Der Fotograf

Es war längst dunkel, vielleicht auch schon wieder fast Morgen. Mein Zeitgefühl war mir abhanden gekommen. Ich hatte es geschafft zu fliehen – und das vor meiner eigenen Familie. Wäre dies nicht schon kläglich genug, wäre es die Festnahme meines Vaters alle Mal. Und es war meine Schuld.

Obwohl man mir seit jeher beibrachte, das zu nehmen, was ich gerade begehrte, hätte ich von IHM wohl doch besser die Finger gelassen. Aber er war so begehrenswert und noch dazu einer der großen Köpfe des verhassten Feindes. Allerdings machte gerade dieser Punkt alles noch viel reizvoller.

Mir war egal, dass er schon einen anderen Partner hatte, dass ihm seine Familie über alles ging und er deshalb nie die Seiten wechseln würde. Dennoch wollte ich ihn BESITZEN. Die Männer, die normalerweise für meinen Vater arbeiteten, fraßen mir aus der Hand, in der Hoffnung, beim „Big Boss“ Eindruck schinden zu können.

Was mir am Anfang jedoch so leicht erschien, wurde zunehmend komplexer und endete in einer Katastrophe. Unbeabsichtigt machte ich im Höhenrausch die Organisation auf die „Machenschaften“ meines Vaters aufmerksam, und während ich der Festnahme durch Zufall entkam, wurde er „dingfest“ gemacht.

Diese Schmach allein kratzte wie Raupenbagger an meinem Ego. Dass mich jedoch mein eigener Onkel aus dem Clan warf, weil ich angeblich die hohe Ehre dessen verletzt hätte, war zu viel. Er nahm mir alles. Mein Haus mit den untertänigen und willigen Bediensteten, mein Geld, meine Macht.

Sie brannten mir das Tattoo aus der Schulter, was mich als „Thronfolger“ des Clans kennzeichnete, zerrten mich vor die Tür meines einstigen Heimes und stießen mich in den Dreck. Ich war nicht mehr viel mehr wert, als eine widerliche Ratte, die man beim stehlen in der Vorratskammer erwischt hatte.

Man gab mir einen kleinen Vorsprung, um den Reiz der Jagd zu erhöhen. Jedoch rechneten sie nicht mit meinen ausgezeichneten Ortskenntnissen. Ich kannte jeden Schatten in der Umgebung und nutzte diese, schließlich war ich hier geboren und aufgewachsen. Auch wenn es schwer und mühselig war, aber ich entkam. Verborgen in einer Abfalltonne, obenhin gefüllt mit Dreck.

Hätte ich noch ein Gefühl in meinem Gesicht, würden sich meine Lippen zu einem bitteren Lächeln verziehen. Dreck… Genau das war ich, und dort gehörte ich hin. Mit letzter Kraft hievte ich mich aus dem Container, um nicht doch noch in der Müllpresse zu enden und lag seit einer gefühlten Ewigkeit auf dem schmutzigen Boden in einer dunklen Seitengasse.

Den Nieselregen, der mit der Zeit immer heftiger wurde, spürte ich kaum mehr. Längst waren die dicken Tropfen durch meine zerrissene Kleidung gekrochen und hatten meine geschundene Haut aufgeweicht. Ich war nahe dran, mich der seltsam wärmenden Ohnmacht hinzugeben, die die eisige Kälte in meinem Körper ablöste.

Doch dann hörte ich eilige Fußschritte, das typische Platschen, wenn man durch Pfützen sprang. Dann sah ich zwei abgewetzte Turnschuhe einer Billigmarke direkt vor meinen Augen. Die gehörten auf jeden Fall nicht zu einem der Handlanger meines Onkels, schließlich gab es bei uns einen entsprechenden Dresscode – und wir pflegten eine gewisse Etikette.

Und selbst wenn, ich war eh nicht mehr in der Lage, auch nur den kleinsten Finger zu rühren. Ich erwartete alles, von Verspottung, Beschimpfung über Bespucken und weiteren Tritten. Aber mit starken Armen, die mich hochhoben und an eine warme Brust pressen, hatte ich nicht gerechnet.

Es war seltsam, aber sofort fühlte ich mich sicher und geborgen, driftete ab in ein dumpfes Delirium, in dem ich kaum mehr als seinen eigentümlichen Geruch wahrnahm, erfrischend zitronig mit einer männlichen – herben Note. Von Erholung war dennoch vorerst keine Spur.

Der Fremde schleifte mich unter die Dusche und drehte das warme Wasser voll auf. Umständlich zerrte er mir die Sachen vom Leib und wusch mich grob. Behutsam trocknete er mich ab und steckte mich dann in sein Bett. Ich bekam währenddessen kaum die Augen auf, hörte keine seiner Fragen, brachte nicht mal einen missgestimmten Laut über meine Lippen.

Der Schlaf holte mich unwillig ein, und nur wenige Male kam ich zu mir, um dumpf mitzubekommen, wie jemand mich fachkundig untersuchte und meine Wunden versorgte. Aber viel zu schnell driftete ich wieder ab in erholende Dunkelheit.

Es war hell, als ich abermals erwachte. Ich fühlte mich ausgelaugt, genau wie das Wetter seltsam dumpf und trüb. Vorsichtig bewegte ich jeden Finger, jedes Glied, um zu testen, ob noch alles dran und funktionstüchtig war. Vorerst zufrieden stand ich auf, prüfte, wie verlässlich meine Beine mein Gewicht trugen und sah mich neugierig um.

Das Zimmer war klein und spartanisch eingerichtet, dennoch passte alles irgendwie zusammen und hegte einen gewissen Charme. Ein großes, bis auf den Boden reichendes Fenster gab die Sicht auf die graue Masse draußen frei, das sich Wetter schimpfte. Im Spiegel der Scheiben bemerkte ich, dass ich völlig unbekleidet war, bis auf den weißen Verband um Brust, Schulter und Rücken.

Langsam drehte ich mich um und starrte auf die Tür, die vermutlich in den nächsten Raum führte. Wer war das, der zu dem zitronigen Geruch gehörte, welcher überall in der Luft hing? Bedächtig umrundete ich das Bett, drückte so leise wie nur möglich die Klinke hinunter und schlich in das Zimmer.

Es war übersichtlich, mit einer kleinen Kochnische samt Durchreiche, ein paar Bücherregalen an der Wand, einer zerschlissenen Couch in der Mitte und einen – für meinen Geschmack viel zu kleinen – Flachbildfernseher gegenüber an der Wand. Dann sah ich ihn.

Er saß an einem großen Schreibtisch mit zwei Monitoren darauf. Den Kopf auf die Arme gebettet, lag er schlafend auf der Arbeitsplatte und atmete regelmäßig. Ich ging näher heran und lugte über ihn hinweg auf die Bildschirme. Ein Fotobearbeitungsprogramm war noch offen und zeigte ein junges Paar in Hochzeitsrobe.

Auf dem Nächsten war eine Website offen, auf der man Ordner mit Bildern hochladen konnte, samt einem dicken Ladebalken, der hundert Prozent anzeigte und eine Schaltfläche „uploadcompleat“. Jetzt sah ich auch die Kamera unweit von ihm liegend und die Bilder an der Wand, zumeist fantasiereich bearbeitet, dass man kaum mehr das eigentliche Model erkannte. Ein Fotograf also. Ich schnaubte leise. Brotlose Kunst.

Mag sein, dass dieses kleine Geräusch der Auslöser war, aber in dem Moment regte sich der Mann vor mir und hob langsam seinen Kopf. Verschlafen rieb er sich über die Augen, die nicht recht aufgehen wollten und gähnte herzhaft. Ich ließ ihm Zeit, um zu sich zu kommen und betrachtete ihn ausgiebig.

Schmales, unrasiertes Gesicht mit schulterlangem, dunkelblondem Haar, das wüst und äußerst nachlässig im Nacken mit einem ausgefransten Zopfhalter zurückgehalten wurde. Er sah wie dieser drittklassige Geigenspieler aus den Medien aus, der zurzeit hoch umjubelt wurde – nur etwas schmaler und jünger. Als dieser David Garrett-Verschnitt mich endlich bemerkte, hielt er in seiner Streckübung inne und schaute mich überrascht an.

„Du bist wach“, kommentierte er das Offensichtliche, legte seinen Kopf leicht schief und lächelte dann. „Schön.“

Ein seltsamer Ruck ging durch meine Brust, ganz kurz, gleich einem Wimpernschlag, als würden mich seine dunkelblauen Augen irgendwie berühren. Aber es verging so schnell wieder, dass ich es gar nicht zu greifen bekam. Ich runzelte lediglich die Stirn und unterdrückte ein angewidertes Nasenrümpfen ob der Freundlichkeit.

Als ich ihn nur weiter ansah und mich sonst nicht rührte, stand er ungelenk auf, die Glieder noch steif von der unbequemen Schlafposition. In diesem Moment bemerkte er, dass ich unbekleidet war.

„Oh, ich hab dir gar keine Sachen raus gelegt. Warte kurz, ich hole welche“, meinte er sachlich, als hätte er lediglich festgestellt, dass mein Glas alle wäre und vergessen, mir nachzuschenken.

Dieser Fotograf verschwand im Schlafzimmer, und kurz darauf hörte ich Schubladen klappern. Nochmals studierte ich die Bilder an der Wand. Egal wie fantastisch diese auch waren, es waren ausnahmslos männliche Portraits. Bis auf eines, direkt neben seinem Monitor, signiert mit einem geschwungenen M.

Es war überdeutlich, welchen Interessen der junge Mann nachging und ich zählte mich bei den Göttern nicht zu den hässlichen Geschöpfen dieser Erde. Warum ging also dieser Typ unbesonnen an mir vorbei, ohne die kleinste Regung zu zeigen? Ich würde lügen, wenn mich dies nicht etwas kränkte.

„Hier. Hab sie mal falsch gewaschen und zu heiß getrocknet, aber dir dürften sie passen.“

Mit diesen Worten legte er mir ein paar alte Lumpen hin, die er Kleidung schimpfte, ging dann zu seiner Kochnische und wühlte im Kühlschrank rum. Skeptisch blickte ich auf das Bündel hinab, bis ich mich endlich überwand und es widerwillig überstreifte.

Socken, Shorts, eine Jeans, die dank eines Stoffgürtels baggymäßig auf meiner Hüfte saß und ein Kapuzenshirt, welches sich fast schon eng an meinen Oberkörper schmiegte. Es war weder mein Stil, noch meine Marke – wenn es denn überhaupt eine war. Aber alles roch nach ihm, was es seltsam erträglich, fast angenehm machte.

Wieder fixierte ich diesen Fotografen, der eine innerliche Ruhe und äußerliche Freundlichkeit ausstrahlte, dass es mich fast anwiderte. Entweder war man in meiner Umgebung untertänig, ängstlich oder rattengeil und nichts traf auf ihn zu. Es kratzte genauso an meinem Ego, wie es mich neugierig machte.

Dieser Typ begann Sandwiches zu machen, mit frischen Zutaten wie Tomate, Gurke, Salat und Putenbrust. Doch ich hatte etwas anderes entdeckt, als er abermals den Kühlschrank öffnete. Ohne weiter auf ihn zu achten, ging ich darauf zu, holte den großen Teller aus dem Kältespeicher und stellte ihn in die Mikrowelle. Seine seltsam belegten Toastscheiben konnte er ruhig selber essen.

Nach knapp fünf Minuten ertönte das bekannte „Pling“, und das Essen war aufgewärmt. Ich setzte mich an die Theke, mit dem Rücken zu meinem Gastgeber, der weiter munter vor sich hinplapperte, wie er die Lasagne zubereitet hatte, mit etwas zu viel Zwiebel und Knoblauch, er aber trotzdem hoffte, dass sie mir schmeckte.

Mich interessierte das kein Stück. Ich war dermaßen ausgehungert, dass ich fast alles gegessen hätte, solange es warm und frisch war. In weniger als sechs Minuten hatte ich alles bis auf den letzten Krümel verputzt. Etwas zufriedener rutschte ich vom Barhocker runter und fläzte mich auf die Couch.

Meine Füße auf die Tischkante stellend, angelte ich mir die Fernbedienung und zappte gelangweilt durch das normale Programm. Es hätte mich auch stark gewundert, wenn er Pay-TV gehabt hätte. Wie eine kleine brave Hausfrau spülte der Typ meinen Teller ab und räumte die Küche auf, bevor er mir lächelnd ein eisgekühltes Becks Lemon reichte.

Gut, etwas Kräftigeres wäre mir jetzt lieber gewesen, aber besser als nichts. Also nahm ich es entgegen und noch bevor ich zum Trinken ansetzen konnte, stieß er mit dem Flaschenboden an meinen.

„Ich bin Aden“, sprach’s mit einem 1000-Watt-Lächeln und ließ sich neben mir auf die Couch nieder.

„Julian“, antwortete ich viel perplexer als mir lieb war.

Wieder ging dieser seltsame Ruck durch meine Brust, nur dieses Mal etwas heftiger. Auch wenn dieser Fotograf sich äußerlich recht nett und fürsorglich gab, schien er sich nicht im Geringsten für mich zu interessieren. Oder warum langte er nach einer Fachzeitschrift, anstatt meine Aufmerksamkeit zu gewinnen?

„Deine Eltern waren wohl auch Ami-Fans, weil unsere beide Namen auf Englisch ausgesprochen werden“, gab dieser Typ von sich, ohne mich anzusehen und vertiefte sich in seine Zeitung.

„Wahnsinn. Wir haben ja sooo viele Gemeinsamkeiten“, meinte ich sarkastisch und zappte übertrieben schnell durchs Fernsehprogramm.

Aber weder das, noch meine Anwesenheit lenkte ihn irgendwie ab. Genervt schaltete ich den Fernseher ab und warf die Fernbedienung scheppernd auf den Tisch. Unruhig stand ich auf und tigerte durch das kleine Zimmer, bis ich bei den Bücherregalen hängen blieb.

Hier standen ausschließlich Fantasy-Schinken, von bekannten wie unbekannten Autoren, dicke wie dünne Exemplare. Neugierig betrachtete ich einige Cover, die oft halbnackte Männer oder männliche Dämonen zeigten. Sogar die kurze Zusammenfassung auf den Buchrücken versprach mehr, nicht selten explizitere Eindrücke.

Und dann, von einer Sekunde auf die nächste, stand er hinter mir, so dicht, dass sein warmer Atemhauch meine Nackenhaare zum vibrieren brachte. Verwirrt von der Tatsache, dass es jemand schaffte, sich unbemerkt an mich ranzuschleichen und seiner plötzlichen, fast aufdringlichen Nähe, lehnte ich mich wie selbstverständlich an seine Brust.

Als wäre der Größere genau dafür geschaffen worden, mich so in den Arm zu nehmen, fügten sich unsere Körper für einen winzigen Moment zu einer Einheit zusammen. Sein zitroniger Geruch hüllte mich ein wie Nebel, der meiner aufkommenden Lust nur noch mehr Nahrung spendete. Schummrig geworden von den heftigen Eindrücken, schloss ich gequält meine Augen und stöhnte verhalten.

„Das ist eines meiner Lieblingsbücher, über einen Jungen, der sich nichtsahnend in einen Dämonen verliebt und über einen Dämon, der sich Hals über Kopf in einen Menschen verliebt, ohne zu wissen, welch gefährliches Erbe in ihm schlummert. Mich beeindruckt immer wieder die Wandlung der Charaktere, wie stark beziehungsweise schwach sie füreinander werden – und wie sehr der Schein am Anfang bei beiden trügt.“

Diese traurige Leidenschaft, mit der er sprach, war zu viel. Kein Buch hatte so eine Aufmerksamkeit verdient! Nur ich! Schwungvoll drehte ich mich um und stellte diesen Fotografen so das Bein, dass er mit einem leichten Stoß der Länge nach zu Boden fiel.

Kurzerhand setzte ich mich auf seine Hüfte und presste ihm einen derben, verlangenden Kuss auf die Lippen. Aber weder hielt er erschrocken inne, noch gab er sich mir freiwillig hin. Es waren nicht mal Sekunden, in denen sich unsere Münder trafen, als der andere mich grob von sich runter stieß und ich direkt mit dem Rücken ans Sofa prallte.

Ein unglaublicher Schmerz explodierte in meiner Schulter und ließ mich kurz Sterne sehen. Stöhnend lag ich auf dem Boden und versuchte, wieder Herr über meine Sinne zu werden. Abermals überraschte mich dieser Fotograf. Behutsam nahm er mich auf seine Arme, ging ins Schlafzimmer und ließ mich sanft auf das Bett nieder. Und während sich mein Blick langsam wieder klärte, brachte er mir ein Glas Wasser samt zwei Tabletten.

„Der Doc meinte, du sollst sie nehmen, wenn es dir nicht gut geht.“

Missgestimmt funkelte ich mein Gegenüber an, der sich auf die Bettkante gesetzt hatte. Wie konnte er es nur wagen?! Wie konnte er mich dermaßen abweisen, nur um hinterher besorgt auf mich herabzuschauen?! Und doch machte sich eine behagliche Wärme in mir breit, als ich widerwillig die Medikamente schluckte, immer schläfriger wurde und er fürsorglich die Decke über mich ausbreitete. Wie von selbst wanderte meine Hand zu seiner, als er aufstehen und weggehen wollte.

„Bleib hier“, nuschelte ich schwach, kaum noch in der Lage, die Augen offen zu halten. Er lächelte mich liebevoll an und legte sich dann ohne einen Kommentar neben mich. Weiterhin Händchen haltend lagen wir da, die Gesichter uns zugewandt, bis ich in einen ruhigen Schlaf glitt, ohne Schmerzen.

Erst am nächsten Morgen erwachte ich mit einer seltsamen Ruhe in mir, die ich so bisher nicht kannte. Es war noch recht früh. Die Dämmerung zauberte eine sanfte Mischung aus Lila- und Orangetönen, die sanft durch das große Fenster schienen. Tief atmete ich den zitronigen Duft ein, der ein wohliges Kribbeln über meine Haut jagte.

Dann spürte ich den sachten Lufthauch im Nacken und den warmen Körper im Rücken. Scheinbar war er mit eingeschlafen und nun lagen wir aneinander gekuschelt da, wie nach einer erfüllten Liebesnacht. Und wäre das nicht schon unerträglich genug, dann war es sein Arm, der locker über meine Hüfte lag und die Hand nahe bei meiner Körpermitte.

Ich bräuchte mich nur etwas nach vorn beugen – nur ein winziges Stück – und er würde mich berühren. In einigen Angelegenheiten mangelte es mir schon immer an Selbstbeherrschung. Leicht lehnte ich mich nach vorn und seufzte wohlig auf, als seine Finger mich berührten. Zwar trug ich noch immer Shorts, dennoch fühlte es sich unheimlich erregend an und mein Innerstes schrie regelrecht nach mehr.

Mir war bewusst, dass mich dieser Fotograf wieder von sich stoßen würde, sobald er mitbekam, was hier vor sich ging. Trotzdem war es mir unmöglich aufzuhören. Meine Bewegungen wurden etwas schneller und als ich schon meine Hand auf seine pressen wollte, packte er zu.

Erschrocken riss ich die Augen auf und holte zischend Luft. Ehe ich reagieren konnte, schlang er von unten den rechten Arm um meinen Oberkörper und zog mich dicht zu sich heran, während er mit der anderen Hand mir die Shorts etwas runter zog. Sanft begann er mich zu verwöhnen, bis mein Atem schneller wurde und erste Lusttropfen zu fließen begannen.

Selbst die wusste er für sich zu benutzen, neckte meine Brustwarzen, während er immer schneller wurde. Und als ich seine Lippen an meinem Ohrläppchen spürte, fühlte, wie sein heißer Atem über meine feucht geschwitzte Haut strich, war es um mich geschehen.

Noch Minuten später zuckte mein Körper leicht nach, unter dem heftigsten Gefühlsausbruch, den ich seit langem hatte. Die ganze Zeit hielt mich dieser Fotograf fest, als wollte er nicht die kleinste Regung meinerseits verpassen. Erst als ich mich gänzlich beruhigte, regte sich der andere.

„Fühlst du dich jetzt besser?“, hauchte er mir sanft ins Ohr, was mir eine wohlig-prickelnde Gänsehaut bescherte.

Ein diabolisches Lächeln schlich sich auf meine Lippen, war das für mich doch erst der Auftakt.

„Gut. Denn das war eine einmalige Sache“, sprach’s, wand sich unter mir hervor und machte Anstalten aufzustehen. Erst beim zweiten Herzschlag drangen seine Worte komplett zu mir durch. Schnell drehte ich mich um und bekam noch sein Handgelenk zu fassen.

„Das ist doch wohl ein Scherz?!“, blaffte ich angepisst und funkelte ihn wütend an. Nichtssagend schaute er ausdruckslos auf mich herab. „Bei mir zählt so etwas lediglich zum Vorspiel!“, bekräftigte ich mein Anliegen, worauf seine Züge wieder weich wurden.

„Wir spielen nicht in der gleichen Liga“, stellte er ruhig klar, als würde er einem Kleinkind erklären, dass Feuer heiß ist, wissend, dass es erst beim ersten Test verstand. Sanft machte er sich von mir los und ging Richtung Bad. „Ich habe dir frische Handtücher und eine neue Zahnbürste hingelegt. Der Doc meinte, wir können gleich am Morgen zu ihm gehen, wenn du wieder wach bist. Da ist am wenigsten bei ihm los.“

Nun lächelte dieser Fotograf wieder gutmütig, als wäre überhaupt nichts passiert. Ich hingegen zitterte vor Wut. War das seine perfide Art von Zuckerbrot und Peitsche? Er hatte mir verdammt nochmal einen runtergeholt! Warum machte er nicht weiter? Gleiche Liga hin oder her, dieser Typ stand auf Männer. Das bezeugte nicht nur die Bilder an seiner Wand und Bücher in den Bücherregalen.

Kein normaler Hetero würde einen anderen Mann so anfassen. Und doch erkannte ich nicht die kleinste Regung an ihm, als er am Bettende vorbei ins Bad marschierte. Weder im Gesicht noch in den tieferen Regionen. Entweder hatte dieser Fotograf einen verdammt kleinen Schwanz, den man nicht mal in der enganliegenden Retro ausmachen konnte, oder ihn hatte das ganze Theater vollkommen kaltgelassen.

Weder das eine, noch das andere wollte mir gefallen. Dass ich schlichtweg nicht sein Typ war, fiel für mich komplett aus, es sei denn, er stand auf alte, verpickelte Säcke. Missgestimmt reinigte ich mich kurzerhand an der Decke und stapfte dann ins Bad. Meine morgendliche Routine war schnell erledigt, auch wenn dieser Fotograf mir ständig im Weg stand.

Wenigstens setzte er noch rechtzeitig frischen Kaffee auf, sodass ich mir als erstes eine Tasse nahm, ehe der letzte Tropfen durch war. Normale Brötchen vom Bäcker schien für ihn der pure Luxus zu sein, wenn ich mir so diese mickrigen Teigklümpchen anschaute, die einsam im Ofen vor sich hin backten.

Seufzend setzte ich mich auf einen der Barhocker, während der andere Teller, Messer und Belag sorgfältig auf dem Tresen verteilte. Wir frühstückten überwiegend in schweigender Runde und als ich zum Ende hin die zweite Tasse Kaffee genoss, räumte dieser Fotograf die Küche auf. Wenigstens da war er gründlich.

Wenig später stand ich auf der Straße und schaute entgeistert das mickrige, veraltete Ding an, welches der Größere Auto schimpfte. Ich war ja viel gewöhnt, ein Panamera, ein CLS 55 AMG, zur Not vielleicht noch ein 750i BMW, aber DAS… Mit gerümpfter Nase betrachtete ich das Heck, auf dem vereinzelt Rost sich seinen Weg durch das Metall fraß und sich unerbittlich um ein paar Buchstaben schlang. Corsa.

Ich sollte zusehen, dass ich hier so schnell wie möglich verschwand. Zum Glück dauerte die Fahrt nicht allzu lang. Kurz darauf betraten wir eine Art Warteraum, wie so typisch bei vielen Ärzten. Während meine Begleitung ein Telefonat via Handy entgegen nahm und irgendetwas von Abendessen und einem Event redete, sah ich mich gemütlich um.

Etwas von Interesse gab es hier nicht, also lauschte ich auf die Stimmen ein paar Türen weiter. Gemächlich ging ich auf diese zu und lugte vorsichtig um die Ecke, vermutlich in ein Behandlungszimmer. An den Wänden standen weiße Schränke mit milchigen Glastüren und in der Mitte thronte eine stilgerechte Liege, auf der ein breitschultriger Mann saß, welcher sich mit dem Kittelträger lauthals stritt.

„Manches Mal zweifle ich wirklich sehr, dass du deinen Doktortitel auf legalem Weg erhalten hast.“

„Sowas habe ich nie behauptet. Und jetzt hör auf hier rumzubrummen! Wenn du meinen Rat befolgt hättest und diese Unternehmungen endlich unterlassen würdest, müsste ich mir hier nicht zum frühen Morgen dein Gejammer anhören.“

Die Erwiderung war ein undeutliches Grummeln. Der Patient stand auf und zog sich ein enges, arg mitgenommenes Shirt über. Dann schaute er mich direkt an. Solch eiskalte graue Augen hatte ich bisher noch nie gesehen. Er verabschiedete sich mit einem Nicken vom Doc und ging dann geschmeidig an mir vorbei. Wüsste ich es nicht besser, würde ich glauben, eine Wildkatze wäre an mir entlang geschlichen.

„Es ist unhöflich, andere zu belauschen“, lenkte der Arzt meine Aufmerksamkeit auf sich, während er die Liege desinfizierte und mir dann bedeutete, darauf Platz zu nehmen. „Selbst für einen jungen Lord eures Standes. Oder sollte ich besser ‚ehemaliger Lord‘ sagen?“

Alarmiert horchte ich auf und verfolgte die Bewegungen des anderen genau. Dieser wusch sich gemütlich die Hände und streifte sich neue Einweghandschuhe über.

„Seid beruhigt. Von mir geht keine Gefahr aus – vorerst. Zieht euer Shirt aus.“

Mit gerunzelter Stirn tat ich wie geheißen.

„Woher kennt ihr mich?“, fragte ich, ohne den lauernden Unterton ganz verbannen zu können.

„Ich bin Mediziner und behandle die ungewöhnlichsten Patienten, die oft nur auf mich angewiesen sind. Es wäre fatal, wenn ich meine Lieferanten von gewissen Betäubungsmitteln nicht gut kennen würde.“

„Wenn dem so ist, benötige ich eure Hilfe.“

„Sicherlich. Euer Onkel ruiniert mir gerade das Geschäft. Dennoch ist meine Hilfe teuer.“

„Wie teuer?“

„Ein Gefallen zur gegebener Zeit.“

Vor Verwunderung schnaubend, wollte ich mich zu dem Doc umdrehen. Aber er hantierte – mit Absicht? – etwas derber an meiner Schulter, weswegen ich doch lieber ruhig sitzen blieb.

„Gut“, nickte ich also zustimmend – wohlwissend, dass in meiner Welt das Wort bindet. Vielleicht war mein Vater einer der größten Drogenbosse Deutschlands und ich sein verzogener Sohn. Dennoch brachte man mir sehr wohl bei, was Ehre bedeutete.

„Es gibt bei euch einen alten Brauch, wenn ein großer Kopf der Gemeinschaft abdankt. Der neue Amtsanwärter muss sich die Unterstützung der Familie sichern“, holte der Doc aus.

„Der Leichenschmaus“, murmelte ich nachdenklich.

„Ich sorge dafür, dass ihr rechtzeitig über den Ort und die Zeit der Veranstaltung in Kenntnis gesetzt werdet und wie ihr relativ gefahrlos vorsprechen könnt. Was ihr dann daraus macht, ist eure Sache. Sobald ihr die Informationen in den Händen haltet, ist mein Teil der Abmachung erledigt.“

Ich wollte gar nicht genau wissen, wie er gedachte, an alles ranzukommen, denn so eine Vollversammlung der Elite des Untergrundes wurde sehr vertraulich behandelt. Aber das sollte nicht mein Problem sein. Ich hatte vor, mir meinen Besitz und angestammten Platz wieder zurückzuholen – koste es, was es wolle.

Den restlichen Tag verbrachte ich allein in dieser Hundehütte des Fotografen. Er hätte ein Termin, der gut bis zum Abend gehen könnte und ich solle mich in der Zeit wie zu Hause fühlen. Um das zu realisieren, fehlten dieser Absteige mindestens 200 Quadratmeter.

Total begeistert schnappte ich mir wahllos ein Buch aus dem Regal und begann, lustlos zu lesen. Dennoch kreisten ständig meine Gedanken um meinen Onkel, die Firma und wie ich diese zurückgewinnen könnte. Mir war klar, dass ich nicht nur auf die Informationen des Docs bauen durfte.

Ich sollte selbst Nachforschungen anstellen, damit ich mich nicht blind auf jemand Fremdes verlassen musste. Eine Waffe wäre auch nicht schlecht, obwohl es notgedrungen auch ein Küchenmesser machen würde, schließlich legte dieser Fotograf sehr viel Wert auf die Funktionalität seiner Kochutensilien.

Seufzend schloss ich das Buch und betrachtete den Einband genauer. ‚Das Dämonenmal‘ von Chris P. Rolls… sein Lieblingsbuch. War die Tatsache, dass mich hier keiner meiner Gegenspieler suchen würde, der einzige Grund, warum ich auf dem verschlissenen Sofa sitzen blieb? Kräftig genug, um ein paar Kontakte abzuklappern, war ich allemal. Und dennoch ging mir sein Lächeln nicht aus dem Kopf, der Geschmack seiner Lippen und die Wirkung seines Atems auf meiner Haut.

Das freudige Gegacker im Treppenhaus hörte man schon weit bevor die Tür geöffnet wurde. Schnell schlug ich wieder das Buch auf und schaute so ausdruckslos wie nur möglich auf die Seiten. Kichernd betraten die beiden die Wohnung und unterhielten sich über ein Event und verschiedene Fotografen.

„Oh, das ist also dein neuer Mitbewohner. Hallo, ich bin Isabel“, stellte sich diese Frau vor, die mir schon jetzt auf den Keks ging.

„Schön für dich“, gab ich kalt zurück, ohne aufzuschauen.

„Oh, sehr charmant, der Kleine“, lachte sie lediglich und betrachtete mich eingehender. „Er hat ein hübsches Gesicht, vor allem, wenn er versucht, böse auszuschauen.“

Bitte? Hatte denn niemand mehr Respekt vor mir?

„Nur an seinen Haaren müsste man was machen. Das Silber sah bestimmt gut aus, aber jetzt halb rausgewachsen…“

„Bel, hör auf ihn so anzustarren, als wäre er ein neues Kunstobjekt“, rügte dieser Fotograf nach meinem Geschmack zu liebevoll und reichte uns dann ein Glas Weißwein. „Du musst sie entschuldigen Jul, aber sie ist eine Vollblutstylistin durch und durch. Also, auf das Leben!“

„Du bist ein widerlicher Optimist, Aden, dass es schon an Perversion grenzt. Vom Leben habe ich erst mal die Nase voll.“

Während ich das Glas in einem Zug leerte, nippten beide lediglich daran.

„Vergiss den Typen, Isabel. Ich habe versprochen, dich abzulenken und mein weltbestes Fischcurry wird das auch schaffen.“

Na super. Zuerst dieser dauernette Typ, der sich zu nichts hinreißen lässt und jetzt eine schräge Tussi mit Herzschmerz. Den Abend hatte ich mir anders vorgestellt… prickelnder… mit ihm. Es ging nicht mehr zu leugnen. Ich wollte ihn besitzen und zwar ganz, wie noch nie jemanden zuvor.

Kurz kam ER mir in den Sinn und mein fanatischer Drang, ihn einzunehmen. Noch immer kribbelten meine Fingerspitzen, wenn ich an seine hochgewachsene Gestalt dachte und seine tiefgrünen, dunkelglitzernden Augen. Aber das von damals glich eher einer Schwärmerei im Gegensatz zu dem, fast körperlich schmerzhaften Verlangen, was ich jetzt empfand.

Es war halt etwas vollkommen anders, jemand Fremdes von weitem anzuhimmeln, mit der Gewissheit, ihn nie erreichen zu können, als ihm direkt gegenüberzustehen.

Dieses aufmunternde Gequatsche zwischen weiblichen Seufzern konnte ich mir nicht länger antun. Sollte sie doch weiter zusammengesunken auf dem Barhocker am Tresen sitzen, während er fröhlich den Kochlöffel schwang. Ich warf genervt das Buch auf den Tisch und störte mich nicht im Geringsten daran, dass ich dabei das Weinglas traf, was scheppernd umfiel und zerbrach.

Meine Schuhe hatte ich schnell angezogen und die 50 Euro, die ich mir aus dem Portemonnaie des Fotografen nahm, standen mir meiner Meinung nach eh zu – als Schadensersatz für diese unstandesgemäße Behandlung. Die Tür knallte lauter ins Schloss als sie sollte, aber mir persönlich war das eh egal.

Zum Glück befand sich diese Wohnung relativ in Stadtnähe, weswegen ich den Weg zu meinem Stammlokal zu Fuß auf mich nahm. So konnte ich mich abreagieren und die nächsten Schritte planen. Obwohl ich meiner Ansicht nach etwas heruntergekommen aussah, ließ man mich am Eingang ohne Weiteres passieren. Wenigstens hatte hier mein guter Name noch was an Wert.

Zwar war es noch recht früh am Abend, trotzdem war das Etablissement gut besucht, als sei es ein Uhr morgens. Ein leichtes Lächeln verirrte sich auf meine Lippen. Hier gab es keine Tageszeit, denn hier war es immer Nacht. Ich lief gleich zur Bar und bestellte mir einen Martini.

Keine Sekunde später gesellte sich ein Typ zu mir, lud mich ein und bekundete näheres Interesse. Doch deswegen war ich nicht hier – zumindest nicht nur. Ich stellte das leere Glas beiseite, ignorierte den Freak neben mir und ging direkt auf einen jungen Mann zu, den ich für mich auserkoren hatte.

Gemächlich umrundete ich zwei Frauen, die auszutesten schienen, welches Zungenpiercing besser schmeckte, wich zwei Jungs aus, die so eng miteinander tanzten, dass man glauben könnte, sie hätten sich mitten auf der Tanzfläche vereinigt, bis ich ein paar Meter vor meinem Objekt der Begierde stehen blieb.

Gelassen schaute ich ihm zu, wie er einen Kerl nach seiner Nase tanzen ließ, bis sein Blick den meinen traf. Als hätte ich ihn mit einem Bann belegt, schaffte er es nicht, sich abzuwenden – und er wollte es auch gar nicht. Mit einem diabolischen Lächeln zog er den Kerl näher zu sich, schwang seine Hüfte aufreizend zur lauten Musik, zog dessen Shirt etwas nach oben, nur um mir zu zeigen, dass er über dessen Haut kratzte.

Selbst als er dem anderen einen wilden Kuss aufzwängte, ließ er mich nicht aus den Augen. Es war sein Begrüßungsgeschenk an mich und ich müsste lügen, wenn ich behauptete, diese Show würde mich gänzlich kaltlassen. Schlussendlich hatte er doch genug von dem Kerl, ließ diesen einfach stehen und kam elegant auf mich zu.

Kurz vor mir verbeugte er sich leicht und erwiderte mein knappes Kopfnicken mit einem lüsternen Lächeln. Langsam umrundete er mich, ließ seine Hand über meinen Bauch, Rücken und Nacken gleiten, bis er mir wieder zugewandt dastand und mich in eine sachte, rhythmische Bewegung zwang. Ich mochte das Spiel der Muskeln unter seinem dünnen Shirt und freute mich schon jetzt auf seinen sehnigen Körper.

„Auch wenn andere Umstände mir lieber wären, aber mein Lord besucht mich gewiss nicht ohne Grund nach seinem schweren Fall“, fragte mein Tanzpartner und wieder musste ich schmunzeln. Dieser Mann sah nicht nur verdammt gut aus, er hatte auch Köpfchen.

„Später“, knurrte ich lediglich und verbiss mich verlangend in seine Lippen.

Es dämmerte gerade, als ich mich am Morgen auf den Heimweg machte. Mein Spielkamerad bot mir zwar an, bei ihm eine Weile unterkommen zu können, aber dieser Fotograf war die einzige Verbindung zum Doc und ich brauchte dessen Informationen als Gegenprobe.

Die Nacht war erfüllend und erfolgreich zugleich. Ich hatte vieles erfahren. Dinge, die meiner Familie und den gesamten Geschäftspartnern, unter anderem sehr alte Freunde meines Vaters, sehr gefährlich werden könnten. Ans Licht gebracht wäre das der Todesstoß für meinen entgleisten Onkel. Jetzt galt es lediglich, die rechten Dinge zur rechten Zeit zu tun und ich hätte mein Imperium wieder.

Das Türschloss zu knacken war so lächerlich einfach, dass ich darüber lediglich mit dem Kopf schütteln konnte. Doch drinnen angekommen stockte ich mitten in der Bewegung. Sie war noch da, schlief friedlich auf dem Sofa in einer Decke eingekuschelt. Mein Magen zog sich seltsam zusammen und auch wenn ich es nicht wirklich wahrhaben wollte, brannte bittere Eifersucht in mir auf.

Mit zusammengebissenen Zähnen schlich ich näher und musterte sie genau. Entweder hatte sie sich frisch gestylt oder sie war wirklich eine Meisterin ihres Fachs. Ihr Make-up war kaum oder gar nicht verschmiert und ihr Haar fiel dermaßen perfekt über das Gesicht und Kissen, dass man fast annehmen könnte, es sei dort drapiert worden.

Leise ging ich an ihr vorbei zum Schlafzimmer und als ich ihn dort nicht fand, weiter ins Bad. Er stieg gerade aus der Dusche, die Haare nass, die Haut übersät mit tausend kleinen Wassertropfen. Wieder ging dieser seltsame Ruck durch meine Brust, nur dass es dieses Mal fast schmerzte. Als wäre ihm gleichgültig, wo ich über Nacht gewesen war, verzog er die Lippen zu seinem üblichen freundlichen Lächeln, aus dem man nicht mal herauslesen konnte, ob er sich über meine Rückkehr freute.

„Ich bin hier gleich fertig“, sagte er sanft und langte nach dem Handtuch.

„Ich aber noch lange nicht“, blaffte ich wütend, entriss ihm das Frottee und warf es beiseite, während ich die letzte Distanz zwischen uns überwand.

Schnaubend stieß ich den anderen an die nächste Wand und presste mich verlangend an ihn. Kurz flackerte etwas in seinen Augen auf, was an Begierde grenzte, doch ich bekam keine Gelegenheit, es zu fassen, geschweige denn auszubauen. Noch ehe ich es schaffte, ihm einen Kuss zu stehlen, schob er mich grob auf Armeslänge von sich weg.

„Dieses Thema ist geklärt“, sagte er neutral und strich mir nach deutlicher Überwindung das Haar zurück. Dann hob er gemächlich das Handtuch auf und ließ mich allein im Bad stehen.

Wie von einem verfluchten Bann getroffen stand ich da und konnte mich nicht rühren. Meine Haut am Hals, die er nur kurz mit den Fingerspitzen berührt hatte, brannte so heiß, als hätte er mich gebissen. War ich ihm etwa zu jung, oder wieso tätschelte er mich wie ein Kleinkind?

Dass ich am ganzen Körper bebte, merkte ich erst, als ich mich haltsuchend am Waschbecken festkrallte. Noch nie war ich mehrmals von der gleichen Person so gedemütigt worden! Würde nicht meine Zukunft samt meinem alten Imperium von ihm abhängen, hätte ich mir längst genommen, was mir zusteht. IHN! Und das mit allem Drum und Dran.

Wütend betrachtete ich mein Spiegelbild. Mein Gesicht war etwas schmaler geworden und hatte an Weichheit eingebüßt. Aber trotz der leichten Augenringe sah ich dennoch perfekt aus. Oder? Mein Spielzeug von gestern kam mir in den Sinn und wie er mir durchs lange Haar fuhr, fast so wie dieser Fotograf eben.

War es das? Sah ich zu weibisch aus? Und wenn, warum sollte mich das kümmern? Mein Blick fiel auf die Schere, die neben dem Verbandzeug auf einem Schrank lag. Entschlossen nahm ich diese in die Hand und schnitt alles ab, was bis über die Ohren hing. Die losen Haare ließ ich an Ort und Stelle fallen. Sollte dieser Typ doch sehen, zu was er mich gebracht hatte.

Missgestimmt warf ich die Schere ins Waschbecken. Ich fühlte mich keinen Deut besser als vorher, sah jetzt aber total verunstaltet aus. Seufzend verließ ich das Bad und ging in die Wohnstube, wo die Frau noch immer auf dem Sofa schlief, während dieser Fotograf versuchte, leise Kaffee zu kochen.

„Hey, du. Wach auf!“, meinte ich rüde und rüttelte grob an ihrer Schulter. Viel zu langsam machte sie endlich ihre Augen auf und schaute stirnrunzelnd zu mir hoch.

„Deine nette Art ist wirklich herzerwärmend“, grummelte sie verschlafen und entdeckte dann meinen missglückten Stylingversuch.

„Zeig was du kannst!“, ignorierte ich ihren fragenden Blick und gab ihr gleichzeitig den Freifahrtschein, mit meinen Haaren zu machen, was sie wollte. „Oder hat er deine Künste zu hoch gelobt?“, setzte ich noch nach, als sie sich nicht gleich bewegte. Gähnend setzte die Frau sich auf und sah mich leicht lächelnd an.

„ER hat einen Namen. Sprich ihn aus und ich lege sofort los.“

Bitte? Machte hier denn etwa keiner, was er sollte?! Fest presste ich meine Hände zu Fäusten und versuchte, mich krampfhaft zu beruhigen. Ich hasste Namen. Damit band man sich zu sehr an die Leute und diese engere Nähe konnte ich nicht ausstehen. Etwas anderes blieb mir allerdings nicht übrig, es sei denn, ich wollte eine Zeit lang als Vogelscheuche rumlaufen und das kam überhaupt nicht in Frage. So holte ich tief Luft und presste den Namen mühselig hervor.

„Aden.“

Meine Wangen brannten heiß auf, als wäre ich verlegen und ein Scheppern aus der Küche verkündete die Reduzierung einer Tasse aus dem so schon geringen Bestand. Die Frau war vorerst zufrieden und das genügte mir. Da sie von der Arbeit gleich hier hergekommen war, hatte sie zu ihrem Glück das passende Werkzeug dabei und legte sofort los.

Sie plapperte die ganze Zeit vor sich her, fachsimpelte über verschiedene Ansätze und Farbvarianten, was dieser… Aden… mit einem hilflosen Schulterzucken kommentierte. Ich versuchte, ihr Gerede weitestgehend zu ignorieren, während ich meinen Kaffee trank.

… Aden…

Wieso bekam ich noch immer eine leicht prickelnde Gänsehaut, wenn ich lediglich an den Namen dachte? Er hatte sich an seinen Rechner gesetzt und versuchte, die Fotos von gestern zu überarbeiten. Für mich sah es lediglich nach lustlosem Rumgeklicke aus. Und er mied den direkten Blickkontakt mit mir.

Hatte er ein schlechtes Gewissen wegen der Haare? Gut so. Dann nahm ich wenigstens einen kleinen Teil seiner Gedanken ein. Nach gut einer Stunde Farbeinwirkung und Geschneide war es endlich vorbei. Stolz präsentierte mir die Frau in einem größeren, runden Spiegel ihr Werk und schaute mich erwartungsvoll an.

Zu meinem Leidwesen – oder ihrem Glück? – konnte sich das Ergebnis wirklich blicken lassen. Sie hatte mir einen eleganten Kurzhaarschnitt verpasst, wie die meisten Männermodels für teure Maßanzüge ihn trugen, in einem dunklen Braun, so dass meine eisblauen Augen regelrecht herausstachen. Ich sah mindestens zwei Jahre älter aus, was ich durchaus begrüßte. Selbst dieser Foto… Aden… machte große Augen, fing sich aber schnell wieder und lächelte wie üblich.

„Nett“, brachte er etwas zu neutral hervor und half dann seiner Freundin beim Aufräumen.

Die Verabschiedung der beiden fiel herzlich aus, als wenn sie sich die nächste Zeit nicht sehen würden. Dabei war es schon ausgemacht, beim nächsten Workshop übermorgen wieder zusammenzuarbeiten. Für meinen Geschmack benahmen die sich zu rührselig.

Wozu gaben die sich solche Mühe? Man brauchte gewisse Kontakte im Leben. Untergebene, Informanten, Geschäftspartner und hier und da ein kleines Spielzeug. Aber Freunde? Sie waren hinderlich und verlangten ständig nach Aufmerksamkeit. Und wenn es wirklich hart auf hart kam, konnte man sich auf niemanden verlassen. Jeder war käuflich oder erpressbar.

Ich saß wieder auf der Couch mit dem Buch vom letzten Mal in der Hand. Es war wirklich interessant, wenn auch für mich in mancher Hinsicht nicht nachvollziehbar. Wäre ich dieser Dämon, hätte ich den Kleinen längst verschlungen, bevor er zum Jäger erwacht. Aber so war es immer in diesen vor Herzschmerz triefenden Geschichten. Der Böse bekam entweder einen Arschtritt oder wandelte sich zum Guten.

Erst als ein warmer Atem meinen Nacken streifte, bekam ich mit, dass… Aden… hinter mir stand und sich locker auf der Lehne abstützend mir über die Schulter ins Buch schaute.

„Wie findest du es?“, hakte er sanft nach… zu sanft.

„Was soll das werden?“, fragte ich skeptisch. Sonst interessierte er sich doch auch nicht so brennend für mich. Schmunzelnd legte er seinen Kopf schief, was einfach nur unverschämt gut ausschaute.

„Small Talk?“, stellte er die Gegenfrage und sah mich weiterhin unverwandt an.

Ich konnte nicht anders als auf seinen Mund zu starren und leckte mir unwillkürlich über meine Lippen. Warum zierte sich dieser Typ auch so? Schwerfällig zuckte ich mit den Schultern und schluckte trocken.

„Die zwischenmenschlichen Szenen sind ganz gut“, versuchte ich so beiläufig wie möglich zu antworten, worauf dieser… Aden… nur lachte.

„Das Buch besteht aus mehr als nur Sex, genau wie das Leben“, verkündete er weise und setzte sich neben mich auf die Couch.

„Versuchen wir uns heute an Tiefsinnigkeit, ja?“, gab ich spitz zurück und stierte weiterhin die Seiten an, ohne wirklich zu lesen.

„Oberflächliches ist mir zu langweilig. Vielleicht kommt man mit der Masche manchmal schneller ans Ziel, aber man bleibt nie nachhaltig dort.“

Dieser… Aden… war nicht nur ein widerlicher Optimist, sondern ein rettungsloser Träumer. Geräuschvoll schlug ich das Buch zu und blickte ihm direkt in die Augen.

„Was nutzt Tiefsinn bei Unbeständigkeit? Früher oder später wird man immer verlassen. Die Alten sterben, die Jungen mutieren beim kleinsten Nutzen zu Verrätern. Natürlich gibt es im Leben mehr als Sex. Macht zum Beispiel oder Geld. Darüber kann man wenigstens frei verfügen.“

„Wenn du wirklich so denkst, bist du der ärmste Mensch, dem ich jemals begegnet bin.“

Es war kein Mitleid aus den Worten zu hören, sondern eine pure Feststellung. Und genau deswegen entzogen sie sich aus meinem Verständnis.

„Warum? Weil ich offen zugebe, was ich will, ohne es zu beschönigen? Auch wenn sich viele blumiger ausdrücken, jeder strebt nach Ansehen und Reichtum.“

„Aber nicht alle gehen dabei über Leichen.“

„Die meisten schließen einfach die Augen, wenn es ihnen zu dreckig wird, tun es aber trotzdem.“

„Hast du denn nie etwas gewollt, was nicht materiell oder machtbehaftet war?“

Ich zögerte nur kurz, bis ich wahrheitsgemäß antwortete.

„Einmal. Und der Verlauf gefällt mir bisher überhaupt nicht.“

Es war ungewiss, ob er die Anspielung verstand. Dieser… Aden… lächelte nur leicht und stand dann auf.

„In dieser Thematik bekommt man selten das, was man möchte.“

Klang er etwa traurig? Bitter? Nagte an ihm eine verflossene Liebe? Oh Mann, ich wollte ihn doch nicht heiraten, sondern lediglich eine kurze Weile besitzen und nach Herzenslust benutzen, je wonach mir gerade der Sinn stand. Ich war schon dabei, mir nettere Szenen mit ihm vorzustellen, als er hinter der Theke einen großen Umschlag hervorholte.

„Du solltest dem Doc nicht allzu sehr trauen. Zwar waren seine Informationen bisher immer korrekt, aber er lässt sich teuer bezahlen.“

Neugierig geworden hob ich eine Braue.

„Du sprichst aus Erfahrung?“

Kurz presste er die Lippen zusammen, sagte sonst aber nichts. Ich nahm den Umschlag entgegen, brach das Siegel auf und späte vorsichtig hinein. Wow. Der Doc hatte ganze Arbeit geleistet. In drei Tagen sollte das Treffen stattfinden, Zeit, Ort, Grundskizzen des Hauses samt Fotos der Teilnehmer, es fehlt wirklich an nichts.

Zufrieden verschloss ich den Umschlag, nahm ihn mit ins Bad, legte ihn auf einen Schrank ab und stieg unter die Dusche. Der Geruch vergangener Nacht und die kleinen Härchen vom Umstylen klebten noch immer an mir und begannen, unangenehm zu jucken.

Als ich mich nach gut 20 Minuten wieder abtrocknete und mich Zähne putzend im Spiegel betrachtete, entdeckte ich den winzigen Knutschfleck am Hals, genau dort, wo mir dieser… Aden… am Morgen die Haare zurückgestrichen hatte. War für ihn etwa deswegen das Thema geklärt, wie er es formulierte? Was für altmodischen Verhältnissen hing dieser Fotograf denn himterher?

Es war doch nur logisch, dass ich mir für die Nacht jemand anderes zum Vergnügen suchte, wenn er meine Nähe so rigoros verschmähte. Missbilligend musterte ich die lila Verfärbung auf meiner Haut und nahm mir vor, meinem Spielzeug beim nächsten Mal klarzumachen, dass nicht ich die Beute war, die es zu markieren galt, sondern er allein.

Im Schlafzimmer lagen frische Sachen für mich bereit und so setzte ich mich neu eingekleidet aufs Bett, breitete den Inhalt des Umschlags breitflächig aus und studierte jedes einzelne Blatt genau. Schließlich sollte ich gut vorbereitet sein, wenn ich bei einer Sitzung der größten Drogenbosse ungesehen hineinplatzen wollte.

Der restliche Tag und der darauf folgende zogen sich dermaßen hin, dass ich vor Langeweile diesen… Aden… sogar zum Einkaufen begleitete. Sein Kühlschrank war leer und ich hatte üblen Hunger. Außerdem wollte ich nicht schon wieder in dieser Hundehütte allein rumhocken.

Während er so gesunde Sachen wie Obst und Gemüse in den Korb warf, schaute ich nach guter Schokolade und einem erstklassigen Wein. Dass diese zwei Produkte fast genauso teuer waren wie das restliche Zeug im Korb, was er für den Haushalt und sonst im Allgemeinen brauchte, störte mich absolut nicht.

Ich war sogar so zuvorkommend und warf den 50-Euro-Schein der Kassiererin hin, den ich mir genommen hatte und überließ das Restgeld dem anderen. Vielleicht hörte er dann endlich auf, mich so seltsam anzuschauen, als wäre ich selbstmordgefährdet. Dieser… Aden… versuchte zwar, es zu verbergen, aber seit er mir den Umschlag gegeben hatte, schien mir sein Lächeln nur noch aufgesetzt.

Es dauerte ewig, bis er alles in den beiden Einkaufstüten verstaut und nach Hause geschleppt hatte. Ich lief grübelnd neben ihm her, mit den Händen in den Taschen und versuchte, mich auf Sonntag zu konzentrieren. Aber ständig schweiften meine Gedanken ab. Zu ihm.

Endlich angekommen warf ich mich aufs Sofa und las das Buch komplett aus. Dieser… Aden… spielte in der Zeit die perfekte Hausfrau, brachte die Wohnung auf Vordermann und kochte einen Käse-Lauch-Hackfleisch-Eintopf, den er uns mit frisch aufgeschnittenem Baguette servierte. Gut gesättigt saßen wir beide wenig später auf dem Sofa, schauten so einen actiongeladenen Vampir-Werwolf-Film und genossen den guten Wein, welchen ich rausgesucht hatte.

Eine ganze Weile schaffte ich es wirklich, mich auf die Handlung zu konzentrieren und nicht ständig zur Seite zu schielen. Es war wie ein Zwang, ihn ständig anstarren zu müssen. Mir war noch immer nicht ganz klar, warum ich so großen Wert darauf legte, von ihm beachtet zu werden, schob es aber vorerst auf die ungewohnten Körbe, welche mir bisher noch nie gegeben worden waren. Wollten die Menschen nicht eh immer das, was sie gerade nicht hatten?

Es war spät am Abend, der Film längst vorbei, als ich zum wiederholten Mal zu… Aden… hinüber linste. Er hatte sich ein Kissen geschnappt und sich an die Brust gedrückt, während seine Füße auf der Tischkante standen und sein Kopf bequem auf dem oberen Rand der Sofalehne lag. Seine Augen waren geschlossen, das Gesicht leicht zur Seite geneigt und der Mund etwas offen. Die Arme waren schwach auf die Couch gesunken, während er ruhig ein- und ausatmete.

Verwundert runzelte ich die Stirn. Dieser Typ arbeitete rund um die Uhr, war entweder durch Aufträge unterwegs oder tüftelte stundenlang an Bildern vor dem PC. Und in der mickrigen Freizeit, die er für sich aufbrachte, kümmerte er sich um die Wohnung oder um einen dahergelaufenen, fremden Jungen, den er noch nicht mal kannte.

Dieser… Aden… war hoffnungslos gutgläubig, fast schon naiv. An seiner Stelle hätte ich nie so gehandelt. Und doch war ich insgeheim froh, dass alles so gekommen ist, wie es war. Nur mühsam riss ich mich von seinem Anblick los, schaltete den Fernseher aus und strich dem anderen über die Wange.

„Hey. Lass uns ins Bett gehen. Komm.“

So sanft wie möglich weckte ich ihn auf, erhob mich und streckte ihm auffordernd meine Hand hin. Verschlafen sah er sich kurz um und dann zu mir hoch. Ohne zu zögern ließ er sich von mir auf die Beine ziehen und ins Schlafzimmer führen. Beide zogen wir uns bis auf die Shorts aus und schlüpften unter die Decke.

Wieder lagen wir mit dem Gesicht zueinander da und schauten uns eine Weile an, bis… Adens… Lider immer schwerer wurden und endlich zufielen. Schlaftrunken hob er den Arm, streichelte mir sacht über die Wange, bevor er komplett wegnickte. Es war unglaublich, wie viel Wärme diese kleine Berührung in mir entfachte. Ich fühlte mich erschreckend sicher und geborgen wie noch nie zuvor in meinem Leben.

Der nächste Morgen bestand aus wilden Flüchen, Rumgepolter und einer selbstgemachten Hektik, bei der ich nur missbilligend die Nase rümpfen konnte. Laut diesem… Aden… hatten wir wohl verschlafen und würden definitiv zu spät zu einem Workshop kommen, von dem er und diese Frau von vorgestern ständig erzählt hatten.

Es war recht amüsant, wie der sonst so ruhige Fotograf fast schon panisch das Zimmer nach anständigen Sachen absuchte, sich diese nachlässig überstreifte und gehetzt ins Wohnzimmer stürzte, um seine Arbeitsutensilien zusammenzuraffen. Er war fast an der Tür, als ich laut verkündete, dass ich ihn begleiten wollte.

Ungläubig schaute er mich an und bekam seinen Mund nicht mehr zu. Ich drehte mich gemütlich um, erledigte in Ruhe meine allmorgendliche Routine und war nach gut einer halben Stunde bereit, ihm nach draußen zu folgen. Eigentlich erhoffte ich mir dadurch, diesen… Aden… ein wenig aus der Reserve zu locken, ihn dazu zu bringen, mal nicht immer nett und zuvorkommend zu reagieren. Doch er blieb geduldig an der Tür stehen und konnte sich wohl nicht entscheiden, ob er nun froh oder lediglich skeptisch über mein plötzliches Interesse an seiner Arbeit sein sollte.

Wie vorhergesehen waren wir die Letzten an diesem… naja… Set konnte man es nicht wirklich schimpfen. Es befand sich in einem kleinen, mit Spanplatten extra abgetrennten Raum einer Lagerhalle, die gewiss schon bessere Tage erlebt hatte und in der es noch nach frischer Farbe roch. Davor hatte man ein kleines Buffet aufgebaut – wenn man ein paar Brötchen, Brezeln und Duplo als solches bezeichnen konnte. Wenigstens die modernere Kaffeemaschine besänftigte etwas mein Gemüt.

Dieser… Aden… wurde freudig begrüßt, als wäre er ein altbekannter Freund, weswegen in mir instinktiv eine Abneigung gegenüber den anderen wuchs. Nach einer kleinen Vorstellungsrunde, in der ich lediglich als Anhängsel von diesem Fotografen deklariert wurde, gingen die Handvoll Teilnehmer samt dem Leiter dieses Workshops in den eigentlichen Shootingraum, wo ein dürres Model knapp bekleidet in einem riesigen, grünen Sitzsack wartete.

Und während ich mich genervt auf eine Art Rattancouch verzog und grimmig dreinblickend an meinem Kaffee schlürfte, scharten sich die Anderen um den Gastgeber des Shootings, der begann, in wildem Fachchinesisch verschiedene Blitze und Einstellungen zu erklären, worauf alle eifrig nickten.

Ich vergrub mich in mein mitgebrachtes Buch, um mein Desinteresse nach außen hin zu verdeutlichen und hoffentlich diesen… Aden… dazu zu bringen, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Er hingegen klebte regelrecht an den Lippen des selbstverherrlichenden Typen auf Egotrip.

Ich kam nicht umhin, mir einzugestehen, dass es mir unheimlich gegen den Strich ging. Sein Hauptaugenmerk sollte auf mir liegen und auf keinen anderen! Kurz trafen sich unsere Blicke und ich legte all meinen Groll hinein, der in mir brodelte. Er schenkte mir lediglich ein beruhigendes Lächeln, was meinen Ärger ungewollt dämpfte.

Dann ging es richtig los. Das Model stellte sich in Pose und abwechselnd ging jeder Teilnehmer nach vorne und machte unter Anweisung des Leiters einige Fotos. Hinterher wurde alles besprochen, ausdiskutiert und bewertet. Es war totsterbenslangweilig. Doch dieser… Aden… ging richtig in seiner Arbeit auf. Alles Gesagte setzte er sofort um, spielte mit dem Model und der Technik, zur Begeisterung des Veranstalters.

Das hübsche Ding vor der Kamera störte mich dabei wenig, auch wenn mir ihre Stimme zu grell, ihr Gehabe zu aufgesetzt und ihr Genörgel – es sei ihr zu kalt oder die Pose wäre zu anstrengend – nervig war. Aber jedes Mal, wenn dieser… Mario?… meinem Fotografen über die Schulter schaute, wenn er viel zu nahe bei ihm stand, um an der Kamera eine Einstellung vorzunehmen, wenn er ihn lobte und… Aden… daraufhin strahlte wie die Sonne selbst, juckten mir die Finger.

Momentan gehörte dieser eigensinnige Fotograf mir und jeder sollte das wissen! Am liebsten wollte ich ihn packen, ihn an mich reißen, meine Hände tief in sein Fleisch graben, um feurig rote Besitzansprüche zu hinterlassen. Und als hätte dieser… Aden… meine Gedanken aufgefangen, schaute er nervös in meine Richtung. Sein Blick war schwer zu deuten, für mich alles andere als zufriedenstellend.

Es wurde Zeit, dass ich daran etwas änderte. Zuerst galt es, mich bei diesem quengeligen Model mit dem viel zu spitzen Kinn einzuschmeicheln. Ich legte das Buch beiseite, setzte mein charmantestes Lächeln auf und begann, mit der jungen Frau zu flirten. Bei den ersten Blicken, die ich ihr schenkte, verhalten, aber doch interessiert, runzelte sie verwirrt ihre hohe Stirn.

Doch als ich ihr eine Decke sanft über die Schultern legte, darauf bedacht, sie so wenig zu berühren wie möglich, um nicht zu aufdringlich zu wirken, während die Fotografen über etwas fachsimpelten und sie nicht beachteten, hatte ich ihre volle Aufmerksamkeit.

Ich begann, mich mit ihr zu unterhalten, über total belanglose Sachen, die ich gleich daraufhin wieder vergaß. Und als sie nun vor der Kamera posierte, schenkte sie jedes Lächeln, jeden Augenaufschlag mir. Die Fotografen freuten sich über das ausdrucksvolle, leidenschaftliche Gesicht des Models und ich mich über den wachsenden Unmut… Adens.

Er versuchte weiterhin, professionell zu arbeiten und dennoch spürte ich immer öfters seine Blicke auf mir ruhen. Woher sollte er auch wissen, dass mich dieses langbeinige Mädchen mit den wohlgeformten Rundungen absolut nicht interessierte. Es war schon fast zu einfach… und typisch Frau.

Kurz zuvor buhlte sie noch um jede kleinste Zuwendung des Veranstalters, kicherte auf jedes Wort oder schmollte bei einem Spruch, schaute ihn mit Hundeaugen an, als ob er der einzig wahre Fotograf dieser Welt sei, während er sich zu offensichtlich nur professionell für sie interessierte.

Und nun richtete sich ihr Fokus ganz auf mich. Gut, es war auch verständlich, schließlich zählte der andere weit mehr als 40 Winter und sah entsprechend verbraucht aus, während ich vor jugendlicher Frische nur so strotzte. Es verwunderte niemanden, dass ich zu ihr ins Auto stieg, als wir die Location nach draußen verlagerten, an einen alten Industriehafen. Zumal der kleine Peugeot RCZ des Models schon eher meiner Klasse entsprach.

Zum Glück dauerte die Fahrt nur wenige Minuten. Länger hätte ich ihr kindisches Gerede auch nicht ertragen. Und als ich die Zigarette, welche sie sich gerade anzünden wollte, einfach aus dem Fenster warf, senkte sie nur entschuldigend den Blick. Konnte dieser… Aden… denn nicht auch so fügsam sein? Wollte ich das überhaupt? Wäre dann noch immer dieser Reiz des Unerreichbaren da?

Die Kulisse war recht interessant. Asphalt wechselte sich mit Schienen ab, umgeben von Stahlträgern eines verrosteten Krans und fast leeren Wasserbecken im Hintergrund. Das Shooting fand überwiegend im Schatten statt und der Wind hatte etwas aufgefrischt, was das Model ständig zum Anlass nahm, sich wegen der Kälte zu beschweren. Ein Glück, dass Fotos nicht sprechen konnten, sonst würde es weit weniger ansehnliche Zeitschriften geben als jetzt.

Wenigstens konnte ich nun meinen größten Trumpf ausspielen. Vor der Abfahrt hatte ich heißen Tee in einen Thermobecher gekippt, den ich der jungen Frau nun in die Hand drückte. Sie quiekte erfreut auf und streichelte sanft über meine Finger, als sie den Becher entgegennahm. Und ihr gehauchtes ‚Danke‘ mit dem aufreizenden Blick war mehr als nur vielversprechend.

Dicht neben mir blieb sie stehen, sodass sich unsere Arme und Beine etwas berührten und flüsterte unanständige Sachen in mein Ohr. Ich sah wohlwollend auf sie hinab und jedes Mal, wenn ich mich zu ihr beugte, um darauf etwas zu erwidern, schaute ich zu… Aden… hinüber und genoss seinen versteinerten Gesichtsausdruck.

Es war überdeutlich, dass ihm das Geschehen nicht passte. Die Bewegungen des Fotografen waren nicht mehr so geschmeidig wie vorher und hatten deutlich an Kraft verloren. Er wirkte steif und seine Mimik wie aufgesetzt. Und auch wenn es mich unheimlich befriedigte, ihn offensichtlich zu quälen, tat es doch seltsam weh. Dieses undefinierbare Ziehen in meiner Brust, jedes Mal wenn ich diesen… Aden… anschaute, wollte einfach nicht vergehen.

Zurück in der Lagerhalle gab es nur noch eine kurze Zusammenfassung des Tages und Feedbackrunde gegenüber dem Gastgeber, während sich das Model anzog und sich lautstark fröhlich von allen verabschiedete. Mit einem aufgehauchten Kuss drückte sie mir ihre Telefonnummer in die Hand, die ich anzüglich grinsend annahm.

Fast im selben Moment polterte es kräftig hinter mir, als würde die halbe Einrichtung zu Bruch gehen. Dieser… Aden… stand neben der Leinwand und versuchte energisch, irgendwelche Eisenstangen und Ketten in eine Ecke zu stopfen. Aber nichts wollte an seinem Platz liegen bleiben, was ihn fast wahnsinnig machte. Gemütlich schlenderte ich zu meinem Fotografen und musterte mit hochgezogener Braue, was er da so trieb.

„Sexspielzeug?“, fragte ich mit hochgezogener Braue und beäugte ein paar Handschellen eingehender.

„Material für den nächsten Workshop“, meinte… Aden… schnippisch und riss mir das kalte Metall aus der Hand. Seine rot angehauchten Wangen waren einfach nur Zucker, wobei eine dunkle Vorahnung in mir aufkam.

„Dieses ‚Material‘ scheint dich ja ganz schön nervös zu machen, oder zitterst du vor Kälte? Also, wenn es nur daran liegt…“, ließ ich den Satz offen enden und schaute den Größeren vielsagend an. Dieser schnaubte nur, während seine Bewegungen fahriger wurden.

„Ich sagte dir schon einmal, dass sich nicht alles um das EINE dreht. Und auch wenn du dich als Mittelpunkt der Welt betrachtest… du bist es nicht!“

Oh ha. Hatte ich es wirklich geschafft, ihn aus der Reserve zu locken?

„Mir reicht es vorerst, dein Mittelpunkt zu sein“, gab ich provozierend zurück, worauf er sich kopfschüttelnd an mir vorbeidrängeln wollte. Doch ich packte ihn am Arm und riss ihn grob zu mir ran.

„Hör endlich auf, mir auszuweichen. Deine Reaktion auf dieses Weibsbild hat dich verraten. Ich scheine dir doch nicht so egal zu sein, wie du mir die ganze Zeit vorgaukelst. Lass dich einfach fallen und ich beschere dir eine Nacht, die unvergesslich wird.“

„Genau das befürchte ich ja.“ Es war nur ein Wispern, dermaßen leise, dass ich zweifelte, es wirklich gehört zu haben.

Wieder wollte der Fotograf sich aus meinem Griff lösen, aber ich schloss meine Finger kräftiger um seinen Oberarm. Wütend funkelte mich der andere daraufhin an, was ich verwirrt und trotzig sogleich erwiderte. Die Stimmung um uns herum hatte sich schlagartig geändert. War es vorher noch ruhig, mit einer unterschwelligen Spannung, sirrte nun die Luft vor angestauten Energien und Gefühlen, die nach außen drängten.

Sein schneller Herzschlag war fast sichtbar, genau wie der Kampf, der so offensichtlich in ihm tobte. Nur zu gerne hätte ich ihm die Entscheidung abgenommen, mich einfach an diesen… Aden… gepresst und eingenommen, dass er alles um sich herum vergaß. Seine Lippen waren leicht geöffnet und sein Atem kam rasselnd, als würde er vor Verlangen aufstöhnen.

Langsam zog ich ihn dichter zu mir und reckte meinen Kopf, um besser seinen wohlgeformten Mund erreichen zu können. Blut rauschte lautstark durch meine Ohren, sodass ich kaum was anderes wahrnahm als seinen betörenden Duft, der wie ein Aphrodisiakum auf mich wirkte.

Doch noch bevor sich unsere Lippen endgültig trafen, flammte gleißend helles Licht auf, gefolgt von mehreren Klickgeräuschen schnell hintereinander. Geblendet schloss ich meine Augen und… Aden… nutzte sofort die Gelegenheit, um sich von mir zu befreien. Die plötzliche Leere neben mir war fast schmerzhaft.

Wütend schaute ich mich um, als sich mein Blick endlich wieder geklärt hatte und entdeckte eine Frau, die ungelenk mit einer Kamera hantierte. Sie war mir bisher kaum aufgefallen, da sie in einem Schreibheft vertieft die ganze Zeit still in einer Ecke gesessen hatte und alles lediglich beobachtete.

Nun war sie der Mittelpunkt meines gesamten Hasses. Und ich bekam noch nicht mal die Gelegenheit, diesen an ihr auszulassen. Der Leiter des Workshops griff über die Schulter der Frau hinweg und entriss ihr die Kamera. Sie protestierte natürlich lautstark und redete von der Inspiration überhaupt. Doch der Ältere ignorierte ihr Geplapper, zog die Bilder auf einen USB-Stick und warf mir diesen dann zu.

Im selben Moment verrauchte mein Zorn. Nachdenklich schaute ich auf den Stick hinab und suchte dann nach… Aden… der sich wohl schon nach draußen verdrückt hatte. In welchem Moment hatte die Frau abgedrückt? Wie weit hatte sie es geschafft, diese seltsame Situation, die knisternde Stimmung einzufangen? Könnte ich damit meinen Fotografen vor Augen halten, wie sehr ich ihn begehrte? Wie sehr er es wollte, begehrt zu werden?

Der Weg bis nach Hause war eine einzige Tortur. Dieser… Aden… wich mir ständig aus, was in einem kleinen Auto mehr als nur schwierig war. Seinen Blick starr auf die Straße gerichtet, trommelte er unbewusst mit den Fingerspitzen auf dem Lenkrad und zuckte jedes Mal zusammen, wenn ich mich geringfügig bewegte. Von der kaum auszuhaltenden Spannung, die vorherrschte, war das Schlimmste jedoch, dass er sich ständig auf die Unterlippe biss, sodass diese schon feuerrot leuchtete.

Die Tür war noch nicht mal richtig ins Schloss gefallen, als ich schon am Rechner saß und ungeduldig den Stick in den Port steckte. Es war wirklich von Vorteil, dass dieser… Aden… den PC nie runterfuhr und ich somit einen schnelleren Zugriff darauf hatte.

Fahrig klickte ich die Meldung weg zwecks Sicherheit und öffnete den gewünschten Ordner. Schon beim ersten Foto, welches ich mit einem Doppelklick vergrößerte, holte ich hörbar Luft. Wie konnte ich DAS die ganze Zeit nur übersehen? Diesen Blick, so verlangend, sehnsüchtig und doch schmerzerfüllt, als wäre er gezwungen, sich selbst zu geißeln.

Aufgeregt klickte ich mich durch die kurze Serie, bis ich an der Szene hängen blieb, wo ich diesen… Aden… härter anpackte. Die Haut seines Armes quoll deutlich zwischen meinen Fingern hervor und das Weiß meiner Knöchel war gut zu sehen. Das Erstaunlichste allerdings waren die geröteten Wangen des Fotografen und der leicht geöffnete Mund.

War das gepresste Stöhnen also doch keine Einbildung gewesen! Fest biss ich die Zähne aufeinander und schwankte zwischen verärgertem Unglaube und aufbrodelnder Lust, die kaum mehr zu unterdrücken ging. Dieses Knistern zwischen uns hatte auch er wahrgenommen.

Warum also hielt er sich nur zurück? Und mochte er es etwa, härter angepackt zu werden? Fiel dann endlich sein Widerstand? Würde er sich mir dann letztlich hingeben? Nicht nur für einmal? Länger und intensiver, wie ich es bisher nie erlebte? Wog ich solche lächerlichen Gedanken gerade wirklich ab? Ich musste wieder Klarheit in meinem Kopf schaffen und das ging nur auf eine bestimmte Weise.

Entschlossen stand ich auf, schnappte mir die zusammengeknautschte Jacke und ging ins Schlafzimmer, sorgsam darauf bedacht, dass mir dieser… Aden… nicht folgte. Die kleine Vorrichtung, welche ich mir vom Set „ausgeliehen“ hatte, war schnell am Kopfende des Bettes befestigt und unter Kissen versteckt. Dann betrat ich wieder das Wohnzimmer.

Der Fotograf starrte wie gebannt auf den Monitor und klickte sich, wie ich zuvor, durch die Bilder. Leise schlich ich mich um die Couch herum von hinten an ihn heran. Er bemerkte mich erst, als ich dicht bei ihm stand und sich unsere Wangen fast berührten, beim Blick über seine Schulter. Total erschrocken sprang… Aden… auf und warf dabei fast den Stuhl um. Ich fing diesen auf und stellte das Möbelstück achtlos beiseite, ohne den anderen dabei aus den Augen zu lassen.

„Die Bilder sind wirklich interessant, nicht wahr? Kaum zu glauben, dass sie von einem Amateur geschossen wurden.“ Gleich einer Raubkatze auf Beutezug, pirschte ich mich an den Fotografen heran, worauf dieser sichtlich nervös reagierte.

„Na ja… wie war das mit den blinden Hühnern und dem Korn?“, scherzte er gekünstelt und wollte zur Küche hin ausweichen. Doch ich machte einen Satz nach vorn und versperrte ihm somit den Weg.

„Möglich. Aber man sagt auch, dass ein Bild mehr als 1000 Worte sagt. Und mir sagen die Bilder viel.“

Sein erschrockener Ausdruck daraufhin amüsierte mich köstlich und spornte mich nur noch mehr an.

„Es ist alles Interpretationssache“, sagte dieser… Aden… nervös und wich vorsichtig nach hinten aus, während ich ihn langsam, aber sicher ins Schlafzimmer drängte.

Der Fotograf war so damit beschäftigt, Abstand zwischen uns zu bringen, dass er erst merkte, wo wir uns befanden, als er mit den Beinen ans Bett stieß. Ein kleiner Schubs meinerseits genügte, um ihn komplett fallenzulassen und noch während er versuchte rückwärts weg zu robben, setzte ich mich auf seine Hüfte und drückte seine Schulter auf die Matratze.

„Was soll das?“ Die Empörung in seiner Stimme vermischte sich mit leichter Panik und noch etwas anderem, was ich bisher nicht zuordnen konnte, aber näher erforscht werden wollte.

„Ich interpretiere“, hauchte ich heiser und presste meine Lippen verlangend auf die seinen.

Wie erwartet blieb die Gegenwehr nicht aus. Doch als ich etwas kräftiger in seine untere Lippe biss, zuckte er merklich zusammen und statt des üblichen Schmerzenslautes, entwich dem Fotografen ein Stöhnen. Triumphierend blickte ich auf ihn hinab und genoss die intensive Schamesröte, welche über die Wangen des anderen kroch.

Von Verlegenheit übermannt bäumte sich dieser… Aden… auf, doch alles Winden half nicht. Meine Wunde war gut am heilen und die Tabletten des Docs betäubten den restlichen Schmerz. Außerdem wusste ich als Lord eines riesigen Imperiums sehr gut, meinen Willen durchzusetzen, notfalls auch mit körperlicher Kraft.

Nach einem kurzen Gerangel hatte ich den Fotografen so auf das Bett manövriert, dass er längst auf der Matratze lag und ich ihn leicht die Arme nach oben pressen konnte. Die Vorrichtung war einfacher als gedacht an seinen Handgelenken angebracht und wenige Sekunden darauf lag ein gefesselter… Aden… direkt vor meiner Nase.

„Mach mich los! Sofort! Du weißt nicht, was du da tust!“

Es gefiel mir ungemein, wie er so tobte und an den Handschellen riss.

„So? Bist du dir da ganz sicher?“, meinte ich mit einem fiesen Lächeln, knöpfte gemächlich sein Hemd auf und schob es beiseite, um einen freien Blick auf seinen Oberkörper zu haben.

Schon jetzt lief mir regelrecht das Wasser im Mund zusammen. Trotz aller Gegenwehr beugte ich mich langsam herab, leckte genießerisch über eine Brustwarze und biss dann hinein. Und wieder hörte ich dieses lustvolle Aufstöhnen, was er nicht zu unterdrücken vermochte. Mit einem siegessicheren Grinsen glitt ich hinab, entledigte ihn seiner Sachen und starrte dann erhaben auf seine Körpermitte. Es stand außer Frage, wie er unser bisheriges Spiel genoss.

„Jul…, bitte!“

Adens Gejammer hörte ich kaum. Ich war viel zu fasziniert von der sehnigen, mit sanften Muskeln überzogenen Gestalt vor mir. Bedächtig arbeitete ich mich nach oben, knabberte und biss mich mal leicht mal stärker an der Schenkelinnenseite entlang bis zum Becken. Nur kurz hauchte ich über die Mitte, was mit einem kleinen Schauder belohnt wurde. Über Bauch und Brust gelangte ich zu seiner Halsbeuge, der ich einen schmerzhaften, lilafarbenen Stempel aufpresste. Nun war es für jeden sichtbar. Er gehörte mir!

„Bitte was?“, fragte ich leise verspätet nach und strich ihm fast schon liebevoll durchs Haar. Ich sah ihm direkt in die Augen, unsere Nasen nur wenige Millimeter voneinander entfernt, sah seine Angst, die Zweifel und die unterdrückte Lust.

„Bitte mach weiter? Bitte nimm mich in den Mund? Bitte fick mich? Keine Sorge, du sollst alles haben.“

„Und was dann?“ Fast schon wütend funkelte mich MEIN Fotograf an. „Dann verschwindest du wieder in deiner eigenen, kalten Welt und zurück bleiben lächerliche Erinnerungen. Danke, aber für einen kleinen Zeitvertreib bin ich mir zu schade.“

Ich lächelte über diesen schwachen Versuch der Aufmüpfigkeit, leckte bis zu seinem Ohrläppchen und zupfte mit den Zähnen daran.

„Ich werde schon dafür sorgen, dass die Erinnerungen nicht lächerlich werden.“

Tief grub ich ihm meine Fingernägel in die Seite und zog eine rote Spur bis runter zum Becken. Seine Muskeln spannten sich sofort und er schnappte hörbar nach Luft. Doch egal, wie lange ich ihn liebkoste und wie oft ich ihn reizte, sein Blick blieb weiterhin der eines bockigen Kindes, während sein Körper vor Verlangen zuckte. Seufzend lehnte ich meine Stirn an seine und schloss die Augen.

„Was muss ich tun, damit du es endlich zulässt, dich in deiner Lust verlierst?“

„Sag meinen Namen!“

Es war nur ein heiseres Flüstern und zuerst war ich mir nicht sicher, ob ich es mir lediglich eingebildet hatte. Doch ein Blick in seine Augen verschaffte Gewissheit. Dieses Mal war es an mir, nervös zu werden. Warum verlangte er gerade das? Niemand außerhalb meiner Familie war es bisher Wert gewesen, dass ich dessen Name bewusst benutzte – nicht einmal meine Amme.

Mir reichte noch das eine Mal, als ich gezwungen wurde, seinen Namen auszusprechen und noch immer fiel es mir schwer, ihn selbst in Gedanken zu nutzen. Wieder spürte ich diese brennende Wärme auf meinen Wangen.

Glaubte ich noch zu Anfang, das Spiel fest im Griff zu haben, merkte ich nun, dass andere die Regeln bestimmten und ich war nicht ganz sicher, ob mir dies gefiel. Eines jedoch stand zu 100 Prozent fest: Ich wollte IHN! Jetzt! Und wenn es bedeutete, mich ihm ein winziges Stück zu öffnen, dann sollte es so sein. Nervös leckte ich mir über die Lippen und schluckte hart.

„Aden.“

Es war so ein kleines Wort, so ein winziger Name und dennoch spielte mein Magen komplett verrückt. Was allerdings nichts im Vergleich zu dem war, was die Lippen des Fotografen in mir auslösten. Er küsste mich, zaghaft nur, als wüsste er nicht recht, ob er sich richtig anstellte. Und doch entfachte er einen heißen Sturm in mir, wegen dem mir schwindelig wurde.

Es fühlte sich einfach unglaublich an, wie mein Fotograf den Kopf reckte, um besser an meine Lippen zu kommen, mit seiner Zunge sanft drüberleckte und mit seinen Zähnen leicht hineinbiss. Adens gesamte Geste und Mimik verlangte nach mehr, sodass ich mich nicht mehr länger unter Kontrolle halten konnte.

Ich befreite meinen Schwanz aus seinem viel zu engen Gefängnis, presste seinen an den meinen und rieb uns in wenigen Sekunden in höhere Sphären, während ich mir bereitwillig den Mund samt Zunge erobern ließ. Als unser beider Zittern endlich nachließ, hauchte ich Aden sanfte Küsse auf Stirn, Nase und Mund.

„Normalerweise bin ich nicht von der schnellen Partie“, lachte ich, noch immer leicht entrückt.

„Beweis es!“

Überrascht schaute ich auf und runzelte die Stirn. Was sollte das werden? Ein Machtkampf? In seiner Position? Ein Blick in sein Gesicht und ich wich unwillkürlich zurück. Er war zwar derjenige, der am Bett gefesselt unter mir lag und dennoch schien er auf mich hinabzusehen, versuchte, MIR Befehle zu erteilen. Gleichsam entdeckte ich auch die unterdrückte Lust, die ihn, endlich freigelassen, zu verschlingen drohte.

Adens gesamtes Sein schrie regelrecht nach mir. Und ich war nur zu gern bereit, ihm alles zu geben – allerdings auf meine Weise, nach meinen Spielregeln. Langsam kletterte ich von ihm herunter, ging ins Bad und reinigte mich. Gemächlich befeuchtete ich einen Lappen, um meinen Fotografen damit in Ruhe zu säubern.

„Mach mich bitte los, Jul.“

Adens Bitte glich einem Flüstern und das Verlangen in seinen Augen, mich berühren zu wollen, war überdeutlich. Ich lächelte nur erhaben und stellte mich seitlich ans untere Bettende, dass mein Fotograf mich bequem beobachten konnte, ohne ständig den Kopf anheben zu müssen.

„Ich glaube nicht, dass du dir das verdient hast.“

Verwirrt schaute Aden zu mir rüber und rüttelte dabei leicht an seinen Fesseln. Das sachte Klirren von Metall verursachte ein angenehmes Ziehen in meinen Lenden. Meinen Fotografen so zu sehen, – entblößt, willig und mir vollkommen ausgeliefert – war ein erhabenes Gefühl.

Und trotzdem war der Trotz in seinem Blick, dieses kämpferische Etwas nicht komplett verschwunden, was alles nur noch reizvoller machte. Er war der erste Mensch, der sich mir hingab, aber nicht unterordnen wollte. Eine betörende Mischung.

„Zwar verstehe ich noch immer nicht, warum du dich mir so lange entzogen hast, dennoch kann ich darüber nicht einfach so hinwegsehen. Eine kleine Lektion, was es bedeutet, mir zu gehören, tut dir bestimmt ganz gut.“

In Aden stieg leichte Panik auf und sein Atem beschleunigte sich. Als ich jedoch den schwarzen Seidenschal hervorholte, wurden seine Augen riesig.

„Tu das nicht, Julian“, bettelte er abermals, was mich nur kurz ins stocken brachte.

Nein, Angst im eigentlichen Sinne schien er nicht zu haben. Er war sich wohl immer noch nicht sicher, wie weit er sich auf mich einlassen wollte. Nun, jetzt war diese Überlegung zweitrangig. Ich würde dafür sorgen, dass er alles vergaß, dass er endlich aufhörte zu denken, sich seinen Empfindungen hingab – und mir.

Langsam kletterte ich zu ihm aufs Bett und verband Aden die Augen. Ich hauchte ihm lediglich einen Kuss auf die Lippen, bevor ich mich abermals zurückzog. Neben den Fesseln und dem Schal hatte ich aus dem Studio noch eine Kerze mitgenommen, die ich mit einem Streichholz entzündete und auf den Nachttisch abstellte.

Aden bewegte sich unruhig und atmete tief den Geruch nach Angebranntem ein. Ich verließ das Zimmer und schloss lautstark die Tür hinter mir. Mein süßer Fotograf sollte ruhig etwas im Ungewissen zappeln. Nachdem ich mich am Gefrierfach des Kühlschrankes bedient hatte, schlich ich zurück ins Zimmer und zwar so lautlos, dass mich Aden gar nicht wahrnahm. Erst als ein Eiswürfel an seinem Hals bis zum Ohrläppchen hochfuhr, zuckte er erschrocken zusammen.

„Schieb die quälenden Gedanken beiseite, mach deinen Geist frei und lausche meiner Stimme. Lass dich fallen und genieße mit allen Sinnen!“

Mein Fotograf holte hörbar Luft und riss an seinen Fesseln, worauf ich erhaben lächelte. Langsam glitt ich mit dem Eiswürfel hinab, umkreiste seine Brustwarzen und hauchte dann leicht über die feuchte Spur. Der Kontrast zwischen Kälte und süßer Wärme entlockte Aden den ersten wohligen Schauder.

„Du bist so heiß“, hauchte ich und strich mit dem verbliebenen Rest des Würfels über die Lippen des anderen. „Schau, von dem Eis ist kaum mehr was übrig.“

Bereitwillig öffnete Aden seinen Mund und nahm das restliche gefrorene Wasser in sich auf, leckte und knabberte dabei an meinen Fingerspitzen, als seien sie mein bestes Stück. Die verheißungsvollen Bilder, die sich dabei in meinem Kopf bildeten, schickten warme Wellen durch meinen gesamten Körper.

Und wieder brachte mich eine kleine Geste seinerseits komplett aus dem Konzept. Vergessen waren die süßen Gemeinheiten, die ich mir extra für ihn ausgedacht hatte. Am liebsten hätte ich mich in ihm versenkt – sofort. Gequält schloss ich die Augen und atmete ein paar Mal tief ein und aus, bevor ich mich von Aden ganz zurückzog.

Kurz ruhte mein Blick auf der Kerze, die einen angenehm milden Duft verströmte. Ihr sanft flackerndes Licht brachte mich wieder etwas runter. Ganz in Ruhe wägte ich ab, wie viel mein Fotograf noch ertrug – wie weit ich es schaffen würde mich zurückzuhalten.

Ich wollte ihn leiden sehen, vor unerfüllter Lust sich windend und um Erlösung bettelnd. Doch langsam ging das Spiel über süße Rache und pure Lustbefriedigung hinaus, was mir mehr und mehr Angst machte. Irritiert zwecks dieser Gedankengänge langte ich nach der Kerze und hielt sie mit klopfendem Herzen über den vor Erwartung angespannten Körper meines Fotografen.

Es war der pure Augenschmaus, als der erste Tropfen des heißen Kerzenwachs auf seiner Haut landete und er erschrocken zusammenzuckte. Aden umfasste die Ketten und hielt sich daran fest, blieb aber dennoch still liegen, was mich abermals verblüffte. Sachte beugte ich mich vor, sodass mein warmer Atem die Ohrmuschel des anderen sanft streifte.

„So ist es gut. Lass dich auf mich ein, mit Leib und Seele. Vertraue darauf, dass alles, was ich tue, zu deinem Besten, für dein und mein Wohlgefühl sein wird.“

Während ich meinen Fotografen mit Worten umschmeichelte, verteilte ich das Bodywachs auf seiner Haut, welches sich weich wie festeres Öl anfühlte, bis sein gesamter Oberkörper leicht glänzte. Erst dann widmete ich mich seiner Körpermitte, liebkoste, leckte und schmeckte ihn, bis er stöhnend meinen Namen wimmerte.

Abermals ließ ich von Aden ab, ließ ihn kurz verschnaufen und zur Ruhe kommen, was kaum für ihn möglich zu sein schien. Er räkelte sich dermaßen willig und bereit unter meinem Blick, dass es meinen Unterleib schmerzhaft zusammenzog vor Begierde. Gemächlich zog ich mich aus und setzte mich auf sein Becken.

Es war unfassbar, welche Wirkung der nackte Körper unter mir auf mich hatte, bei der bloßen Berührung von Haut auf Haut. Mir war, als würde ich verbrennen, von innen wie von außen. Mein Fotograf begann an seinen Fesseln zu rütteln und beugte den Rücken durch, nur um mich ein klein wenig mehr berühren zu dürfen, was mir ein zufriedenes Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Schschsch, ganz ruhig. Ich werde dich jetzt losmachen, aber die Augenbinde bleibt noch da, wo sie ist, verstanden?“

Sanft redete ich auf Aden ein und wartete sein zustimmendes Nicken ab, bevor ich Taten folgen ließ. Liebevoll küsste ich über seine geschundenen Handgelenke und freute mich diebisch über die rot-blauen Male, die ihn als mein Eigentum kennzeichneten. Dann ließ ich seine Fingerspitzen über meine Haut gleiten, gab ihm somit die stille Genehmigung, mich endlich berühren zu dürfen.

Nur zögerlich kam er der süßen Aufforderung nach, fuhr mit zittrigen Händen über meine Schulter, Brust, über die Seiten hinab bis zu meinem Po, den er erschreckend fest packte und knetete. Aufkeuchend fiel ich nach vorn und stützte mich an Adens Schultern ab, um nicht ganz auf ihn zu fallen.

Seinen Lippen so nah erlag ich der Versuchung und küsste meinen Fotografen. Verlangend drang seine Zunge ein, fand die meine und begann ein wildes Spiel, bei dem mir schwindelig wurde. Bei den Göttern, ich wollte diesen Mann so sehr. Tastend suchte ich nach dem Kondom, welches ich vorsorglich bereitgelegt hatte. Doch kaum dass ich vergaß auf mein Gleichgewicht zu achten, stieß Aden mich um und rollte sich auf mich drauf.

Die Augenbinde hatte sich gelöst, weswegen mich nun wild glitzernde Pupillen anfunkelten. Für eine gefühlte Ewigkeit setzte mein Herzschlag aus. Noch nie hatte mich jemand so sehr begehrt, wie mein Fotograf es zu tun schien. Nur nebenher bekam ich mit, dass die Verpackung aufgerissen und das Kondom nicht über mich gestülpt wurde.

Erst als Aden sanft um Einlass bat, erwachte ich aus meiner Starre und versuchte, ihn von mir runter zu schieben. Doch der andere entwickelte ungeahnte Kräfte. Schwer wie ein Felsblock thronte er über mir und bewegte sich keinen Millimeter. Meine Arme presste Aden neben meinen Kopf fest auf die Matratze, während er sich mit dem Körper so zwischen meine Beine drängte, dass mir kaum Handlungsfreiheit blieb.

„Was soll das werden?“, war nun ich es, der diese Frage mit leichter Panik stellte.

„Ich hasse es zu interpretieren“, meinte der Fotograf mit rauer Stimme. „Ich handle lieber.“

Eiskalte Schauer durchzogen meinen Körper, gefolgt von heißer Lava, die mich von innen heraus verbrannte. Mein süßer, freundlicher und hilfsbereiter Aden war unverhofft zu einem wilden Tier mutiert, das sich nahm, was es begehrte, und ich kam nicht umhin, Gefallen daran zu finden.

Bereitwillig öffnete ich meinen Mund, ließ mir einen Kuss nach dem anderen stehlen, dass mir kaum mehr Luft zum Atmen blieb. Unter süßen Qualen wurde ich auf sein Eindringen vorbereitet, was fast an Folter grenzte. Und als es endlich soweit war, war ich es, der vor Erwartung am ganzen Körper bebte.

Dank dem ölig anmutenden Bodywachs verspürte ich kaum Schmerzen, obwohl ich lange kein Bottom gewesen war. Aden gab mir auch kaum Möglichkeiten, etwas anderes wahrzunehmen, als ihn. Seine Küsse, die neckenden Bisse und Berührungen waren so intensiv, dass ich mich in einer anderen Welt glaubte, lediglich bestehend aus seinen brennend heißen Liebkosungen und seinem warmen Atem.

Waren die Bewegungen meines Fotografen am Anfang noch langsam und koordiniert, darauf bedacht, mir nicht mehr als nötig weh zu tun, wurde er stetig schneller. Und als ich mein Becken hob, um ihm weiter entgegenzukommen, setzte seine Selbstbeherrschung komplett aus. Stöhnend bäumte ich mich auf, als Aden sich mit jedem Mal immer tiefer in mir versenkte, bis es kein Zurück mehr gab. Gleich einer Lawine überrollte uns kurz nacheinander ein Höhepunkt, der mich in andere Sphären katapultierte.


Es war später Nachmittag, als ich mich am nächsten Tag endlich überwand, aufzustehen. Vorsichtig entwand ich mich aus den Armen meines Fotografen, der noch immer friedlich schlief. Lächelnd strich ich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und streichelte über seine Wange.

Die Nacht war bis zum Morgen berauschender als jede Droge und Aden so wechselhaft wie der junge Frühling. Mal gab er sich devot, überließ sich meiner fachkundigen Führung und tat alles, was auch immer ich verlangte, nur um im nächsten Moment zum Dom zu mutieren und mich komplett zu unterwerfen. Das gesamte Liebesspiel mit ihm reizte ungemein, da ich nie wusste, was als nächstes geschehen würde.

Nur mit Mühe wandte ich mich von meiner schlafenden Schönheit ab und zog mich leise an. Es wurde Zeit, meiner Bestimmung zu folgen und mir das zurückzuholen, was mir unter Gewalt genommen worden war. An der Tür stehend, drehte ich mich ein letztes Mal zu Aden um. Er hatte Recht behalten. Wir spielten wirklich in anderen Ligen, auch wenn ich mich schwer damit tat, dies zu akzeptieren.

In meiner Welt war kein Platz für einen Träumer, auf den ich ständig achtgeben müsste. Wieder zog sich mein Magen zu einem schmerzhaften Klumpen zusammen. Kurz dachte ich daran, ihn mit mir zu nehmen, ihn zu holen, wenn alles vorbei, alles geregelt wäre.

Missbilligend über meine eigenen Gedanken schüttelte ich meinen Kopf und verschwand schnellen Schrittes aus dem Zimmer. Ich hatte alles, was ich wollte. Informationen, wie ich an mein Imperium zurückkam und ihn in meinem Bett. Mehr war nicht nötig und mehr würde ich auch nie brauchen. Und wenn mir doch Mal danach sein sollte, wusste ich ja, wo ich meinen Fotografen fand.

Es war erschreckend einfach, in das Gebäude einzudringen, wo der „Leichenschmaus“ stattfinden sollte. Dank den Informationen des Docs und den Kontakten meines Spielzeuges, ließ man mich fast unbehelligt passieren. Viele waren meinem Vater treu ergeben oder mit der Umstrukturierung meines Onkels alles andere als einverstanden. So stand ich also zum frühen Abend in einer Nische vor dem großen Speisesaal, wo mein Onkel sich anschickte, eine Rede zu halten.

„Liebe Familie, meine Freunde. Vielen Dank für euer zahlreiches Erscheinen. Es ist mir eine große Ehre, euch als Gastgeber begrüßen zu dürfen.“

Gelangweilt verdrehte ich die Augen. Mein Onkel mochte sich schon immer reden hören, doch nur selten folgten angemessene Taten.

„Die Verkettung unglücklicher Ereignisse zwingt uns zur Neuordnung und doch sehe ich eine positive Entwicklung für uns alle, wie der Phönix aus der Asche erneut aufzusteigen, strahlender und stärker als je zuvor. Nun, lasst uns solch bedeutende Entscheidung nicht auf leeren Mägen treffen und das Glas erheben, auf eine glorreiche Zukunft!“

Ein jeder langte nach seinem Glas und prostete meinem Onkel zu. Doch bevor sie zum Trinken ansetzen konnten, trat ich aus meiner Nische hervor.

„Glorreich, ja? Fragt sich nur, für wen!“

Erschrocken fuhr der Bruder meines Vaters herum und starrte mich aus weit aufgerissenen Augen an.

„Julian?“, fragte er unnützerweise und versuchte, sich verspätet wieder in den Griff zu bekommen. Mit hochgezogener Braue musterte er mich geringschätzig. „Du siehst… anders… aus.“

„Das richtige Wort, das du suchst, ist wohl eher ‚lebendig‘. Bis vor Kurzem war mir völlig unbekannt, dass man sein eigen Fleisch und Blut wie ein wildes Tier aus dem eigenen Haus wirft und zur Jagd freigibt. Wenn dies deine Art ist, so Familie zu behandeln, rate ich dir, auf deinen Rücken achtzugeben!“

„Willst du mir etwa drohen, Neffe?!“

Ich lächelte kalt über die aufkeimende Wut des Älteren.

„So etwas Stilfreies habe ich nicht nötig.“

„Wenn ich diese ‚Wiedersehensfreude‘ kurz unterbrechen dürfte, junger Lord, aber was verschafft uns die Ehre eures Besuches? Mir wurde zugetragen, ihr hättet euch der Familie abgewandt und wäret einfach verschwunden, im Zuge der Schmach durch die Festnahme eures Vaters.“

Ein alter Mann und engster Freund meines Vaters schaute mich neugierig an, zum Verdruss meines werten Onkels. Ich verneigte mich leicht zur Respektbekundung, bevor ich antwortete.

„Mein… geschätzter… Onkel scheint die Lage nicht ganz klar dargestellt zu haben. Er brannte mir eigenhändig das Symbol der Familie aus der Haut und warf mich vor die Tür wie Dreck.“

„Ihr habt den guten Namen der Familie entehrt, aus einer lächerlichen Laune heraus!“, begehrte ein Anwesender auf.

„Und dennoch bin ich der rechtmäßige Kopf der Familie, solange mein Vater ‚verhindert‘ ist und er keinen anderen bestimmt! Und soweit ich weiß, wurde ER mit dieser großen Entscheidung bisher nicht betraut.“

„Was auch nicht nötig ist“, warf mein Onkel ein. „Die besten Anwälte kümmern sich um seine Freilassung und…“

„Und um seine Ermordung. Leider ist ihnen dies schon zweimal misslungen“, riss ich das Wort wieder an mich und erzeugte betroffenes Schweigen.

Mein Onkel wurde das alles zu bunt. Er gab seinen Gorillas ein Zeichen, die sich passend hinter mir positionierten. Noch wagten sie sich allerdings nicht, mich anzufassen.

„Genug der intriganten Worte. Du verwöhntes Gör hast ein Anrecht auf gar nichts. Bisher hast du der Familie nur Ärger und Schande bereitet. Du bist es nicht wert, das Unternehmen zu führen!“

„Und du schon, Onkel? Du weichst von den traditionellen Schienen ab, kennst weder Ehre noch Loyalität. Wenn du so weiter machst wie bisher, gibt es über kurz oder lang kein Unternehmen mehr, was geführt werden kann!“

Unter allen Anwesenden entbrannte eine wilde Diskussion. Jeder sprach durcheinander und versuchte den anderen an Lautstärke zu übertönen. Selbst mein dummer Onkel mischte sich mit ein und wetterte mit hochrotem Gesicht los, anstatt einen klaren Kopf zu behalten, so wie es sich für ein Oberhaupt gehören würde. Nur der alte Freund meines Vaters blieb ruhig. Laut schlug er mit der flachen Hand auf die Tischplatte, dass Teller schepperten und verschaffte sich so Gehör.

„Freunde! Es ist der falsche Zeitpunkt, sich zu streiten. Sicher haben Worte große Macht, doch was noch immer stärker war, waren Beweise. Nun, junger Lord, wo ist der Beweis, dass ihr der bessere Stellvertreter eures Vaters seid?“

Alle Augen richteten sich auf mich, worauf ich mich sichtlich straffte und das Kinn hob. Ich genoss es ungemein, seit Langem wieder im Rampenlicht zu stehen. Laut setzte ich zu einer Antwort an, ohne an Gelassenheit zu verlieren.

„ICH will euch nicht töten.“

Es herrschte unangenehme Stille, während mich manche musterten, als wäre ich nicht ganz bei Verstand.

„Wie nobel“, höhnte mein Onkel und wollte weiter ausholen, doch ich ignorierte ihn und redete einfach weiter.

„Ein vorzüglicher Wein, der euch allen eingeschenkt wurde, nicht wahr? Besonders mit dem kleinen Extra, versehen von meinem werten Onkel.“ Ich holte die Bilder hervor, welche ich vom Doc erhalten hatte und legte diese auf den Tisch, wo sie der Reihe um nach kurzer Musterung weitergereicht wurden.

„Es existiert ein besonderes Gift, im Körper kaum nachweisbar, welches sein Opfer über sieben Tage hinweg langsam dahinraffen lässt. Beginnend mit einer kleinen Verstimmung, über Übelkeit und Magenkrämpfe, bis hin zum Tod. Es sei denn man nimmt das genauso seltene Gegengift zu sich, was mein Onkel vorsichtshalber schon getan hat. Und diejenigen, die nach dem Leichenschmaus ihm die Treue schwören und ihre Unterstützung zusagen, erhalten unbemerkt zum Anstoßen das selbige. Doch die, die es wagen, sich gegen ihn auszusprechen, verenden jämmerlich.“

„Natürlich Neffe. Und wo sind zu deinen Worten die Beweise?“, versuchte mein Gegenspieler cool zu bleiben. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass wir uns von Fotomanipulationen beeindrucken lassen.“

Ich wollte schon wütend aufbegehren, als ein anderer mir zuvorkam.

„Das nicht, aber von einem Video schon.“

Alle Köpfe flogen zu dem Sprecher herum, der am anderen Ende des Raumes stand, ausholte und mir etwas zuwarf, bevor ihn die Bodyguards zu Boden warfen und ihm die Arme schmerzhaft auf den Rücken verdrehten. Wie automatisch fing ich das Kleinod auf und schaute mit großen Augen auf Aden hinab, der mit widerspenstigem Blick sich gefangen halten ließ, ohne wirklich Gegenwehr zu leisten. Was zum Teufel machte er hier? Und warum tat mein Herz einen extra kräftigen Schlag, nur weil er in meiner Nähe war?

„Bei allem nötigen Respekt gegenüber euch und eurem Vater, junger Lord, aber ihr solltet euch besser erklären!“, verlangte der Freund meines Vaters und deutete auf den Fotografen. „Wer ist das?!“

Kurz blickte ich nachdenklich auf Aden hinab und fragte mich genau das gleiche. Und fast im selben Moment hatte ich die Antwort im Kopf. Dieses unglaublich starke Gefühl, ihn an meiner Seite haben zu wollen, das ich seit meinem Weggang unterdrückte, überwältigte mich dermaßen, dass ich glaubte, mein Innerstes würde jeden Augenblick zerspringen. Egal, ob mir das gefiel oder nicht, straffte ich mich wieder und reckte mein Kinn, schließlich war ich noch immer der junge Lord des Unternehmens und hatte Autorität auszustrahlen.

„Mein Gefährte“, antwortete ich deshalb, worauf alle überrascht von mir zu dem anderen schauten, hatte ich doch bisher nie jemand in meine Nähe gelassen.

„So so“, meinte der alte Freund meines Vaters und schaffte es nicht ganz, sich das Schmunzeln zu verkneifen. „Ihr habt euch verändert, nicht nur äußerlich.“

Er gab den Bodyguards einen Wink, die daraufhin Aden losließen. Kaum lockerten diese etwas ihren Griff, stieß der Fotograf sich ab, verpasste dem einen ´nen Kinnhaken und dem anderen einen Tritt in den Magen. Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, wandte er sich ab, kam zu mir hinüber und stellte sich hinter mich, als wäre er mein zweiter Schatten.

Ich unterdrückte den heißkalten Schauder, der meinen Nacken hinab bis zu meinen Lenden schoss, nur weil ich ihn direkt hinter mir wusste und versuchte, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Ich ging zum großen Flachbildfernseher, der parallel zum Esstisch an der Wand hing, schaltete diesen ein und steckte die SD-Karte in die dafür vorgesehene Öffnung.

Ein paar Klicks später öffnete sich das gewünschte Fenster und ein verwackelter Film wurde abgespielt. Interessiert schauten alle zu, während ich bei Seite trat und die Lautstärke hochregelte, damit auch jeder alles verstand. Zuerst sah man nur verschiedene Grautöne und hörte ein dumpfes Geräusch von beanspruchtem Blech.

Dann wurden die Bewegungen langsamer, bis sie kurz stockten. Man hörte ein Raunen und Geklapper von Geschirr. Nun glitt die Kamera sachte nach vorne an einer Art Gitter vorbei, durch einen schmalen Schlitz. Als das Objektiv sich scharf stellte, hatte man einen freien Blick auf die Anrichte der großen Küche unterhalb des Gebäudes. Gläser wurden bereitgestellt und ein letztes Mal poliert, daneben standen die Weinfalschen des Abends.

War dieser unscheinbare Fotograf wirklich durch den Lüftungsschacht gekrochen? Warum? Um mir zu helfen? Bisher machte er nicht den Eindruck, dass er mir schon so sehr verfallen war – bis auf letzte Nacht. Und selbst die war für mich noch immer verwirrend.

Ich spulte den Film etwas vor, da die umherwuselnden Angestellten für alle uninteressant erschienen, bis die Gespielin meines Onkels ins Blickfeld trat. Sie kontrollierte die Gläser, gab hier und da ein paar Anweisungen, als wäre sie schon jetzt die First Lady des Unternehmens. Ich schaltete wieder auf Play, als sich der Bruder meines Vaters zu ihr gesellte und sie lüstern grinsend mit einem Ruck auf den Tisch hob und sich zwischen ihre Beine drängte.

„… Natürlich. Es ist alles bereit, so wie du es wolltest. Jetzt fehlt nur noch das kleine Extra“, lachte die junge Frau und lehnte sich bereitwillig ein Stück zurück, damit der andere einen guten Blick in ihr üppiges Dekolleté werfen konnte. Mein Onkel hauchte ihr einen Kuss direkt in die Mitte und holte dann ein kleines Etui aus der Innentasche seines Sakkos.

„In den nächsten Tagen wird sich herausstellen, wer für mich spricht. Der Rest geht erbärmlich zugrunde und ich werde lachend auf ihr Grab pissen.“

Er holte zwei kleine Kapseln hervor und legte eine auf seine und die andere auf die Zunge seiner Gespielin.

„Auf eine glorreiche Zukunft!“

Beide schluckten kräftig und küssten sich danach wild. Dann nahm er ein kleines Fläschchen samt Spritze aus dem Etui und füllte die Nadel mit der klaren Flüssigkeit auf. Nach und nach versenkte er das dünne Metall in die Korken der noch ungeöffneten Flaschen und ließ ein paar Tropfen in den Wein fallen.

„Und das funktioniert wirklich?“, fragte die Frau kritisch.

„Dieses Gift ist tödlicher als jeder Schlangenbiss oder Skorpionstich zusammen und kaum nachweisbar. Jeder wird es für eine Magenverstimmung halten, bis das Herz aus unerfindlichen Gründen einfach stehenbleibt. Fast zu einfach. Die, die sich mir anschließen, bekommen unbemerkt das Gegengift und der Rest wird jämmerlich verrecken.“

Der Film ging zwar noch etwas weiter, trotzdem schaltete ich aus. Meiner Meinung nach hatten alle genug gehört. Vorsichtshalber gesellte ich mich langsam wieder zu Aden, während der alte Freund meines Vaters laut schnaufte.

„Hast du dem irgendetwas entgegenzusetzen?“, fragte er meinen Onkel, der zwischen Leichenblässe und rotbrodelnder Wut hin- und her zu schwanken schien. Dann ging alles ganz schnell.

Von einer Sekunde auf die nächste brach die Hölle über den kleinen Saal herein. Leute sprangen auf, Stühle fielen zu Boden, Geschirr ging zu Bruch. Jeder hatte auf einmal eine Waffe in der Hand und schoss wild um sich. Bodyguards kämpften gegeneinander und versuchten mehr oder weniger gut, ihren Auftraggeber zu schützen.

Und ich? Ich wurde wie ein kleines Kind gepackt und von einer Seite zur anderen geschubst. Als wäre ich in einem schlechten Cover von ‚Matrix‘ gelandet, bewegte sich Aden zwischen den Menschen, wehrte Angriffe kraftvoll ab und lotste uns fast schon elegant tanzend durch die Menge nach draußen.

Und selbst dort gab er keine Ruhe. Halb rennend zerrte der Fotograf mich hinter sich her, bis ich mich in einer Seitengasse endlich befreien konnte. Grob riss ich mich von ihm los und scheuerte ihm eine, dass es an den Wänden widerhallte.

„Wer bist du?“, fragte ich wütend und arbeitete daran, einigermaßen ruhig zu bleiben. Aden hingegen verzog keine Miene, sah mich lediglich durchdringend an.

„Dein Gefährte“, antwortete er etwas verspätet und dermaßen überzeugend, als wäre das so klar, wie das Brandenburger Tor in Berlin stünde und ich hätte gefragt, ob dem noch so war. Verärgert ob solch geballter Ladung Dreistigkeit in meiner Gegenwart kniff ich die Augen zusammen und blitzte ihn an.

„Du weißt genau, dass ich nicht DAS meinte! Du bist in einen halben Hochsicherheitstrakt eingedrungen, konntest geheime Aufnahmen von Leuten machen, die besser bewacht werden als Ford Knox und hast Menschen niedergeschlagen, welche mehr als nur in einer Kampfkunst ausgebildet sind. Also! Wer zu Hölle…“

Weiter ließ mich Aden nicht wettern. Mit einem Schritt war er nahe bei mir und presste seine Lippen kräftig auf die meinen, dass ich kaum mehr Luft bekam. Erst als er es wollte, gab er mich wieder frei, wenn auch nur um Haaresbreite.

„Ich bin Dein, wie du Mein. Willkommen in meiner Liga.“

Diese klaren Worte samt dem intensiven Blick brannten sich direkt durch meine Brust, hinunter zum Bauch, bis zu den Lenden. Langsam fragte ich mich, wer von uns beiden wirklich noch bei Verstand war. Vorerst blieb mir keine Zeit, länger darüber zu philosophieren.

Ruckartig drehte sich Aden um und zielte mit einer Waffe, die er nur Götter wissen woher hatte, in die Dunkelheit. Wie aus dem Nichts schälten sich in schwarz gekleidete Menschen und traten lautlos auf uns zu, jeweils einer von links und zwei von rechts. Nach der Schutzkleidung zu urteilen, den Stoffmasken und den gezückten, kurzen Sturmgewehren, deren Mündungen direkt auf uns gerichtet waren, gab es keinen Zweifel. Es waren Söldner, die elitäre Sturmtruppe der Organisation. Bestens. Genau die hatten mir gerade noch gefehlt.

„Waffe runter und zwar schön langsam!“

Wie ich ihren befehlenden Ton voller überheblicher Arroganz hasste. Und dieser bescheidene Stimmenverzerrer in deren Masken machte es nicht gerade besser.

„Unterschätzt mich nicht. Noch ehe einer von euch ans Abkrümmen denkt, schalte ich zwei aus.“ Diese vollkommen ruhige Stimme Adens jagte selbst mir einen eiskalten Schauer über den Rücken.

Der Fotograf hatte offensichtlich keinen blassen Schimmer, mit wem er sich da anlegte. Ich wollte ihm gerade meine Hand auf die Schulter legen, um ihn zu beruhigen, als der Kleinere von den dreien die Waffe runternahm und einen Schritt vortrat.

„Das würden wir niemals tun, Aden.“

Die Person schulterte das Gewehr ab, legte es auf den Boden und kam mit erhobenen Händen auf uns zu. Es gab nur einen Söldner weit und breit, der diese grenzenlose Selbstüberschätzung innehatte und sich nicht benahm wie die Axt im Wald. Grinsend verschränkte ich die Arme und lehnte mich mit der Schulter an die Wand.

„Na Cat, mal wieder strafversetzt worden?“, stichelte ich gehässig.

Der Söldner stoppte und zog sich dann nach kurzem Zögern die Maske über den Kopf. Zum Vorschein kam eine junge Frau mit streng zurückgebundenen, braunen Haaren, welche mich missmutig anstarrte. Nur der grüne Balken um ihre großen Augen fehlte, welcher sie normalerweise als hohe Lady der Organisation kennzeichnete.

„Halt die Klappe, Julian. Manchmal ist halt volles Engagement gefragt und nicht nur langweiliges delegieren vom Thron herab. Aber wie wir alle wissen, ist dir das eh unbekannt. Egal. Um dich kümmere ich mich später. Denn, ob du es glaubst oder nicht, die Welt dreht sich nicht nur um einen kleinen, gefallenen Lord!“

Erwähnte ich schon, dass ich sie absolut nicht ausstehen konnte? Was wohl auch auf Gegenseitigkeit beruhte, da ich ihrem geliebten, jüngeren Bruder ‚etwas‘ zu nahe gekommen war.

„Aden, bitte. Du bist eben erst aus der letzten Sache raus. Willst du wirklich die gesamten Anstrengungen der vergangenen Zeit einfach so über Bord werfen, wegen so einem selbstverliebten, menschenverachtenden Typen, den du nicht mal richtig kennst?!“, versuchte die degradierte Lady meinem Fotografen ins Gewissen zu reden.

Aden biss die Zähne aufeinander und setzte eine trotzige Miene auf. Entgeistert schüttelte Cat ihren Kopf.

„Das kann doch wirklich nicht dein Ernst sein? Du kommst vom Regen in die Traufe. Liefere mir einfach diesen kleinen Bastard hinter dir aus und wir vergessen, dass du hier warst.“

Bitte? Diese mickrige Möchtegernprinzessin konnte von Glück reden, dass wir uns nicht allein gegenüberstanden. Und was sollte nur dieser ganze Wirbel um Aden? Es war schon verwunderlich, was er für zwielichtige Leute kannte, gerade wenn ich an den Doc dachte und mittlerweile war ich mir auch sicher, dass mein Fotograf die Bilder für den Arzt geschossen hatte.

Weiter bewegte sich Aden viel zu präzise für jemanden, der hobbymäßig etwas Kampfsport trainierte. Und dass die Organisation ihn kannte, machte mich schon etwas nervös – und neugierig. Nein! Mein Fotograf gehörte mir und kein anderer dürfte jemals über ihn verfügen! Ich schob mich an Aden vorbei und stellte mich zwischen ihn und diese Göre.

„Kaum degradiert und schon nimmst du dir die steinzeitlichen Gepflogenheiten der Söldner an. Wirklich sehr unhöflich.“ Mit hochgezogener Braue schaute Cat mich an. „Ich habe einen anderen Vorschlag: Ihr verkrümelt euch in die Ecken, aus denen ihr rausgekrochen seid und lasst uns beide unseres Weges ziehen.“

„Na klar“, schnaubte die Lady. „Und was bekommen wir dafür? Beifall???“

„Besser. Wie wäre es mit vier großen Köpfen der Unterwelt? Zwei für Aden, zwei für mich.“

Noch traute mir die junge Frau nicht über den Weg, so skeptisch wie sie mich musterte.

„Warum solltest du das tun? Du hast andere Mittel und Wege, dich aus der Affäre zu ziehen, als dir andere Clans zum Feind zu machen. Und seit wann interessiert dich das Schicksal eines anderen?“

„Dank den letzten Tätigkeiten meines Onkels wurden Missstände aufgedeckt, die zu beseitigen sind, möglichst von externer Seite, damit das Gefüge innerhalb einigermaßen bestehen bleibt. Und was Aden betrifft: Er gehört zu mir! Und niemand hat dem etwas entgegenzusetzen, vor allem keine abgehalfterte Prinzessin der ‚sagenumwobenen‘ Organisation!“

Auch wenn ich mich etwas in Rage geredet hatte, die Entgleisung ihrer gesamten Gesichtszüge war wirklich köstlich. Aden hingegen trat von hinten dicht an mich heran und fuhr mit seiner Nase nahe bei meinem Ohr entlang, als würde er meinen Geruch tief einatmen wollen. Es war wie eine Bestätigung meiner Worte, die er damit zu unterstreichen gedachte. Und es machte mir Angst, wie sehr ich diese Zustimmung genoss. Die Lady brauchte ein paar Sekunden, um sich wieder zu fassen. Dann wurde sie wütend.

„Das lasse ich nicht zu! Ich werde nie wieder mit ansehen, wie du dich selber zugrunde richtest, Aden!“

Blitzschnell griff die junge Frau hinter sich und holte eine verborgene Waffe hervor. Im selben Moment stieß mein Fotograf mich beiseite und legte selbst mit der Pistole an. Dann brach ein Schuss. Ungedämpft hallte es von den Wänden wider, dass uns die Ohren klingelten.

Meine Gedanken rasten. Ich überlegte wirklich einen kurzen Moment, wie ich Aden aus der Schusslinie bringen konnte. Dabei sollte er mir doch eigentlich egal sein. Wieso war er das nicht? Wieso fühlte ich mich trotz Chaos um uns herum bei ihm sicher? Es gab einiges zu klären, wenn dies hier überstanden war.

Seltsamerweise ergab sich mir vor Ort ein anderes Bild als gedacht. Cat kniete auf dem Boden und hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hand, während ihr Hintermann genau wie Aden in die andere Richtung der Gasse zielte. Der dritte Söldner lag bewusstlos am Boden. Mein Onkel thronte über ihm und hielt ihm mit der linken Hand ein Messer an die Kehle, die rechte zeigte samt einer Pistole auf uns.

„Waffen weg, Söldner, oder dein kleiner Bruder hier ist Geschichte!“

Man sah, dass der Angesprochene zögerte und erst nach einem Kopfnicken der Lady der Aufforderung nachkam.

„Ich hätte mir die Show ja gerne noch bis zum Ende angeschaut, aber der junge Lord gehört mir!“

„Ich wüsste nicht, dass ich neuerdings dein Eigentum bin, Onkel!“, erwiderte ich wütend über solche Unverfrorenheit.

Warum hatte ihn denn niemand bei dem ganzen Trubel einfach umgebracht?! Die Unterweltler von heute sind wohl auch nicht mehr die, die sie laut meinem Vater mal waren.

„Halt den Mund, Bengel! Jahrelange Planung und Vorbereitung hast du an einem Abend zunichte gemacht. Glaubst du wirklich ich lasse dich einfach so davonkommen?“

Mein Onkel wurde immer lauter und zitterte am Schluss vor Zorn. Mich beeindruckte das natürlich wenig. Erhaben blickte ich auf ihn hinab.

„Ein weiterer Beweis deiner Unfähigkeit und meiner Genialität. Erspar uns allen weitere Peinlichkeiten und verschwinde!“

Wie angenommen gefielen dem Bruder meines Vaters diese Worte überhaupt nicht. Vor Wut lief er komplett rot an, sodass man glaubte seine Adern im Gesicht platzen gleich.

„Ich soll gehen?“, begann er auf einmal hysterisch zu kichern, als wäre er vom Wahn befallen. „Gut. Wie du willst. Aber dann nehme ich dein neues Spielzeug mit!“

Zuerst glaubte ich, mich verhört zu haben. Doch dann zielte mein Onkel mit der Waffe direkt auf Aden. Für einen kurzen Augenblick blieb die Zeit stehen. Cat setzte entschlossen zum Sprung an, im gleichen Atemzug wie ihr Hintermann sein Kurzgewehr hob. Das Unsinnigste jedoch tat mein Fotograf.

Anstatt sich in Sicherheit zu bringen, war er im Begriff, sich schützend vor mich zu stellen. Abermals schmerzte es seltsam in meiner Brust, nur dieses Mal so stark, dass ich glaubte, zu zerspringen. Die Frage der Lady kam mir in den Sinn, die ich mir selbst schon so oft gestellt hatte:

Warum tat er das? Hatte ich es ihm befohlen? War er mein Leibwächter und somit seine Pflicht, mich zu schützen? Außerdem kam ich auch gut allein zurecht, was ich wohl mal wieder beweisen musste. Jede Ausrede war besser, als einzugestehen, dass ich doch mehr für Aden empfand, als mir lieb war.

Entschlossen spannte ich meine Muskeln an, stieß mich vom Boden ab und schubste meinen Fotografen aus der Gefahrenzone. Mit gleich mehreren Schüssen verlief die Zeit wieder im Normaltempo und ich stürzte mit schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden. Dieser Idiot hatte mich wirklich getroffen.

Aden schien es gut zu gehen, zumindest untersuchte er mich knapp, ohne verletzt auszuschauen. Er sah wütend aus, als er meine Wunde entdeckte und wollte voller Zorn auf meinen Onkel losgehen. Doch davon mal abgesehen, dass dieser bewusstlos auf dem Asphalt lag, stellte sich Cat ihm in den Weg.

„Gib mir die vier Namen, Julian!“, forderte sie mich rüde auf. Stöhnend hielt ich mir die Seite und stemmte mich etwas hoch.

„Du hältst Aden aus allen Berichten raus und lässt uns ziehen, klar!?“, brachte ich mühsam aber doch fest entschlossen heraus. Die Lady biss sich verärgert auf die Unterlippe und schaute sich hektisch um.

„Nur für Namen, die sich auch lohnen!“

Ich brauchte nicht lange zu überlegen, servierte die abtrünnigsten Verräter meines Vaters und reichte ihr mit Hilfe meines Fotografen den Großteil der Akte, die ich vom Doc erhalten hatte. Sie überflog alle Papiere und nickte dann düster.

„Ich rate dir, es mit Aden wirklich ernst zu meinen. Ansonsten finde ich dich und die nächste Begegnung zwischen uns wird nicht mehr so friedlich verlaufen!“

Die Lady wandte sich ab und gesellte sich zu dem anderen Söldner, der sich über seinen Kameraden beugte.

„Wie geht es ihm?“

„Nur eine mächtige Beule. Ihr lasst die beiden wirklich ziehen?“

„Als ob ich je etwas gegen Adens Dickschädel ausrichten könnte. Außerdem habe ich heute zum ersten Mal gesehen, dass dieser verwöhnte Balg sich für jemand anderes opfern wollte. Allein das schreit nach einer Fortsetzung der Story, auf die ich sehr gespannt bin.“

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1 Kommentar

    • sandro auf 11. November 2013 bei 20:58
    • Antworten

    Hi,

    eine spannende Geschichte mit ein paar Überraschungen.

    Bin gespannt wie es weitergeht nachdem sich der Lord sein Imperium zumindest scheinbar gesichert hat.

    Hoffe auf eine baldige Fortsetzung.

    Gruß und viel Spass weiterhin

    sandro

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