Rausch der Sinne

„Auf der A8 wurde vergangene Nacht das Teilstück, zwischen Hohenstadt und Merklingen, für mehrere Stunden gesperrt. Ein Auto ist, noch aus ungeklärten Gründen, in die Mittelleitplanke gefahren und hat sich dabei mehrfach überschlagen. Alle vier Insassen waren sofort tot.

Die Polizei geht aber von überhöhter Geschwindigkeit mit Alkoholeinfluss aus. Die vier jungen Männer kommen aus den umliegenden Ort…“

Ich schüttelte den Kopf und drehte das Radio leiser. Ich kam einfach nicht mit meinem Referat weiter, also speicherte das Geschriebene ab und schloss das Programm. Es war schon kurz vor sieben, und ich wollte heut Abend ja mit den Jungs noch weggehen.

Ich stieg aus meine Klamotten und ging ins Bad. Als ich unter der Dusche stand klopfte es. Ich drehte das Wasser ab.

„Ja, was ist?“, rief ich.

„Michael, wir fahren dann jetzt, wir sehen uns dann morgen wieder!“

„Okay Mum, viel Spass und grüß mir Tante Elvira.“

„Ja, richte ich aus, schönen Abend noch.“

„Danke Mum.“

Ich drehte das Wasser wieder an, denn langsam wurde es mir kalt. Nach dem ich fertig geduscht und abgetrocknet war, lief ich wieder in mein Zimmer. Da meine kleinere Schwester Katja nicht da war, konnte ich das nackt tun.

Ich suchte mir die passenden Klamotten für den Abend raus, und zog mich an. Den Pc fuhr ich runter und ging noch mal ins Bad. Kurz ein bisschen Gel in das Haar, durcheinander gemacht und schon saß meine Frisur.

Sollte ich etwas von meinem Schminkzeug draufmachen? Ich sah mich im Spiegel an. Nein, heute ging ich mal so weg. Ich löschte das Licht und verließ das Bad. Unten war alles zu, so schnappte ich mir meine Jacke und verließ das Haus.

Draußen auf der Strasse blieb ich kurz stehen, ich wunderte mich, wo mein Auto war. Da fiel mir ein, dass ich es heute auf der anderen Seite geparkt hatte, weil kein Platz mehr war. Ich musste mich aber langsam beeilen, denn Benni wartete bestimmt schon auf mich.

„Wo bleibst du denn?“, begrüßte mich Benni, als ich bei ihm ankam.

„Bin doch da, was regst du dich so auf?“, fragte ich und wartete, bis er sich angeschnallt hatte.

„Wir wollen doch heute in die neue Diskothek am Brenslauer Platz gehen.“

„Weiß ich, wir werden schon nicht zu spät kommen, meinte ich und fuhr los.

„Wo ist deine Kriegsbemalung?“, fragte Benni.

Ich schaute zu ihm hinüber und sah, dass er grinste.

„Dir kann man es auch nicht recht machen“, meinte ich und konzentrierte mich weiter auf den Verkehr.

„Och, zickt der Kleine wieder rum?“, sagte Benni und strich mir zärtlich über die Wange.

„Lass die Finger weg, du weißt ich beiße gerne!“

„Egal, ich bin gegen Tetanus geimpft.“

Nun musste ich auch lachen. Benni und ich kannte uns schon lange, er war auch der erste, der erfuhr, dass ich schwul war. Natürlich war ich damals Hals über Kopf in ihn verliebt, aber er hatte leider doch nur Mädchen im Kopf.

Vorsichtig parkte ich in die enge Lücke ein.

„Das schaffst du immer besser“, meinte Benni und löste seinen Sicherheitsgurt.

„Ich bin gespannt, wie du einparkst, wenn du endlich deinen Führerschein hast!“

„Wenn du mir dann dein Auto gibst, zeig ich dir das dann.“

„Wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr“, sagte ich und stieg grinsend aus.

„Ah, da seid ihr ja endlich“, rief uns Lukas entgegen, „was hat euch aufgehalten?“

„Seinereiner war bestimmt wieder zu lange vor dem Spiegel gestanden“, meinte Benni und knuffte mir in die Seite.

Die anderen begannen zu grinsen.

„Warum geht ihr nicht rein“, fragte ich und bemerkte die Schlange vor dem Laden.

„Wissen wir nicht genau, aber anscheinend hat der Besitzer Ärger mit der Polizei“, sagte Matthias.

„Jetzt schon, die haben doch erst eine Woche auf!“, kam es von Benni.

„Ja, und in der Wochen sind zu viele betrunkene Minderjährige aufgefallen.“

„So schlau müssten die doch sein, denen keinen Alkohol zu geben“, sagte Lukas.

Ich nickte und sah die Schlange entlang. Die meisten hätte ich für mein Alter gehalten, aber bei längeren beobachten, bemerkte ich doch, das hier sogar einige unter sechszehn waren. Sogar Jungs, die aufgestylt hier standen, waren schwer einzuschätzen.

„Und schon ein potentielles Opfer raus gesucht“, flüsterte Benni von der Seite.

Ich schaute zu ihm hinüber.

„Wie denn? Schau sie dir doch mal an! Kannst du einen Unterschied entdecken? Die sind doch irgendwie schwul angezogen, oder?“, fragte ich.

Die anderen drehten sich jetzt natürlich auch um und schauten.

„Ja, die figurbetonten Klamotten sind voll in und so Schmuckbehangen zu sein auch. Warum läufst du nicht so herum, du bist ja schließlich schwul?“, fragte Lukas.

„Weil mir das nicht so gefällt, und ich nicht immer so herum laufen möchte“, antwortete ich trocken.

„Ein Schnuckel für dich, wir ja mindestens dabei sein, oder?“, fragte Matthias.

„Wenn nicht, werde ich mit ihm tanzen“, sagte Benni und legte grinsend den Arm um mich.

„Ist ja richtig rührend, wie ihr euch um mich kümmert, aber nun geht mal selber auf die Pirsch, zum Beispiel bei der Gruppe von Mädchen, die euch schon die ganze Zeit beobachtet“, meinte ich und löste mich von der Umarmung.

Ruckartig fuhren die Köpfe herum und ein einstimmiges >Wo?< kam mir entgegen.

„Michael ich glaube, du musst alleine tanzen, so wie Benni neben dir zu sabbern anfängt, sagte Christian lachend.

Benni neben mir lief rot an und ich musste nun auch lachen. Am Eingang tat sich nun auch etwas, die Beleuchtung wurde heller, und die Türen gingen auf. Zwei Rausschmeißertypen postierten sich auf jede Seite der Türen.

Langsam fing sich die Schlange an zu bewegen und wir kamen unserem Ziel schon näher. Mir fiel auf, dass nicht jeder rein durfte, einige wurden abgewiesen. Laut protestierend zogen sie ab.

„Habt ihr eure Ausweiße dabei, die kontrollieren das Alter“, rief Lukas.

Alle nickten und zogen ihre Brieftaschen vor um die Ausweiße griffbereit zu haben. Die Gruppe Mädchen, die mir aufgefallen waren, kamen auf jeden Fall alle hinein. Laute Musik wehte uns entgegen, je näher wir den Eingang kamen.

Wie Lukas sagte wurde die Ausweiße kontrolliert und schon waren wir drinnen. Wir gaben unsere Jacken ab und schauten uns erst einmal um. Man konnte entweder unten an der Tanzfläche sitzen oder oben gab es eine Galerie.

„Ich wäre für oben, da hat man mehr Platz“, meinte Christian und war schon ein paar Schritte hinaufgegangen.

Geschlossen folgten wir ihm.

„Da sind auch die Mädels“, kam es von Lukas und steuerte den Nachbartisch an.

Begeistert war ich zwar nicht so, aber ich folgte meinen Freunden. Es war nett hier. Runde Tische in der Mitte und rundes Sofas, die drum herum aufgestellt waren. Ich ließ mich einfach neben Benni fallen.

Cool fand ich, dass hier oben fast alles aus Glas war und man somit ohne Probleme auf die Tanzfläche schauen konnte. Sogar der Boden war mit mehreren Glasfenstern bestückt.

„Hier hast du ja die totale Übersicht“, meinte Benni und schaute zwischen seinen beiden Beinen hinunter um nach unten zu schauen.

Lukas hing schon halb über dem Sofa und versuchte sich in Kontaktaufnahme, zum Nachbartisch. Anscheinend mit Erfolg, den die Mädchen erhoben sich und kamen rüber zu uns. Auch das noch. Jeder am Tisch wusste, dass jetzt wieder ein Outing anstand, nämlich das von mir.

Benni schien meine Gedanken zu lesen und klopfte auf meine Schulter.

Wird schon werden, mein Kleiner“, sagte er und wir rutschen enger zusammen.

Man stellte sich vor und war schnell ins Gespräch gekommen Man redete über Schule und Ausbildung. Lukas schnappte sich Sophie und die zwei gingen nach unten zum Tanzen. Ich war die ganze Zeit eher ruhig und hörte den Gesprächen zu.

„Und du… Michael oder? Was machst du?“, fragte mich mein gegenüber.

„Ja, Michael. Bin auf der Designerschule für Mode und Stoffe, im neuen Stadtteil“, antwortete ich, und du bist?“

Sie wollte gerade ansetzten, als ein junger Mann an den Tisch und fragte, was wir trinken wollten. Ich schaute auf und ihm direkt in die Augen. Wie lange wusste ich nicht, den plötzlich spürte ich einen Ellenbogen in meinen Rippen.

„Hör auf, so zu starren“, flüsterte mir Benni ins Ohr, „das ist ja noch peinlicher, als bei Lukas.“

Vor mir stand ein Prachtexemplar von Kerl. Das weiße, enge Muskelshirt zeigte jeden Muskel seines Oberkörpers. Die schwarzgegellten Haare standen in alle Richtungen. Silberohringe, Lederbändchen um den Hals.

„Micha, hör auf!“

Wieder war es Benni der mir in die Seite knuffte.

Ich erlag sofort diesen eisblauen, glänzenden Augen und dieses Lächeln, wenn unsere Blicke sich trafen, ich hätte dahinschmelzen können.

„Und was möchtest du trinken?“, fragte er.

„Micha…, was willst du trinken?“, kam es von Benni.

„Ich? Äh… ach so, eine Cola.“

„Groß oder Klein?“, fragte er.

„Groß… sehr groß…“

Und schon setzte er sich in Bewegung, nicht ohne mir noch mal ein Lächeln zu schenken.

„Könnte es sein, dass mein Gegenüber schwul ist?“, hörte ich jemand in der Ferne sagen.

„Kann nicht nur, er ist es.“

Mit wem redete Benni. Ich starrte immer noch dem Typ nach, der mittlerweile wieder hinter der Theke stand.

„Michael kommst du bitte wieder zu uns?“

Ich zuckte zusammen und sah plötzlich viele grinsende Gesichter vor mir.

„Was denn?“, fragte ich.

„Hast du Hunger?“, wollte das weibliche Gegenüber wissen.

„Ich? Wieso?“

„So wie du den Typen grad verschlungen hast.“

„Bitte?“, verwundert schaute ich zu Benni, der mir nur zunickte.

„So schlimm?“, fragte ich.

„Ja!“, tönte es mir von allen Seiten entgegen.

„’Tschuldigung, aber so was…“, wieder verfiel ich ins Träumen.

„Michael, jetzt reis dich mal zusammen, das wird wirklich langsam peinlich mit dir. Simone, er ist normalerweise nicht so, ich habe ihn noch nie so erlebt!“, kam es von Benni.

Da kam der Traumtyp auch schon wider zurück, beladen mit einem Tablett voll Getränken. Benni versuchte erst gar nicht, mich anzureden, sondern nahm für mich meine Cola entgegen. Jeder bezahlte gleich, ebenso ich.

„Stimmt so“, sagte ich total hin und weg.

„Michael!“, rief Benni jetzt schon fast sauer, „das sind fünfzig Euro.

„Kein Problem, ich hätte es nicht behalten“, sagte der Traummann und gab mir das Geld zurück, dann verschwand er wieder.

Ich nahm das Geld und wollte es zurückstecken, da viel ein Kärtchen runter. Benni bückte sich und hob es auf.

„Was ist das?“, fragte er.

„Ich weiß nicht und sah es mir an.

Das war eine Visitenkarte von der Disco hier, mit üblicher Beschriftung. Ich drehte sie um dann stand eine Handynummer drauf und ein Name. Alex!

* * *

„Hast du ihn schon angerufen?“

„Benni, was rufst du so früh an, es ist grad mal halb neun“, meinte ich verärgert und rieb mir den Schlaf aus den Augen.

„Bist doch sonst immer so früh wach“, hörte ich Benni sagen.

„Erstens ist Samstag und zweitens, wenn bin ich erst um drei ins Bett, wie soll ich dann schon wach sein?“

Ich schlug die Decke zurück und setzte mich auf.

„Und nein, ich habe ihn noch nicht angerufen.“

„Wieso nicht?“

„Der hatte vielleicht noch ein bisschen länger Dienst, als wir da waren, könnte sein, dass er auch noch schläft?“, antwortete ich.

„Mein Gottchen, ist der Herr heute morgen wieder zickig.“

Wenn er vor mir gestanden wäre, hätte ich ihn jetzt den Kopf abgerissen.

„Hast du schon gefrühstückt?“, fragte ich, und versuchte wieder freundlich zu klingen.

„Dachte schon, du frägst nie“, und ich hörte Bennis Lachen durch das Handy.

„Bringe aber bitte Brötchen mit, ich weiß nicht ob meine Eltern schon einkaufen waren.“

„Geht klar, bis gleich!“, und ohne auf eine Verabschiedung zu warten, hatte er das Gespräch schon weggedrückt.

Also stand ich auf und ging erst mal ins Bad. Im Haus war es noch ruhig, also schliefen noch alle. Nach dem ich geduscht hatte, versuchte ich meinen müden Leib, in die Küche zubewegen. Ein bisschen in Trance holte ich das Geschirr hervor.

Ich schüttete das Wasser in die Kaffeemaschine und schaltete sie an.

„Wenn du auch noch Kaffeepulver reinmachen würdest, wird das sicher ein wunderbarer Kaffee.“

Ich fuhr herum, meine Mum stand am Türrahmen gelehnt.

„Oh Mum, du sollst mich doch nicht immer so erschrecken.“

Sie lachte und nahm die Kaffeedose aus dem Schrank.

„Deck du den Tisch, ich mach den Rest, weck aber vorher Papa, der soll Brötchen holen.“

„Braucht er nicht, Benni bringt sie schon mit.“

„Wie konnte ich nur vergessen, dass der selbsterwählte Herr Sohn, uns Samstags Morgen mit Brötchen versorgt“, meinte sie.

Ich sah sie nur an.

„Michael, weck deinen Vater trotzdem und dir koche ich eine Spezialmischung. um dich wieder unter die Lebenden zu bringen.“

„Danke Mum“, antwortete ich und gähnte herzhaft.

„Aber heute noch!“, rief sie mir hinterher.

Ich lief wieder die Treppe hinauf, zum Schlafzimmer meiner Eltern. Ich ging ins Zimmer und wollte den Rollladen hochziehen, aber irgendetwas auf dem Boden war meiner Aufmerksamkeit entgangen.

So stolperte und fiel ich mit lautem Schrei mitten auf das Bett, sprich auf den darin liegenden Dad. Der war sofort hellwach und sah mich schmunzelt an.

„Guten Morgen Herr Sohn, auch schon unterwegs?“, fragte er mich.

Durch den Lärm angelockt, stand auch schon meine Mum im Zimmer. Sie brach in lautem Gelächter aus. Ich liebe diese morgendliche Frühe. Mein Fuß hatte sich in die Decke meiner Mutter verwickelt, die sie beim Aufstehen fallen lassen hat.

„Ich weiß ja, das du es gerne warm und kuschelig hast“, begann mein Vater, „ aber hättest du die Güte, mit deinem Gewicht von mir runterzusteigen. Die Zeit, in der du gerne bei mir ins Bett gekrochen bist, ist wohl vorbei, oder?“

Etwas verlegen und unter dem Lachen meiner Mum kroch ich von meinem Dad herunter.

„Wenn du so müde bist, warum hast du nicht länger geschlafen?“, fragte sie.

„Benni“, grummelte ich nur, was ich für eine genügende Antwort hielt.

Wie auf Kommando, ging unten der Türgong. Mein Dad stand auf und zog sich seinen Jogging an. Ich versuchte meinen Fuß aus der Gewalt dieser Decke zu befreien, aber bekam mit, dass Mum Benni die Tür bereits geöffnet hatte.

„Morgen Astrid, habe die Brötchen mitgebracht“, hörte ich ihn sagen.

„Und deine Eltern wieder unterwegs?“, sagte meine Mum.

„Waren die überhaupt zu Hause?“, fragte Benni.

„Ihr seht euch wohl sehr selten, stelle ich fest.“

„Mich stört es nicht sonderlich, bin es ja schon ausreichend gewohnt.“

Fast wäre ich die Treppe herunter gestolpert und landete in den Armen von Benni.

„Ach so ist das, gestern noch dem schönsten Schnuckel aus dem >Igopop< nachstellen und sich nun wieder bei mir einschmeicheln wollen.“

Ich schaute Benni ins Gesicht, dass mit einem breiten Grinsen überzogen war. So ein Arsch.

„Selber“, kam es von Benni, der wohl Gedanken lesen konnte.

„Benni führ ihn an den Esstisch, bevor er sich noch irgendwo verletzt“, kam es von meiner Mum.

„Sehr witzig“, brummelte ich.

„Ist er immer noch von Sinnen?“, fragte Benni.

„Wieso?“

„Na ja, seid er gestern diese Mischung aus Brad Pitt und Elliah Wood gesehen hat, schwebt er auf Wolke sieben.“

„Davon hat mir Michael noch gar nichts erzählt!“, meinte Mum erstaunt.

„Was wollte Michael erzählen?“

Mein Dad war ins Esszimmer gekommen.

„Morgen Benni.“

Morgen Harald. Was er gestern in der Disse erlebt hat“, antwortete Benni.

Ich saß am Tisch und starrte die Drei an. Hatten die Drei, es sich zur ihrer Lebensaufgaben gemacht, mir meinen Morgen derart zu versüßen, dass ich wirklich am liebsten mich wieder ins Bett kroch.

„Mensch Michael, erzähle, wie heißt er, wo kommt er her?“

Meine Mum natürlich, sie war gleich Feuer und Flamme.

„Da gibt es noch nichts zu erzählen“, brummte ich.

„Er heißt Alex und hat ihm seine Handynummer zugesteckt“, kam es von Benni.

„Oh, interessant! Hast du schon angerufen?“, sagte Mum.

„Nein, habe ich nicht“, antwortete ich mürrisch, und rieb mir über das Gesicht.

„Bevor ihr mit eurem Interview weiter macht, lasst Micha erst mal einen Kaffee trinken“, sagte Dad.

„Wenigstens einer der Erbamen mit mir hat“, sagte ich und nahm die Tasse Kaffee entgegen, die mein Vater mir reichte.

„Wer ist Elliah Wood?“, fragte meine Mum.

„Oh Mum, es reicht bitte.“

„Ich wollte doch nur wissen, wie Alex aussieht.“

„Dann geh heut Abend mit ins Igopop, dann kannst du ihn selber kennen lernen“, meinte ich und nahm einen kräftigen Schluck Kaffee.“

„Hast du überhaupt was für die Disco zum Anziehen“, fragte Dad.

Ich hatte heute morgen wohl die totale Arschkarte gezogen.

„Morgen, über was redet ihr?“

Oh Gott, nun Katja auch noch, die hatte mir gerade noch gefehlt. Sie setzte sich neben mich und sah mich verwundert an.

„Wohl zu wenig Schlaf abbekommen, Micha, warum bist du schon aufgestanden?“, fragte sie.

Alles am Tisch begannen zu lachen und Katja schaute noch verwirrter, ich noch mürrischer.

* * *

Später in meinem Zimmer sammelte ich die Klamotten von der Nacht zusammen.

„Du meinst also wirklich, ich soll ihn anrufen?”, fragte ich Benni.

„Natürlich, so angetan, wie er von dir war.“

„Wir habe nicht mal groß etwas geredet.“

„Dafür war aber euer Blickkontakt sehr intensiv!“

„Ich weiß nicht einmal, wo ich die Karte hingelegt habe.“

„Da, auf deiner Tastatur liegt sie“, meinte Benni und reichte sie mir.

Ich sah Benni an.

„Na los!“

Ich nahm mein Handy und tippte die Nummer ein.

„Hallo Alex hier!“

Man, der war ja hellwach.

„Ähm, hallo hier ist Michael.“

„Michael?“

Benni nahm ein Kissen vor den Mund und begann zu kichern.

„Ja, der dem du gestern deine Nummer zugesteckt hast.“

„Ach der Michael, der mich gestern, mit einem so hohen Trinkgeld belohnen wollte.“

„Ja, der!“

Mir stieg die Röte ins Gesicht.

„Und warum rufst du an?“

„Weil du mir deine Nummer gegeben hast?“

Eine noch blödere Antwort hätte mir ja nicht einfallen können. Benni lag schon auf dem Boden und krümmte sich vor lachen.

„Alles in Ordnung bei dir, ich hör so ein Wimmern im Hintergrund!“

„Och… das ist nur mein Meerschweinchen, dass außer Puste ist“, sagte ich und gab Benni einen sanften Tritt, damit er aufhören sollte.

„Ach so. Und wollen wir uns treffen?“, kam es von Alex.

„Ähm ja, wann?“

„Am besten gleich, ich muss später wieder ins Igopop, wenn meine Schicht wieder anfängt.“

„Und wo?“

„Vielleicht am alten Kino, findest du das?“

„Ja, sicher, in einer halben Stunde bin ich dort.“

„Gut, lass dir Zeit, ich muss mich noch anziehen.“

Im Gedanken, dass er nun nackt vor mir stand und mit mir telefonierte, wachte meine untere Region auf.

„Gut, dann bis gleich!“

„Bye Micha!“

„Bye Alex!“

Ich drückte das Gespräch weg.

„Siehste, geht doch“, meinte Benni der wieder auf seinem Stuhl saß.

„Ich muss von allen guten Geistern verlassen sein, dort einfach anzurufen.“

„Wieso, weshalb bekommt man wohl eine Nummer zugesteckt?“

„Ja, ist schon gut und nun ab mit dir, ich muss mich fertig machen.“

„Okay, bin schon weg. Holst du mich heute Abend wieder ab.“

„Gleiche Zeit, gleiche Stelle!“, sagte ich und schob ihn aus meine Zimmer.

„Okay, bis dann!“, meinte er und verschwand die Treppe hinunter.

Ich verschwand im Bad und stellte mich vor dem Spiegel. Wer war das, den ich da im Spiegel sah. Ich beschloss diesen Fremden mit einer Menge kalten Wasser zu erwecken und hielt mein Gesicht unter das fließende Wasser.

Im Nu war ich hell wach. Der Kaffee schien wohl langsam zu wirken. Ich ging zurück ins Zimmer und suchte etwas vorteilhaftes heraus. Nachdem ich mich umständlich in meine Klamotten gezwängt hatte, ging ich nach unten.

„Ich bin dann mal weg“, rief ich.

„Wo willst du den schon hin?“, fragte Mum aus der Küche.

„Mich mit Alex treffen!“, sagte ich.

Der Kopf meiner Mutter erschien aus der Küche.

„Doch so eilig? Sämtliche Berichte, bitte an diese Adresse.“

„Ja, du wirst als erstes deinen Schwiegersohn kennen lernen.“

Sie hielt kurz inne, wahrscheinlich, hatte sie nicht mit dieser Antwort gerechnet.

„Bist du zum Mittagessen da?“, fragte sie.

Weiß nicht, ich ruf an, okay?“

„Ja, geht klar, bis später.“

„Bis später Mum.“

Schon hatte ich das Haus verlassen. Zum alten Bahnhof brauchte ich mit dem Auto keine fünf Minuten, so beschloss ich zu laufen, um nicht dort eine Ewigkeit zu warten. Dort angekommen, war ich natürlich zu früh.

Aber halt was machte ich hier eigentlich. Gestern hatte ich diesen atemberaubenden Typ gesehen, mich in ihn verguckt… mich in sein Äußeres verguckt. Was ist, wenn er jetzt irgendein Arsch ist. Abrupt blieb ich stehen und wollte wieder umkehren.

„Michael?“

Zu spät, er war schon da. Ich zog meine Hände aus den Jackentaschen und winkte ihm zu. Er stand auf der anderen Straßenseite und versuchte zu mir zugelangen, was bei diesem Verkehr sehr schwer war.

Eine kleine Lücke nutzte er und sprintete los.

„Hi Michael, sorry ich wurde aufgehalten“, sagte er, als er etwas außer Atem bei mir ankam.

„Macht nichts, bin auch grad gekommen“, sagte ich und wäre aber auch gerne gleich wieder gegangen.

„Gehen wir ein bisschen im Park spazieren?“, fragte er mit dem selben Blick wie am vorigen Abend.

Ich begann bereits jetzt zu schmelzen.

„Gerne!“, sagte ich.

Alex machte eine einladende Bewegung Richtung Park und wir liefen los. Am Anfang war es recht still, nur der Lärm der fahrenden Autos war zu hören. Irgendwie traute ich mich jetzt nicht ihn anzusehen.

Steif schaute ich nach vorne.

„Du, ich wollte dir noch sagen, es ist normalerweise nicht meine Art jemand meine Handynummer zugeben…“

Ich schaute kurz zu ihm, schwieg aber weiter.

„Fühlst du dich auch unwohl?“, begann er wieder.

Ich blieb stehen und schaute ihn an.

„Gestern Mittag wusste ich nicht mal, dass es dich gibt. Gestern Abend, setzte bei mir alles aus, als ich dich sah und nun laufe ich neben dir hier im Park“, sagte ich leise.

„Hat das was Gutes zu bedeuten?“, fragte Alex.

„Das weiß ich selber nicht, ja und ich fühl mich irgendwie unwohl… was mache ich überhaupt hier?“

„Mich kennen lernen?“

Und wieder diesen hinreißende Lächeln. Ich konnte nicht anderst, ich ging ein Schritt nach vorne und küsste ihn kurz auf den Mund. Irgendwie war ich jetzt auf eine Ohrfeige gefasst, hab wohl zu viele Filme gesehen, aber nichts geschah.

Langsam öffnete ich die Augen. Er stand vor mir und starrte mich an.

„Ich dachte erst, ich geh zu forsch ran, weil ich dir meine Nummer gegeben habe, aber du… wow.“

Langsam streich er über seine Lippen, wo sich noch vor ein paar Sekunden die Meinen befunden haben.

Entschuldige, ich bin sonst auch nicht so, aber du…“, ich brach mitten im Satz ab, weil ich mich in diesen Augen verlor.

„Was?“, er zeigte zu einer Bank, wo wir uns setzten sollten.

„Ich weiß nicht wie ich dir das erklären soll, aber von dir geht etwas aus, dass mich unheimlich fasziniert.“

„Und was fasziniert dich an mir?“

„Einfach alles“, hauchte ich.

„Kann es sein, dass du dich ein bisschen in mich verknallt hast?“, fragte Alex.

Ich wusste nicht mehr was ich sagte, ich war diesen Typ total verfallen. Ich brachte nur ein Grinsen fertig. Er sagte irgendetwas, aber ich verstand ihn nicht. Seine Lippen bewegten sich, doch kein Laut kam heraus.

Plötzlich fühlte ich einen starken Schmerz an meiner Stirn, ich griff nach ihr.

„Boah scheiße“, rief ich laut.

Ich saß auf den Boden und schaute mich um. Nun wurde mir klar was passiert war, ich hatte geträumt und war schnurr Stracks, gegen eine Laterne gerannt. Also, kein Alex in der Nähe, keine flüchtigen Kuss.

Ich stand wieder auf und hielt Ausschau nach Alex, aber weit und breit keine Spur von ihm. So stand ich nun, vor dem alten Bahnhof. Der Traum war mir total peinlich, wenn das jetzt alles wirklich passierte.

Ich schaute noch mal auf die Uhr, aber kein Alex weit und breit.

* * *

„He, Michael du bist ja schon zu Hause, das ging aber schnell, und wie war es?“, fragte meine Mum, als ich das Haus betrat.

„Kann ich dir nicht sagen?“, meinte ich und hängte meine Jacke auf.

„So intim?“

Sie grinste wieder.

„Nein, er ist gar nicht gekommen.“

„Oh!“

„Ja, oh!“, sagte ich und lief hinauf in mein Zimmer.

Während ich alles aus meine Taschen kramte, fing das Handy an zu klingen. Eine SMS! Ich öffnete sie, obwohl ich die Nummer nicht kannte. Alex!

>> Tut mir leid Michael, aber mir ist etwas dazwischen gekommen. Bist du heute Abend wieder im Igopop? Gruß Alex<

Also machte ich mich daran, ihm eine Antwort zu schicken, aber erst einmal speicherte ich die Nummer.

>Klar komme ich Abend wieder, sehen wir uns? Micha<

Ich brauchte nicht lange auf Antwort warten.

>Sicher sehen wir uns, habe auch früher Feierabend und dann Zeit für dich. Alex<

Zeit für mich. Noch immer hatte ich ein ungutes Gefühl, war mir nicht sicher ob ich da, dass richtige machte. Mein Telefon auf dem Schreibtisch holte mich aus dem Gedanken.

„Michael hier?“

„Du bist ja wirklich zu Hause!“

Benni!

„Klar bin ich zu Hause, wo sollte ich sonst sein?“, fragte ich ihn, und rieb mir an der Stirn, die immer noch weh tat.

„Hallo! Hattest du nicht ein Date?“, fragte Benni.

„Ja, ein geplatztes, er kam nicht.“

„Oh!“

„Woher weißt du eigentlich, das ich zu Hause bin?“, fragte ich.

„Och, Matthias hat dich gesehen, bevor er bei mir anrief.“

„Bin wohl schon Stadtgespräch.“

„Nein, so wichtig bist du nicht!“

Normalerweise hatte ich immer Antworten parat, aber nun schmerzte meine Stirn.

„Du Benni, ich muss mich hinlegen, ich habe Kopfschmerzen.“

„Zu wenig Schlaf?“

„Nein, die unheimliche Begegnung mit einer Laterne.“

„Bitte?“

„Erzähl ich dir heut Abend, wenn ich dich zum Igopop abhole.“

„Gut, dann bis heute Abend!“

„Okay. Bye.

„Bye.“

* * *

Wie am Vorabend, fuhr ich zu Benni, um ihn abzuholen, nur stand er diesmal nicht wartend am Straßenrand. Also stellte ich das Auto ab und klingelte an der Haustür. Der Summer ging und ich konnte die Tür aufdrücken.

Benni wohnte im fünften Stock, so lief ich im schnellen Laufschritt die Treppe rauf. Die Wohnungstür stand offen.

„Benni?“, rief ich, bekam aber keine Antwort.

„Hallo, ist jemand zu Hause“, rief ich abermals.

„Oh, hallo Micha, Benni ist noch im Bad.“

Bennis Mutter streckte den Kopf aus der Küche.

„Willst du etwas trinken?“, fragte sie mich.

„Nein danke, Renate!“

Ich ging zu ihr in die Küche und lehnte mich gegen einen der Küchenschränke.

„Weißt du eigentlich was mit Benni los ist?“, kam es plötzlich von ihr.

„Wieso, vorhin am Telefon hat er sich doch ganz normal angehört.“

„Ich weiß nur, dass er mit jemand telefoniert hat und danach war er ziemlich ruhig und hat sich in sein Zimmer zurückgezogen.“

Ich hörte die Badtür.

„Benni? Michael ist schon da“, rief Renate.

Ich verließ einfach die Küche und wollte zu Benni. Er lief gerade in sein Zimmer. Ich musste schmunzeln, denn er hatte nur ein Handtuch um die Hüften. Benni sah einfach geil aus, anderst konnte ich ihn nicht beschreiben.

Seine blonden kurze Haare, das stubsnäsige Gesicht, verliehen ihm etwas freches.

„Hi Benni“, meinte ich, als ich sein Zimmer betrat.

„Hi Micha“, kam es leise von Benni.

Oha, was war da im Busch, diesen Tonfall kannte ich bei Benni schon.

„Alles klar bei dir?“, fragte ich.

„Könnten wir heut Abend, wo anderst hingehen oder hier bleiben?“, kam es von ihm.

Das passte mir jetzt überhaupt nicht in den Kram.

„Wieso das denn? Ich will mich mit Alex treffen!“

Benni schmiss sein Handtuch aufs Bett und stand nun völlig nackt vor mir. Ich musste schlucken, denn Benni war wie schon gesagt, einfach nur geil.

„Gefall ich dir?“, fragte Benni.

„Natürlich gefällst du mir, was für eine blöde Frage.“

Benni trat an mich heran und nahm mich in den Arm. Mir wurde ein wenig anderst, so auf Tuchfüllung mit Benni.

„Könnest du vorstellen, mich als Freund zu haben?“, flüsterte er mir ins Ohr.

Jetzt reichte es mir, ich drückte Benni von mir weg.

„Kannst du mir mal sagen, was mit dir los ist? Benni du bist mein Freund! Na ja, nicht so, du weißt wie ich das meine. Ich liebe dich eben so als Freund, aber was soll dass jetzt mit der Schwuchtelei hier, du stehst auf Mädchen!“

Benni stand wie ein Häufchen Elend vor mir. Diesmal nahm ich Benni in den Arm.

„Was ist los mit dir?“, fragte ich leise und strich ihm sanft über den Rücken.

„Susanne hat angerufen“, begann Benni leise.

„Die von gestern Abend? Was wollte sie?“

Er wand sich und ich merkte, er hatte Schwierigkeiten, etwas zu sagen.

„Ja, Susanne von gestern, sie hat… deinetwegen angerufen.“

„Wegen mir?“, ich ließ Benni verwirrt los.

Mir fiel auf, dass sein Teil jetzt nicht mehr schlaff zu Boden hing, sondern halb steif abstand.

„Ja, sie hat mir da etwas von Alex erzählt…“, er brach ab und wendete sich zum Schrank.

„Alex? Was hat die mit Alex zu schaffen?“

„Sie kennt ihn schon länger und da meinte sie, ich soll dich vor ihm warnen…“

„Dürfte ich bitte Alex selber kennen lernen, bevor andere mir rein reden.“

Jetzt war ich doch leicht sauer.

„Und was sollte die Nummer eben?“, fragte ich lauter.

„Ich dachte, ich könnte…“, weiter sprach Benni nicht und ließ sich auf sein Bett fallen.

„Bist du jetzt völlig durchgeknallt“, schrie ich, „wolltest du mich jetzt verführen, um mich von Alex wegzubringen?“

Benni gab mir keine Antwort, schaute nur auf den Boden.

„Das wär es dann wohl“, brüllte ich und verließ sein Zimmer.

Renate kam mir entgegen, weil sie anscheinend mitbekommen hatte, dass irgendetwas nicht stimmte.

„Tschüß Renate, ich verschwinde wieder“, meinte ich nur und hatte schon die Wohnungstür geöffnet.

„Was ist denn los?“, fragte sie.

„Frage das deinen Herrn Sohn“, gab ich zur Antwort und verließ die Wohnung, nicht ohne die Tür krachend ins Schloss fallen zu lassen.

Ziemlich wütend saß ich hinter dem Steuer, fuhr auch zu schnell durch die Stadt. Wie konnte Benny nur meinen, er kann sich einfach so mir nicht, dir nichts in meine Privatangelegenheiten einmischen.

Ich sah einen Parkplatz vor dem Igopop und gab noch mehr Gas. Mit quietschenden Reifen kam ich zum stehen, stieg aus und rannte zum Eingang. Ich drängelte mich vor und der gleiche Türsteher wie gestern erkannte mich wieder und ließ mich sofort rein.

Drinnen angekommen, ging ich gleich hoch zur Empore, wo gestern Alex uns bedient hatte. An einem Tisch erkannte ich wieder die Mädchen vom Vorabend, auch Susanne. Erst wollte ich ihr einen Anschiss verpassen, zog es aber vor, ihr nur böse Blicke zu zuwerfen

Also ging ich direkt zu Decke und setzte mich dort auf einen Barhocker. Alex schien nicht da zu sein, oder irgendwo zu bedienen. Ein anderer junger Mann kam zu mir und fragte mich, was ich trinken möchte.

Ohne groß nachzudenken, bestellt ich mir ein Bier. Plötzlich tippte mir jemand an die Schulter. Ich drehte meinen Kopf und sah wieder in diese herrlichen Augen.

„Hi, Michael!“

„Hi, Alex!“

„Alleine hier? Wo sind deine Freunde?“, fragte Alex und ging hinter die Theke.

Ein Geruch von Alkohol zog hinter ihm her, was ich aber nicht weiter beachtete.

„Bin alleine her gekommen,… eigentlich wegen dir, du weißt schon, wegen der SMS heute Mittag“, antwortete ich.

„Entschuldige noch mal, aber es kam mir wirklich etwas dazwischen“, sagte Alex und goss dabei zwei Cola ein.

„Kein Problem“, antwortete ich nur.

„Moment!“

Alex lief mit einem Tablett voll hinter der Theke vor.

„In einer Stunde habe ich Feierabend, dann habe ich alle Zeit der Welt für dich“, meinte Alex und lief davon.

Ich nahm einen kräftigen Schluck vom Bier und sah mich um. Die Mädchen schienen sich über mich zu unterhalten, denn Susanne und ihre Freundinnen schauten ständig zu mir. Ich beachtete die Vier nicht weiter, denn Alex kam zurück.

„Willst du noch etwas bestellen?“, fragte er mich.

„Ja, ich trinke noch ein Bier.“

Ich beobachtete Alex dabei, wie er mein Bier zapfte und lächelte jedesmal, wenn er kurz zu mir rüber schaute. Die Musik dröhnte laut von unten herauf, aber es schien noch nicht so richtig Stimmung aufzukommen.

Es war aber auch erst neun Uhr, also füllte sich der Laden immer noch.

„Michael?“

Ich drehte wieder meinen Kopf und Susanne stand vor mir.

„Kann ich mit dir reden?“

„Wenn du mir den gleichen Mist wie Benni sagen willst, dann vergiss es, dass will ich gar nicht hören“, sagte ich in einem säuerlichen Ton.

„Wo ist Benni?“

„Zu Hause, ich habe ihn nicht mitgenommen.“

Vorwurfsvoll stand Susanne vor mir und zückte ihr Handy. Sie stellte sich etwas abseits von mir und begann zu telefonieren. Ich trank weiter an meinem neuen Bier und beachtete sie nicht weiter.

„Das hast du ja sauber hinbekommen, schöner Freund bist du“, knurrte mich Susanne von der Seite an.

Ich schaute ihr verwundert hinterher.

„Scheiß Weiber!“, sagte ich und trank mein Bier in einem Zug leer.

„Probleme?“,

Alex war an mich herangetreten.

„Nein, keins! Ich freu mich nur darüber, dass ich schwul bin und mit so was nichts zu tun habe.“

Abwertend schaute ich Susanne hinterher.

„Noch eins?“, fragte mich Alex und hob mein leeres Glas hoch.

„Ja“, meinte ich und schaute ihm hinterher.

„Und du hast keinen Freund?“, fragte ich ihn.

„Nein!“, kam es kurz von ihm.

„Das verstehe ich gar nicht. Du siehst so super aus, bist voll lieb!“

Der Alkohol hatte meine Zunge gelockert, denn es war normalerweise nicht meine Art so zu flirten.

„Danke, du aber auch“, meinte Alex und stellte mir mein neues Bier hin.

Er ging an den Rand der Theke und trank aus einer Sprudelflasche ein paar Schluck. Er verzog kurz das Gesicht und stellte dann die Flasche zurück.

„Willst du nachher hier bleiben, oder wo anderst hingehen?“, fragte Alex.

„Ich weiß nicht, finde es heute irgendwie langweilig hier.“

„Am Samstag geht es auch erst gegen elf Uhr los hier.“

„Und was würdest du vorschlagen?“

„Bist du mit dem Auto da?“

„Ja, aber ich denke, ich muss es wohl stehen lassen, und zog kräftig an meinem Bier.“

„Das trifft sich gut, denn ich wohne hier in der Nähe. Hast du Lust mit zu mir zu kommen?“, fragte Alex.

„Gerne“, antwortete ich und bekam das Lächeln nicht mehr aus dem Gesicht.

Zwei Bier später, übergab Alex seinen Bereich einem Kollegen. Ich zahlte und Alex kam, mit einer Jacke in seiner Hand, aus einer Nebentür.

„Und können wir?“, fragte er mich.

„Klar doch“, meinte ich und versuchte aufzustehen.

Der Alkohol zeigte seine volle Wirkung und ich schwankte etwas. Unter den verächtlichen Blicken von Susanne, lief ich kichernd neben Alex nach unten. An der frischen Luft schien es aber besser zuwerden.

Alex nahm mich an der Hand und wir liefen die Strasse hinunter, wo ich dachte, dass er wohnen müsste. Vor einem Altbau machte er halt und schloss die Haustür auf. Ich musste immer noch kichern, bis wir endlich im fünften Stock in seiner Wohnung ankamen.

Ich war noch nicht richtig im Flur, da packte mich Alex, presste mich gegen Wand und begann mich wild zu küssen. Ich war zwar ein wenig erschrocken, aber es war unheimlich schön. Er zog an den Ärmeln meiner Jacke, die kurz darauf zu Boden viel.

Unter lautem Kichern zogen wir uns gegenseitig aus. Ohne es zu merken, standen wir plötzlich vor seinem Bett. Irgendwie war mir das aber egal. Ich war nackt und hatte einen traumhaften Boy im Arm, der mich überall küsste.

Wir ließen uns auf sein Bett fallen und fielen übereinander her.

* * *

Ich öffnete die Augen und wusste nicht, wo ich war. Mein Schädel brummte und ich hatte einen ekligen Geschmack im Mund. Ich spürte das jemand an mich gekuschelt lag und plötzlich war alles wieder da.

Ich lag mit Alex im bett und schien eine super nacht mit ihm verbracht zu haben.

„Auch schon wach“, hörte ich ihn brummen.

„Ja. Hast du eine Aspirin für mich, mein Kopf platzt bald.“

„Geh ins Bad, da im Spiegelschrank stehen welche.“

Total unwillig kroch ich aus dem Bett.

„Wo ist das Bad denn?“, fragte ich.

„Die Tür neben der Wohnungstür.“

Alex hatte nicht mal den Kopf gehoben. Er lag nackt auf der Decke und ich sah das Tattoo, dass seinen linken Oberschenkel überzog. Cool, dachte ich und machte mich auf die Suche nach dem Bad. Endlich gefunden, suchte ich gleich nach den Tabletten und wurde auch fündig.

Kurz noch auf die Toilette, bevor ich wieder zu Alex zurück ging, der immer noch so da lag. Ich beugte mich vor und küsste seinen Rücken, bevor ich mich neben ihm nieder ließ.

„Mmmmmmm“, kam es von Alex, „daran könnte ich mich gewöhnen.“

„Was hindert dich dran?“, fragte ich und lächelte.

„Weil mich bisher noch niemand haben wollte“, kam es leise von Alex, „wenn sie mich besser kennen gelernt hatte, war ich plötzlich Luft für sie.“

Ich stütze mich auf meine Ellenbogen und knabberte an seiner Schulter.

„Ich versteh das nicht“, meinte ich.

„Was?“, fragte er.

„Das dich keine haben will… ich will dich!“

Alex hob den Kopf und drehte sich um.

„Micha, du bist ein wahnsinnig lieber Kerl, aber du kennst mich doch überhaupt nicht.“

„Dann gib mir die Gelegenheit, dich kennen zu lernen“, sagte ich und gab ihm einen Kuss.

„Du bist gemein… unter dir wird ich weich wie Wachs…“, meinte Alex und zog mich zu sich.

„Und etwas anderes hart“, sagte ich und strich ihm über den Schwanz.

Alex stöhnte auf und drückte sich fest an mich.

„Noch eine Runde?“, fragte ich grinsend.

Alex antwortete nicht mehr, sondern gab mir einen langen innigen Kuss.

* * *

Ich schloss zu Hause die Tür auf, es schien noch ruhig zu sein. Weit gefehlt, denn in der Küche saßen meine Eltern, bei einer Tasse Kaffee.

„Aha, der Herr Sohnemann lässt sich auch wieder blicken“, kam es von meinem Vater.

Oh, das hört sich sehr nach dicker Luft an. Stumm stand ich im Türrahmen und sah die beiden an.

„Hättest ruhig anrufen können, wir haben uns Sorgen gemacht“, sagte meine Mutter vorwurfsvoll.

„Sorry, ich hab zu viel getrunken“, sagte ich nur und wollte die beiden alleine lassen.

„Bei Benni?“, fragte mein Dad.

„Nein“, gab ich kurz und recht heftig von mir und war drauf und dran in mein Zimmer zu gehen.

„Was ist gestern zwischen dir und Benni vorgefallen?“, fragte meine Mum.

Ich schreckte den Kopf noch mal zur Küche hinein.

„Nichts, warum?“

„Das hörte sich aber aus Renates Mund anderst an“, gab meine Mum giftig von sich.

„Ach, der kann mich mal“, sagte ich zornig, lief in mein Zimmer und knallte hinter mir die Tür zu.

Lange blieb sie nicht verschlossen, meine Mutter hatte sie aufgerissen.

„Nichts ist passiert? Und warum musste Renate dann gestern noch den Arzt rufen, weil Benni sich nicht mehr beruhigte, nur noch am heulen war. Er ist mit einer Spritze ruhig gestellt worden“, brüllte meine Mum.

Zornig fetzte ich meine Jacke in die Ecke und schrie genauso laut zurück.

„Weil er sich auf so eine dreckige Art in mein Leben eingemischt hat, dass mir jetzt noch speiübel davon wird.“

Alles, was ich jetzt spürte, war, dass meine Wange glühte und schmerzte. Meine Mutter hatte mir eine gescheuert.

„Nicht in dem Ton junger Mann, lass dich heut bloß nicht mehr bei mir blicken“, schrie meine Mutter und verließ mein Zimmer.

Diesmal war sie es, die meine Tür knallte. Fassungslos stand ich da und rieb an meiner Wange. Benni hat einen Arzt gebraucht. Erst jetzt wurden mir die Worte bewusst. Mit einer Spritze ruhiggestellt.

Meiner Mutter hatte mir noch nie eine gescheuert. War etwas dran, an dem was Benni mir beibringen wollte? Was war Alex für einen Typ? Mich will keiner haben, wenn er mich besser kennen lernt, hatte er gesagt.

Ich griff nach meiner Jacke und rannte aus der Wohnung.

* * *

Jetzt mach schon auf, dachte ich. Noch einmal klingelte ich an Alex’ Wohnungstür. Drinnen war ein Rumpeln zu hören und ein Schlüssel wurde herum gedreht. Die Tür öffnete sich langsam und Alex Kopf kam zum Vorschein.

„Ja? Du? Was ist denn, bist doch erst vor einer Stunde gegangen, die Sehnsucht nach mir so groß?“, fragte Alex.

Er sah miserabel aus. Es roch nach Schnaps, sein Mundgeruch war widerlich.

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte ich und folgte ihm in die Wohnung.

„Mir? Och, ich glaube, ich habe das Frühstück nicht vertragen, habe einen Schnaps getrunken, gegen die Magenschmerzen.“

Einen? Er schwankte, als hätte er ein ganzes Fass ausgetrunken. In der Küche sah es verheerend aus. Gut vorher war ich nicht drinnen, aber da lag Geschirr in der Spüle, dass schon ein paar Tage sicher kein Wasser gesehen hatte.

Alex ließ sich auf einen Stuhl fallen und zündete sich eine Zigarette an.

„Auch eine?“, fragte er.

Ich schüttelte den Kopf und suchte nach einer Sitzmöglichkeit, aber fand keine, weil überall Zeug verteilt war.

„Warum bist du wieder da?“, kam es von Alex.

„Mir war einfach danach“, log ich.

Alex stand auf und schob Sachen, die auf einem Stuhl lagen, einfach herunter auf den Boden.

„Setz dich doch. Willst was trinken?“, fragte er.

„Nein, danke.“

Ich konnte mir grad nicht vorstellen, dass er etwas normales zum Trinken hatte, nach dem ich die Schnapsflasche vor ihm auf dem Tisch sah. Sie war fast leer und ein normales Trinkglas stand daneben.

„Wollte fragen, ob du Lust hättest, ein wenig mit mir spazieren zu gehen?“, nahm ich wieder die Unterhaltung auf.

„Och nein, ich hau mich gleich wieder in die Falle, muss noch Schlaf nachholen.“

„Gut, dann verschwinde ich wieder“, meinte ich und stand auf.

Er stand ebenso auf und kam auf mich zu. Er nahm mich in den Arm und drückte sich an mich.

„Das war eine wunderschöne Nacht mit dir, könnten wir das heute Nacht wiederholen?“, hauchte er mir ins Ohr.“

„Du nein, ich muss morgen wieder in die Schule“, antwortete ich und löste mich wieder von ihm, seinen Geruch fast nicht ertragend.

„Wusst ich es doch, für dich bin ich auch nur ein >OneNightStand<“, fuhr er mich plötzlich an.

„Was redest du?“, fragte ich verwundert.

„Verschwinde aus meiner Wohnung, bevor ich mich vergesse“, schrie er jetzt.

Ich drehte mich um und lief schleunigst zur Wohnungstür.

„Und lass dich hier nie wieder blicken, du Arschloch“, schrie er mir hinter her.

Und schon war ich draußen. Drinnen hörte ich Glas splittern und Alex laut fluchen. Total verwirrt lief ich wieder die Treppe herunter und stand dann plötzlich vor dem Haus. Was war das jetzt? Ich schloss mein Wagen auf und setzte mich hinein.

Total verunsichert startete ich den Motor und fuhr los. Ich machte eine Vollbremsung, denn ich hatte den Wagen nicht gesehen, der von hinten kam. Langsam fuhr ich wieder los. Als ich endlich zum Stillstand kam, bemerkte ich erst, wo ich war.

Ich stand vor dem Haus wo Benni wohnte. Total neben der Rolle stand ich auf und lief zur Haustür. In Trance drückte ich auf den Klingelknopf und warte auf den Summton. Benebelt drückte ich die Tür auf und lief bis zu Bennis Wohnungstür, in der schon Renate stand.

„Du hast Nerven, hier aufzutauchen“, sagte sie.

Mir liefen mittlerweile die Tränen herunter.

„Kann ich mit ihm reden?“, fragte ich im heißeren Ton.

„Ich weiß nicht, ob er ansprechbar ist“, meinte sie ließ mich aber dennoch in die Wohnung.

Leise öffnete ich die Tür zu Bennis Zimmer und trat ein. Benni selbst lag zusammen gekauert in seinem Bett. Sehen konnte er mich nicht, den er lag, mit dem Gesicht, Richtung Wand. Vorsichtig setzte ich mich auf den Bettrand. Ich legte sanft meine Hand auf seine Schulter.

„Benni?“, flüsterte ich leise.

Er zuckte zusammen, verkroch sich noch weiter in seiner Decke.

„Tut mir leid Benni, dass ich alles falsch gemacht habe und dich nicht ernst genommen habe, ich hätte es besser wissen müssen.“

Ich hörte ein leises Wimmern unter der Decke. Mir verriss es fast mein Herz. Scheiße, was hatte ich Benni da angetan? Plötzlich spürte ich seine Hand auf meiner. Er drehte sich leicht, so das ich sein Gesicht schauen konnte.

Ich erschrak ein wenig, den seine Augen waren tief rot vom Weinen, sein Gesicht dagegen leichenblass.

„Du musst dich nicht entschuldigen, Micha. Es war eine bescheuerte Idee von mir, dich verführen zu wollen, um dich von Alex abzuhalten.“

„Na ja, jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es bescheuert war“, meinte ich und senkte mein Blick.

„Wieso?“, fragte Benni und richtete sich auf.

„Ich glaube, Alex ist Alkoholiker“, stammelte ich und begann zu zittern, weil ich sein Gesicht wieder sah, als er Arschloch mir hinter her rief.

„Das hat Susanne mir auch gesagt“, meinte Benni leise.

„Er ist aber so ein lieber Kerl, so wahnsinnig zärtlich, wenn er nüchtern ist.“

„Ihr habt miteinander…?“

„Ja, ich habe mit ihm geschlafen…“

Jetzt schämte ich mich dafür, weil ich betrunken war und über Alex hergefallen bin.

„He, ist doch nicht schlimm!“, sagte Benni.

„Doch ist es, weil ich mich in ihn verknallt habe, er ist anderst, wie die Jungs, die ich bisher kennen gelernt habe, ganz anderst.“

„Aber er hat ein Problem!“, kam es von Benni.

„Ist egal, er hat mich vorhin sowieso aus seiner Wohnung geworfen, er war total betrunken.“

„Wie sehr hast du dich in ihn verknallt?“, fragte Benni ernst.

„Wieso fragst du?“, meinte ich und schaute ihn verwundert an.

„Wenn du ihm helfen würdest, von dem Zeug wegzukommen, meintest du nicht ihr zwei hättet eine Chance?“

„Ich weiß es nicht, da müsste ich mit ihm erst mal richtig reden. Vor allem, wenn er wieder nüchtern ist.“

„Versuchst du es?“

„Ich weiß es echt nicht.“

Benni nahm mich in den Arm.

„Wieder Freunde?“, fragte er.

„Für immer und ewig!“, hauchte ich und drückte noch fester zu.

„He, ich bekomm keine Luft mehr!“

Ich ließ von ihm ab und bemerkte, dass er wieder mehr Farbe im Gesicht hatte. Es klopfte an der Tür.

„Ja!“, sagte Benni.

Die Tür öffnete sich und Renate schaute herein.

„Und alles wieder in Ordnung?“, fragte sie.

„Ja!“, sagte wir beide einstimmig.

„War es das wert?“, fragte sie weiter.

Benni und ich schauten uns beide an.

„Na ja, so was gehört auch zu einer Freundschaft“, meinte Benni und nahm mich wieder in den Arm.

* * *

Ich schloss zum zweiten Mal an diesem Tag, das Schloss unserer Wohnungstür auf. Sehen konnte ich niemand. Also ging ich leise in mein Zimmer auf, warf diesmal meine Jacke nicht in die Ecke, sondern hing sie auf den Bügel am Schrank.

Ich schaltete das Radio ein und fuhr meinen Pc hoch. Ich musste noch das Referat fertig schreiben, und wollte auch etwas dabei abschalten. Es klopfte an der Tür.

„Ja!“, rief ich.

Katja kam herein, krabbelte auf meinen Schoss und schmiegte sich an mich, ohne einen Ton zusagen.

„Was ist denn mit dir?“

„Mama und Papa, sind heut schlecht gelaunt, keiner will mit mir spielen.“

Ich streichelte ihr über das Haar, daran war ich wohl schuld.

„Hast du schon dein Zimmer aufgeräumt und deine Sachen für die Schule gerichtet?“, fragte ich.

„Nein“, kam es enttäuschend von ihr.

„Wie wär es, wenn ich dir helfe?“

„Würdest du?“

„Für was hat man denn einen großen Bruder.“

Ein Lächeln zog sich über ihr Gesicht. Sie sprang von meinem Schoss herunter und zog mich aus meinem Zimmer.

„Ist ja schon gut, ich komm ja freiwillig mit“, meinte ich.

Also, war ich damit beschäftig, Katja zu helfen. Das Zimmer war recht schnell aufgeräumt, auch ihre Sachen gerichtet. Stolz zeigte sie mir ihre fertigen Hausaufgaben. Ich musste sogar die Aufgaben nachrechnen, aber es stimmte alles.

„So, Schlafanzug an und Zähne putzen“, meinte ich zu meiner Kleinen.

Artig hängte sie ihre Sachen über den Stuhl und verschwand ins Bad. Ich stand auf und wollte in mein Zimmer gehen, aber mein Dad stand vor der Tür und sah mich nur an.

„Mit Benni ist alles wieder in Ordnung“, sagte ich und wollte mich an ihm vorbei drängen.

„Und mit dir?“, fragte er.

„Egal“, meinte ich.

Dad hielt mich am Arm fest, ich schaute ihn an.

„Micha, wenn du Probleme hast, rede bitte mit uns, okay?“

„Ja, schon klar!“

Er ließ mich wieder los und ich ging in mein Zimmer zurück. Das Referat konnte ich vergessen. Ich schaltete den Pc aus und ließ mich auf mein Bett fallen. Ich starrte lange zur decke hinauf, merkte nicht, das meine Mum das Zimmer betreten hatte.

„Micha?“

Ich schaute sie an.

„Tut mir leid, wegen heute morgen!“

„Bin selber schuld“, sagte ich.

„Hätte nicht so weit kommen dürfen“ ,sagte sie und setzte sich auf meinen Stuhl.

„Egal, passiert ist passiert, Schwamm drüber.“

„Was ist mit dir los?“

Ich schwieg und starrte weiter auf die Decke.

„Hat es mit diesem Alex zu tun?“

„Ja“, sagte ich leise.

„So schlimm?“

„Ich glaub, ich habe mich in ihn verliebt“, sprach ich leise weiter.

„Das ist doch gut, oder?“

„Er trinkt…!“

Ich spürte, wie sich Tränen ihren Weg bahnten.

„Oh!“, kam nur von meiner Mum.

Ich wusste echt nicht was ich machen sollte. Mich um ihn bemühen, ihm vom Alkohol wegbringen? Das er mich angeschrieen hatte, saß mir immer noch in den Gliedern.

„Wenn ich dir irgendwie helfen kann?“, sagte Mum.

„Ich weiß ja selber nicht, was ich tun soll.“

„Ich denke, du hilfst ihm.“

„Was macht dich so sicher?“

„Ich kenne meinen Sohn gut genug!“

* * *

Ich hatte Glück, der Lehrer war krank und mein Vortrag war verschoben. Nun saß ich da und musste dieses Hemd irgendwie aufputschen. Ich hatte mir verschiedene Stoffreste zurecht gelegt und schnitt mir Vierecke daraus.

Ein paar Abnäher und es sah nach Patchwork aus. Ob ich die Ärmel länger machen sollte. Ich nähte einfach drauf los und dachte an Alex. Die Zeit verflog und ich hatte dann irgendwann auch Schulschluss.

Ich lief raus auf den Parkplatz, wo mir Daniel entgegen kam.

„Hast du einen Verehrer?“, fragte er mich.

„Warum?“

„Schau auf dein Auto“, meinte er nur und lief weiter.

Jetzt lief ich ein wenig zügiger zu meinem Wagen und blieb abrupt stehen. Am Scheibenwischer hing eine rote Rose mit einem Briefumschlag dran. Ich nahm die Rose und roch an ihr. Herrlich! Auf dem Brief stand Micha.

Ich riss ihn auf.

Hallo Micha,

Lange sitze ich nun schon da und versuch mich an diesen Zeilen. Ich weiß nicht, der wievielte Versuch ich nun gestartet habe.

Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Es war absolute Scheiße wie ich mich dir gegenüber benommen habe. Du bist was besonderes, das habe ich gleich am Anfang gespürt.

Gibst du mir noch mal eine Chance? Ich weiß, ich habe da ein kleines Problem mit dem Alkohol, aber dass bekomme ich bestimmt in den Griff.

Siehst du eine Zukunft für uns? Sag mir bitte, ob ich bei dir noch eine Chance habe. Du bist mir, in nur kurzer Zeit sehr an Herz gewachsen, weil du eben anderst bist, als die Anderen.

Melde dich bitte bei mir, oder komm bitte vorbei. Ich warte auf deine Antwort.

Alex

Ich holte tief Luft. Ein kleines Problem also. Wenn er es aber ernst meinte, sollte ich ihm helfen? Würde das gut gehen? Ich schmiss meine Tasche auf den Rücksitz und stieg ein. Schnell war ich vom Schulgelände herunter auf dem Weg in die Innenstadt.

Es dauerte nicht lange und ich hatte einen Parkplatz in der Nähe von Alex gefunden. Mit der Rose in der Hand rannte ich zu dem Haus in dem er wohnte. Ich drückte den Klingelknopf und ein paar Sekunden später hörte ich den Summer.

Ich rannte die Treppe hinauf und an der Tür stand er schon, Alex. Zurecht gemacht, als wollte er ausgehen.

„Hallo“, sagte ich leise.

„Hi“, meinte er mit einem Lächeln, als er die Rose in meiner Hand sah.

Wie beim letzten Mal folgte ich ihm wieder in die Wohnung. Doch diesmal schien alles anderst. Es roch frisch, vom Alkohol keine Spur mehr.

„Gib mir deine Rose, damit wir sie ins Wasser stellen können“, sagte Alex.

Mir gingen die Augen über, als ich die Küche sah, auf Hochglanz poliert und aufgeräumt. Keine Spur mehr von irgendwelchen Flaschen oder leeren Gläsern. Das Geschirr war alles fein säuberlich in die Regale und Schränke eingeräumt.

Ich folgte ihm ins Wohnzimmer. Auch hier das Gleiche, ich konnte sogar ein paar neue Pflanzen ausmachen.

Alex stellte sich vor mich und sah mich fordernd an.

„Wie hast du dich entschieden?“, fragte er leise.

„Ist das nicht schon meine Antwort, dass ich zu dir gekommen bin?“

„Du kannst auch liebevoll nein sagen, und ich würde es bei dir auch verstehen.“

„Ich bin nicht zum Nein sagen gekommen, Alex, den auch du bedeutest mir etwas.“

„Aber?“

„Wir müssen dein kleines Problem in den Griff bekommen!“

Alex senkte seinen Blick.

„Alex, ich helfe dir dabei gerne, aber du musst dass auch wirklich wollen, sonst sehe ich für uns wirklich keine Zukunft.“

Sprachlos stand er vor mir, ich spürte, wie es in seinem Kopf arbeitete.

„Was hast du gelernt, ich meine was für einen Beruf?“, fragte ich.

„Warum fragst du?“

„Ganz einfach, ich weiß dir gefällt der Job im Igopop, aber dort kannst du nicht bleiben, hast jedesmal literweise Alkohol vor dir.“

„Hast ja recht. Ich hab eine Ausbildung als Bankkaufmann, aber als ich keine Stelle bekam auch nicht übernommen wurde, hab ich mir den Job, als Bedienung besorgt.“

„Mal sehen was man da machen kann, ich kann aber nichts versprechen“, sagte ich.

Er sah mich fragend an.

„Ich will nicht vorgreifen, nicht das du enttäuscht bist.“

Er nickte, war mir aber nicht ganz sicher ob er es verstanden hatte.

„Wo sind die ganzen Flaschen?“

Alex war total unruhig geworden und mit dieser Frage nun, hatte ich anscheinend einen kleinen Schweißausbruch ausgelöst.

„Alex keine Angst, wir stehen das gemeinsam durch!“, sagte ich und nahm ihn in den Arm.

Er zitterte leicht und kuschelte sich eng an mich.

„Danke“, hörte ich ihn flüstern.

Ich strich ihn durch sein Haar.

Er nahm meine Hand und führte mich an eine Tür, hinter der ich nicht wusste, was es war. Die Abstellkammer. Ich beherrschte mich etwas Falsches zu sagen, denn hier türmten sich Flaschen und Kisten.

„Ich habe mein Auto dabei und wir beide bringen jetzt das alles weg, okay?“

Alex folgte mir wie ein kleines Kind und es dauerte schon eine Weile, bis der Berg von Getränken in meinem Auto verstaut war. Ich rief kurz zu Hause an, dass ich später kommen würde. Ich öffnete Alex die Tür und ließ ihn einsteigen.

Ich umrundete das Auto und stieg ebenso ein.

„So, wo sind die nächsten Glascontainer?“, fragte ich.

Ich legte meine Hand auf Alex Knie und streichelte es.

„Alex, wir tun das für dich, du tust das für dich!“

„Aber…“

„Nichts aber, es muss sein, sonst sehe ich bei dir absolut schwarz.“

Alex sah mich flehend mit glasigen Augen an.

„Komm wir schaffen das!“

Er nickte mir zu. Ich startete den Wagen und ließ mir den Weg erklären. Nach dem wir alle lose Flaschen entsorgt hatten und auch ein paar Weinkisten beim Getränkehändler zurückgeben hatten, hatte ich das Gefühl, Alex schien sich etwas wohler zu fühlen.

„Sehen wir uns am Freitag?“, fragte mich Alex, als ich ihm vor seiner Wohnung rausließ.

„Sicher doch. Igopop, selbe Stelle selbe Zeit!“, antwortete ich mit einem Lächeln, „und vergiss nicht, wir schaffen das zusammen!“

Er gab mir noch einen Kuss und ich wartete bis er in der Haustür verschwunden war. Ich fuhr glücklich los und hatte doch ein ungutes Gefühl. Etwas später kam ich zu Hause an, stellte meinen Wagen ab und lief zu unserem Haus.

In meinem Kopf spielten sich Horrorszenarien ab. Konnte ich ihm soweit vertrauen? Darf ich ihn alleine lassen? Gedankenversunken schloss ich die Tür auf.

„Hallo Michaaaaa“, kam es mir entgegen.

Katja sprang auf mich zu und rannte mich fast um.

„Na meine Kleine, wie war die Schule?“, fragte ich und stellte meinen Rucksack auf den Boden.

„Ich habe zwei Sternchen für meine Rechenaufgaben bekommen“, strahlte sie über beide Wangen.

„Dann musst du dich aber weiter so anstrengen, damit du noch viele Sternchen bekommst“, sagte ich.

Meine Mum lehnte lächelnd an der Küchentür und Katja verschwand wieder ins Wohnzimmer.

„In dem Alter warst du auch noch für die Schule zu begeistern“, meinte sie.

„Das war in einem anderen Leben, hi Mum“, sagte ich.

„Und alles klar bei dir?“

„Ja, soweit ist alles klar. Ist Papa schon da, ich möchte ihn etwas fragen.“

„Klar, er sitzt in seinem Büro und arbeitet noch.“

Ich ging also zu meinem Dad, klopfte an der Tür. Es kam keine Antwort, so öffnete ich leise die Tür und schaute hinein. Er saß an seinem Schreibtisch und war am Telefonieren. Als er mich bemerkte, winkte er mich, zu sich. Er sprach mit einem Kollegen, aber das Gespräch schien am Ende zu sein.

Er legte auf und sah mich an.

„Abend Micha, was führt dich zu mir.“

„Ich habe da ein Frage an dich“, begann ich.

Mein Dad lehnte sich zurück und spielte mit seinem Füller.

„Du hast doch vor kurzem gesagt, ihr sucht noch jemand für euer Jugendprogramm in der Bank. Habt ihr da schon jemand gefunden?“

„Nein haben wir nicht, wieso frägst du?“

„Ich habe da vielleicht jemanden, aber da muss ich erst noch etwas zu Ende bringen“, antwortete ich eher mir, als meinem Dad.

„Deine Mutter hat mir da etwas erzählt.“

„Ja, genau dieses etwas, um den handelt es sich.“

„Dich hat es anscheinend toll erwischt?“

„Ja hat es“, meinte ich mit einem Lächeln.

„Deine Mum, hat das noch etwas erwähnt“, meinte mein Dad vorsichtig.

„Dass ist das, um das ich mich noch kümmern muss“, gab ich von mir.

Was für ein Satz, ich musste grinsen.

„Generell habe ich nichts dagegen, wenn du uns jemand patenten bringst, aber er darf nicht alkoholsüchtig sein“, meinte Dad und fuhr seine Pc herunter.

Das waren klare Worte.

„Ich arbeite daran, ich verspreche es.“

Er wuschelte mir übers Haar und wir verließen gemeinsam sein Büro.

* * *

Die Woche war lang und anstrengend, aber ich freute mich auf den Freitag. Jede Tag besuchte ich Alex, auch ein bisschen zur Kontrolle, dass er sich nicht wieder etwas zum trinken kaufte. Er schien sich daran zu halten.

Mit Benni im Gepäck fuhr ich am Freitag Abend wieder ins Igopop. Herrlich wenn man bekannt war, denn der Türsteher ließ uns gleich an, wir brauchten gar nicht erst lange anzustehen. Wie immer lief ich gleich hinauf zur Empore.

„Wo ist den dein Schnuckel?“, fragte mich Benni.

Ich schaute mich um und konnte ihn nicht entdecken. An der Theke stand nur Andrea, der mit einer Bestellung beschäftigt war. Also ging ich zu ihm und fragte wo Alex ist.

„Der ist weg vom Fenster, der Chef hat ihn gefeuert“, gab mir Andrea zur Antwort.

„Wieso gefeuert?“, fragte ich entsetzt.

„Er ist stockbesoffen zum Dienst erschienen und das jetzt zum dritten Mal“, meinte er.

Andrea nahm seine Getränke auf und verschwand in der Menge. Fassungslos stand ich da.

„Das hört sich nicht gut an“, sagte Benni neben mir.

„Na warte, der krieg etwas von mir zu hören“, sagte ich zornig.

Wie konnte ich nur so naiv sein, einmal Alkohol immer Alkohol. Wütend verließ ich das Igopop und rannte zu dem Haus in dem Alex wohnte. Ich klingelte Sturm und es dauerte eine Weile, bis der Summer ging.

Ich rannte die Treppe hinauf und fand ein offene Wohnungstür vor. Ich stieß sie mit dem Fuß auf und sie knallte innen gegen die Wand. Alex stand vor mir, die Alkoholfahne schlug mir entgegen, seine Augen schienen verheult, rot unterlaufen.

„Kannst du mir vielleicht erklären, was die Scheiße soll?“, schrie ich ihn an, ohne auch irgendwie auf eine Reaktion zu hören.

„Ich pa… pack das nich…“, stammelte er.

„Was? Du willst es eher nicht, und ich dachte dir liegt etwas an mir, wie konnte ich nur so blöd sein. Michael Kramer, das Naivste, was auf diesem Planeten herumrennt“, schrie ich .

Verschreckt stand Alex vor mir, Tränen liefen über seine Wangen.

„Das stim… stimmt nich… ich liebe dich doch!“, sagte er mit gebrochner Stimme.

„Kann sein, aber deinen Alkohol liebst du mehr… Alex mir reicht es, ich will das nicht mehr!“, meinte ich und rannte aus der Wohnung

Ich schickte eine SMS an Benni, dass der Abend für mich gelaufen war und ich nach Hause fuhr. Wütend raste ich durch die Stadt und war schneller zu Hause als gewohnt. Ohne irgendwie was zu sagen, verschwand ich gleich auf mein Zimmer.

Ich ließ mich auf mein bett fallen und begann zu heulen. Warum muss man so viel scheiß Alkohol trinken? Ich verstand das nicht, die Woche hat doch so gut angefangen. Ich musste eingeschlafen sein, denn irgendwann rüttelte mich jemand sanft wach.

Ich schaute auf und meine Mum und Benni standen vor mir.

„Was ist?“, zischte ich.

Benni trat nach vorne und ging vor mir auf die Knie.

„Ich weiß nicht was genau passiert ist, aber Alex scheint dir nachgefahren zu sein. Er hatte eine schlimmen Unfall, und…“, Benni brach ab.

Plötzlich war ich hell wach.

„Ist er …?“, mir blieb das Wort im Hals stecken.

„Nein, er liegt auf der Intensivstation.“

Ich sprang auf und zog meine Schuhe an.

„Ich muss dahin, scheiße, was hab ich da nur angestellt?“

„Langsam Micha, du fährst mir in dem Zustand kein Auto“, sagte meine Mum plötzlich.

„Ich muss aber zu ihm, ich bin schuld an seinem Unfall!“

„Wir fahren dich hin, ich sage deinem Dad Bescheid“, meinte sie nur und verließ das Zimmer.

Ich stütze meine Kopf auf und begann zu heulen.

„Wenn er jetzt stirbt, bin ich schuld…“, meine Stimme versagte wieder.

Benni setzte sich neben mich und nahm mich in den Arm.

„He mein Großer, ganz ruhig, es wird bestimmt wieder alles gut!“

* * *

Wie in Trance saß ich im Auto meiner Eltern. Benni war mitgekommen und hielt mich die ganze Zeit im Arm. Auch im Krankenhaus angekommen, wich er mir nicht von der Seite.

„Du hattest recht mit deiner Warnung vor Alex, das alles hätte ich mir ersparen können“, sagte ich leise und zitterte am ganzen Körper.

„Nein Micha, es war falsch von mir. Alex braucht Hilfe und jetzt bestimmt noch mehr als vorher.“

Mein Dad redete mit einer Schwester und es wurde mir erlaubt, Alex kurz besuchen zu dürfen.

„Fünf Minuten, junger Mann. Herr Semper ist noch nicht überm Damm“, meinte die Schwester zu mir.

Versehen mit grünen Kittel und Überziehern auf meinen Schuhen, trat ich ein. Ich erschrak. Alex hing an verschiedenen Maschinen, überall hingen verschiedene Schläuche und Kabel. Langsam schritt ich auf sein Bett zu.

Er schien bei sich zu sein, den seine Augen waren geöffnet. Tränen rannen seitlich über sein Gesicht.

„Alex?“, hauchte ich leise, zu mehr war ich auch nicht fähig.

Seine Augen wanderten langsam zu mir.

„Warum nur?“, fragte ich und nahm seine Hand in meine.

„Ich… wollt… dich… nicht enttäusch…“

„Psst…, hör auf zu Reden!“

„Hilf… mir…!“

Ich atmete tief durch und strich ihm über seine Stirn und Haare.

„Wie soll ich dir helfen, wenn du nicht willst, Alex“, begann ich leise zu sprechen, „du musst es wollen, nur dann kommst du von dem Teufelszeug weg.

„Ich will… ja…, kann… es…“, weiter kam er nicht und schloss die Augen.

Eine Maschine fing an zu tuten, entsetzt schaute ich auf Alex. Die Tür wurde aufgerissen ein paar Schwester kamen herein.

„Bitte verlassen sie das Zimmer“, wurde ich aufgefordert und unsanft hinausgeschoben.

Ein Arzt kam gerannt und die Tür hinter ihm verschlossen. Fassungslos stand ich da, begann wieder zu zittern. Von drinnen waren laute Stimmen zu hören. Mein Dad kam und führte mich von der Tür weg, auf die ich immer noch starrte. Ich wahr wie gelähmt, mir wurde schlecht.

„Oh Gott Micha, kipp mir jetzt nicht weg“, hörte ich meinen Dad aus der Ferne rufen.

Meine Mum lief zu einer Schwester, die sofort mit einem Glas Wasser kam. Ich schluckte eine Tablette und goss Wasser hinterher. Mein Dad bewegte mich dazu, mich hinzusetzten. Mit Benni auf einer Seite und Dad auf der Anderen, wurde ich langsam ruhiger.

Die Tür wurde aufgemacht und der Arzt kam heraus. Er hatte eine ernste Mine. Mir rannen die Tränen über das Gesicht.

„Sind sie die Eltern des Jungen?“, fragte er meine Eltern.

„Nein, aber mein Sohn ist der Freund“, antwortete meine Mum,“ was ist mit Alex?“

„Er hatte einen Herzstillstand, aber wir konnten ihn zurückholen, aber er bleibt trotzdem, in einem kritischen Zustand, den sein Alkoholspiegel ist sehr hoch.“

Ich nahm das ruhig, nur aus der Ferne, wahr, aber innerlich klappte ich aber zusammen. Daran war nur ich schuld. Wie als hätte Benni meine Gedanken gelesen, nahm er mich noch fester in den Arm.

„Micha, daran bist du nicht schuld! Alleine der Alkohol!“

Ich starrte zu Boden, antwortete aber nicht. Durch Susanne hatte Benni erfahren, wie er Alex Eltern erreichen konnte, denn ein Ehepaar kam schnell, den Gang herunter gelaufen. Ich schaute kurz auf und konnte die Ähnlichkeit von Alex mit seiner Mutter sehen.

Sie sprachen mit einer Schwester, die sie über den Zustand ihres Sohnes informierte. Ich stand auf und lief zu ihnen.

„Es tut mir leid, dass ich Alex im Stich gelassen habe und nicht geholfen habe.“

Fassungslos standen die beide vor mir.

„Bitte?“, kam es der Frau.

Mein Mutter trat neben mich.

„Entschuldigung, Kramer ist mein Name, mein Sohn Michael ist ein Freund ihres Sohnes“, sagte sie.

„Semper“, meinte die Frau und schüttelte meiner Mum die Hand, „könne sie mir sagen, was passiert ist?“

„Da frägst du noch, dieser Versager, wird sich wieder voll laufen lassen haben, wie immer“, sagte er Mann.

Ach daher wehte der Wind, in mir machte irgendetwas klick.

„Werner sei ruhig, Alexander ist kein Versager!“

„Und warum säuft er dann unentwegt?“, fragte der Mann zornig.

Alex Mutter ließ ihn los.

„Du bist ja auch ein gutes Beispiel für ihn oder?“, sagte die Frau etwas schärfer.

Der Mann drehte sich wütend ab und lief langsam den Flur hinunter.

„Sie müssen das Verhalten von Alex Stiefvater entschuldigen, er ist normalerweise nicht so“, sagte Alex Mutter.

„Er trinkt also auch“, sagte ich etwas zornig.

„Micha!“, ermahnte mich meine Mum.

„Schon gut Frau Kramer, ihr Sohn hat schon recht!“, meinte sie und schaute betroffen zu Boden.

Meine Mutter nahm Frau Semper in den Arm und Benni zog mich zurück auf die Bank. Der Arzt kam wieder heraus und ging zu Mum und Frau Semper. Er sagte irgendwas und Frau Semper lächelte gequält.

Mum sprach kurz mit Dad, der darauf zu mir kam.

„Alex ist soweit über dem Berg, er ist wieder stabil. Wir drei fahren jetzt nach Hause und deine Mutter bleibt hier bei Frau Semper.“

„Ich will bei Alex bleiben!“, fuhr ich auf.

„Nein Micha, was Alex jetzt nicht brauchen kann, ist die in diesem Zustand zu sehen. Benni schläfst du heute nacht bei uns?“

„Ja doch, ich möchte Micha, jetzt eh nicht alleine lassen“, antwortete Benni.

Gemeinsam standen wir auf und verabschiedeten uns von Frau Semper und meiner Mum und fuhren nach Hause.

* * *

Drei Wochen später saß ich mit Alex im Park des Krankenhauses.

„Und stell dir vor, wenn du deine Entziehungskur hinter dir hast, habe ich sogar einen Job für dich“, erzählte ich Alex.

Alex sah mich mit glasigen Augen an.

„Warum tust du das alles für mich, Micha?“

Ich schaute ihn langen an, bevor ich etwas sagte.

„Weil ich dich nicht noch einmal im Stich lassen will. Du bist einfach zu viel im Stich gelassen worden, wie ich von deiner Mum erfahren habe. Und ich habe es genauso getan.“

„Ich möchte aber nichts aus Mitleid bekommen!“

„Glaubst du wirklich, ich mache das aus Mitleid?“

Alex sah mich durchdringend an und schüttelte den Kopf.

„Alex, ich habe mich in dich verliebt. Ich glaube an dich, ich will mit dir zusammen sein.“

„Und was wird aus der Gerichtsverhandlung? Ich weiß nicht, wie ich das alles bewältigen soll.“

„Mein Dad hat sich im Vorfeld informiert, wegen Trunkenheit am Steuer und auch den Sachschaden, der entstanden ist. Alles Dinge, die ohne Probleme zu bewältigen sind. Na ja, deinen Führerschein hast du erst mal weg.“

Alex wusste nicht was er sagen sollte. Er schaute mich nur weiterhin an.

„Wir beide schaffen das zusammen, hörst du wir, du bist nicht mehr alleine, du hast also keinen Grund mehr, zur Flasche zu greifen.“

„Micha, glaubst du, ich schaffe das wirklich?“

„Ja, du schaffst es, weil aus dem Du ein Wir geworden ist!“

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