Der Traum

Ein Tag wie jeder andere? Bestimmt nicht! Ärgerlich saß ich in meinem Zimmer vor meinem PC und starrte auf den Monitor. Heut war der Brief vom Arzt gekommen. Ich sollte in den Ferien für sechs Wochen an die Nordsee.

Ich kickte mit dem Turnschuh die offene Schublade zu. Zudem merkte ich, wie es mir hochstieg, die Wut, die Verzweiflung und schon passierte es. Ich fing an zu husten, nein richtig zu bellen. Vor Schmerzen ging ich in die Knie und hielt meiner Hand an den Hals.

Die Tür sprang auf und meine Mutter kam herein.

„Mein Gott Alexander. Komm steht auf, sonst kriegst du keine Luft mehr!”, kam es von ihr.

Sie half mir auf und ich lehnte mich an ihre Schulter. Langsam ließ der Husten nach und ich bekam wieder Luft. Sanft streichelte sie mir übers Haar.

„So ist es gut, versuch ruhig zu atmen.”

Der Hustenanfall war sehr heftig gewesen, mein Herz pochte noch immer wie wild. Ich hatte Tränen in den Augen, die mir der Schmerz in der Lunge in die Augen getrieben hatte.

„Und ihr meint wirklich, ein Aufenthalt an der Nordsee hilft?”, fragte ich sie noch immer schwer atmend.

„Doktor Klug, hat dir einen tollen Platz gesucht, ja und jeder weiß wie gut die Luft da oben ist, gerade wenn man so geplagt ist wie du.”

„Sechs Wochen ist eine lange Zeit und ohne euch, was passiert wenn ich so einen Hustenanfall bekomme und ihr seid nicht in der Nähe?”

„Alexander, du bist siebzehn und kein kleines Kind mehr.Dort oben bist du genauso betreut wie hier auch, die wissen wahrscheinlich mehr über Atemwegserkrankungen als wir beide zusammen.”

Ich wollte nicht alleine da hoch, wo ich niemand kannte, zudem man dort auch noch anders sprach, als hier im Süden. Aber es half nichts, meine Mutter hatte sich fest dazu entschlossen, es geht ja um mein Wohl.

Die Wochen bis zu den Ferien verrannen und die Sommerferien standen vor der Tür. Mein Zeugnis war gut ausgefallen, na ja obwohl der Vermerk am Schulsport nicht teilgenommen drin stand. Aber körperlicher Ertüchtigung war mir strengstens vom Arzt verboten worden.

Sollte mir ja recht sein, eine Freistunde mehr, aber oft sah ich die anderen beim Sport oder Schwimmen und hätte zu gerne mitgemacht. So saß ich nun daheim und packte mit meiner Mutter zusammen die zwei Koffer.

Wenn ich recht überlegte, waren es eigentlich gar nicht soviel Klamotten für sechs Wochen, obwohl die Koffer am Schluss sehr schwer waren. Mein Vater kam rechtzeitig von der Arbeit mit und konnte somit diese Schwergewichte ins Auto verstauen.

Ich saß vor dem Haus auf der Bank und beobachtete ihn, wie er die Koffer in den Wagen hievte. Er schloss den Kofferraum und gesellte sich zu mir.

„Sieh mal Alexander, ich war von der Idee am Anfang auch nicht begeistert. Ich lasse dich ungern irgendwo alleine hingehen, aber wenn es dir hilft dieser schreckliche Husten loszubekommen, soll’s mir recht sein. Es geht alleine um dich, nicht um mich oder Mama.”

Ich versuchte es mit einem Lächeln, und mein Vater schien beruhigt. Zu dritt fuhren wir dann zum Bahnhof. Dort angekommen, bekamen wir mit, dass mein Zug Verspätung hatte. Wie sollte es denn auch anders sein bei der Bahn.

Mein Vater gab die Koffer auf und wir liefen gemeinsam zum Bahnsteig.

„Wenn etwas sein sollte, ruf einfach an, auf jeden Fall ob du gut angekommen bist”, meinte meine Mutter.

Ich nickte ihr nur zu, mir war jetzt nicht nach reden. Im Gedanken war ich schon lange im Zug, der nun auch endlich einrollte. Mein Vater gab mir meinen kleinen Rucksack und drückte mich zum Abschied.

Normalerweise finde ich so was ja nicht mehr so toll, aber diesmal tat es mir gut. Ebenso wurde ich auch von meiner Mutter gemeuchelmordet, sie drückte sehr arg zu. Im Abteil angekommen, ging ich ans Fenster und schaute hinaus.

Ich sah in zwei besorgte Gesichter, die mir zu lächelten.

* *

„Meinst du es war Richtig?”

„Christa, mache dir da mal keine Gedanken um Alexander, es wird schon gut gehen.”

„Jörg ich hab trotzdem Angst.”

„Meinst du er findet endlich das was er sucht?”

„Wie meinst du das?”

„Ab und zu werde ich aus dir nicht schlau. Hast du nie gemerkt wie einsam unser Sohn ist?”

„Doch schon..”

„Er hat nie Interesse an Mädchen gezeigt.”

„Du meinst…?”

„Ja, das meine ich, unser Alex steht auf Jungs.”

„Warum ist er damit nie zu uns gekommen?”

„Hallo Mami ich bin schwul? Wie denkst du dir das? Es kommt einfach so rüber?”

„Und was sollen wir jetzt machen?”

„Uns ruhig verhalten.”

„Und was ist mit dem Umzug?”

„Jetzt warte es doch erst mal ab, wie es ihm da oben gefällt.”

„Ich mach mir Sorgen um ihn.”

„Jetzt traue deinem Sohn doch mal etwas zu.”

„Es fällt mir so schwer.”

„Das merke ich. Lass ihn das jetzt mal durchziehen mit der Kur, du wirst sehen, es geht alles gut.”

„Ist das alles, was ich tun kann?”

„Ja, und jetzt winke, der Zug rollt an.”

*-*-*

Dass meine Mutter nicht noch ein weises Taschentuch hervorholte wunderte mich. Langsam verlor ich die beiden aus den Augen der Zug rollte vom Bahnhofsgelände und nahm an Geschwindigkeit zu.

Ich ließ mich in einer der Fenstersitze fallen und schaute hinaus. Hier im Abteil war es angenehm kühl, trotz der Sonne die auf die Scheibe knallte. Die Schiebetür öffnete sich und ein junger Mann schaute herein.

„Fahrkarten bitte.”

Ich griff nach meinem Rucksack, holte meine Fahrkarte heraus und gab sie ihm.

„Ach sie sind der junge Herr Möllendorf, wenn sie irgendetwas brauchen, keine Scheu, kommen sie einfach zu mir.

Ich schaute ihn fragend an.

„Ihre Eltern haben veranlasst, dass wir uns ein wenig um sie kümmern.”

Etwas beschämt schenkte ich dem jungen Zugbegleiter ein Lächeln.

„Ich heiße Alexander und sagen sie bitte du zu mir, ich bin erst siebzehn.”

„Geht in Ordnung Alexander, also melden, wenn etwas nicht in Ordnung ist.”

Und schon war er wieder im Begriff zu gehen.

„Ach so, Daniel ist mein Name”, meinte er noch und war verschwunden.

Ich verstaute die Fahrkarte wieder und zog ein Buch heraus, dass ich schon zu Hause angefangen hatte zu lesen. Irgendwann musste ich beim Lesen eingeschlafen sein, denn ich schrak auf, als der Zug zum Halten kam.

Ich schaute hinaus und betrachte mir das Getümmel von Menschen auf den Bahnsteigen. > Frankfurt < Wie lange hatte ich geschlafen? Eine Durchsage kam, und schon setzte sich der Zug wieder in Bewegung.

Eine alte Dame betrat das Abteil und nickte mir freundlich zu. Ich erwiderte ihren Gruß und widmete mich wieder meinem Buch. Doch so richtig konnte ich mich nicht konzentrieren, denn die alte Dame hatte die ganze Zeit irgendwas an sich zu schaffen.

Sie öffnete ihre Handtasche und zog irgendetwas heraus. Ich hörte nur ein „pfft”…. und schon stieg mir ein Geruch von penetrant riechendem Parfüm in die Nase. Langsam spürte ich wie sich in mir alles anfing zu verkrampfen. Ich konnte nur eins tun, aufstehen und das Abteil verlassen.

Auf dem Gang kam mir Daniel entgegen.

„Ist irgendwas, Alexander?”

Ich wollte antworten, aber das Husten übermannte mich.

„He ruhig mein Kleiner ..ruhig atmen”, hörte ich ihn sagen.

Er legte seine Hand auf meine Schulter und es fühlte sich gut an. Ich schaute zu ihm und spürte wie der Reiz in meinem Hals nachließ.

„Noch mal gut gegangen”, meinte ich zu ihm. Da sitzt eine ältere Dame in meinem Abteil, die hat sich grad einparfümiert.”

„Ach, ich verstehe… warte einen Moment.”

Ich schaute ihm nach und er betrat mein Abteil. Leise hörte ich die aufgeregte Stimme der Frau und sah wie Daniel langsam heraus kam.

„Ich bedanke mich Recht herzlich für ihr Verständnis, gnädige Frau”, hörte ich ihn sagen.

Dann kam er wieder zu mir zurück und schaute mich an.

„Penetrant ist gar kein Ausdruck”, meinte er und ich musste lachen, „komm mit ich spendier dir was zu trinken.

Ich folgte ihm den Gang entlang und er öffnete ein Abteil, anscheinend war dies Seins. Er öffnete eine Kühlbox und reichte mir eine Cola.

„Danke”, sagte ich und trank ein wenig.

Einige Zeit später saß ich wieder in meinem Abteil. Die Dame entschuldigte sich tausendfach und es begann mich langsam zu nerven. Irgendwann sagte ich zu ihr ich sein ein wenig erschöpft und ich wollte ein wenig schlafen, sofort war die Frau ruhig.

Ich schloss die Augen und lauschte den Geräuschen. Irgendwann war ich wirklich eingeschlafen und wurde durch ein sanftes Rütteln an meiner Schulter geweckt.

„Alexander wach bitte auf, wir sind bald da.”

Das war Daniel. Er stand ein wenig über mich gebeugt und hatte ein breites Grinsen auf den Lippen, als ich die Augen öffnete.

„Habe ich solange geschlafen?”

„Scheint so, jedenfalls die letzten drei Stunden, wenn ich nach dir geschaut habe, schon.”

„Dann werde ich mal meine Habseligkeiten zusammen suchen, bevor wir in Hamburg ankommen.”

„Gut mach das, wir werden uns draußen treffen, bei deinem Gepäck.”

„Wie? Bleibst du nicht hier im Zug?” fragte ich erstaunt.

„Nein ich werde dich bis am Schluss begleiten”, sagte er.

„Cool”, brachte ich nur hervor.

*-*-*

Es ging noch eine ganze Zeit in einem Bummelzug weiter, bis ich endlich an einem kleinen Bahnhof irgendwo in der Pampa stand. Daniel hatte sich sehr lieb von mir verabschiedet und mir sogar seine Handynummer da gelassen.

Ich schaute mich um und bemerkte, dass ich wohl der Einzigste auf dieser Station war. Ich zog mein Rucksack ab, um nach meinen Unterlagen zu schauen.

„Hallo.”

Ich schaute auf und sah eine Frau auf mich zu kommen. Was mir gleich auffiel, sie strahlte übers ganze Gesicht. Sie hatte mich erreicht.

„Hallo, bist du Alexander?”

Ich nickte.

„Entschuldige die Verspätung, aber ich hatte noch einen Zugang bei den Pferden, also nun bist du hier… ich bin die Corinna”, sagte die Frau und streckte die Hand entgegen.

„Hallo Corinna”, sagte ich und schüttelte die Hand.

Ich wollte gerade einer meiner Koffer anheben, als sie mich davon abhielt.

„Na, na, lass ihn bitte stehen, mit Gewichte heben fangen wir erst nächste Woche an”, sagte sie.

Ich schaute sie erstaunt an.

„Schau nicht so, ich kenne dein Krankheitsbild, und Gewichte heben sind ja wohl verboten”, meinte sie und drehte sich um, „Georg, wo bleibst du denn?”

Ganz hinten an der Station tauchte jemand auf.

„Mein Sohn Georg trödelt wie immer.”

„Mum, ich wollte gerade noch den Bericht im Radio fertig hören, was ist denn?”

„Hilfst du mir mal mit den Koffern?”, fragte sie, was für mich eher wie ein Befehl klang, als eine Frage.

Ohne zu Murren nahm Georg den einen Koffer, nickte mir zu und lief den Weg zurück. Corinna nahm den anderen und zog ihn hinter sich her, wir folgten Georg.

„Wundere dich nicht über meinen Sohn, Fremden gegenüber ist er immer etwas scheu.”

Das kann ja heiter werden, dachte ich und trottete hinter Corinna her. Wir bogen um die Ecke und ich sah Georg an einem Pickup, wir er gerade den Koffer auf die Ladefläche stellte.

„Willst du fahren, Georg?”, fragte sie ihn.

Er lächelte und fing den Schlüssel auf, der ihm seine Mutter zuwarf. Ich hätte ihn auf sechzehn geschätzt, aber er schien wohl schon achtzehn zu sein. Ich ertappte mich dabei wie ich Georg musterte, ließ aber davon ab, als er meinen Blick erwiderte.

Corinna öffnete die Tür und weiß mich ein zusteigen. Ich kletterte in den Wagen und saß nun in der Mitte. Georg startete den Wagen und er hoppelte auf die Straße.

„Georg macht gerade den Führerschein”, sagte Corinna.

„Mum”, kam es vorwurfsvoll von ihm.

„Hast du schon den Führerschein?”, fragte mich Corinna.

„Ich bin erst siebzehn”, sagte ich leise.

„Ist Georg auch, also ein Grund, aber kein Hindernis.”

Langsam fuhr Georg die Straße hinunter.

„Du kannst ruhig schneller fahren”, meinte Corinna.

„Die Straße ist so eng”, erwiderte Georg.

Ich musste lächeln. Georg und seine Mutter verstanden sich wohl prächtig, denn spätestens jetzt wäre jeder Jugendliche an die Decke gefahren, bei diesem piesackenden Ton seiner Mutter.

„Und außerdem, bin ich nicht der Rennfahrer in der Familie”, gab er zurück.

„Nein deine Schwester”, entgegneter sie, worüber sich sie beide anfingen zu lachen.

Es dauerte nicht lange, da bog Georg in eine Einfahrt ab. Auf einem großen Schild konnte ich Reiterhof Hellmann lesen. Hier wurde Georg anscheinend doch mutiger und bretzelte den Weg entlang, dass Staubwolken hinter uns sich auftürmten.

„Übertreiben brauchst du es jetzt nicht, Sohnemann”, meinte Corinna.

*-*-*

„So und das hier ist dein Zimmer, soll ich dir beim Auspacken helfen?”, fragte Corinna.

„Nein danke und das Zimmer gefällt mir”, antwortete ich.

Corinna ließ mich alleine und ich fing an meine Koffer auszupacken und in den Schränkchen zu verteilen. Es war zwar nicht ein Hotelzimmer, aber das gerade gefiel mir, ich überlegte sogar ob nicht ein oder zwei Poster an der Wand, es noch gemütlicher machen würden.

Ich wollte gerade den einen Koffer auf den Schrank wuchten, als es an der Tür klopfte.

„Herein.”

Die Tür öffnete sich und eine junge Frau schaute herein.

„Hallo Alexander, ich bin Steffi, die Tochter des Hauses.”

Artig gab ich Patschhand und setzte ein charmantes Lächeln auf.

„Brauchst du noch irgendwas?”, fragte sie mich.

„Wenn du so frägst, wo kann ich hier denn etwas zu trinken bekommen?”

„Die Treppe runter und dann rechts, dort ist die Küche. Hermine unsere Köchin hat alles was dein Herz begehrt”, antwortete sie.

„Danke!”, erwiderte ich nur und sie verließ mich wieder.

Ich war ein wenig geschafft, bis ich alles verstaut hatte. Ich zog mir eine Shorts an und ein neues Shirt und beschloss runter auf Erkundungstour zu gehen. Unten in der Küche war wirklich eine Frau die sich als Hermine vorstellte und entsprach wirklich dem Bild einer Köchin.

Rote Wangen, dick und gutmütig. Ich entschloss mich für eine kalte Milch. Ich zog sie in einem Zug herunter.

„Noch ein Glas, junger Mann?”, fragte Hermine.

„Oh ja, das tut gut!”, meinte ich.

Sie schenkte mir noch einmal nach und stellte den Krug zurück in den Kühlschrank.

„Wenn du etwas anderes trinken möchtest, hier im Nebenzimmer steht ein Kühlschrank mit den anderen Getränken da kannst du dich bedienen”, sagte sie zu mir.

Corinna kam herein und stellte ein Korb Gemüse auf den Tisch.

„Was ist das eigentlich hier, eine Art Reiterhotel? Ich frage deshalb, weil ich bei ihnen im Haus wohne und nicht in dem anderen Gebäude”, wandte ich mich an Corinna.

Corinna setzte sich an den Tisch und weiß mich ebenso Platz zunehmen.

„Erst mal kannst du ruhig du zu mir sagen, du bist ja jetzt schließlich sechs Wochen bei uns in der Familie. Und du wohnst deshalb bei uns im Haus und nicht bei den anderen Gästen oder Gruppen, weil du unter Beobachtung bist.”

Ich hörte ihr aufmerksam zu und nippte an meiner Milch.

„Doktor Klug und ich haben zusammen Medizin studiert. Ich habe ebenso als Ärztin praktiziert bis ich meinen jetzigen Mann geheiratet habe und ihm hier zur Hand ging. Alfons, also Doktor Klug trat aber dann irgendwann auf mich zu und fragte ob ich nicht auch jemand zum Kuren aufnehmen würde.”

„Bin ich hier jetzt der einzigste Kurgast?”, fragte ich etwas erstaunt.

„Wenn du so willst ja, die anderen Gäste kommen um Urlaub zu machen, oder die Jugendgruppen um ihre Reitkenntnisse aufzufrischen. Kannst du reiten?”, fragte Corinna mich.

„Nein, ich war noch nie auf einem Pferd gesessen.”

„Wollen wir gleich damit anfangen?”

„Jetzt… gleich?”

„Natürlich.”

„Ich hab doch gar nichts dafür zum Anziehen”, meinte ich und schaute an mir herunter.

„Keine Sorge, es wird sich bestimmt etwas finden und zu dem hast du die gleiche Größe wie Georg, da finden wir bestimmt was.”

Corinna stand auf und ging zum Telefon.

„Hi Georg ich bin es, könntest du bei der Leihwäsche schauen ob du etwas in deiner Größe findest…..ja für Alexander..”

Sie schaute zu mir herüber.

„Schuhgröße?”

„43″, sagte ich.

„43 Georg…. gut bis gleich.”

Sie legte wieder auf.

„Geh schon mal in dein Zimmer, Georg bringt es dir rauf!”, sagte Corinna.

*-*-*

Ich wartete ein wenig und zog dann meine Turnschuhe aus. Es klopfte und ohne auf mein ja zu warten kam Georg herein.

„Hallo Alexander, hier habe ich drei Reiterhosen und zwei verschiedene Stiefelpaare. Würdest du sie gleich anprobieren, damit ich weiß, ob sie passen?”

Ich sollte mich vor ihm ausziehen? Das alleine verpasste mir schon eine rote Birne. Mein Puls ging hoch und es kam was kommen musste. Mein Husten startete auf Kommando. Ich stützte mich am Stuhl ab um nicht wieder in die Knie zu gehen.

Georg ließ die Klamotten fallen und schrie in den Flur.

„Mum kommst du, er hat einen Anfall.”

Danach kam er zu mir und legte sanft seine Hand auf meine Rücken. Das Bellen wurde nicht schwächer und ich fing an Atemprobleme zu bekommen. Meine Knie wurden weich und ich drohte wegzusacken.

Wenn da nicht Georg gewesen wäre. Er stellte sich zu mir und nahm mich leicht in den Arm, so konnte ich nicht umfallen. Corinna kam hereingestürzt und entband ihren Sohn seiner Aufgabe.

„Ganz ruhig Alexander, versuche normal zu atmen”, sagte sie und stütze mich dabei.

Georg stand noch immer neben uns und sah mich besorgt an. Der Husten flaute ab und Corinna half mir mich zu setzten.

„Was war der Auslöser?” fragte sie mich.

Wieder wurde ich rot.

„Georg, lässt du uns bitte mal für fünf Minuten alleine und hol für Alexander etwas zu trinken”, sagte sie.

Er nickte, verließ das Zimmer und schloß die Tür.

„So Alexander wir sind alleine, jetzt können wir reden.”

Ich schaute sie bloß an.

„Ich weiß es kostet dich jetzt einiges an Überwindung, aber vieler deiner Anfälle sind hausgemacht”, meinte sie.

„Hausgemacht?”, fragte ich noch schwer atmend.

„Ja du kommst in irgendeine Situation, die dir unangenehm ist oder worüber du dich ärgerst, und schon ist dein Husten da.”

Ich senkte den Blick.

„Alexander, ich weiß es ist schwer. Sie mich jetzt mal nicht als Chefin oder Ärztin an, sondern eher als Freundin. Was war eben der Auslöser?”

„Ich habe da noch nicht mit jemanden drüber geredet.”

„So schlimm kann es nicht sein, oder?

„Ich weiß nicht, was sie … du dann von mir hältst.”

„Also ich kann von mir behaupten, ich bin sehr offen allem gegenüber. Also raus mit der Sprache, was bedrückt dich.”

„Ich weiß nicht wie ich anfangen soll.”

„Einfach was dir einfällt… geradeaus.”

„Ich… ich bin schwul und Georg gefällt mir…”

Eine kurze Pause entstand und ich wartete auf einen Donnerwetter.

„Das wird ihm sicherlich schmeicheln, vielleicht gefällst du ihm ja auch.”

Wie bitte… was war das? Ich schaute Corinna direkt in die Augen.

„Alexander, Georg wird dir das sicherlich selbst sagen, ich will da nicht vorgreifen, wie ich es schon eh getan habe”, meinte sie mit einem Lächeln, „war es aber jetzt so schwer mir das zu erzählen?”

„Nein… eigentlich nicht.”

„Und warum fingst du eben mit dem Husten an?”

„Ich sollte mich vor Georg ausziehen…”

Ich hatte plötzlich das Gefühl ich konnte Corinna alles erzählen, eine nichtbekannte Ruhe breitete sich in mir aus.

„Du wärst nicht der Erste, den er ohne was sieht, jedenfalls ohne Hose. Ich schick Georg jetzt wieder zu dir rauf und dann unterhältst du dich mit ihm, okay?”

Ich nickte.

„Gut, und in einer halben Stunde möchte ich dich bitte am Stall sehen”, meinte sie und ging aus meinem Zimmer.

Ein wenig später, klopfte es an meiner Tür.

„Ja?”

Georg kam herein.

„Alles wieder gut?”, fragte er besorgt.

„Ja, es geht wieder.”

„Mum meinte, wir sollen miteinander reden? Weißt du, was sie damit meinte?”

„Ja…. ich …”

Ich musste leicht husten. Georg kam zu mir ans Bett, wo ich saß.

„He ganz ruhig Alexander, es gibt nichts worüber wir zwei nicht reden könnten.”

„Auch nicht, das du mir sehr gefällst?”

So nun war es draußen. Ich kannte Georg, erst drei Stunden und machte ihm schon solche Offenbarungen. Ein kleiner Hustreiz kündigte sich an, aber ich brachte es fertig ihn zu unterdrücken, in dem ich versuchte ruhig weiter zu atmen.

Ein breites Grinsen entstand auf Georgs Gesicht.

„Du bist auch schwul?” meinte er und setzte sich neben mich.

„Du auch?”

„Ja.”

„Wow!”, brachte ich nur heraus.

Wir saßen nur da und schauten uns an, bis Georg auf seine Uhr schaute.

„Du solltest dich lieber umziehen, Mum wartet nicht gerne.”

Womit wir wieder beim Thema waren.

„Komm, du brauchst dich nicht genieren, so gut wie du aussiehst”, sagte Georg und hob mir einer Hose entgegen.

Ich und gut aussehen, brauchte Georg eine Brille? Ein Hungerhaken…, dünn wie ein Brett, Muskeln waren bei mir nur zu erahnen. Auf den Rippen konnte man Klavier spielen. Ich ließ meine Shorts zu Boden gleiten und zog die Reiterhose an.

„He, die passt ja wie angegossen”, meinte er und lächelte wieder.

Ich schaute in den Spiegel und er hatte Recht, die war wie für mich genäht.

„So und nun rein in die Stiefel.”

Das war dann doch schon mehr mit Schwierigkeiten verbunden, weil ich keine Stiefel gewohnt war.

Aber mit ein wenig Hilfe von Georg, schaffte ich es dann doch sie an zuziehen.

*-*-*

„Ah, da seid ihr ja, und alles geregelt zwischen euch?”, fragte Corinna als wir im Stall ankamen.

Ich nickte und Georg bejahte es.

„So nun komm mal her. Das hier ist Brighton, eine etwas ältere Dame, also sehr ruhig”, meinte Corinna und schob mich zu einen Pferd.

„Du brauchst keine Angst vor ihr zu haben”, meinte sie und gab mir ein Stück Zucker in die Hand.

Vorsichtig hob ich meine Hand und das Pferd holte sich den Zucker. Es kitzelte ein wenig und ich musste grinsen.

„Siehst du, geht doch. Georg hilfst du mir mal?”

Corinna zog das Pferd ins Freie und gemächlich trottete es hinter ihr her. Georg zeigte mir wie ich mich hin zustellen hatte, damit er mir aufs Pferd helfen konnte und es ging leichter, als ich mir das vorgestellt hatte.

Irgendwie fühlte ich mich jetzt anders, so hoch auf dem Pferd. Georg verschwand wieder im Stall um kurz darauf mit einem anderen Pferd zu erscheinen. Es hatte dieselbe schöne dunkelbraune Farbe wie meins.

Er stieg auf und Corinna gab ihm die Führungsleine von meinem Pferd.

„Dann wünsch ich euch beiden Mal viel Spass und Alexander ganz entspannt bleiben, keine Sorge, Georg ist bei dir.”

Ich nickte und schon ging es los. Gemächlich lief Brighton neben Georgs Pferd her, bis wir das Grundstück verlassen hatten.

„Und wie gefällt dir das?”, fragte Georg.

„Wahnsinn!”, erwiderte ich nur.

„Wollen wir das Tempo ein wenig erhöhen?”

Ich schaute etwas ängstlich.

„Keine Sorge, ich bin ja bei dir, es passiert schon nichts, wir gehen nur in leichten Trab über”, sagte er zu mir und ehe ich mich versah, trabte ich schon neben ihm her.

Ich genoss die frische Luft, die mir um die Nase wehte. Ließ mich einfach treiben, mit meinen Gedanken, die im Augenblick ein großes Wirrwarr waren. Georg ritt leicht versetzt vor mir, so konnte ich gut beobachten.

Er schien viel zu reiten, denn er hatte eine Traumfigur, muskulös aber nicht übertrieben. Sein leicht lockiges Haar, tanzte im Wind und federte bei jedem Schritt seines Pferdes.

„Und, wie gefällt dir das reiten?”, fragte mich Georg.

„Gut”, gab ich zur Antwort.

„Nur gut? Das ist das Beste was es gibt!”

Er lächelte mir zu und schaute wieder nach vorne. Mittlerweile waren wir am Strand angekommen. Georg hatte Recht. Ich genoss es an der Wasserlinie entlang zu reiten. Irgendwie wurde ich im Kopf freier, mein Schwulsein, meine Krankheit und meine Zukunft.

Nach einer Weile senkte Georg das Tempo wieder und blieb mit seinem Pferd dann stehn.

„Komm lassen wir die beiden ein wenig ausruhen”, sagte er.

Er half mir vom Pferd herunter und band beide an ein Stück Holz, das aus dem Sand ragte.

„Hast du etwas bemerkt?”, fragte er mich.

Ich schaute ihn an.

„Was meinst du?”

„Du hast nicht ein einziges Mal gehustet, seit wir losgeritten sind.”

„Stimmt!”, sagte ich verwundert.

„Die Luft ist auch herrlich”, meinte er, ließ sich auf den Boden fallen und starrte zum Meer hinaus.

„Stimmt irgendetwas nicht?”, fragte ich nach einer Weile.

„Was hast du gefragt?”, meinte er und ich schien ihn aus irgendwelchen Gedanken gerissen zu haben.

„Ob irgendetwas nicht stimmt?”, wiederholte ich meine Frage.

„Es stimmt überhaupt nichts mehr…”

Ich sah ihn an und spürte, dass es in seinem Kopf arbeitete.

„Ich habe meinen Freund mit einem anderen erwischt…” kam es leise von ihm.

Ups, dachte ich, voll ins Wespennest gestochen. Ich saß neben ihm und wusste nicht was ich sagen sollte.

„Du bist genauso sprachlos wie ich…” meinte er zu mir und ich bemerkte seine feuchten Augen.

Ich legte meinen Arm um ihn, aber er wehrte ihn ab.

„Sorry Alexander, aber das kann ich jetzt nicht haben”, sagte er und nahm eine abwehrende Haltung an.

„Tut mir leid”, meinte ich nur.

Ich spürte wie der Drang zum Husten in mir hochstieg und stand auf. Langsam versuchte ich weiter zu atmen, doch es half nichts, ich fing ordentlich an zu bellen. Mir wurde regelrecht schwindelig, weil es mir schwer fiel Luft zu holen.

„Alexander nicht doch…das wollte ich nicht.”

Das nahm ich aber schon nicht mehr richtig war. Ich kippte nach vorne und versuchte Luft zu bekommen. Georgs Arm spürte ich unter meiner Brust, das war noch das Einzigste was ich mit bekam und alles wurde schwarz.

*-*-*

Mein Hals war so trocken, als ich versuchte meine Augen zu öffnen.

„Alexander?”, hörte ich eine Stimme.

Ich musste mich orientieren wo ich war, am Strand jedenfalls nicht mehr. Langsam kam die Erinnerung wieder was vorgefallen war und ich dachte schon mein Husten würde wieder einsetzten, als ich etwas auf meinem Mund bemerkte.

Es war eine Atemmaske. Ich griff nach ihr und versuchte sie weg zuziehen.

„Die lässt du mal schön drauf”, hörte ich Corinna sagen.

Ich drehte meinen Kopf in ihre Richtung.

„Da bist du ja wieder, hast Georg ja einen ganz schönen Schrecken eingejagt!”, kam von ihr.

Hilflos schaute ich sie an, denn mit dem Teil auf dem Mund konnte ich nicht antworten. Ich sah mich um und stellte fest, dass ich wieder in meinem Zimmer, in meinem Bett lag.

„Falls du Georg suchst, der ist gerade auf der Toilette, er saß die ganze Zeit bei dir”, meinte Corinna.

Ich spürte wie ich anfing zu weinen. Corinna strich mir über die Haare.

„He Alexander, es ist doch alles wieder in Ordnung.”

Ich schüttelte den Kopf. Vorsichtig nahm sie mir die Maske ab. Mein Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an.

„Durst?”, fragte Corinna.

Ich nickte. Sie half mir auf und gab mir etwas Wasser zu trinken.

„Nicht so hastig, es ist genug da”, meinte sie und lächelte.

Ich ließ mich wieder zurückfallen.

„Hört das je auf?”, fragte ich und spürte, wie sich die Verzweiflung in mir breit machte.

„Irgendwann… es liegt an dir…”, bekam ich als Antwort.

*-*-*

Anscheinend war ich wieder eingeschlafen, und so die ganze Nacht geschlafen haben. Die ersten Sonnenstrahlen drangen durch den Holzladen und fielen in den Raum. Neben meinem Bett stand ein Sessel und darauf… darauf lag Georg.

Zusammengekauert und zugedeckt mit einer Decke lag er da und schlief.

„Georg..”, sagte ich leise.

Er reckte sich und öffnete die Augen.

„Warst du die ganze Nacht hier?”, fragte ich leise.

„Ja…”, antwortete er und gähnte.

Ich sah ihn stumm an.

„Ich wollte dich nicht alleine lassen, ich war… war ja irgendwie schuld an deinem Hustanfall.”

„Oh Georg, aber deswegen hättest du doch die ganze Nacht nicht hier verbringen müssen, ich verstehe doch, wenn dir körperliche Nähe zu wider ist.”

„Ich habe mich blöd benommen, du wolltest mir doch nur helfen.”

„Und die Art, wie ich’s machen wollte war dir nicht Recht, na und?”

Er stand auf und streckte sich nochmals.

„Boah mir tut alles weh!”, kam von ihm.

„Das glaube ich sofort, du hättest dich auch neben mich legen können, das Bett ist groß genug.”

„Ich wollte… nicht… nicht nach dem ich dir das gestern angetan habe.”

„Du hast mir nichts angetan, du hast lediglich deinen Standpunkt vertreten.”

„Auf Kosten deiner Gesundheit. Entschuldigung Alexander.”

Er war ganz nah an mich heran getreten und kniete bei mir am Bett. Ich wusste nicht was ich machen sollte, lag einfach nur da und sah ihn an.

„Wollen wir zwei, nach her ein bisschen laufen?”

„Wenn ich aufstehen kann gerne.”

„Deine Beine haben keinen Husten!”, sagte er und legte ein breites Grinsen auf.

„1:0 für dich. Ich würd jetzt aber gerne duschen.”

„Brauchst du Hilfe.”

„Ausziehen kann ich mich noch selbst”, sagte ich und er verließ lächelnd mein Zimmer.

Ich starrte zur Decke. Georg war wirklich ein lieber Kerl und ich war gerne mit ihm zusammen. Aber es half nichts, in fast fünf Wochen müsste ich wieder nach Hause fahren und dann würde ich Georg wahrscheinlich nie wieder sehen.

Es fiel mir schwer das Aufstehen, und doch brachte ich es irgendwie fertig. Als ich nackt unter der Dusche stand, spürte ich meinen Körper wieder. Ich ließ einfach das heiße Wasser auf mich rieseln. Es dauerte noch eine Weile bis ich endlich aus der Dusche trat.

Ich sah mich im Spiegel an und war enttäuscht. Fast weiße Haut, keine Muskeln, nur Haut und Knochen. Ich wollte etwas tun, aber ich traute mich nicht so recht. Die Angst wegen einer Anstrengung einen Hustenanfall zu bekommen, war zu groß.

Ich zog mich an und verließ mein Zimmer. Unten stand die Haustür offen und ich trat nach draußen. Es war schon viel Betrieb. Einige Gäste des Hotels waren schon dabei sich um ihre Leihpferde zu kümmern, einige ritten schon davon.

„Möchtest du etwas frühstücken?”

Ich drehte mich um und hinter mir stand Hermine.

„Ja gerne”, entgegnete ich ihr.

„Setz dich doch einfach hier vors Haus, ich bring dir was.”

„Keine Umstände Hermine, ich kann auch in die Küche kommen.”

„Nichts da, keine Widerrede, setz dich hin und genieß die Morgenluft.

Sie verschwand wieder und ich setzte mich auf die Bank vor das Haus. Drinnen konnte ich Gepolter auf der Treppe hören. Steffi kam zum Vorschein.

„Morgen Alexander, und alles wieder fit?”

„Ja, geht wieder.”

„Dann ist ja gut. So, ich muss rüber zu den Ställen, da warten zwei Gäste auf ihren Reitunterricht.”

Und weg war sie. Ich schaute über das ganze Gelände, aber Georg konnte ich nicht entdecken. Nur seinen Vater, der sich mit Gästen unterhielt.

„So, jetzt frühstückst du erst mal richtig.”

Hermine kam heraus mit einem überladenen Tablett.

„Wer soll das alles essen?”, fragte ich und lächelte sie an.

„Wer weiß vielleicht bekommst du noch Gesellschaft, jetzt genieß es einfach.”

Und schon war sie wieder verschwunden. Als erstes goss ich mir ein Glas Milch ein. Ich beobachtete weiter das Treiben auf dem Hof. Doch etwas abseits, war ich froh hier alleine zu sitzen und von niemand ein Gespräch aufgedrückt zu bekommen.

Aber das hielt nicht lange. Ein Gast trat an mich heran.

„Könnten sie mir bitte weiterhelfen und mir sagen, wo der Reitunterricht stattfindet, ich kann ihren Vater nirgends finden.”

Ich sah ihn erst verwundert an, bis ich verstand, dass er mich für den Sohn von Herr Hellmann hielt. Ich schluckte mein Brötchen herunter.

„Entschuldigen sie, ich bin hier selber Gast, aber wenn sie Herr Hellmann suchen, der ist dort drüben am Gehege und der Reitunterricht ist an den Ställen, dort befindet sich die Tochter des Hauses.”

„Verzeihen sie bitte die Verwechslung”, meinte der Mann.

„Nicht schlimm!”, erwiderte ich und lächelte ihn freundlich an.

Er zog von dannen und ich war wieder alleine, fast… aus dem Haus trat Corinna.

„Gratulation, du bist eingestellt.”

„Hä…wie bitte?”, meinte ich entgeistert.

„So souverän, wie du gerade mit dem Gast umgegangen bist, könnte man meinen du machst das schon ewig.”

Ich begann zu lachen.

„Ich wollte nur nett sein…”

„Das warst du auch. Danke”

Sie lief hinüber zu ihrem Mann, der seinen Arm um sie legte und mit einem Kuss auf die Wange begrüßte. Die beiden lachten mit ihren Gästen und Georgs Vater schaute zu mir herüber und winkte. Ich winkte zurück.

Nach dem letzten Glases Milch trat ein Völlegefühl ein und ich rieb mir über den Bauch. Ich stellte alles artig auf das Tablett und brachte es in die Küche zurück.

„Danke Alexander, stelle es einfach auf den Tisch, ich verräume dann alles”, kam von Hermine, die am Kartoffel schälen war.

„Kann ich irgendwas helfen?”, fragte ich.

„Nein danke Alexander, geh ruhig raus zu den Pferden.”

Ich wusch mir die Hände und trat wieder hinaus ins Freie. Ein Transporter kam aufs Grundstück gefahren. Eine Gewisse Aufregung machte sich breit auf dem Hof und ich bekam auch wieder Georg zu Gesicht.

Ich beschloss mir das ganze aus der Nähe anzuschauen und lief hinüber zu dem Transporter, an dem gerade die Rückwand heruntergelassen wurde.

„Die Polizei hat ihn mit aufs Revier genommen, als er uns das Pferd nicht aushändigen wollte”, sagte der Fahrer.

Corinna zog das Pferd langsam aus dem Wagen und ich erschrak. Es sah total verwahrlost, abgemagert aus und war überzogen mit Striemen. Ein Helfer hielt das Pferd und Corinna kam zu mir.

„Könntest du mir bitte helfen?”, fragte sie.

„Ja gerne, aber bei was?”

„Das Pferd zu versorgen.”

Ich folgte ihr und dem Pferd in die Ställe. Corinna brachte es in eine große Box.

„Alexander, komm zu mir.”

Ich tat wie geheißen und stellte mich neben sie.

„Ich nehme dem Pferd jetzt das Geschirr ab.”

„Und was soll ich tun?”

„Stell dich zu ihm bitte und streichle es, versuch es zu beruhigen. Keine Angst, es passiert dir schon nichts, ich bin bei dir. Trete einfach von vorne auf das Pferd zu, dass es sieht was du machst.”

Etwas mulmig im Bauch trat ich zu dem Pferd und streichelte es vorsichtig am Hals, es zuckte zusammen.

„Hat der Besitzer das Pferd geschlagen?”, fragte ich.

„Nach den Striemen am ganzen Körper zu urteilen, ja.”

Ich sah dem Pferd in die Augen und ließ es einfach an mir schnuppern. Irgendwann traute ich mich es an seine Stirn zu kraulen.

„Es mag dich, sprich ruhig mit ihm, damit er sich an deine Stimme gewöhnen kann”, sagte Corinna und zog eine Spritze auf.

„Er?”

„Ja, das ist ein er, ein Hengst.”

„Meinst du, du bekommst ihn wieder hin?”

„Das kommt auf seine Verfassung an.”

Ich schaute wieder dem Pferd in die Augen, das nervös Corinna mit der Spritze beobachtete.

„Ganz ruhig, das piekt nur ein bisschen”, meinte ich zu dem Pferd.

„Wie heißt er denn?”, fragte ich Corinna.

„Er hat keinen Namen, such du einen aus.”

Ich überlegte krampfhaft und streichelte das Pferd weiter am Hals. Es gab nicht einmal ein laut von sich, als Corinna die Spritze ansetzte.

„So und nun schauen wir mal deine Hufe an mein Freund. Alexander komm her ich zeig dir wie das geht.”

Wieder stellte ich mich neben Corinna.

„Fahr ganz ruhig über seine Lauf und drücke ihn sanft nach hinten”, meinte Corinna und schon hob das Pferd seinen Huf.

„Was ich mir dachte, total verwachsen und die falschen Hufe drauf, darum müssen wir uns gleich kümmern.

„Meinst du, er hat Hunger?”, fragte ich.

„Gute Idee. Draußen im Gang da stehen drei Tröge. Du nimmst dir eine Schüssel und mit der roten Schaufel entnimmst du jedem Trog eine halbe Schaufel und schüttest es in die Schüssel und dann gut vermengen.”

Ich ging aus der Box und sah auch gleich die Behältnisse. Wie es Corinna gesagte hatte, füllte ich die Schüssel und ging mit dem Gemisch wieder zurück in die Box.

„Kann ich ihn einfach Brauner nennen?”, fragte ich.

„Bitte?”, kam es verwundert von Corinna.

„Ich möchte ihn Brauner nennen.”

„Ein etwas ungewöhnlicher Name, aber wenn es dir gefällt, gut… Brauner.”

Ich hob ihm die Schüssel unter die Nase.

„Keinen Hunger?” fragte ich.

Das Pferd schnaubte.

„Du musst aber was essen…”

Wieder drehte Brauner den Kopf weg, als ich ihm die Schüssel vorhielt.

„Habt ihr hier Möhren?” fragte ich Corinna.

„Ja, am Ende des Flurs, findest du eine kleine Tür, dahinter ist ein Kühlhaus mit frischem Gemüse und Obst.

Ich stellte die Schüssel an den Rand und verließ wieder die Box. Im Kühlhaus fand ich die Möhren. Ich riss das Grünzeug weg und nahm mir auch noch einen Apfel aus der Kiste. Draußen wusch ich die Karotte und den Apfel ab.

Wieder in der Box, stellte ich mich wieder vor das Pferd.

„Schau mal Brauner, was ich hier hab.”

Ich hielt ihm die Möhre vor. Ein Arbeiter kam und half Corinna bei den Hufen. Etwas abgelenkt von Corinna, war die Karotte schnell vergessen.

„Ruhig Brauner”, meinte ich und streichelte ihn wieder ganz sanft über den Nüstern.

Wieder versuchte ich es mit der Möhre, doch er wollte sie nicht essen.

„Die schmeckt doch ganz prima, guck”, sage ich und biss ein Stück von der Möhre ab.

Brauner schaute mich an und ich hielt ihm die Möhre entgegen. Erst schnupperte er an ihr und dann biss er langsam zu.

„Siehst du, sag dir doch, dass die schmeckt.”

Genüsslich verzerrte er auch noch den Rest der Möhre. Langsam hob ich ihm wieder die Schüssel

entgegen. Brauner schaute mich an.

„Wenn du jetzt meinst, ich koste alles vor, dann bist du falsch gewickelt”, meinte ich.

Corinna fing laut an zu lachen. Brauner senkte den Kopf und fing langsam aus der Schüssel zu essen.

„Geht doch, wer sag’s denn”, meinte ich und streichelte über seine Mähne.

Sie war total verklebt und voll Dreck.

„Wie macht man die denn sauber? Muss man da auch ein Shampoo nehmen?”, fragte ich.

Nun fing auch der Helfer an zu lachen und drückte mir eine Brüste in die Hand.

„Aber langsam, das ziept auch beim Pferd”, meinte er und widmete sich wieder der Hilfe bei Corinna.

Vorsichtig fuhr ich mit der Bürste durch seine Mähne. Brauner fing den Kopf an zu schütteln.

„Jetzt halt doch ruhig, sonst krieg ich da jetzt nie Ordnung rein.

„Alexander”, rief jemand laut in den Stall.

„Ich bin hier in der Box.”

Georg erschien an der Boxtür.

„Ich dachte wir wollten ein bisschen laufen?”, fragte er mich.

„Tut mir leid Georg, aber ich helfe gerade deiner Mutter.”

„Macht nichts Alex, dann geh ich rüber und helf Steffi bei den Gästen, wir sehn uns nachher.”

Und schon war er wieder weg. Corinna sah mich verwundert an. Ich zuckte nur mit den Schultern.

*-*-*

Ich stand am Holzgatter gelehnt und schaute Brauner zu, wie er über die Wiese trottete.

„Na zufrieden?”, kam es von Corinna.

„Es scheint ihm wieder besser zu gehen”, entgegnete ich.

„Das ist noch nicht raus, aber ich hoff mal das Beste. Ach bevor ich es vergesse, du sollst deine Mutter zurück rufen.”

„Oje, die habe ich ganz vergessen.”

„Dann lauf mal schnell rüber und ruf sie an.”

Im Haus suchte ich mir einen stillen Platz und wählte die Nummer von zu Hause. Es klingelte.

„Möllendorf”, meldete es sich auf der anderen Seite.

„Hallo Mum, hier ist Alex.”

„Hallo Alexander, wie geht es dir.”

„Gut, ich war sogar schon reiten.”

„Du bist auf einem Pferd gesessen?”

„Ja und es hat total viel Spass gemacht.”

„Das freut mich, Alexander. Und wie ist es bei dir so?”

„Die Gastfamilie ist voll lieb zu mir, alle kümmern sich sehr um mich.”

„Und schon einen Freund gefunden?”

Ich wunderte mich darüber, wie meine Mutter das Wort Freund betonte.

„Der Sohn des Hauses ist so alt wie ich und wir verstehen und gut”, beantwortete ich ihre Frage.

„Bevor ich es vergesse, nächste Woche hat Papa geschäftlich in deiner Nähe zu tun und ich werde mitkommen.”

„Du warst doch noch nie bei Papas Geschäftsreisen dabei.”

„Diesmal mach ich eine Ausnahme. So kann ich dich wenigstens besuchen.”

„Freut mich und wann?”

„Da werde ich dich noch mal anrufen.”

„Okay Mum.”

„So dann hören wir mal wieder auf, sonst wird es zu teuer.”

„Ja Mum und sag Papa nen lieben Gruß von mir.”

„Mach ich, tschüß Alexander.”

„Tschüß Mum.”

Ich legte wieder auf. Also wollten mich meine Eltern hier besuchen, auch nicht schlecht. Mir fiel Brauner wieder ein, als stürmte ich wieder aus dem Haus und rannte zum Gatter. Als er mich bemerkte, kam er angetrabt.

„Na du, wie geht es dir?”, fragte ich ihn.

Er wieherte leise und schüttelte sein Kopf.

„Ganz ruhig, und nun los renn ein bisschen rum.”

Wie als hätte er mich verstanden, trabte Brauner los quer über die Wiese.

„Er hat schnell Vertrauen zu dir gefunden.”

Ich drehte mich um, hinter mir stand Steffi.

„Findest du?”

„Ja, das ist aber auch gut, er lässt dich auch sicher auf sich reiten.”

„Glaubst du wirklich?”

„Das probieren wir dann irgendwann aus”, meinte Steffi und ging zurück ins Haus.

Etwas mulmig war mir ja schon, aber ich pfiff nach ihm und er kam langsam angetrabt.

Ich nahm Brauner an seinem Halfter und führte ihn in den Stall zu seiner Box. Ein paar Mal schon hatte ich zugeschaut, wie Pferde gesattelt werden. Sollte ich es auch mal probieren? Neben der Box vom Braunen hing ein Sattel. Mein Blick wanderte zwischen dem Sattel und meinem Braunen hin und her.

Ich griff nach der Decke und legte sie Brauner auf den Rücken. Neugierig beschnupperte Brauner die Decke, zupfte sogar daran herum.

„Brauner, die ist nicht zum Essen”, meinte ich und zog sie langsam weg.

Jetzt kam der Sattel dran, ich griff an beiden Seiten und hob ich hoch. Also ich hatte ihm mir etwas leichter vorgestellt, ich musste ganz schön stemmen, um ihn auf den Rücken des Pferdes zu bekommen.

Georg hatte etwas gesagt, dass der Gurt immer auf der linken Seite fest gemacht wurde. So lief ich auf die linke Seite und stellte fest, ich hatte die Seiten verwechselt. Jetzt sah ich auch, dass die Sitzfläche falsch herum war, das hätte mir schon beim draufsetzten auffallen müssen.

So nahm ich noch einmal meine ganze Energie zusammen und drehte den Sattel. Jetzt hing den Gurt richtig. Ich bückte mich und griff unter Brauner hindurch um den Gurt auf meine Seite zu ziehen.

Ich schloss die zwei kleinen Riemen des Gurtes und anscheinend war der Sattel jetzt fest. Schwieriger fand ich aber, das Kopfteil, die Trense über Brauners Kopf zu ziehen. Das Halfter hatte ich schnell herunten, dafür brauchte ich ewig, bis die Trense saß. Stolz auf mein Werk, führte ich Brauner nach draußen. Ich ließ kurz einen Blick über den Hof wandern. Ich wollte einmal was alleine fertig bringen, ohne auf Hilfe anderer angewiesen zu sein.

Keiner war zu sehen. Also versuchte ich den Stiefel in den Steigbügel zu bekommen, er war aber viel zu hoch. Da entdeckte ich die Befestigung und nach einigen Versuchen hatte ich den Bügel länger gemacht.

Zweiter Versuch – ich steckte den Stiefel hinein und diesmal passte es, mühsam zog ich mich auf den Rücken. Es war ein schönes Gefühl auf Brauner zu sitzen und diesmal sogar aus eigener Kraft. Brauner verhielt sich ruhig, scheute nicht mal. Mit meiner Hand streichelte ich dem Braunen über seinen Hals.

„So dann werden wir zwei mal langsam ans Meer reiten, oder was meinst du?”, sagte ich.

Brauner wieherte und lief langsam los, als würde er sich ebenfalls auskennen.

*-*-*

Georg

„Hat jemand Alex gesehen?”, fragte ich.

Der war vorhin mit seinem Pferd am Stall”, antwortete Steffi.

„Da war er aber nicht… und ein Sattel fehlt.”

„Ach du scheiße.”

„Was denn?”

„Ich hab Alexander vorhin gesagt, dass er sicherlich mal mit seinem Pferd reiten könnte. Vielleicht ist er ausgeritten.”

„Bist du verrückt, wenn ihm jetzt etwas passiert, so gut kann Alexander noch nicht reiten, oder er bekommt vielleicht einen Hustanfall.”

„Jetzt beruhigt dich, Sohnemann!”, kam es von Corinna, „das packt er schon und es tut ihm gut.”

„Ich reite ihm trotzdem hinterher.”

„Wo kommt plötzlich diese Fürsorge für Alex her?”, stichelte Steffi.

„Blöde Kuh!”, meinte Georg und stürmte aus der Küche.

*-*-*

Alexander

Irgendetwas stimmte nicht, ich hatte keinen rechten Halt. Brauner reagierte nur widerwillig, was ich ihm mit dem Zügel und den Schenkel versuchte zu sagen. Ich war in den leichten Trab übergegangen, stand etwas in den Steigbügeln.

Bei der nächsten Biegung passierte es dann, der Sattel verrutsche und ich folg kopfüber vom Pferd. Ich hatte aber Glück, weil ich irgendwie dann doch auf dem Hintern aufkam. Der Sattel hing auf der Seite und Brauner war sofort stehen geblieben.

Anscheinend hatte ich den Gurt nicht fest genug angezogen. So ging ich wieder zu Brauner, der zufrieden graste. Mit viel Anstrengung, drückte ich den Sattel wieder nach oben und verstellte den Gurt um zwei Löcher enger.

Ich zog mich wieder nach oben und atmete erst einmal tief durch. Mein Rücken tat etwas weh, aber ich dachte, dass ginge sicher wieder weg. So ritt ich weiter und erreichte bald den Strand.

Es war nicht viel Betrieb am Strand und Brauner schien es sichtlich Spass zu machen am Wasser entlang zu traben. Mir tat die frische Luft gut und mir viel auf, dass ich jetzt schon einen ganzen Tag ohne Husten war.

Ich spürte die warme Sonne auf meiner Haut und fühlte mich rundum wohl. Irgendwann wollte ich eine Pause machen. Ich stieg ab und wickelte mir die Zügel um das Handgelenk. Sitzend sah ich aufs Meer hinaus und genoss weiterhin die Sonne. Brauner stand ruhig neben mir, seine Zügel hatte ich fest in der Hand.

* *

Unsanft wurde ich aus dem Schlaf gerissen.

„Schatz…Alexander so sagt doch was?”

Ich musste mich erst orientieren, Georg kniete vor mir mit weit aufgerissen Augen und sah verheult aus.

„Stimmt was nicht”, fragte ich noch etwas müde.

„Gott sei Dank, dir geht es gut…”, kam es von Georg.

„Wieso soll es mir nicht gut gehen, ich habe nur eine kleine Rast gemacht und muss eingeschlafen sein.”

„Als ich dich von weitem da liegen sah, dachte ich schon…..”, Georg fing laut an zu weinen.

Ich nahm ihn in den Arm und Brauner sah mich an als wolle er fragen, was hat der denn. Georg löste sich von mir und wischte sich die Tränen ab.

„Besser?”, fragte ich.

„Ja, aber mach so was nie wieder.”

„Tut mir leid, dass war keine Absicht.”

„Reite bitte nie wieder alleine weg. Das würde ich nicht verkraften.”

Ich schaute in seine noch roten Augen.

„Schau nicht so… ich habe mich in dich verknallt…”

Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Ich umfasste seinen Nacken zog ihn zu mir heran und gab ihm einen Kuss. Seine Lippen waren wunderbar weich, in mir breitete sich eine mir unbekannte Wärme aus.

„Für einen Anfänger küsst du verdammt gut!”, meinte Georg als er einwenig atemlos absetzte.

Er drückte mich in den warmen Sand und engumschlungen küssten wir weiter.

* *

So verging die Woche schnell. Georg und ich verbrachten die ganze Zeit zusammen, und ich dachte nicht ein einziges Mal an meinen Husten. Ich genoss einfach nur seine Nähe. Meine Eltern hatten sich angekündigt, aber als wir einen Ausflug zu Pferd in die nahe Ortschaft machten, war dies schnell vergessen.

„Du machst dich wirklich gut zu Pferd”, meinte Georg, als wir auf dem Rückweg waren.

„Es macht mir auch unheimliche Spass und Brauner ist auch ein tolles Pferd!”, antwortete ich tätschelte ihn am Hals.

Wir bogen in den Weg an den äußersten Gattern ein, als ich ein mir bekanntes Auto sah.

„Ui, meine Eltern sind schon da”, sagte ich, „mal sehn wer Erster dort ist!”

Ich ging vom Trab in den Galopp über und Brauner jagte den Weg hinunter. Ich hatte etwas Mühe mich im Sattel zu halten, so griff ich nach der Mähne und krallte mich fest. Kurz vor dem Tor zum Hof zog ich an den Zügel und Brauner gehorchte.

Mit einem Traben kam ich in den Hof. Meine Eltern standen bei Corinna und sahen zu mir. Ich ließ Brauner noch ein paar Schritte laufen.

„Hallo Alexander”, sagte meine Mum ein wenig verstört.

Ich ließ mich vom Pferd gleiten und fiel ihr um den Hals. Danach umarmte ich zur Begrüßung meine Dad.

„Du bist ja nicht wieder zu erkennen”, meinte mein Dad und wuschelte mir in den Haaren.

„Und Farbe hat er auch bekommen”, kam es von meiner Mum.

Verlegen lächelte ich ihnen entgegen.

„Bist du eigentlich noch ganz normal?”, fragte Georg.

„Georg!”, hörte ich Corinna mahnend sagen.

„Ach Mum, er hätte sich ach weiß was tun können, einfach mir wegzugaloppieren.”

„Ist doch alles gut gegangen!”, meinte ich und führte Brauner in den Stall.

Immer noch verblüfft, folgten mir meinen Eltern in den Stall. Sie beobachten mich, wie ich meinen Braunen absattelte, in seine Box führte. Sie blieben auch stumm, als ich ihn abstriegelte und mit Futter und Trinken versorgte.

„Bist du sicher, dass dies unser Sohn ist?”, fragte Dad meine Mum.

„Ich weiß nicht, er sieht ihm ähnlich, aber benehmen tut er sich nicht so.”

„Jetzt hört schon auf ihr zwei”, meinte ich und schloss die Box.

„Mir gefällt es sehr gut hier und ich habe ein eigenes Pferd.”

„Das haben wir schon mit bekommen”, sagte mein Dad.

„Und dann ist da noch…..”, ich stockte.

Meine Mutter sah mich liebevoll an und streichelte mich an der Wange.

„Georg….. ich hab mich in ihn verliebt”, beendete ich leise meine Satz.

„Der junge Mann, der sich so unendlich viel Sorgen um dich gemacht hat… scheint sehr nett zu sein!”, kam es von meiner Mutter.

Fragend schaute ich meine Mutter an.

„Wie ..ich habe gesagt, ich liebe Georg, Mum ich bin schwul…”

„Ja und? Ist das schlimm?”

Ich fiel meiner Mutter wieder um den Hals und drückte sie fest an mich. Mein Dad stand neben uns

und grinste frech.

„Jetzt zieh schon nicht so ne Schnute dahin, es ist doch alles in Ordnung”, meinte er.

Ich schüttelte den Kopf.

„Was?”, fragte Mum.

„In drei Wochen ist alles vorbei, da muss ich zurück”, meinte ich traurig.

„Hört, hört. Am Anfang deiner Ferien klang das noch ganz anderst. Da wolltest du nicht hier her!”, kam es von meiner Mutter.

„Da wusste ich auch noch nicht wie schön es hier ist, das ich ein eigenes Pferd besitze…und das mit Georg.”

„Stimmt, dieses Pferd zu uns zu transportieren wird sehr kostspielig, und ob Corinna so einfach ihren Sohn hergibt”, sagte mein Dad.

Ich sah ihn an und bemerkte sein freches Grinsen.

„Was heckt ihr beide wieder aus?”, fragte ich.

„Komm mal mit, setzten wir uns da drüben hin”, sprach meine Mutter und zog mich hinter sind her.

„Dir gefällt es gut hier und würdest gerne bleiben.”

„Ja!”, sagte ich.

„Ich bin nicht nur wegen dir mit deinem Vater mitgekommen, ich wollte auch unser neues Haus anschauen.”

„Was….. wie soll ich dass jetzt verstehen?”, fragte ich.

„Dein Vater hat in seiner Firma, eine höhere Stellung angeboten bekommen, einzigster Nachteil, diese Stellung befindet sich hier.”

„Ihr meint…”

„Ja, wir werden hier her ziehen”, sagte mein Dad.

„Wow… ich bin sprachlos…”

Ich sprang auf.

„Wo willst du hin?”, wollte meine Mum wissen.

„Ich muss dringend zu Georg…”, rief ich und rannte zum Haus.

In der Küche traf ich nur Steffi an.

„Weißt du wo Georg ist?”

„Zimmer!”, kam es kurz vor ihr.

Ich spurtete die Treppe hinauf und ohne anzuklopfen rannte ich in Georgs Zimmer, den ich traurig auf seinem Bett vorfand. Ich stürmte auf ihn zu, drückte ihn aufs Bett und küsste ihn überall im Gesicht.

„Kleiner was ist denn passiert?”, fragte er erstaunt.

„Ich bleibe dir erhalten”, antwortete ich.

„Wie erhalten?”

„Mein Dad, nimmt hier oben eine Stelle an, wir werden hier her ziehn.”

Georgs Gesicht hellte zunehmend auf.

„Du bleibst hier?”, schrie er schon fast.

„Ja.”

Georg packte mich und zog mich zu sich hinunter. Es folgte ein langer sinnlicher Kuss.

*-*-*

Der Umzug belastete mich überhaupt nicht. Mum und Dad hatten eine Woche zuvor eine kleine Abschiedsfete veranstaltet. Es war Verwandtschaft und Bekannte da, auch einige aus meiner Klasse.

Klar war ich bei ihnen der Mittelpunkt, ich hatte ja jetzt ein Pferd. Mein Brauner fehlte mir schon, aber noch mehr Georg. Jeden Abend bevor ich zu Bett ging, telefonierten wir noch kurz.

Sein Vorwand war, er müsse sich ja informieren, ob ich keinen Rückfall habe, aber ich merkte schnell, ich fehlte ihm genauso, wie er mir. Nun hatte ich gerade den letzten Umzugskarton zugeklebt und trug ihn hinunter.

„Und du willst am Wochenende wirklich nicht mit uns fahren, fragte Mum.

„Jetzt lass den Jungen doch”, kam es von Dad, „fünf Wochen ohne Freund, dass wäre mir sogar zuviel. Alexander mach dich dann fertig ich fahre dich dann zum Bahnhof.”

„Danke”, meinte ich und verschwand im Bad.

Schnell wusch ich mir das Gesicht und die Hände. Tja lieber Spiegel, dieses Gesicht bekommst du nun zum letzten Mal zu sehen. Ich musste grinsen, sah ich jetzt doch schon ganz anders aus.

Der Mode entsprechend hatte ich ein Wirrwarr auf dem Kopf, aber bewusst so mit Gel so gestylt. Ich hatte ordentlich Farbe bekommen und etwas zugenommen hatte ich auch, also war ich rundum zufrieden mit mir.

Ich verließ das Bad, suchte meine Tasche mit meinen letzten Habseligkeiten und schulterte sie.

„Ich bin fertig”, rief ich meinem Vater zu.

„Geh schon mal an den Wagen, ich such noch meine Wagenschlüssel”, kam als Antwort zurück.

Meine Mum kam auf mich zu und nahm mich in den Arm.

„Pass auf dich auf, Alexander, wir sehen uns am Freitag.”

„Keine Sorge Mum, mir geht es so gut, wie noch nie.”

„Das kann ich mir lebhaft vorstellen”, erwiderte sie mit einem Grinsen.

„Also dann bis Freitag!”, verabschiedete ich mich von ihr und verließ die Wohnung.

Es dauerte noch eine Weile bis Dad endlich kam.

„So Junge, wir müssen uns sputen, sonst fährt dein Zug ohne dich!”

„An mir lag es nicht”, sagte ich und grinste ihm frech entgegen.

Mein Vater schnaufte kurz, lächelte aber ebenso. Schnell waren wir am Bahnhof und mein Vater bestand darauf mich noch bis zum Zug zu begleiten. Am Bahnsteig angekommen umarmte er mich kurz.

„Alexander, bist du das?”

Erstaunt drehte ich mich um und schaute in die erstaunten Augen von Daniel. Er hatte mich damals auf meiner ersten Reise zur Nordsee begleitet.

„Das ist meine Überraschung, Alexander, dachte, dass du nicht all zu einsam fahren musst”, kam es von meinem Dad.

„Ja hallo Daniel… ich bin es wirklich”, antwortete ich darauf und umarmte noch einmal als Dankeschön Dad.

„Dann lass ich euch mal alleine, gute Fahrt Alexander, weiß ja, du bist in guten Händen.”

Und weg war er. Wie meinte er dass eben, er hatte während er das eben sagte, so ein teuflisches Grinsen auf den Lippen.

„Komm lass uns einsteigen, der Zug fährt gleich ab”, riss mich Daniel aus dem Gedanken, „man du hast dich ja wirklich sehr verändert, bist das wirklich du?”

Ich musste lachen.

„Ja, das bin ich!”

„Und dein Husten?”

„Vollkommen weg.”

„Dann war diese Kur wohl ein voller Erfolg?”

„100 Punkte.”

Er öffnete ein Abteil und wies mich an hineinzugehen.

„Ich helfe noch meinen Kollegen, dann habe ich etwas Zeit und komm zu dir, musst mir mal genau erzählen, was für eine tolle Kur das ist, wenn man so gutaussehend zurückkommt.”

Huch, flirtete Daniel da jetzt gerade mit mir?

„Wieso, willst dein Aussehen verändern?”, gab ich frech zurück.

Daniel grinste zurück.

„Okay, bis gleich dann.”

Und schon war ich alleine. Ich stellte meine Tasche auf der Sitzfläche ab und ließ mich auf einen Sitz am Fenster fallen. Kaum saß ich, ruckelte der Zug kurz und begann sich zu bewegen.

Ich griff zu meiner Tasche und zog den Reisverschluss auf. Zum Vorschein kam mein Laptop, noch ein Teil, dass ich zum Umzug geschenkt bekommen hatte. Anscheinend dachten meine Eltern mich damals irgendwie bestechen zu müssen, damit es mir nicht so schwer viel, nach Norddeutschland zu ziehen, aber beim Kauf, da wussten sie ja auch noch nichts von Georg und meinem Braunen.

Ich fuhr das Laptop hoch und öffnete die Datei mit den Bildern. Gleich als erstes prangte mir Georg entgegen. Eine Aufnahme vom Strand nur in Jeans neben seinem Pferd. Sein muskulöser Oberkörper ließ mich wieder ins Träumen verfallen.

Ich klickte weiter, um einfach wie oft in den letzten Wochen, die Bilder von der Kur mir anzusehen. Die Schiebetür wurde aufgezogen und Daniel kam herein. Er hob mir eine Cola entgegen und setzte sich neben mich.

Danke nahm ich an und trank ein Schluck.

„Was ist das?”, fragte Daniel und zeigte auf das Laptop.

„Ein Laptop!”, antwortete ich frech.

Daniel ließ die Augen rollen.

„Bilder von meiner Kur, willst du sie sehen?”

„Aber klar doch!”

Also ging ich zurück an den Anfang, wo natürlich gleich das Bild von Georg kam.

„Wer ist das?”

„Das ist der Sohn der Familie, bei der ich während der Kur wohnte.”

Sollte ich ihm auf die Nase binden, dass Georg mein Freund war?

„Der sieht aber gut aus.”

Ich haderte kurz, aber entschloss mich dann doch mit offenen Karten zu spielen, Daniel war einfach sehr sympathisch.

„Das ist ja auch meiner.”

„Wie deiner?”

„Georg ist mein Freund.”

„Freund… also du meinst…?”

„Ja, Boyfriend, aber vergiss den Ausdruck gleich wieder, ich mag den nicht.”

„Dann wird mir ja Einiges klar”, meinte Daniel mit ernstem Gesicht.

„Wieso?”, fragte ich nun doch etwas vorsichtiger.

„Von so einem Schnuckel hätte ich mich bestimmt auch gerne pflegen lassen”, antworte er und begann wieder zu grinsen.

Er zog etwas seinen Jackenärmel und den des Hemdes hoch. Zum Vorschein kam ein Metallreif in Regenbogenfarben. Nun musste ich auch grinsen. Daniel war also ebenso schwul und mir kam in den Sinn, er hatte vorhin wirklich mit mir geflirtet.

„Dann bist du jetzt also in festen Händen?”

„Ja, unwiderruflich und das gleich zweimal.”

Fragend schaute mich Daniel an.

Ich scrollte zum nächsten Bild und mein Brauner kam zum Vorschein.

„Der gehört auch noch zu mir.”

„Du hast ein Pferd?”

„Ja, war sozusagen auch in der Kur inbegriffen”, meinte ich grinsend.

„Georg hat nicht zufällig noch einen Bruder und ein Pferd übrig?”

„Nein”, lachte ich, „Georg hat nur noch eine ältere Schwester. Aber Pferde gibt es dort genug, das ist so ein Reiterhof.

„Och Urlaub hab ich bald und wo ist das?”

Ich erzählte Daniel jetzt alles vom Hotel, den Pferden und auch dem Meer. Er feixte, dass wir uns da sicher mal wieder sehen würden, gab mir seine Emailadresse, damit ich ihm Info übers Hotel schicken konnte. Dann musste er leider weiter. Ich lehnte mich zurück und freute mich auf Georg, bald würde ich ihn wieder im Arm halten können.

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