Es geschah am helligten Tag

(Fortsetzung zu „The true Musketeers“)

Fabian

„Schatz, du musst langsam aufstehen, du wolltest doch noch duschen…“, versuchte ich Phillip zu wecken.

Seit einem Monat lebten Phillip und ich zusammen. Ich schwebte immer noch im siebten Himmel. Phillip war einfach fantastisch. Er war die Güte in Person, war immer für mich da, auch wenn es in seinem Job oft stressig war.

So wie heute Nacht, da war es wieder spät geworden. Er kam eine Stunde, bevor ich aufstand erst heim. So ließ ich ihn bis am späten Mittag schlafen. Es war ja Samstag.

„Ist es denn schon Zeit?“, brummte Phillip unter seinem Kopfkissen hervor.

„Wir haben vier Uhr und gegen sechs sollen wir bei Jan zum Grillen erscheinen.“

„Das sind ja noch zwei Stunden…“

„Ja und du bist eine alte Trödeltante.“

Ich verließ das Schlafzimmer, weil ich meinen Nudelsalat noch fertig machen musste. Doch als ich gerade den Türrahmen durchlaufen hatte, flog mir ein Kissen an den Kopf. Ich vergaß, ich hatte nicht nur einen sehr liebenswürdigen, warmherzigen Freund zur Seite, sondern auch einen Kindskopf, der total verspielt und oft kindisch war.

Und so was schimpfte sich Polizist und nahm Verbrecher fest. Ich hob das Kissen auf und sah zum Bett. Dort lag ein breit grinsender Phillip, der mit den Augen funkelte.

„Und wo bleibt mein guten Morgen Kuss?“, fragte er süffisant grinsend.

Ich lief zurück ins Schlafzimmer.

„Zum ersten, ist es Mittag, da vergebe ich keine Guten Morgen Küsse, und warum sollte ich einem frechen Polizisten auch noch einen Kuss geben wollen?“

Schneller als ich mich versah, schnappte sich Phillip meine Hand und zog mich auf sich auf das Bett.

„Au, pass doch auf… meine Schulter.“

Total besorgt lockerte Phillip seinen Griff.

„Hab ich dir wehgetan?“

Ich lächelte.

„Etwas…“

Er setzte sich auf und streichelte sanft über meine Schulter.

„Schatz entschuldige…, dass wollte ich nicht.“

Mein Grinsen wurde breiter.

„… du nutzt das aus… oder?“, fragte Phillip und hielt seinen Kopf schief.

„Es tut zwar weh“, sagte ich wahrheitsgetreu, „aber es ist ertragbar…“

Ein paar Sekunden später zerfloss ich unter Phillips stürmischen Küssen.

*-*-*

Nach der Dusche fühlte ich mich wieder frisch und konnte mich nun endlich meinem Nudelsalat widmen. Phillip stand unter der Dusche und trällert lauthals irgendein Lied. Schnell hatte ich mich in Phillips Haus eingelebt und wusste, wo was war.

In der alten Wohnung fühlte ich mich nach dem Einbruch nicht mehr wohl und da kam mir das Angebot mit Phillip zusammen zuziehen gerade recht. Ich wusste, dass dies alles sehr schnell ging. Viel zu schnell, aber ich wollte ohne Phillip nicht mehr sein.

Von meinen Möbeln war nicht viel übrig geblieben. Die Russen hatten da gute Arbeit geleistet und aus fast allem Kleinholz gemacht. Die wenigen Habseligkeiten und meine Klamotten waren alles was ich mit zu Phillip nahm.

„Fabian, haben wir noch Shampoo?“, hörte ich ihn aus dem Bad rufen.

Noch so etwas. Phillip war extrem vergesslich, was den Haushalt betraf.

„Ja unter dem Waschbecken müsste noch eine Flasche stehen“, rief ich zurück.

„Danke…“

Und so ging das Trällern meines Schatzes weiter. Ich musste grinsen und schnitt meinen Paprika in Würfelchen. Wenig später kam ein tropfender Phillip nur in Boxer in die Küche.

„Das war genau das, was ich jetzt gebraucht habe“, sagte er und küsste mich auf den Nacken.

„Meinst du jetzt mich, oder die Dusche?“, grinste ich und schaute zu ihm.

„Beides!“, meinte er und gab mir noch einen kleinen Kuss.

Er griff in die Schüssel und klaute sich ein Stück Paprika.

„Sieht lecker aus!“

„Meinst du jetzt mich oder den Salat?“, fragte ich grinsend.

„Beides!“

Kichernd verließ er wieder die Küche.

*-*-*

„Hallo, da seid ihr ja endlich!“, begrüßte uns Jan.

Nacheinander nahm er jeden von uns in den Arm und drückte uns kräftig. Seit ein paar Tagen hatte er den Gips los und konnte dies nun wieder uneingeschränkt tun. Auf dem Weg zur Terrasse kam uns Jonas entgegen gehumpelt. Auch er hatte den Gips abgenommen bekommen.

Doch er musste sich erst wieder an das Laufen gewöhnen.

„Ah, da kommt ja endlich der Nudelsalat!“

„Ja auch hallo Jonas“, sagte ich.

Er grinste und schlang beide Arme um mich. Hingegen zu Jan, kam dann ein langer inniger Kuss. Typisch Jonas.

„Alles klar bei dir?“, fragte er, als ich noch etwas nach Luft schnappte.

„Ich kann mich nicht beklagen“, antwortete ich und sah zu Phillip.

Jonas Blick folgte meinem und begann zu grinsen.

„Oh, du hast dein Liebesbullen mitgebracht“, stellte Jonas gekünstelt fest.

„Ich würde den Ausdruck Hengst vorziehen, darin ist er nämlich wirklich gut!“, gab ich zur Antwort und ließ Jonas stehen.

„Hallo Jonas“, kam es von Phillip und grinste ihn frech an, „und mach den Mund zu… die Mandeln werden kalt.

Gemeinsam mit Phillip betrat ich die Terrasse. Dort saßen bereits meinen Schwestern, die uns lächelnd bemerkten.

„Onkel Fabiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii“, hallte es durch den Garten.

Ein kleiner blonder Wirbelwind kam auf mich zu gerast. Ich drückte meinem Schatz gerade noch rechtzeitig meinen Nudelsalat in die Hand, um Christopher meinen Neffen aufzufangen.

„He du kleiner Frechdachs!“

„Ich bin kein Frechdachs, auch wenn Papa das auch immer behauptet.“

Apropos Papa, ich konnte nirgends Jochen entdecken.

„Wo ist denn dein Papa?“, fragte ich Christopher.

„Der ist arbeiten“, antwortete der Kleine munter und begann zu strampeln.

Ein Zeichen, dass ich ihn wieder runter lassen sollte. Kaum hatten Christophers Füße den Boden erreicht, stellte er sich zu Phillip und schaute ihn an.

„Hallo Christopher“, sagte mein Schatz und reichte mir meinen Nudelsalat zurück.

Der Kleine stand vor Phillip und machte mit dem Zeigefinger die typische Komm-mal-her Bewegung. Mein Schatz beugte sich zu ihm hinunter. Christopf beugte sich vor, drückte Phillip einen Schmatz auf die Wange und beendete sein Handeln mit: „Hallo Onkel Phillip.“

Laut kichern rannte er wieder in den Garten.

„Der Kleine ist herzig“, meinte Phillip und schaute ihm nach.

„Ist ja auch mein Neffe!“

„Gib mal den Nudelsalat her“, meinte Jan, der inzwischen auch auf die Terrasse gekommen war.

Jonas folgte kurze Zeit mit einem Tablett, gefüllt mit lauter leckerem Grillgut. Phillip schnappte sich zwei Bier und gesellte sich zu ihm. Wenig später lachten die Beiden und schaute zu mir.

Ich setzte mich derweil zu meinen Schwestern um die neusten Familiengeheimnisse auszutauschen.

„Ach es ist noch nichts Festes“, beteuerte gerade Sabine.

„Du hättest ihn ja mitbringen können…“, sagte Petra.

„Ich weiß nicht, was er zum Thema …“

„…schwul steht?“, beendete ich den Satz.

Sie nickte.

„Dann frag ihn einfach“, meinte ich und hob mein Handy hin.

„Ich kann doch nicht einfach…“

„Doch du kannst Sabine“, unterbrach Petra ihre große Schwester, „es geht ja schließlich um deinen Bruder, oder?“

Sabine nickte wieder.

„Lass stecken Kleiner. Ich habe mein eigenes Handy.“

„Da macht man mal seiner Lieblingsschwester ein Angebot und sie schlägt es aus“, spielte ich leicht empört.

„Ich dachte, ich sei deine Lieblingsschwester“, kam es von Petra.

Bevor ich versuchen musste, meinen Kopf aus dieser Schlinge zu ziehen, kam Jan als Retter.

„Hallo Mädels, wollt ihr auch einen kleinen Cocktail vorne weg?“

Klein, so, so! Jan trug ein Tablett mit vier großen Gläser gefüllt mit einem Orangengetränk und verziert, mit allerlei Früchten.

„Klar doch“ Was hast du denn da schönes gezaubert?“

„Etwas Fruchtiges mit selber gemachtem Limoncello.“

„Limoncello?“, fragte Petra.

„Ja, das ist der Zitronenlikör, den mir Fabian das letzte Mal aus seinem Italienurlaub mitgebracht hat. Eine gute Freundin hat mir das Rezept gegeben und ich hab es ausprobiert, Er schmeckt gut, aber versucht erst mal selbst.“

Jan reichte jedem ein Glas und schaute uns gespannt an.

„Na?“, fragte er ungeduldig.

„Gut!“, kam es von Petra als erstes.

Sabine und ich bestätigten Petras Urteil.

„Und den hast du selbst gemacht?“, fragte Sabine interessiert.

„Ja, geht ganz einfach. Du nimmst…“

„Onkel Jan… ich war das nicht!“, unterbrach ihn Christopher.

„Was warst du nicht?“

„Ich habe deine Blumen nicht kaputt gemacht. Da ist ein Riese drüber getrampelt.“

„Schatz du sollst nicht Lügen, es gibt keine Riesen“, mahnte Petra ihren Sohn.

„Ich lüg nicht Mama, da war wirklich ein Riese und hat…“

„Christopher…“

Petras Ton war nun etwas schärfer und Christophers Augen begannen feucht zu werden. Doch bevor nun hier das große Geheule anfing, opferte ich mich.

„Den Riesen musst du mir zeigen“, meinte ich und erntete natürlich gleich böse Blicke meiner Schwester.

„Der ist doch gar nicht mehr da, der ist über den Zaun gestiegen“, kam es aus Christophers Mund.

Kaum war ich aufgestanden, zog mich Christopher an der Hand in den Garten.

„Da hinten am Zaun“, hörte ich den Kleinen sagen.

Hm. Der Kleine hatte Recht. Jans Begonien hatten deutlich unter einem Trampeltier gelitten.

„Der Riese kam da aus der Hecke“, sagte Christopher und zeigte auch die Hecke des angrenzenden Grundstücks.

Etwas anderes fiel mir auch noch ins Auge. Ein Teil, das in der Sonne glänzte. Ich wollte mich gerade danach bücken, als ein Markerschütternder Schrei durch die Gärten hallte.

„Fabian?“, hörte ich Phillip rufen.

„Ja?“

Wenig später standen Phillip und die Anderen bei uns.

„Was guckt ihr mich so an?“, fragte ich.

„Hast du…“

„Ja, ich habe das auch gehört“, fiel ich Petra ins Wort, „und dein Sohnemann hat nicht gelogen, da ist jemand durch die Hecke über Jans Blumen getrampelt.“

Jan umrundete mich und sah recht zerknirscht aus, als er sein Blumenbeet sah. Phillips Handy ging.

„Ja?“, fragte er, als er das Gespräch entgegen genommen hatte.

Und ich dachte, wir hätten heute mal einen ruhigen Tag zusammen verbringen können.

„Wo?“, entfuhr es Phillip.

Dieser Ausruf brachte ihm unsere ganze Aufmerksamkeit ein.

„Gut ich werde dort sein, bis gleich.“

Er drückte das Gespräch weg und ließ das Handy wieder in seine Hosentasche gleiten.

„Jonas…, wie ist eure Hausnummer?“, fragte er plötzlich.

„Fünfzehn, aber warum fragst du?“

„Im Haus Nummer dreizehn wurde gerade jemand gefunden…“

Phillip brach den Satz ab und schaute auf Christopher.

„Christopher komm, wir schauen mal, ob deine Wurst schon fertig ist“, kam es plötzlich von Jonas, der wohl am ehesten begriffen hatte, warum Phillip nicht weiter sprach.

„Au ja!“

Und schon düste der kleine Wirbelwind davon und Jonas lief hinterher.

„Es wurde im Nachbarhaus jemand Blut überströmt gefunden, genau im Haus neben dran“, erklärte Phillip.

„Du meinst der Schrei eben, der…“, begann Petra neben mir und mich schüttelte es.

„Nein, das war ja eine Frau… und es wurde ein Mann gefunden.

„Drüben, bei den Bertrams?“, fragte Jan.

Phillip nickte.

„Tut mir Leid, ich wollte euch den Grillabend nicht vermiesen“, sagte Phillip.

„Hast du nicht!“, meinte Jan und klopfte Phillip auf die Schulter, „Job ist Job.“

*-*-*

Sabines neuste Flamme war mittlerweile aufgetaucht.

„Was ist denn bei euch los?“, fragte er verwundert.

„Bei uns?“, fragte Jonas, „ wir grillen, das siehst du doch und hielt ihm die Hand entgegen.

„Jonas, du weißt genau, was er meint. Hallo ich bin Jan.“

„Magnus“, sagte Sabines neue Flamme.

„Das ist Fabian, mein kleiner Bruder“, erklärte Sabine und zeigte auf mich.

„Der berühmte Fabian? Von dem du mir schon so viel erzählt hast?“

Ich schaute meine Schwester etwas verwirrt an, die breit grinste.

Phillip

Da das Haus der Bertrams genauso geschnitten war, wir das von Jan und Jonas, fand ich mich recht schnell zu recht. Die Haushälterin hatte den Sohn des Hauses in seinem Zimmer gefunden.

Ein Rettungswagen war schon Vorort und Gabi traf gerade ein.

„Hallo Phillip, du bist aber schnell… ich habe deinen Wagen auch nicht gesehen.“

„Ich bin mit Fabian gefahren.“

„Wie, Fabian ist auch hier?“

„Nein. Jonas und Jan wohnen neben an und wir grillen…“

„Was für ein Zufall…“

„Das stimmt!“

„Und was weißt du schon?“

„Also! Hier wohnt eine Familie Bertram. Leicht vermögende Eltern, die sich gerade in Urlaub befinden. Der Sohn des Hauses wurde von der Haushälterin gefunden… niedergestochen. Aber die Ärzte haben ihn soweit stabilisiert. Gesehen oder gehört hat natürlich niemand etwas, dass heißt…“

„Was ist…?“

„Komm einfach mit.“

Gabi folgte mir durch den Flur nach draußen.

„Wo willst du denn hin?“, fragte Gabi.

„In die Nachbarschaft…“

Fabian

„So, will noch jemand ein Steak?“, fragte Jonas.

„Nein, ich bin papp satt“, erklärte ich und rieb über meinen Bauch.

Es klingelte.

„Ich mach auf“, rief Christopher und bevor Petra etwas dagegen einwenden konnte, war der Kleine schon im Haus verschwunden.

„Wird sicher Phillip sein“, meinte ich und legte mein Besteck auf den leeren Teller.

Wenige Minuten später erschien auch Phillip, mit Gabi im Schlepptau.

„Alles klar bei dir?“, fragte ich besorgt.

„Hallo zusammen“, sagte Gabi.

„Hast du Hunger?“, fragte Jonas, „hab noch Einiges aufliegen.“

Phillip nickt mir zwar zu, was mich aber nicht beruhigte.

„Och, gegen so ein kleines Steak hätte ich nichts einzuwenden“, kam es von Gabi.

„Was ist los?“, fragte ich Phillip, als er dichter neben mir stand.

„Der Nachbarsjunge wurde niedergestochen, aber er lebt… ist einigermaßen stabil.“

Ich verzog mein Gesicht.

„Oh scheiße…“

Phillip nickte erneut.

„Aber es gibt da noch etwas Schlimmeres… du erinnerst dich… dass Christopher jemand durch den Garten hat stürmen sehen?“

„Ja, klar.“

Phillip sah mich durchdringend an.

„Du meinst…, bist du sicher?“

Phillip nickte und ich schaute besorgt zu Christopher.

„Ich muss mit Petra reden“, meinte Phillip.

„Aber erst isst du etwas Schatz. Nachher hast du wieder Bauchschmerzen und bist übel gelaunt.“

Phillip grinste verlegen und nahm sich einen Teller. In der Vergangenheit hab ich schon öfter zu spüren bekommen, wenn Phillip lange Dienst schob und nicht zum Essen kam. Wenn er dann zu Hause auftauchte, war er absolut Scheiße drauf.

„Bevor ich es vergesse, das hier lag hinten am Boden…, tut mir Leid, wusste ja nicht, dass es vielleicht ein Beweißmittel ist“, meinte ich und reichte es Phillip.

Phillip zog ein Tempo hervor und nahm das Metallding entgegen.

„Wenn da außer deinen Fingerabdrücken noch andere darauf sind, bekommen wir das heraus. Hm… was könnte das sein?“

„Das gehört zu einem Schaft eines Messer, Jochen hat auch so eins, bei seiner Angelausrüstung“, kam es von Petra.

*-*-*

„Und wie stellt ihr euch das vor? Christopher ist erst fünf Jahre alt“, sagte Petra im genervten Ton.

„Petra, er würde sich nur mit unserem Zeichner zusammen setzten, der nach seiner Beschreibung eine Skizze an fertig. Du kannst die ganze Zeit bei ihm sitzen dass ist kein Problem“, versuchte Phillip Petra zu beschwichtigen.

„Okay, aber wenn Christopher nicht mehr will, hören wir auf.“

Phillip nickte.

„Gabi, würdest du sie mit aufs Revier nehmen?“

„Okay Phillip, wenn ich etwas Neues in Erfahrung bringe melde ich mich.“

„Christopher komm wir gehen“, rief Petra und Sekunden später flitze der Knirps durch die Terrassentür.

Phillip ging in die Hocke und einigermaßen Christophers Größe zu erreichen und  verabschiedete sich liebevoll von dem jungen Mann.

*-*-*

Phillips Notizbuch lag aufgeschlagen neben dem Telefon. Es war ja sonst nicht meine Art, darin zu lesen, aber etwas stach mir ins Auge.

„Du Phillip?“

„Ja, Schatz?“

„Du weißt normalerweise frage ich dich selten etwas, wegen deiner Fälle.“

Phillip kam zurück mit zwei Gläsern Mineralwasser und setzte sich neben mich.

„Aber?“, fragte er.

„Du… hast dein Notizblock aufgeschlagen und da steht eine Adresse.“

„Ja, das ist die Adresse, wo sich im Augenblick Christophers Riesen vom Garten aufhalten soll. Hätte nicht gedacht, dass wir den so schnell finden. Was ist mit der?“

„Die Adresse kenne ich.“

„Die kennst du? Also der Typ ist ein übler Schläger, man könnte ihn fast einen Zuhälter nennen. Georg Findel heißt er. Was hast du mit dem denn zu schaffen?“

„Ich? Nicht… gar nichts. Ich kenne die Adresse, weil dort mein Ex wohnt… habe dir doch von Henrik erzählt.“

„Ach, dieser Loser, der nicht weiß, was er an dir hatte… und der wohnt da?“

„Das ist die mir letzte bekannte Adresse.“

„Hm…“

„Was denn?“

„Also die Wohnung steht bereits unter Beobachtung und ich weiß, dass dort zwei Männer wohnen. Ob der andere jetzt Henrik heißt, weiß ich jetzt nicht mal. Müsste ich Gabi mal fragen. Wäre nämlich interessant zu wissen, ob das Henrik ist. Denn wenn es so wäre, würde ich dich mitnehmen, wenn er alleine in der Wohnung wäre. Vielleicht kann man ihn dann leichter befragen.“

„Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?“

Ein ungutes Gefühl machte sich in meiner Magengegend breit.

„Es ist mein Ernst, aber ich denke auch, dass ich ganz schön von dir verlange. Was die rechtliche Seite betrifft, davon will ich mal gar nicht reden.“

Ich stand auf und lief zum Fenster zur Straße.

„Ich… ich habe mir geschworen, Henrik nie wieder freiwillig gegenüber zu treten. Er hat mich nur benutzt. Zwei Jahre lang war ich sein Spielball, machte mir vor, wie sehr er mich liebte.“

Ich drehte mich wieder zu Phillip.

„Es hat mich viel Kraft gekostet einen Schlussstrich zu ziehen und wären Jonas und Jan nicht gehabt hätte, wäre ich total abgerutscht.“

„Du hast Recht, es war eine blöde Idee von mir…“

Phillip sah mich lange an und ich wich seinem Blick nicht aus.

„Du meinst… Henrik wird von dem Typen… auch geschlagen?“, fragte ich.

„Fabian ich meine gar nichts. Vergiss es einfach. Mit dieser blöden Idee bringe ich dich womöglich noch in Gefahr.“

*-*-*

Ich weiß nicht warum ich mitgefahren war. War es die Neugier oder einfach der Wunsch, dass es nicht Henrik war, dass ein anderer an Stelle seiner da wohnte.

„… ja Phillip, du hattest Recht, der zweite Mann heißt Henrik Hübner. Wieso hast du nachgefragt?“

„Nur so Gabi, danke für die Information.“

Das Unwohlsein kroch langsam aber stetig durch meinen Körper. Meine Hände waren eiskalt und meine Knie begannen zu zittern. Phillip schaute zu mir herüber.

„Florian, ich kann dich immer noch zurück fahren oder absetzten, wenn dir das lieber ist. Mittlerweile bin ich mir überhaupt nicht mehr sicher, ob du da dabei sein solltest.“

„Geht schon. Vielleicht kann ich dir ja wirklich helfen bei Henrik. Und ich kann ja nicht ewig vor diesem Menschen davon laufen. Irgendwann muss ich mich dem ganzen auch stellen.“

„Ich weiß, dass dir das sehr zu schaffen macht…, aber es auf diese Weise zu klären?“

Eine halbe Stunde später standen wir vor dem Haus, wo Henrik wohnte. Alte Erinnerungen kamen hoch, wie ich hier tagtäglich ein und aus gegangen war. Klar, es gab auch viele schöne Momente mit Henrik, sonst hätte ich mich ja nie so in ihn verliebt.

Die Beamten im anderen Wagen hatten Phillip davon in Kenntnis gesetzt, dass Henrik alleine zu Hause war.

„Und du bist sicher, dass du da wirklich mit hinein willst?“

„Jetzt komm, meinst du ich wäre jetzt bis hierher sonst mit gefahren?“

„Du bist ganz blass im Gesicht…, du zitterst.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Das gibt es nicht?“

Ich guckte ihn verwirrt an.

„Was?“

„Marc und Felix…“*²

„Wer… was?“

„Da sind Marc und Felix, was wollen denn die hier?“, sagte Phillip und stieg aus.

Jetzt fielen mir die zwei Jungs ebenso auf, die, die Straße entlang humpelten. Phillip hielt genau auf sie zu. Ich löste meinen Sicherheitsgurt und stieg auch aus.

„Was treibt euch hier her?“, fragte Phillip die beiden.

„Hallo Phillip…, ich wohne hier“, meinte der blonde Schönling.

„Hallo Felix… hallo Marc.“

„Hallo“, meinte Marc, „Fabian auch hier?“

Ich räusperte mich leise und die drei wandten sich zu mir.

„Hallo Fabian“, sagte die beide im Chor und streckten ihre Hände entgegen.

„Du wohnst also hier?“, fragte Phillip.

„Ja, mit bei meiner Mutter.“

„Euch scheint es wieder gut zu gehen“, warf ich ein.

Beide sahen an sich herunter, wo sich Anfang des Jahres noch ein Gips befunden hatte.

„Ja geht schon…“, meinte Marc grinsend, „aber Wettrennen laufen wir noch keine.“

„Hier soll auch ein Georg wohnen…“, kam es von Phillip.

Felix Gesicht verdunkelte sich.

*² (Eine falsche Art von Liebe)

„Übler Typ, streitet sich laufend mit seinem Wohngefährten. Den anderen Mietern und meiner Mutter wäre es lieb, wenn er ausziehen würde. Aber ich habe ihn seit ein paar Tagen nicht gesehen.“

„Stimmt“, mischte sich Marc ein, „jetzt wo du es sagst. Es ist sehr ruhig in den letzten Tagen im Haus gewesen.“

„Ist irgendetwas mit ihm, weil ihr hier sind, Phillip.“

Phillip schüttelte den Kopf.

„Ich wollte ihn nur etwas fragen.“

„Sein Freund Henrik könnte aber da sein, den habe ich zwar auch eine Weile nicht gesehen, aber der verlässt eher selten das Haus.“

Phillip sah mich an.

„Könntet ihr uns ins Haus lassen?“, fragte Phillip.

„Ist kein Problem“, antwortete Felix.

Er zog einen Schlüssel hervor und ging voran.

„Wenn ihr mal Lust habt, könnt ihr uns ja mal besuchen“, meinte ich.

„Ja danke“, meinte Marc.

An der zweiten Tür im Flur blieb Felix stehen.

„Ich wohne hier und dieser Gabriel wohnt noch einen Stock höher.“

„Danke Felix, euch noch einen schönen Tag und meldet euch mal.“

„Werden wir tun!“, meinte Felix und beide verschwanden in der Wohnung.

Phillip lief die Treppe weiter nach oben.

„Jetzt weiß ich auch, warum ich immer das Gefühl hatte Felix zu kennen“, murmelte ich.

„Dir ist Felix nie aufgefallen?“

Ich blieb stehen.

„Hallo? Wie alt ist Felix. Ich steh nicht auf Grünzeugs!“

Phillip lächelte. Ich erwiderte kurz sein Lächeln, aber der Grund unseres hier seins kam in mir wieder hoch und mein Lächeln verschwand. Mittlerweile waren wir an der beschriebenen Wohnungstür angekommen und ich konnte Henriks Nachnamen lesen.

„Du die Tür ist nur angelehnt“, meinte ich im Flüsterton.

„Du wartest hier“, flüsterte Phillip zurück und zog seine Waffe.

Entsetzt sah ich ihn mit großen Augen an. Er atmete tief durch, drückte mir einen Kuss auf den Mund und schob vorsichtig die Tür auf. Ich dagegen trat ein paar Schritte zurück immer bereit sofort die Treppe hinunter zu stürmen.

Man konnte ja nicht wissen, was passierte. Mit weichen Knien und total unruhig versuchte ich etwas zu hören. Seit Phillip in der Wohnung verschwunden war, war kein Laut aus der Wohnung gedrungen.

„Fabian, kommst du bitte schnell“, hörte ich plötzlich Phillip rufen.

Langsam folgte ich ihm in die Wohnung. Ein komischer Geruch schlug mir entgegen, als wäre schon eine Weile nicht mehr gelüftet worden.

„Wo bist du?“, fragte ich leise, immer noch Angst, es könnte mich jemand hören.

„Hier hinten…“

Die Wohnung hatte sich nicht geändert. Alles stand noch so, wie ich sie beim letzten Mal verlassen hatte. Sogar mein Bücherschrank, den ich schweren Herzens dagelassen hatte, stand auf seinem Platz.

Ich folgte Phillips Stimme und kam in ein Schlafzimmer. Schockiert blieb ich stehen.

„Er lebt noch, ist aber bewusstlos“, meinte Phillip.

Vor mir lag Henrik nur in Shorts ans Bett gefesselt, dass Gesicht Blutverschmiert und am Körper noch viele weitere blaue Flecken und Blutergüsse.

„Fabian…“

Ich löste mich aus meiner Starre und schaute ihn an. Tränen hatten sich in meinen Augen gesammelt.

„Fabian, ich weiß, dass ist jetzt sehr schwer für dich, und mittlerweile bereue ich es, dich mitgenommen zu haben. Aber andererseits bin ich auch froh, du musst mir helfen.“

Ich hatte einen Kloß im Hals und konnte nicht antworten, aber dafür nickte ich. Er reichte mir diese Latexhandschuhe und stülpte sie selbst ebenfalls über.

„Such bitte die Schlüssel zu den Handschellen, ich rufe inzwischen den Krankenwagen und die Kollegen.“

Ich schlüpfte in die Einmalhandschuhe. Mein Körper zitterte. Ich hätte Henrik, nachdem was er mir angetan hatte, vieles gewünscht, aber nicht das. Planlos schaute ich mich um. Ich wusste  nicht, wo ich suchen sollte.

Warum hatte niemand in die Wohnung geschaut, dass hätte doch einer merken müssen, dass die Tür nur angelehnt war. Leicht verzweifelt zog ich alle Schubladen der Kommode auf. Aber so etwas wie einen Schlüssel fand ich nicht.

„Ja Gabi und beeilt euch, der Typ ist übel zugerichtet.“

Phillip kam wieder ins Schlafzimmer.

„Etwas gefunden?“

Verzweifelt schüttelte ich den Kopf.

„Hast du in den Nachtischen nachgeschaut?“

„… nein…“, sagte ich leise.

Im Gegensatz zu mir, durchsuchte Phillip die Schubladen sorgfältig. Beim zweiten Tischchen wurde er anscheinend fündig. Sofort machte er sich daran, die Fesseln zu lösen. Draußen war das Martinshorn zu hören.

„Fabian, geh am besten hinunter und zeig den Kollegen, wo sie hin müssen.“

Wieder nickte ich nur, denn reden fiel mir schwer. Gabi schaute komisch, als sie mich an der Haustür vorfand.

„Hallo…, oben zweiter Stock… Tür links…“

„Hallo Fabian…“, meinte sie verwundert.

Ich wartete bis alle an mir vorbei waren und beschloss aber dann einfach an der Tür stehen zubleiben. Das wollte ich mir nicht mehr antun. Mein Gott hatte der den Henrik zugerichtet. Warum machen jemand so etwas?

„Fabian..?“

Ich hatte nicht gemerkt, dass Felix die Treppe herunter kam, gefolgt von seinem Freund.

„Hm…?“

„Was ist denn passiert?“

„Wir haben… Henrik gefunden…“

Beide schauten mich mit großen Augen an.

„Ist…, ist er tot?“

Ich schüttelte den Kopf.

„… er wurde zusammengeschlagen…“

„Kennst du Henrik?“

Dieses Mal nickte ich.

„Er ist mein Ex…“

Phillip

„Dir hat wohl im Vorbeiflug eine Amsel in den Kopf geschissen!“

Gabi redete sich in Rage.

„Dass du so ziemlich jede Regel gebrochen hast, sei dahin gestellt, aber Fabian so in Gefahr zu bringen…, von seiner Verfassung ganz zu schweigen. Du bist doch kein Anfänger mehr. Wir sind heute so einen Anblick noch nicht gewohnt, wie soll das Fabian erst verkraften, wo es auch noch sein EX ist.“

Die Kollegen die sich ebenfalls in der Wohnung befanden sagten keinen Ton. Gabi schnaubte und verließ die Küche. Nachdem mir Gabi den Kopf gewaschen hatte, hatte ich erst recht ein richtig schlechtes Gewissen.

Sie hatte Recht, ich hätte nie Fabian hier her bringen dürfen. Nicht nur weil Gefahr bestanden hätte, dass dieser Findel eventuell in der Wohnung gewesen wäre, sondern dass er gegenüber Fabian gewalttätig hätte werden können.

Ich wusste nicht, was mich geritten hatte, Fabian unbedingt mitnehmen zu wollen. Dieser Henrik wurde gerade aus der Wohnung getragen. Er war weitgehend stabil, aber immer noch bewusstlos.

„Es deutet nichts darauf hin, dass der Verdächtige, die letzten Tage hier gewesen ist, aber die Spurensicherung schaut sich noch einmal um“, kam es im ziemlich sauren Ton von Gabi.

Ich schaute sie an.

„Jetzt schau nicht so. Diesen Bockmist hast du dir ganz alleine zuzuschreiben. Geh gefälligst hinunter und schau wie du das wieder hinbiegst, denn Fabian geht es sicher nicht gut, bei dieser Sache. Hirn einschalten, das nächste Mal!“, warf mir meine Kollegin an den Kopf und stupste meine Stirn an.

Unten angekommen, sah ich, dass sich mittlerweile eine kleine Menschentraube angesammelt hatte. Fabian stand bei meinem Wagen, schaute unsicher um sich. Ich lief auf ihn zu, doch er reagierte nicht auf mich.

„Fabian?“

Er schaute mich kurz an, aber ich hatte eher das Gefühl, als würde er durch mich durchschauen. Ich griff nach seinem Arm, öffnete die Wagentür und schob ihn langsam ins Innere.

„Fabian?“

Keine Reaktion. So langsam machte ich mir Sorgen.

„Was ist?“, hörte ich hinter mir plötzlich Gabi.

„Ich weiß es nicht, er reagiert nicht mehr.“

Sie schaute Fabian an.

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, er steht unter Schock. Bring ihn am besten schnell heim und ab ins Bett mit ihm…“

„Aber…“

„Nicht aber, ich kümmere mich um die weiteren Ermittlungen und du dich um Fabian!“

Ich musste lächeln, weil Gabi so schön autoritär sein konnte.

„Danke.“

„Ich melde mich später bei dir.“

Ich nickte ihr zu, dann umrundete ich den Wagen und stieg selbst ein.

*-*-*

Fabian schlief, während ich in der Küche war. Der Türgong machte sich bemerkbar. Mist, ich hoffte nur, dass mein Kleiner dadurch nicht geweckt worden war. Ich ging zur Tür und zog sie auf.

„Hallo Phillip, ist Fabian da?“, meinte Petra, die vor mir stand.

„Ja…, er schläft, aber komme erst einmal herein.“

„Was ist denn?“

„Ich erzähl dir dies in Ruhe…, wir gehen ins Wohnzimmer.“

*-*-*

„Scheiße… Weißt du wir lange wir gebraucht haben, Fabian wieder zu einem normalem Leben zu bewegen. Wochenlang war er krank geschrieben und nicht mehr aus der Wohnung zu bekommen.  Bis er wieder seine Arbeit in der Redaktion aufnehmen konnte, dauerte fast noch einmal so lange. Wir können froh sein, dass er immer noch als freier Mitarbeiter dort tätig sein kann.“

„Es tut mir Leid, ich habe einen Fehler gemacht, ich kann es nicht mehr rückgängig machen.“

„Was kannst du nicht mehr rückgängig machen?“, hörte ich plötzlich Fabians Stimme an der Tür.

Nur mit seinen Short und einem Shirt stand er etwas unbeholfen am Türrahmen und kratze sich am Kopf.

„Hallo Fabian“, meinte Petra und fiel ihrem Bruder um den Hals.

„Was ist denn?“

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie besorgt.

Ich war ebenfalls aufgestanden.

„Ja klar, alles ist in Ordnung.“

„Ich meine nur wegen… Henrik.“

„Ja, dumme Sache….“

Er schaute zu mir.

„Weißt du wie es ihm geht?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Warum bist du eigentlich hier?“, fragte Fabian seine Schwester.

„Ich wollte mit dir etwas bereden…“

„Was denn?“

Sie atmete tief durch und setzte sich wieder.

„Soll ich euch alleine lassen?“, fragte ich.

„Nein Phillip, bleib ruhig…“

So setzte ich mich wieder auf das Sofa, Fabian folgte mir und kauerte sich an mich.

„Es geht um Jochen…“, begann Petra.

„Was ist mit ihm.“

„Ich glaube…, er hat eine andere.“

O ha, das hörte sich nicht gut an.

„Ich glaube, ich mache uns mal einen Kaffee“, meinte ich und ließ unter kleinen Protesten Fabian auf dem Sofa alleine zurück.

Fabian

„Wie kommst du drauf?“, fragte ich, während Philip in die Küche ging.

„Er benimmt sich sehr merkwürdig. Letzte Woche hatte er einen Termin, wo er die Nacht in einem Hotel verbracht hatte, um nicht zu spät heimfahren zu müssen. Seit dem benimmt er sich total anders.“

„Und wie äußert sich das?“

„Er redet kaum noch, außer mit Christopher und ist oft in seinen Gedanken versunken.“

„Da muss er aber doch nicht gleich eine andere Frau haben.“

„Er küsst mich nicht mehr, er nimmt mich nicht mehr in den Arm…“

Ich schaute Petra lange an.

„Das könnte ein Grund dafür sein.“

Phillip kam mit dem Kaffee zurück. Ich griff nach meiner Tasse, während sich er wieder zu mir setzte.

„Ich weiß einfach nicht weiter, was ich tun soll.“

„Also überwachen lassen kann ich ihn nicht…“, meinte Phillip.

„Nein, Phillip, das würde ich nie von dir verlangen.“

Dann wanderte ihr Blick zu mir.

„Aber vielleicht könntest du mit ihm reden…“

„Wie stellst du dir das vor? Hallo Jochen, deine Frau glaubt du hast eine Andere.“

Mein Schwesterchen schüttelte zu erst den Kopf, dann ließ sie ihn in ihre Hände sinken.

„Das Schlimme ist nur, Christopher fragt auch schon, was mit seinem Papa los ist…, was soll ich dem Kind nur sagen?“

Ihre Stimme war leise und brüchig geworden. Phillip schaute mich ratlos an und betonte dass auch noch mit zuckenden Schultern. Petra schaute auf. Ihre Augen waren feucht. Ich konnte diesen Blick noch nie leiden.

„Okay, ich tu es…, aber versprechen kann ich nichts!“

Ein missglücktes Lächeln sollte wohl ihre Dankbarkeit ausdrücken.

„Ich komme nachher vorbei um Christopher zu besuchen…, ist er dann daheim?“

Petra nickte mir zu.

„Traust du dir das zu?“, fragte Phillip, „dir ging es nicht sehr gut…“

Ich schaute Phillip durchdringend an, erhob mich und stellte mich direkt vor ihn.

„Irgendwann muss ich mich doch in den Griff kriegen.“

*-*-*

Gegen den Willen von Phillip war ich alleine gefahren. Ihn hatte ich zurück zu Gabi geschickt. Immer wieder tauchte das Bild vom gefesselten Henrik vor meinen Augen auf. Wie konnte er nur an so einen Typen geraten?

Hatte ich jetzt Mitleid mit ihm? Gut, ich hatte ihn schließlich mal geliebt, natürlich gab es auch schöne Augenblicke in unsere Zweisamkeit, aber das endete abrupt, als ich ihn küssend bei einer Party erwischte.

Seit diesem Zeitpunkt ging es nur noch bergab. Ich schaltete herunter und ließ den Wagen ausrollen, die Ampel stand auf rot. Zwei Jungs überquerten die Straße und flachsten ausgelassen miteinander.

„Nach vorne schauen!“, hatte ihm damals Sabine geraten.

Den Rat konnte ich nur langsam folgen, doch seit es einen Phillip Sörens in meinem Leben gab, hatte sich viel geändert. Ich hatte wieder Freude am Leben. Ein Lächeln huschte über meine Lippen, während die Ampel wieder auf grün wechselte.

Ich gab langsam Gas, der Wagen begann zu rollen, als ich aus dem Augenwinkel von rechts einen Wagen heranfahren rasen sah. Ich trat sofort auf die Bremse. Wie in Zeitlupe schlitterte das Auto an mir vorbei.

Eigentlich hätte es krachen müssen, aber wie durch ein Wunder berührten sich die Fahrzeuge nicht. Kurz konnte ich das Gesicht des Fahrers sehen, der Verbissen nach vorne schaute. Danach sah ich nur noch die Rücklichter.

Die zwei Jungs, die Eben die Straße überquert hatten, waren zumindest genauso geschockt wie ich. Ich atmete tief durch und gab wieder Gas. Weit und breit war kein Auto zu sehen, sonst wäre vielleicht viel Schlimmeres passiert.

Wenig später traf ich dann vor Sabines Haus ein. Als ich ausgestiegen war, wurde bereits die Haustür aufgerissen und ein strahlender Christopher kam heraus gerannt.

„Onkel Fabiiiiii“, schlug mir entgegen, wenig später der kleine Körper des Fünfjährigen.

„Hallo kleiner Mann!“

Ich ließ ihn wieder herunter und Christopher griff nach meiner Hand. Für sein Alter hatte er schon mächtig Kraft, so zog er mich ins Innere des Hauses. Im Wohnzimmer angekommen, sah ich Jochen an seinem PC sitzen.

„Hallo Jochen…“

Er sah auf.

„Hallo Fabian…“

Mehr kam nicht. Kein übliches Wortgeplänkel und irgendwelche Späße.

„Onkel Fabi, kannst du mir helfen. Mama hat mir da etwas von Lego geschenkt, dass bekomm ich nicht zusammen gebaut.“

„Klar, was ist es denn?“

Christopher verschwand und ich hörte ihn die Treppe hinauf rennen. Währenddessen saß Jochen die ganze Zeit am PC und regte sich fast nicht.

„Viel Arbeit?“

Er reagierte nicht.

„… Jochen?“

„Hm?“

Er drehte seinen Kopf zu mir. Seine Augen hatten Augenringe, sein Blick war glasig.

„Alles in Ordnung?“

Er schüttelte den Kopf. Ich setzte mich neben ihn und atmete tief durch. Nach dem heutigen Erlebnis war mir zwar nicht nach ernsten Gesprächen zu mute, aber vielleicht lenkte es mich ab.

„Was ist los?“, fragte ich.

„… es ist alles verloren…“

„Jochen…, bitte könntest du mir sagen, was passiert ist?“

Er begann zu weinen und in dem Augenblick kam Christopher mit einem Karton zurück. Er sah mich mit großen Augen an, dann seinen Papa. Natürlich sah er, dass dieser weinte. Sofort verschwand er wieder, ohne einen ton zu sagen.

„Ich habe mich übernommen…, ich muss Konkurs anmelden…“

Er hob seinen Kopf und sah mich direkt an.

„Wie konnte das passieren?“

Meine Frage hatte sich weder vorwurfvoll oder ärgerlich angehört. Er atmete tief aus und wischte seine Tränen weg. Christopher kam zurück gerannt und hatte einen Bären in der Hand.

Langsam näherte er sich uns und hob seinem Vater den Bären hin.

„Den hast du mir mal geschenkt, als ich traurig war…, damit er mich tröstet“, sagte Christopher leise.

Dieser kleine Mann faszinierte mich jedes Mal aufs Neue. Jochen griff nach seinem Sohn und hob ihn auf seinen Schoss.

„Nicht traurig sein Papa. Einmal schlafen und alles ist wieder gut!“

Ich konnte nicht anders und musste lächeln, Jochen schien es nicht anders zu gehen.

„Christopher, könnte ich deinen Onkel kurz für mich haben, er kommt dann nachher zu dir.“

„Muss er dir auch etwas bauen helfen?“

„So ungefähr…“

„Okay!“

Schon kletterte der Kleine vom Schoss seines Vaters und verschwand wieder. Jochen schloss sein Laptop und wandte sich zu mir.

„Ich habe in eine andere Firma eine größere Summe investiert, weil mir eine Partnerschaft in Aussicht gestellt wurde. Aber es war eine Pleite. Die Firma existiert in Wirklichkeit nicht, ich bin Betrügern auf den Leim gegangen. Das Geld ich futsch und ich pleite.“

„Und Petra hast du das noch nicht gesagt?“

Er schüttelte den Kopf.

„Warum? Meinst du nicht, sie hat noch nicht gemerkt, dass etwas nicht stimmt?“

„Sie war bei dir?“

Ich nickte.

„Sie dachte du hast eine Andere…“

Er fing plötzlich laut an zu lachen.

„… das wäre wohl jetzt das kleinere Übel…, oder?“

„Na ja, Fremdgehen ist nicht ohne und ich weiß wovon ich rede.“

„Sorry.“

„Schon in Ordnung. Aber wie geht es jetzt weiter? Hast du die Polizei eingeschaltet…“

„Ja, die hat mich ja erst darauf gebracht, dass es eine Scheinfirma war.“

„Gegen so etwas versichert ist man nicht?“

„Nein?“

„Um was für einen Betrag geht es?“

„… fast siebenstellig.“

„Oha…, doch so viel.“

Jochen nickte.

„… ich habe Angst, dass ich hier alles verliere und mit Petra und Christopher auf der Straße sitze.“

„Langsam Jochen, noch sind nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.“

„Doch, die Bank hat natürlich Wind davon bekommen, in was für miese Geschäfte ich gerutscht bin. Sie will in zwei Wochen das ausgezahlte Darlehn zurück haben.“

„Und das wären?“

„750.000 Euro.“

Ich riss meine Augenbraun nach oben und hielt die Luft an.

„Doch so viel…“, wiederholte ich mich.

Er nickte.

„Hypothek auf das Haus?“

„… wie meinst du, habe ich das Darlehn bekommen?“+

„Schei… benkleister.“

„Ja…“

„Und Petra weiß auch davon nichts?“

„Nein…“

Mein Kopf nahm eine ungewohnte Arbeitstätigkeit auf. Völlig ruhig spielte ich alle Möglichkeiten durch um Jochen irgendwie zu helfen. Vergessen war meine Verfassung von vorhin.

„Ist etwas?“, fragte Jochen.

In dem Augenblick kam Christopher wieder ins Zimmer, setzte sich an den Wohnzimmertisch und lehrte seinen Karton auf den Tisch. Bei den vielen Teilen musste es sich um ein Haus handeln.

Beide schauten wir gebannt zu Christopher, wie er verzweifelt in den Steinen wühlte. Und plötzlich fiel es mir ein.

*-*-*

Müde schloss ich die Wohnungstür zu Phillips Wohnung auf. Er schien noch immer unterwegs zu sein. Ich legte die Schlüssel auf die Kommode, zog meine Schuhe aus und lief ins Wohnzimmer.

Langsam ließ ich mich auf die Couch fallen und dachte über den Vorschlag nach, den ich Jochen unterbreitet hatte. Damals als heraus kam, dass ich schwul war, hatten mich meine Eltern schlicht weg vor die Tür gesetzt.

Dies war in der Verwandtschaft natürlich nicht unbemerkt geblieben und wegen mir entbrannte ein heftiger Streit in der Familie. Es endete damit, das mein Großvater sein Testament änderte, seinem Sohn nur ein Pflichtteil vermachte und ich einen großen Anteil seines Vermögens.

Dieses Geld wurde natürlich nach dem Tod meines Großvaters an mich ausgezahlt und ruhte seit dem auf einem Konto, dass ich nicht anrührte. Die Streitereien wegen dem Geld mit meinen Eltern hatten mich dazu veranlasst.

Der Kontakt war mittlerweile abgebrochen, wenn ich etwas von ihnen hörte, dann von meinen Schwestern, die nach wie vor zu mir hielten, was die Eltern überhaupt nicht verstanden. Das Geld geriet irgendwie in Vergessenheit, weil ich es schlichtweg nicht wollte, auch wenn es mein Großvater gut mit mir gemeint hatte.

Genau um dieses Geld ging es jetzt. Es mussten jetzt so ca. 600.000 Euro sein, die da vor sich hin vegetierten und die ich nie in Anspruch genommen hatte. Die Tür zur Wohnung wurde aufgeschlossen.

„Fabian…?“

„Bin hier…, im Wohnzimmer.“

„Mensch Kleiner, ich hab mir Sorgen gemacht, du gehst nicht ans Handy…“

Ich zog umständlich mein Handy aus der Hosentasche.

„Sorry Schatz…, ich hab vergessen es wieder anzuschalten.“

Er ließ sich neben mir nieder.

„… wie geht es dir?“, fragte er unsicher und griff nach meiner Hand.

„Besser“, meinte ich nur.

Er atmete tief durch.

„Du…, du bist sicher sauer auf mich.“

„Wieso sollte ich…?“

„Weil…, ja weil ich diese scheiß Idee hatte und dich mit zu…“

Ich drückte meinen Finger auf seinen Mund.

Der große, starke Hauptwachmeister Phillip Sörens saß plötzlich total geknickt und klein vor mir.

„Ob es Scheiße war oder nicht, dass ist jetzt egal. Meine Schwester hat mir nach der Trennung von Henrik gesagt, ich soll nach vorne schauen und dass mach ich jetzt. Gut, ich gebe zu, dass Ganze hat mir ganz schön zugesetzt, aber vielleicht war es auch gut so.“

„Aber…, aber…“

„Lass mich bitte aussprechen. Phillip, seit ich mit dir zusammen bin, lebe ich ein ganz neues Leben. Du liebst mich, liest mir jeden Wunsch von den Augen ab…, bist immer für mich da, trotz deines anstrengenden Jobs.“

„Das ist doch selbstverständlich.“

„Für mich eben nicht. Aber auch das ist jetzt Nebensache. Du hast mir gezeigt, dass es für mich wieder lohnt zu leben, Spaß zu haben, etwas aus meinem Leben etwas zu machen.“

Sprachlos sah mich mein Gegenüber an.

„Ich weiß, das kommt jetzt etwas überraschend…, aber ich habe mich entschlossen bei Jochens Firma als Teilhaber einzusteigen…“

„Öhm… Jochens Computerfirma? Einsteigen…?“ Mit was für Geld? Mit dem was du beim Verlag verdienst…“

„Das bringt mich zum zweiten Punkt. Mir ist da etwas eingefallen, dass ich glaube ebenfalls verdrängt zu haben, wie vieles andere auch.“

Der Türgong unterbrach mich.

„Nanu? Erwartest du jemand?“, fragte Phillip.

„Nicht dass ich wüsste.“

„Ich mach auf…“

Wenige Sekunden später hörte ich die Stimme meiner Schwester.

„Wo ist er…?“

„Öhm hallo ihr… im Wohnzimmer.“

Ich musste grinsen. Petra erschien in der Tür zum Wohnzimmer.

„Du bist verrückt!“, rief sie und stürmte auf mich los.

Sie ließ sich auf mich fallen, was mir schnell ins Gedächnis rief, wie schwer meine Schwester war und mich fast erdrückte. Im Türrahmen erschienen nun Jochen und Christopher, gefolgt von Phillip.

Anscheinend hatte Jochen das klärende Gespräch geführt, dass ich als Option von ihm verlangte.

„… uffz Schwesterherz geh von mir herunter.“

„Mama, du machst Onkel Fabi kaputt.“

Ich musste lachen, die anderen ebenfalls. Petra setzte sich nun ordentlich neben mich und wischte sich ihre Tränen weg.

„Kann mir mal jemand sagen, was los ist?“, fragte Phillip und ließ sich auf den Sessel nieder, während Jochen und Christopher sich neben Petra setzten.

„Mein kleiner Bruder ist unter die Gönner gegangen und rettet die Firma meines Mannes.“

„Öhm…, hattest du nicht gesagt du willst bei Jochen als Teilhaber einsteigen… äh… retten, mit was für Geld.“

„… meiner Erbschaft.“

„Erbschaft?“

„Ja, mein Großvater hat mir etwas hinterlassen und das verwende ich für Jochen.“

„Etwas ist gut“, meinte Petra.

„Von der Erbschaft hast du mir nie etwas gesagt.“

„Christopher, weißt du wo Onkel Fabian seine Getränke hat?“

„Klar Papa, komm mit ich zeig es dir.“

So hatte Jochen den Kleinen Geschickt aus dem Wohnzimmer gelockt. Ich erzählte kurz Phillip, wie ich an das Geld gekommen war und warum ich es verdrängt hatte.

„600.000 Euro?“, fragte Phillip ungläubig.

„Ja, dein Schatz ist eine gute Partie“, meinte Petra.

„Ich steige mit 500.000 bei Jochen mit ein, der Rest bleibt auf dem Konto.“

„… aha.“

Ich wusste jetzt nicht, wie ich dieses „Aha“ zu verstehen hatte. Phillip ließ sich zurück fallen und rieb sich über sein Gesicht.

„… und ich mach mir den ganzen Tag Gedanken um dich, wie ich diese blöde Sache von heute Morgen wieder gerade biegen kann und mein Schatz ändert einfach sein Leben und wird zum Unternehmer.“

Petra grinste vor sich hin. Christopher kam mit zwei Flaschen Mineralwasser zurück. Jochen folgte ihm mit den Gläsern.

„Wer will etwas trinken?“, fragte Christopher und stellte die Flaschen auf den Tisch. Dann ließ er sich neben seiner Mutter nieder.

„Öhm… sollten wir da nicht anstoßen… ein Grund zum Feiern?“, fragte Phillip.

Ich stand auf und lief in die Küche, wo sich noch eine Flasche Sekt im Kühlschrank befand.

*-*-*

„Ich bin stolz auf dich!“, raunte mir Phillip ins Ohr.

Ich lag neben ihm im Bett, dicht an ihn gekuschelt.

„Danke“, meinte ich und gab ihm einen Kuss.

„Hab ich mir ein Steh-auf-Männchen eingefangen?“

„Wie meinst du das?“

„Komm tu nicht so. Diese 180 Grad Wendung heute, das schüttelt man nicht gerade so aus den Ärmeln.“

Ich stütze meinen Kopf mit der Hand ab und sah Phillip in die Augen.

„Das habe ich auch nicht. Nur, als Jochen mir seine Geschichte erzählte, hat es in meinem Kopf Klick gemacht. Da ging es einem wirklich dreckig, seine Existenz war in Gefahr. Und ich? Ich wurde auf schmerzliche Art daran erinnert, wie ich mich in meinem Selbstmitleid suhlte.“

„Findest du die Worte nicht ein bisschen hart?“

„Lass mich bitte ausreden. Ich redete von der Zeit bevor ich dich kennen lernte. Klar haut es einen um, wenn die große Liebe plötzlich zu Bruch geht, aber war es wirklich etwas, was meine Existenz in Gefahr bracht?

Ich setzte mich auf.

„Phillip, seit es dich gibt, habe ich eigentlich erst angefangen richtig zu leben. Dinge, die mir wichtig erschienen, mein Leben bestimmten, wurden plötzlich so unwichtig. Kleine Dinge, die ich fast nicht mehr wahr nahm, haben auf einmal einen so hohen Stellenwert bei mir.“

Phillips Gesicht zierte ein breites Lächeln.

„Das es Henrik so erwischt hat, tut mir Leid, ich hätte ihm so etwas nicht gewünscht. Aber es ist sein Weg, den er entschieden hat zu gehen, ohne mich. Dass es in die Hose ging, konnte er nicht wissen, aber damit muss er fertig werden in seinem zukünftigen Leben, welches nicht mehr mein Weg ist.“

Phillip streichelte mir sanft über die Brust.

„Mein Weg heißt Phillip Sörens, eine neue Aufgabe als Unternehmer…“

„Es ist schön, dass du mich an erster Stelle nennst.“

„Du bist bei mir an erster Stelle, ein Leben ohne dich könnte ich mir nicht mehr vorstellen.“

„Dass ist wohl die schönste Liebeserklärung, die ich je gehört habe.“

Ich musste grinsen.

„Wie viele Liebeserklärungen hast du denn schon gehört?“

„Pah“, meinte er, drückte mich aufs Kissen und kletterte auf mich, „du weißt ganz genau wie ich das meine!“

Er kam langsam näher und küsste mich.

*-*-*

„Ich will nicht wieder Petra, Sabine und  Gabi gegen mich haben!“

„Phillip, dies hier ist meine eigene freie Entscheidung. Wenn die drei dir Ärger machen sollten, dann bekommen sie Ärger mit mir!“

Langsam drückte ich Türklinke hinunter und wir betraten Henriks Zimmer. Er hatte sein Gesicht zum Fenster geneigt, nahm uns anscheinend nicht wahr. Ein kurzer Blick auf uns, dann sah er wieder weg.

„Was willst du hier?“, fragte er abweisen.

„Hallo Henrik.“

„Hallo…“

„Ich wollte nur wissen wie es dir geht.“

„Auf einmal? Das hat dich die letzten Monate auch nicht interessiert.“

Er hatte ja Recht, ich war immer abweisend, wenn er immer wieder versuchte sich mir zu nähern und von mir gab es keine freiwillige Kontaktaufnahme. Ich umrundete das Bett, damit ich ihm in die Augen schauen konnte.

„Das was in der Vergangenheit passiert ist, hast du dir eigentlich selbst zu zuschreiben, aber ich möchte dir keine Vorwürfe mehr machen, es ist wie gesagt Vergangenheit.“

„Hört sich aber so an!“

Da war nichts mehr von dem Henrik übrig, dieses überirdische Charisma, die Fröhlichkeit, einfach alles was Henrik damals ausmachte und ich mich in ihn verliebt hatte. Sein Gesicht wirkte alt und verbraucht, ohne jetzt die Verletzung am Kopf zu berücksichtigen.

„Wer hat dir das angetan?“

„WAS?“

„Fabian…“, mahnte mich Phillip.

Ich schaute zu ihm. Henriks Blick wanderten ebenfalls zu Phillip.

„Warum ist der hier, hast du jetzt schon einen Aufpasser dabei?“

Klar wusste Henrik, wer Phillip war, aber eher rein dienstlich, weil Phillip ja schon mit Gabi hier zur Befragung war.

„Phillip ist mein Lebensgefährte! Er ist ganz privat hier.“

„Dein neuer Stecher? Alle Achtung, da hast du dir ja ein Prachtexemplar ausgesucht.“

„Spricht da der Neid aus dir?“, fragte ich und wusste nicht, warum ich dabei lächelte.

Er sah wieder weg. Phillip wollte etwas sagen, aber ich stoppte ihn mit einer Handbewegung.

„… Neid? … vielleicht, aber auch nur, weil du anscheinend die bessere Partie gemacht hast.“

„Georg Findel?“

Er sah mich mit großen Augen an.

„… er…, er war der erste Mann, den ich nach dir wieder an mich heran gelassen hatte. Am Anfang…“, eine Träne lief über seine Wange, „… am Anfang war alles okay, ich hab mich so in ihn verliebt…“

„Bis er seine wahre Seite zeigte…“, sagte Phillip leise.

Vorwurfsvoll sah ich Phillip an, aber Henrik nickte leicht.

„Ich wusste nichts über ihn. Nicht dass er vorbestraft war, ein Schlägertyp, Dealer…, Zuhälter, was auch immer. Das Alles hatte er gut vor mir verborgen.“

„Bis zu letzt?“, fragte ich.

Henrik atmete tief durch.

„… nein.“

Phillip sah mich aufmunternd an, dass ich weiter machen sollte. Anscheinend hatte er nicht soviel aus Henrik heraus bekommen.

„Trotzdem bist du bei ihm geblieben?“

„Geblieben? Er wohnte bei mir, ich hätte ihn raus werfen müssen…“

Ich merkte, wie schwer es ihm fiel, darüber zu reden, sich seinem Ex zu erklären. Aber ich konnte mir aber auch vorstellen, dass er bisher niemand hatte, mit dem er hätte reden können.

„Ich habe ihn geliebt…, verstehst du Fabian…, ich wollte nicht den gleichen Fehler wie bei dir…“

Er brach ab. Ich setzte mich neben ihn aufs Bett und nahm vorsichtig seine verbundene Hand in meine. Selbsterkenntnis ist der beste Weg zur Besserung sagt man, aber bei Henrik ging dieser Schuss nach hinten los.

„… ich hab zwar mitbekommen, dass er da etwas mit einem reichen Jüngelchen angefangen hatte, aber ich nahm das nicht so ernst… Was hätte der ihm bieten können, was er nicht von mir bekommen hat?“

„Geld…“, warf Phillip ein.

Ohne auf Phillip zu sehen, sprach Henrik weiter.

„Hat dein Bu… Polizist seine Hausaufgaben nicht gemacht?  Du weißt, durch die Erbschaft von meinem Großvater, war ich bisher immer unabhängig gewesen. Aber Georg war nie auf mein Geld aus.“

„Frischfleisch, würde Jan jetzt sagen…“, sagte ich.

„Hängst du etwa immer noch mit den beiden Typen zusammen?“

„Es sind immer noch meine besten Freunde…“

„Ich habe das nie verstanden, warum dir Jan und Jonas so wichtig waren…“

Er atmete scharf aus.

„Jetzt weiß ich, wo man landet…, wenn man keine richtigen Freunde hat.“

„Warum hat er dich geschlagen?“

Er wollte gerade antworten, als eine Schwester den Raum betrat.

„Könnten die Herren bitte kurz draußen warten?“, meinte sie und stellte ihr Tablett auf Henriks Tisch neben dem Bett.

„Wir warten draußen…“, meinte ich zu Henrik und verließ mit Phillip das Zimmer.

„Irgendwie tut er mir Leid“, kam es von meinem Schatz.

Erstaunt schaute ich ihn an.

„Wieso?“

„Gut, eigentlich müsste ich sagen, er hat es nicht besser verdient, nach der Geschichte mit dir. Aber so zugerichtet zu werden, von dem Menschen den man liebt? Nein, das hat auch er nicht verdient!“

Er schaute mich durchdringend an.

„Was?“

„… empfindest du noch etwas für Henrik?“

„Wie kommst du jetzt da drauf?“

„Na ja…, dir hat das alles so zu gesetzt mit Henrik und jetzt merkt man dir nichts mehr davon an.“

„Eigentlich sollte ich sauer sein, weil du mir gerade nicht vertraust. Aber ich kann dich beruhigen, ich empfinde nichts für Henrik, nicht mal Mitleid.“

„Entschuldige Fabian“, er griff nach meiner Hand, „ich wollte dich nicht verletzten.“

„Tust du nicht…, ich verstehe deinen Beweggrund ja.“

Ich küsste ihn sanft auf die Wange.

„Womit habe ich dich nur verdient?“

„Gar nicht!“, tönte es hinter uns.

Gabi war gekommen.

„War ja klar, dass das von dir kommen muss.“

„Nein ich bin wirklich der Meinung, dass du Fabian nicht verdienst und wäre Fabian der Frauenwelt zugetan, hätte ich ihn schon weggeschnappt.“

Sie legte ein fieses Grinsen auf, was mich veranlasste, ebenfalls zu grinsen.

„Aus dir spricht der reine NEID!“

„Klar!“

„Warum bist du eigentlich hier?“

„In Kohlendorf wurde jemand verhaftet, auf den die Beschreibung von Georg Findel passt.“

„Oh und bei was wurde er verhaftet?“

„Fabian du weißt ich darf bei laufenden Ermittlungen keine…“

„Gabi nun sag schon!“, meinte Phillip neben mir, „Fabian ist schon viel zu sehr in den Fall involiert!“

„Ja, durch deine Schuld“, kam es vorwurfsvoll von Gabi.

„Lass stecken, Gabi. Es betrifft mich zwar, wegen Henrik, aber es ist egal.“

„Gut…, bin zwar nicht der Meinung und ich halte mich zumindest Regeln!“

„Jetzt sag schon…“, kam es ungeduldig von Phillip.

Sie atmete tief durch.

„Er hat anscheinend bei Rot eine Ampel überfahren und hat einen leichten Unfall dadurch verursacht. Bei dem Verhör vor Ort wurde er handgreiflich. Seine Personalien wurden überprüft und nun sitzt er im Präsidium in Haft.“

„Na geht doch“, sagte Phillip.

Gabi holte aus und gab ihm eine Kopfnuss.

„Aua… was soll das?“

Ich konnte nicht anders und fing an zu lachen. Bevor aber Gabi oder Phillip weiter etwas sagen konnten, ging die Tür zu Henriks Zimmer auf.

„Könnten sie bitte auf der Station etwas leider sein?“, meinte die Schwester und drückte sich an uns vorbei.

Mir war nicht bewusst, dass wir so laut gewesen waren. Gabi wollte noch etwas sagen, aber ich flehte sie mit einem Dackelblick an. Sie unterließ es.

„So geht es mir auch oft…“, meinte Phillip, „gegen diesen Blick komme ich auch nicht an.

„Jahrelange Übung“, meinte ich und betrat wieder Henrik Zimmer. Alleine.

*-*-*

„Der Richter hat ihn in U-Haft gesteckt, die Beweise für versuchten Mord sind erdrückend.“

Ich hatte uns Kaffee gemacht, als Phillip von seiner Dienststelle zurück kam und mich neben ihn setzte.

„Und was bekommt man für versuchten Mord?“

„Kommt darauf an.“

„Auf was? Der gehört eingesperrt und der Schlüssel weggeworfen.“

„Drei bis fünfzehn Jahre…, kommt auf die schwere des Falles an.“

„Drei Jahre? In was für einem Rechtsstaat leben wir denn?“

„Fabian, ich denke, er wird bei der Sachlage zu vollen fünfzehn Jahren verurteilt…“

„Aber…“

„Und danach ist nicht gesagt, ob er frei kommt…, von wegen Sicherungsverwahrung und so.“

Ich atmete tief durch, während Phillip an seiner Tasse nippte.

„Weißt du, wie es dem Jungen geht?“, fragte ich,

„Ist über den Berg, seine Eltern sind bei ihm, außer einer hässlichen Narbe, wird nichts zurück bleiben.“

Er schaute mich an.

„Was?“

„Was wird mit Henrik?“

„Was soll mit dem sein?“

„Freundet ihr euch wieder an…, ich meine…“

„Ich weiß schon, was du meinst, Phillip, aber darauf kann ich dir keine Antwort geben. Ich denke, dass wird die Zeit ergeben, was da noch kommt. Ich werde mich jetzt erst einmal auf meine neuen Aufgaben bei Jochen konzentrieren.“

„Was wird aus deinem Job beim Verlag?“

„Den behalte ich natürlich.“

„Gut!“

„Gut?“

„Ja, hätte doch sein können, dass du dich als Teilhaber von Jochens Firma jetzt ein schönes Leben genießen willst.“

„Zum Ersten werde ich das ganz sicher nicht tun und…“

„Und zweitens?“

„… und zweitens führe ich ein schönes Leben mit dir“, sprach ich weiter und küsste ihn.

„… du weißt schon dass ich dir verfallen bin?“

„Klar!“

„Wo wird das noch enden…?“

„Erst Mal im Bett!“, kicherte ich und zog ihn Richtung Schlafzimmer.

 

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1 Kommentar

    • Lissi auf 9. November 2012 bei 09:51
    • Antworten

    Hallo Pit!
    Wie immer ist deine Geschichte super geschrieben. Spannend bis zum Ende und schön positiv. Ich mag es einfach. Der Zitronenlikör kommt mir doch bekannt vor! 🙂

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