Eine andere Liebe – Teil 1

Hi, ich bin Markus, siebzehn Jahre alt und werde euch eine kleine Story erzählen, die ich vor kurzem erlebt habe, na ja und immer noch am erleben bin. Falls es interessiert, zu erst einmal ein paar Sachen zu meiner Person.

Wie gesagt bin siebzehn gehe zum hiesigen Gymnasium. Bin 185 cm lang und normal gebaut. Meine Eltern führen hier ein Hotel, hoch droben auf dem Berg, bei denen ich natürlich viel aushelfe. Mädchen für alles eben, man kennt das ja.

Viel hinaus komme ich hier halt nicht, außer wenn ich morgens mit der Bergbahn zur Schule runter fahre.

Romantisch werden einige von euch denken so hoch droben, aber außer ein paar interessanten Azubis, ist hier eigentlich nichts los für mich. Ja richtig erraten ich bin schwul. Es wissen alle hier.

Mein Outing vor zwei Jahren wurde allgemein gut aufgefasst. Besonders das Verhältnis zu meinem Vater hat sich gebessert. Er erzählte mir, dass sein Bruder, also mein Onkel Joe auch schwul war. War? Ja leider kam er mit seinem Freund bei einem Unfall ums Leben.

Ein weiteres Familienmitglied ist meine große Schwester Rosi. Sie ist vier Jahre älter als ich und nach einer Lehre als Hotelfachfrau, arbeitet sie im elterlichen Betrieb. Meine Mutter meinte aber, sie sollte erst einmal in allen Bereichen sich durcharbeiten.

Wenn sie dann alles wusste, konnte sie sich dadurch auch den nötigen Respekt verdienen, den man als spätere Chefin des Hauses braucht. Sie bekam also keine Sonderstellung und muss malochen wie alle anderen auch.

Wenn sie mal dann nicht gut drauf ist, muss halt dann der kleine Bruder herhalten. So kommt es fast jeden Tag vor, dass wir uns in den Haaren liegen. Geschwisterliebe eben. Zu meinem letzen Superzeugnis bekam ich dann meinen PC geschenkt und das mit Internetanschluss.

In der Schule bekam ich dann den Tipp mit dem Chat. Anfangs war ich noch ein bisschen kritisch und lass nur mit was die da schrieben, bis mich mal einer ansprach und so die ganze Geschichte erst begann.

<Markuss17>   Hi Leute guten Abend.

<sweetboy>      Na endlich warten schon die ganze Zeit auf dich.

<Greg19>         Haben wir nicht 20.30 ausgemacht.

<Markuss17>   Menno Leute ich hatte noch zu arbeiten.

<Greg19>         Mal wieder die Kühe in den Stall getrieben *lachtz*

<sweetboy>      Kussi du weißt doch, nimm Greg nicht ernst! *fg*

<Greg19>         Dein Gschmusi ist eh noch nicht da Kussi….

>Markuss17>   Das is nit mein Gschmusi, wir verstehen uns nur halt gut Greg, wann kapierst

des den mal endlich, achso du bist ja blond…..lol

<sweetboy>      *gröhl* Punkt für dich Kussi

<Greg19>          nein gefärbt bin ich, das ist was anderes *grummelz*

<Markus17>      und Tommy war noch nicht da?

<sweetboy>       nee hat sich noch nicht gemeldet.

<Markus17>      komisch sonst ist er doch um diese Zeit immer schon da…

<sweetboy>       wirst es abwarten können *ggg*

Ich hatte mich mit Tommy besser angefreundet. Wir trafen uns jeden Abend hier im Chat und sprachen über Gott und die Welt. Unsere Eltern wurden von uns informiert, dass wir da jemanden gefunden hatten.

Er war zwar aus Frankfurt, aber wir hatten ausgemacht, dass er in den großen Ferien mich besuchen kommt.Und jetzt ist ein viertel Jahr schon vergangen und der große Tag des Treffens rückte immer näher.

Wir schicken uns natürlich auch lange Mails und über den Tag verteilt, aber auch mehrere SMS. Die stundenlangen Telefongespräche haben wir aufs nötige reduziert, weil wir wegen der Rechnungen Ärger mit unseren Eltern bekamen.

Ein Bild von ihm hatte ich auf meinem Schreibtisch stehen. Er war absolut süß. Er war ungefähr so groß wie ich, mein Alter und das Aussehen… Als er mir das Foto schickte, war die erste Reaktion, dass meine Knie weich wurden und die Schmetterlinge im Bauch ordentlich flatterten.

Und nun saß ich da und wartete sehnsüchtig.

„Markus, kann ich rein kommen?“

Meine Mutter stand vor der Tür.

„Klar Mum, komm rein.“

Die Tür öffnete sich und sie kam mit zwei Briefumschlägen herein.

„Na, hat sich Tommy schon gemeldet?”

„Nein, dass verstehe ich aber auch nicht.”

„Könntest du mir morgen ein Gefallen tun. Die zwei Briefe müssten per Einschreiben morgen weg, könntest du das erledigen für mich?”

„Okay Mum, mach ich noch vor der Schule.”

„Ist lieb von dir Schatz. Mach nicht mehr so lange, sonst kommst du morgen nicht aus dem Bett.”

„Geht in Ordnung Mum. Gute Nacht!”

„Gute Nacht Markus und schlaf gut.”

Und so schnell wie sie aufgetaucht war, verließ sie auch wieder mein Zimmer.

<sweetboy>         Kussi noch da?

<Greg19>            der hat etwas Besseres zutun… *ggg*

<Markuss17>      bin doch da, hatte nur grad Besuch von höherer Heiligkeit…

<sweetboy>         ja das hab ich auch öfter, da gibt es immer nur Ärger

<Markuss17>      nein bei mir nicht

<kleinerBruder> Markus bist du es? hier ist der Bruder von Tom

<Markuss17>      ähm Marco du?

<kleinerBruder>  ja Markus ich bin es…

<Greg19>            jetzt bekommt er eine Absage durch den kleine Bruder *lol*

<Markuss17>      ach Greg halt dein Maul, Marco was ist denn?

<kleinerBruder>  ich habe schlechte Nachrichten für dich

<sweetboy>         O je Tempo Alarm… *ggg*

<Markuss17>       höre nicht auf die Idioten, erzähl schon

<kleinerBruder>   ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll…..(weint)

<Markus17>         …

<sweetboy>          ups, ich glaub da ist was im Busch

<Greg19>             ich auch! ich halt mal meinen Mund besser

<kleinerBruder>   meine Bruder hatte einen schweren Unfall

Nein mein Tommy ein Unfall. Augenblicklich füllten sich meine Augen mit Tränen. Die Buchstaben verschwammen auf dem Monitor

<kleinerBruder>   er liegt in Koma und die Ärzte wissen nicht ob er es überlebt…

<sweetboy>          sche… , das ist bitter… Markus?

<Markuss17>       sorry… ich kann jetzt nicht…

Ich ging aus dem Internet, schaltete mein Computer ab und schmiss mich auf mein Bett. Ich konnte nicht mehr, ich musste laut heulen. Die Tür ging auf und ich spürte eine Hand auf meinem Rücken.

„Markus?”

Es war mein Vater. Ich stand auf und fiel in seine Arme.

„Markus was ist denn passiert?”

Ich brachte kein Wort über die Lippen, zu tief saß der Schmerz über das gehörte. Meine Mutter erschien an der Tür.

„Dieter. Tommys Mutter hat gerade eben angerufen.”

Mein Vater sah sie mit fragenden Augen an.

„Tommy hatte ein Unfall. Er liegt in Koma und…”

Bei diesen Worten konnte ich nicht anders und mein schluchzen wurde noch lauter. Mein Vater drückte mich fest an sich und streichelte mir den Kopf.

„… sie wissen nicht ob er die Nacht überstehen wird.”

„O Gott, hat sie erzählt was passiert ist?”

„Ja in seiner Schule ist eine Brüstung gebrochen und er stürzte mit ein paar Mitschülern fünf Meter nach unten. Einer ist genauso schwer verletzt wie er. Die anderen sind mit Brüchen davon gekommen. Seine Mutter möchte uns auf den laufenden halten.“

Sie verließ das Zimmer wieder. Mein Vater nahm mein Gesicht in seine Hände.

„He, Sohnemann. Das ist ganz normal, dass der Körper bei so einem Unfall ins Koma fällt. Der Körper regeneriert sich dadurch. Dein Tommy ist ein Kämpfer, du wirst sehen Morgen wacht er schon wieder auf.”

*-*-*

Zwei Tage später erlag er seinen Verletzungen. Meine Eltern schickten eine Beileidskarte nach Frankfurt. Von Tommy’s Bruder bekam ich einen Bilderrahmen geschickt, mit mehreren Bildern drin.

Meine Mutter hängte ihn liebevoll mit einer schwarzen Schleife in mein Zimmer. Mein Vater ließ mich drei Tage von der Schule befreien.

*-*-*

„Ich hätte nicht gedacht, dass das den Jungen so mitnimmt. Sie haben sich ja nicht mal getroffen.”

„Das wirst du nie verstehen Papa.”

Rosi war in die Küche gekommen.

„Markus war verliebt in seinen Tommy, auch wenn er ihn noch nicht gesehen hat. In der Liebe ist alles möglich.”

„Aha Professor Rosi hat gesprochen.”

Dieter und meine Mutter mussten lachen. Ich stand vor der Tür und bekam dies alles mit. Ich war mir nicht sicher ob ich die Küche betreten sollte, aber diese Entscheidung wurde mir abgenommen.

Die Tür ging auf und Rosi kam heraus. Etwas erschrocken fand sie mich vor der Tür stehen.

„Mein lieber Bruder ist endlich aus seiner Bude raus. Komm herein und setze dich zu uns.”

Sie packte mich am Arm, zog mich etwas ungalant in die Küche und drückte mich auch einen Stuhl. Meine Mutter stand auf, und holte mir eine Tasse Kaffee, bevor sie sich wieder neben mich setzte.

Eine Weile war Funkstille im Zimmer.

„Markus.”

Mein Vater machte den Anfang. Ich schaute ihn mit meinen verweinten Augen an.

„Ich kann dir nachfühlen, wie es ist einen Menschen zu verlieren, den man liebt. Mein Bruder und ich waren uns sehr nahe gestanden, und ich habe lange verbraucht, bis ich darüber hinweg war. Na ja ich muss zugeben es tut mir auch noch heute weh, das hört wohl nie auf. Aber ich habe damit abgeschlossen und das solltest du auch tun Markus.”

Mir stiegen wieder die Tränen in die Augen.

„Ich… möchte ihn aber nicht vergessen.”

Meine Mutter nahm mich in den Arm und küsste mir die Stirn.

„Davon hat auch niemand etwas gesagt Markus. Niemand verlangt, dass du Tommy vergessen sollst.“

Meine Schwester goss sich ein wenig Tee in die Tasse und setzte sich zu uns.

„Mein liebes Brüderlein, das mag sich jetzt hart anhören von mir. Du wirst weitermachen wie bisher. Du wirst jemanden anderen treffen und du wirst dich vielleicht auch wieder verlieben. Das Leben geht weiter.”

Meine große Schwester hatte gesprochen. Ich sah sie mit großen Augen an. Ich weiß, solch ein Spruch kam immer bei so einer Gelegenheit. Sie hatte ja Recht aber es tat so weh, so heftig. Ich nickte ihr stumm zu.

*-*-*

Die Wochen vergingen und ich ging wieder meinen alten Gewohnheiten nach. Sogar gechattet hatte ich ein paar Mal, aber so recht freuen konnte ich mich nicht, der Spaßfaktor war weg, denn Tommy fehlte. Er fehlte mir!

Es war kurz vor den Sommerferien, als sich die neuen Lehrbuben bei uns vorstellten. Es war das erste Mal wobei ich mich erwischte, dass ich wieder einem Jungen nachschaute. Meine Schwester gab mir einen Stoss.

„Siehst du, langsam wirst du wieder der Alte.”

Ich versuchte zu lächeln, aber es gelang nicht so recht. Sie legte den Arm um mich.

„Es wird schon.”

Meine Schwester ließ mich alleine hinter der Theke stehen, und verschwand im Büro.

„Markus kommst du mal.”

Der Ruf meiner Mutter schreckte mich auf.

„Ja, bin sofort bei dir.”

Ich lief zu meiner Mutter.

„Was ist denn?“

„Markus, setz dich bitte.“

Hatte ich etwas falsch gemacht und es war mir nicht so bewusst?

„Dein Vater und ich haben lange darüber geredet und wir finden, wir sollten dir mehr Verantwortung übertragen. Anfangen will ich gleich damit, dass du bei den Gesprächen mit den neuen Azubis dabei bist.“

Ich nickte entgeistert.

„Ich möchte dich einfach mehr mit einbeziehen, damit du in den Gesprächen lernst, dein Gegenüber auch einschätzen zu können. Menschenkenntnis ist nicht nur in unserem Arbeitsfeld wichtig.“

„Und ich soll mich jetzt da einfach zu dir setzten?“

„Ja genau, höre dir an, was die drei zu erzählen haben, danach können wir beide darüber reden.“

“Ich weiß nicht ob ich dir eine Hilfe bin, aber ich versuche es.”

„Gut dann komm setzt dich zu mir. Ich hole jetzt einen nach dem anderen rein. Beobachte alles und höre zu und später reden wir darüber, okay?”

„Ja Mum.”

Also setzte ich mich stumm neben meine Mutter und beobachtete, auch wenn ich irgendwie nicht richtig konzentrieren konnte. Als Erste stellte sich Marlene vor. Sie war recht klein und zierlich und ich fragte mich, ob sie dem Stress, der dieser Beruf mit sich brachte überhaupt gewachsen war.

Mum erzählte kurz etwas über den Betrieb und uns als Familie. Sie wollte den Platz als Hotelfachfrau. Ihr Zeugnis war nicht so berauschend, aber von den Praktika, konnte man nur Gutes lesen.

Sie erzählte noch ein wenig über sich und ihre Familie und verabschiedete sich dann wieder. Als Nächstes kam ein Heinrich. Das er die Stelle als Kochazubi haben wollte, konnte ich schon erahnen.

Er war sehr stämmig und sah so aus, als brächte er kräftig Appetit mit. Er erzählte von zu Hause, wo er von klein an, immer bei der Mutter in der Küche stand und kräftig mithalf. So konnte man auch kochen lernen. Zugegeben ich konnte noch nicht viel Kochen, aber ab und zu, wenn es die Zeit zuließ, schaute ich Theo unserem Koch gerne über die Schulter.

Auch von Dad hatte ich schon Einiges gezeigt bekommen. Auch er verabschiedete sich und der letzte Kandidat kam ins Zimmer.

Mein Blick versteifte sich und starrte auf die Tür. Ein kleiner Stoss seitens meiner Mutter brachte mich wieder in die Realität zurück.

Vor mir stand das wohl hinreisenste Geschöpf, das ich je gesehen habe.

„Guten Tag ich bin der Lukas Grimminger. Ich habe mich bei Ihnen für eine Lehre als Hotelfachmann beworben.”

Er gab meiner Mutter und dann mir die Hand. In meinem Bauch fing es an zu rumoren. Schmetterlinge machten sich breit. Was war das? So etwas hatte ich jetzt auch noch nicht erlebt.

Bei Tommy hat es auch einige Zeit gebraucht, bis ich so etwas fühlte.

„Ist irgendetwas nicht in Ordnung?”, wollte Lukas wissen, der meinen verklärten Gesichtsausdruck bemerkte.

„Nein, mein Sohn hatte heute schon einen anstrengenden Tag hinter sich. Dürfte ich ihre Beweggründe für diese Stelle kennen lernen?“

Ich atmete aus. Meine Mutter hat mich mal wieder gerettet und vom Thema abgelenkt. Und doch kam es mir so vor als warf mir Lukas immer wieder kleine Blicke zu. Einmal dachte ich sogar, er zwinkerte mir zu.

Aber da muss ich mich wohl getäuscht haben. Mir fiel lediglich auf, dass seine Augen irgendwie traurig waren. Als Lukas gegangen war sortierte meine Mutter die Unterlagen zusammen.

„Ähm, also ich würde alles Drei einstellen obwohl ich mir bei dem Mädchen nicht ganz sicher war, wegen dem Zeugnis, verstehst du?”

„Ja natürlich, aber beurteile nie alleine die Leute nur nach ihrem Schulzeugnis, das ist wichtig. Es zählen auch noch andere Sachen. In Verhalten und Mitarbeit hatte sie gute Noten, und das ist etwas was bei uns zählt. Und die anderen beiden?”

Ja der Heinrich ist wohl der Richtige für die Stelle als Koch.”

„Und der Lukas? Er ist unten aus der Stadt, seiner Mutter gehört die kleine Näherei an der Ecke neben dem Supermarkt.”

„Almut, deine Freundin? Ich wusste nicht, dass sie einen Sohn hat.“

Meine Mutter grinste.

„Hör schon auf Mum. Du hast mich wegen Lukas sicherlich absichtlich neben dich gesetzt. Willst du mich jetzt verkuppeln? Das fehlte mir gerade noch. Ich weiß ja nicht mal, ob er so fühlt wie ich.“

„Das ist ja schon ein gutes Zeichen wenn du so denkst, aber soll ich dir was sagen? Ich weiß es“, meinte Mum und grinste noch mehr.

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