er jetzt richtig Leid, im nach hinein fühl ich mich voll wie ein Arsch.“

„Er steht immer noch unten“, sagte Alex zu mir, „geh doch noch mal runter.“

„Und was soll ich nach deiner Meinung nach tun?“

„Noch einmal mit ihm reden, was denn sonst.“

„Und was soll ich sagen?“

„Das musst du selber wissen.“

Wieder etwas angesäuert lief ich zum zweiten Mal die Treppe hinunter in den Hof. Michael stand noch an derselben Stelle, wo ich ihn verlassen hatte. Ich lief einfach auf ihn zu und nahm ihn ohne ein Wort zu sagen in den Arm.

Er begann laut zu schluchzen und zitterte am ganzen Körper.

„Es tut mir Leid Michael, wie ich reagiert habe.“

„Ist schon gut, Daniel. Ich habe es nicht anders verdient, bin selber schuld.“

„Komm noch ein bisschen mit rein, ich möchte nicht, dass du so heimfährst.“

„Nein, lieber nicht.“

„Ich will dir meinen Freund vorstellen“, sagte ich ohne zu überlegen.

„Der ist hier?“

„Wir wohnen sogar zusammen in einem Zimmer.“

„Nein, ich will da nicht mehr hinein. Ich rauche noch eine Zigarette und fahr nach Hause.“

„Okay wenn du dir sicher bist.“

„Ja bin ich.“

*-*-*

Ich schaute ihm nach wie er wieder zu seinem Wagen lief. Ich stand auch noch als er längst weggefahren war.

„Willst du nicht wieder hinein kommen?“, sagte eine Stimme hinter mir.

Alex. Er legte seinen Arm um mich, drückte sich fest an mich und streichelte meine Brust.

„Danke“, sagte ich.

„Wofür?“

„Einfach das du da bist.“

„Ich wollte nur, dass du dich endlich von ihm lösen kannst. Er wäre die ganze Zeit wie ein Schatten zwischen uns geschwebt.“

„Ich merke ich habe da jemanden ganz Besonderen vor mir stehen.“

„Danke für die Blumen, aber an mir ist nichts Besonderes.“

„Nichts Besonderes? Doch Alex bist du. Deine Art, dein Charakter, alles ist etwas Besonderes.“

„Hebe mich nicht auf einen Sockel, das mag ich nicht.“

„Mach ich nicht, ich sage nur die Wahrheit.“

„Kannst du dir eine Zukunft mit mir vorstellen?“

„Ja kann ich, sogar, dass wir eine gemeinsame Kneipe aufmachen.“

„Wow, echt? So weit denkst du schon?“

„Ja Alex, ich liebe dich und lass dich nicht mehr los.“

„Ich liebe dich auch Daniel.“

Wir umschlungen uns innig und küssten uns.

*-*-*

Die Tage vergingen, die Schule pflasterte unseren Alltag. An den Wochenenden war wir abwechselnd einmal in Karlsruhe oder in Heidelberg. Dann kamen die Prüfungen. Auch wenn uns schwer fiel, ließen wir von einander ab und lernten eifrig in unserem Zimmer.

Zwischen den Prüfungen tauschten wir uns aus, welches Gefühl wir gerade von der gerade abgelieferten Arbeit hatten. Die Abende verbrachten wir meistens mit Mutsch. Sie brachte es auch fertig, das wir nicht den ganzen Abend an die Prüfungen dachten.

Der letzte Tag im Haus kam, und wir saßen alle traurig da, alle Arbeiten waren abgeliefert, irgendwie war die Luft draußen, die Anspannungen der letzten Tage waren weg.

„Und wie geht es jetzt mit euch weiter?“ fragte Mutsch.

„Alex hat eine Wohnung für uns beide gefunden in Karlsruhe. Und eine neue Arbeitsstelle hätte ich auch, zusammen mit Alex“, sagte ich.

„Und ihr seid sicher, dass ihr euch selbstständig machen wollt?“

„Ja wir sind ja zu sechst. Jeder steuert seinen Teil dazu“, sagte Alex.

„Dann wünsch ich euch mal Glück dabei,“ meinte Mutsch.

„Danke können wir gebrauchen. War auch recht mühsam, den Laden wieder Top hinzukriegen, er stand mehr als zwei Jahre leer“, gab ich von mir.

„Da bin ich gespannt, wann habt ihr Eröffnung?“

„In drei Wochen, wenn die praktische Prüfung vorbei ist. Und du bist nach wie vor herzlich eingeladen.“

„Die Einladung nehme ich auch gerne an. Will ich schon miterleben, wenn ihr euren Laden aufmacht.“

„Wirst du, und es wird dir ein unvergessenes Erlebnis bleiben“, sagte Alex.

Wir saßen fast noch die ganze Nacht zusammen und redeten, was das Zeug hielt. Am nächsten Morgen liefen wir nochmals rüber und nahmen unsere Zeugnisse entgegen, wie erwartet bei beiden gut.

Der Abschied von Mutsch fiel uns schwer, doch sie versicherte uns, das wir uns spätestens in drei Wochen wieder sahen. Ich brachte mein Gepäck ins Auto und lief ein letztes Mal zurück zum Internat.

Ich nahm Mutsch in den Arm und drückte sie eine Weile an mich. Beide hatten wir Tränen in den Augen.

„Pass auf dich auf Daniel, ok?“

„Ja mach ich und ich lass bestimmt von mir hören. Danke für die schöne Zeit hier, bedeutet mir sehr viel!“

„Mir bedeutet es auch sehr viel“, sagte sie und ließ mich schweren Herzens los.

Auch Alex verabschiedete sich innigst von ihr. Winkend liefen wir zum Parkplatz zurück.

„Freitag?“ fragte ich.

„Ja Freitag, wann kommst du?“, kam es von Alex.

„So gegen acht, geht nicht früher wegen meinem Dienst.“

„Okay ich werde es erwarten können.“

„Gut.“

„Daniel…“

„Ja?“,  sagte ich und schaute dabei in seine himmelblauen Augen.

„Ich liebe dich.“

„Ich liebe dich auch mein Kleiner.“

Wir umarmten uns noch mal, verloren uns fast in einen nicht enden wollenden Kuss. Wir sagten nichts mehr schauten uns nur in die Augen, bevor wir beide in unsere Wagen stiegen und ab fuhren.

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