The true Musketeers – Teil 1

Fabian

Fertig angezogen und die Tasche bereits geschultert saß ich da und wartete. Immer das gleiche Schicksal mit den beiden. Jedes Mal mussten sie auf den letzten Drücker kommen. Kaum hatte ich das gedacht, hörte ich es hupen. Na endlich. Ich schnappte mir meinen Schlüssel, verließ meine Wohnung und rannte die Treppe hinunter.
Jonas hupte noch einmal. Das wurde ja immer schöner. Erst zu spät kommen und dann auch noch drängeln. Ich riss die Haustür auf und spurtete eiligst durch den Vorgarten.

„Wo bleibst du denn? Wir sind spät dran!“, rief mir Jonas durch die offene Fensterscheibe seines Golfes zu.

„Würdet ihr mal früher losfahren, wären wir nicht so spät!“, rief ich zurück und zog die Wagentür auf.

„Oh, Madame ist wieder schlechter Laune“, hörte ich Jonas sagen.

„Hallo Fabian“, begrüßte mich Jan vom Beifahrersitz.

„Hallo Jan“, grüßte ich zurück, während Jonas bereits Gas gab.

Ich kannte Jan und Jonas jetzt schon seit drei Jahren, das heißt Jan kannte ich schon ein paar Jahre länger. Damals war ich noch heftig verliebt in ihn gewesen, doch ich wäre nicht sein Typ hatte er gesagt. Wenn ich mich aber heute mit Jonas vergleichen würde, würde ich meiner Meinung nach eindeutig besser abschneiden.
Die zwei waren schon fast drei Jahre lang ein Paar und bis auf kleinere Differenzen zwischen den beiden war eigentlich alles in Ordnung zwischen ihnen. Sogar über Heirat wurde schon gesprochen.

Und ich? Ich gehörte halt irgendwie dazu. Jonas sagte immer wir wären eine Familie. Nur welche Rolle ich in dieser Familie inne hatte wusste ich nicht.

Und nun fuhren wir wie jeden Dienstagabend gemeinsam ins Volleyballtraining.

„Wenn der Stiernacken heute wieder da ist, spiele ich nicht mit. Der haut die Bälle immer so brutal rein“, jammerte Jonas.

Ich wollte gerade zur Antwort ansetzen, als von links ein schwarzer Wagen herangeschossen kam. Ich nahm noch einen dumpfen Knall war, dann wurde alles dunkel.

*-*-*

Oh, was war das denn? Hatte ich gestern etwa zuviel getrunken oder was? Mein Kopf fühlte sich an, als würde jemand versuchen mit tausenden von Nadeln die Schädeldecke zu durchbohren. Irgendwie war alles weg, was gestern passiert war. War es denn überhaupt schon morgen?
Ich versuchte meine Augen zu öffnen, aber irgendwie reagierten sie nicht richtig.

„Er wird wach.“

Hä? War da jemand in meinem Schlafzimmer? Krampfhaft versuchte ich die Augen zu öffnen, doch es blieb weiterhin alles dunkel.

„Herr Scherer, können Sie mich verstehen?“, hörte ich erneut eine Stimme.

„Wer… wer ist da… ich kann nichts sehen…“, brachte ich leise hervor.

Meine Stimme funktionierte wenigstens, wenn auch heiser. Aber so langsam bekam ich ein ungutes Gefühl. Soviel konnte ich doch gar nicht getrunken haben, um an einem fremden Ort aufzuwachen.
Wir waren doch gestern in die Sporthalle gefa… halt…. das schwarze Auto… der Knall…

„Ganz ruhig Herr Scherer, ihre Augen sind verbunden. Sie haben sich bei dem Unfall Verletzungen an den Augen zugezogen, aber die Binde wird bald abgenommen werden.“

„Unfall?“, fragte ich erschrocken.

Ich hörte eine Tür.

„Na, ist unser Patient endlich zu sich gekommen?“, hörte ich eine mir fremde Männerstimme.

Ich musste im Krankenhaus sein, denn solch doofe Sprüche konnten nur dort vorkommen.

„Dann werden wir mal die Augenbinde entfernen“, hörte ich die Stimme wieder sagen. Ich vermutete, dass diese dem Arzt gehörte.

Während nun an meinem Kopf herumhantiert wurde, fielen mir plötzlich Jan und Jonas ein. Was war mit ihnen passiert? Was war überhaupt passiert? Wo waren sie? Alles Fragen, die mir in Sekundenschnelle durch den Kopf schossen. Abgelenkt wurde ich nur durch das grelle Licht, das nun durch die abgenommene Binde ungehindert in meine Augen strahlte.

„So und Vorsicht, jetzt könnte es recht grell werden“, sagte die Stimme wieder.

Ich spürte wie nun auch das letzte Stück Stoff den Hautkontakt verlor und plötzlich war mir, als würde ich in einen Scheinwerfer schauen. Reflexartig presste ich die Augen zusammen.

„Ganz langsam öffnen Herr Scherer“, sprach die Stimme weiter.

Irgendwie traute ich mich nicht, aber da es eben schon hell gewesen war, konnte ich ja schlecht blind sein. Mit viel Unmut versuchte ich langsam die Lider zu heben und konnte erst nur sehr verschwommen die Umgebung um mich erkennen.
Das Verschwommene klarte langsam auf und ich sah mehrere Personen, die an meinem Bett standen.

„Die Schnittwunden haben sich weitgehend geschlossen, aber es wird noch eine Weile weh tun. Die Verfärbungen und Blutergüsse lassen ebenfalls in den nächsten Tagen nach. Schwester, wenn etwas ist, rufen Sie mich bitte.“

Mit diesen Worten verschwand dieser Mann wieder, dessen Namen ich nicht mal wusste. So langsam konnte ich alles wieder genau erkennen, auch dass sich eine Schwester und ein junger Mann im Zimmer befanden.

„Kann mir bitte jemand sagen, was passiert ist… ich kann mich an nichts erinnern“, sagte ich und spürte, wie die Angst wieder in mir aufkam. Tränen bahnten sich ihren Weg und liefend brennend über meine Haut.

„Ruhig Herr Scherer, es kommt gleich jemand und wird Ihnen alles genau erzählen“, sagte die Schwester und räumte die Reste der Binde weg.

„Hallo, ich bin Feist, der Zivi auf dieser Station. Haben Sie Durst… oder Hunger?“

„Ich möchte nur wissen, was passiert ist. Wo sind meine Freunde?“

Das Gesicht des Zivis wurde traurig und er wandte sich ab.

„Herr Scherer, es wird sofort jemand kommen, haben Sie bitte etwas Geduld“, sagte nun die Schwester wieder.

„Geduld? Ich wach hier im Krankenhaus auf, alles tut mir weh und ich weiß nicht was passiert ist, wie würden Sie sich fühlen?!“

„Feist, bleibst du bitte bei Herrn Scherer? Den Rest deiner Arbeit übernehme ich so lange“, sagte die Schwester, ohne mich dabei anzuschauen.

Sie stapelte alles auf einem Tablett und verließ das Zimmer, Feist dagegen stand etwas verloren an meinem Bett. Verzweifelt schaute ich ihn an. Da umrundete er das Bett und setzte sich auf die Bettkante.

„Ich… ich habe zwar nicht viel mitbekommen, aber ein wenig kann ich Ihnen erzählen…“, sagte er leise.

„Danke… die Unwissenheit macht mich noch ganz verrückt… ähm, du kannst ruhig du sagen… so alt bin ich noch nicht… ich heiße Fabian.“

„Okay… danke Fabian. Also soweit ich weiß, ist ein Wagen in eurer Auto voll hineingeprescht und ihr habt euch danach mehrfach überschlagen.“

„Sind… sind meine… Mitfahrer… auch hier?“, stammelte ich ängstlich.

Feist senkte den Kopf.

„Nein… soviel ich weiß wurden sie in ein anderes Krankenhaus gebracht. Wie es ihnen geht, weiß ich aber nicht…“

Es trieb mich fast in den Wahnsinn, dass ich nicht wusste, wie es meinen Freunden ging. Diese Angst und die Anspannung waren beinah schon körperlich spürbar.

„Ich weiß nur dass Sie… äh du, sehr viel Glück hattest. Du warst anscheinend nicht angeschnallt und wurdest aus dem Auto geschleudert. Dabei hast du dir Schnittverletzungen im Gesicht zugezogen. So wie vorhin der Arzt gesagt hat, scheinst dir aber außer massiven Prellungen und Verstauchungen nichts zu fehlen.“

Nicht angeschnallt? Das war so ganz und gar untypisch für mich.

Feist schaute mich an, sagte aber nichts mehr und trotz meiner Unsicherheit und dem Chaos in meinem Kopf, fing ich an ihn genauer zu betrachten.
Doch schon bevor ich mir ein genaueres Urteil über Feist’s Aussehen machen konnte, klopfte es an der Tür und wurde gleich darauf aufgeschoben. Feist stand unmittelbar auf und bezog seinen Stehplatz von vorhin wieder.
Ein Mann und eine Frau betraten nun das Zimmer. Der Mann streckte mir seine Hand entgegen.

„Hallo, ich bin Hauptwachmeister Phillip Sörens und das hier ist meine Kollegin Polizeimeisterin Gabi Bröll.“

Schmerzend hob ich meinen linken Arm und dieser Sörens schüttelte leicht meine Hand.

„Fabian Scherer…“, gab ich zum Besten und ließ den Arm wieder sinken.

„Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, dann würde ich jetzt gehen“, kam es von Feist.

Die Polizisten nickten und Feist lief zur Tür.

„Feist…?“

„Ja?“

„Könntest du mir bitte noch etwas zu trinken bringen?“

„Ja, mach ich doch gerne!“, meinte er mit einem Lächeln und verschwand.

„Herr Scherer, können Sie sich noch an irgendetwas erinnern?“, fragte nun die Bröll und setzte sich auf einen Stuhl neben dem Bett.

„Tut mir leid, aber außer dass ein schwarzer Wagen in unser Auto hinein fuhr, kann ich mich an nichts erinnern.“

Die zwei schauten sich kurz an.

„Kann mir bitte mal jemand sagen, was passiert ist?“, fragte ich nun fast flehend, „niemand möchte mir sagen was geschehen ist.“

„So genau wissen wir das auch noch nicht Herr Scherer“, begann dieser Sörens zu reden, „wir können uns nur auf Zeugenaussagen berufen.“

„Wie Sie selbst schon sagten“, sprach seine Kollegin weiter, „wurde Ihr Wagen von einem schwarzen Auto gerammt und geriet dadurch ins Schleudern. Ihre Freunde… es sind doch Ihre Freunde?“

„Ja, was ist mit ihnen… sind sie…?“

Meine Stimme versagte, die wildesten Bilder fluteten mein Gehirn.

„Ihre Freunde wurden aufgrund ihrer schweren Verletzungen ins Marienhospital geflogen, aber soviel wir wissen sind beide außer Gefahr.“

Ob jemand hören konnte, wie dieser riesige Stein von meinem Herzen purzelte? Erleichtert atmete ich tief durch und erneut rannen Tränen an meinen Wangen herunter.

„Ist Ihnen nicht gut?“, fragte der Polizist.

„Doch… doch, aber keiner hat mir gesagt, wie es Jonas und Jan geht… was mit ihnen passiert ist… Sie sagten aufgrund ihrer schweren Verletzungen, können Sie mir da auch Näheres erzählen?“

„Das wird Ihnen sicherlich einer der Ärzte mitteilen können. Können Sie uns mehr über den schwarzen Wagen erzählen? Ein Kennzeichen oder um welchen Wagen es sich gehandelt hat?“

Fragend schaute ich die beiden an.

„Ich glaube… ein Audi… ich weiß es nicht genau.“

„Das ist kein Problem Herr Scherer“, meinte Sörens und hob die Hand zum Gruß.

„Sollte Ihnen noch etwas einfallen, so lassen Sie es uns wissen. Hier ist unsere Karte“, kam es von Frau Bröll.

Ich schaute zwischen den beiden hin und her und blieb an Herrn Sörens Augen hängen. Sein Blick, ich konnte gar nicht richtig sagen, was ich empfand, war irgendwie unheimlich, aber auch fesselnd.
Sie strahlten eine Ruhe aus, aber gleichzeitig funkelte in ihnen etwas, was mir etwas Unbehagen bereitete.

„Phillip, wir müssen los, kommst du?“

Sörens zuckte zusammen und unser Blickkontakt brach ab.

„Klar! Herr Scherer, ich wünsche Ihnen gute Besserung“, meinte er und verließ mit seiner Kollegin das Zimmer.

„Was war das denn eben?“, hörte ich die Kollegin noch beim Hinauslaufen sagen.

Dann war es wieder still im Zimmer. Nicht lange, denn Feist kam mit einer Kanne und einer Tasse zurück.

„Ich habe dir Tee gebracht“, meinte er und stellte alles auf den Wagen neben mir.

„Danke…“

„Soll ich dir beim Trinken helfen? Du hast sicher noch Schmerzen Fabian.“

„Ich fühl mich wie von einer Walze überfahren…“, gab ich zur Antwort.

„Das kann ich mir gut vorstellen.“

*-*-*

Phillip

„Das war mehr als auffällig Phillip!“, meinte Gabi aufgebracht zu mir.

„Ich weiß gar nicht was du hast“, antwortete ich und schloss den Wagen auf, „zudem hat die Überprüfung ergeben, dass die drei nichts mit der Gruppe zu tun haben.“

„Phillip, du weißt ganz genau was ich meine, lenk nicht ab!“

Ich spürte eine gewisse Röte in meinem Gesicht aufsteigen und als wir beide im Auto saßen, wandte ich meiner Kollegin den Kopf zu.

„War es so offensichtlich?“

„Es fehlte nur noch das Sabbern… mach… wir kommen noch zu spät…!“

Fabian

„Also, die beiden sehen lustig aus. Jan hat den kompletten Arm im Gips und Jonas das Bein, aber sonst geht es ihnen den Umständen entsprechend gut.“

Meine zwei Schwestern waren bei mir eingefallen. Sie waren von der Polizei verständigt worden, dass ihr kleiner Bruder in einen Unfall verwickelt worden war.

„Sabine hat Recht, sieht lustig aus. Aber du siehst irgendwie schlimmer aus… verheilt das denn wieder?“, fragte Petra.

„Was meinst du? Ich habe mich noch gar nicht gesehen…“, sagte ich.

„Petra, hör auf an der Eitelkeit deines Bruders zu Kratzen. Klar verheilt das wieder und das Blau und grün verschwindet auch wieder.“

„Sehe ich so schlimm aus?“

„Schlimmer“, meinte Petra und kicherte.

„So Bruderherz, wir verschwinden wieder. Petra und ich werden uns mit den Besuchen abwechseln. Wenn du etwas brauchst, dann lass es uns wissen. Klamotten werde ich dir bringen und um deine Wohnung kümmere ich mich auch“, meinte Sabine.

„Werde schnell wieder gesund…“, kam es von Petra.

„Habt… habt ihr etwas von …“

Ich brach mitten im Satz ab, denn ich wusste, dass es eigentlich keinen Sinn hatte zu fragen.

„Falls du unsere elterlichen Herrschaften meinst, ja sie wurden verständigt. Rechne aber nicht mit einem Besuch… du weißt wie sie sind… leider“, antwortete Petra.

Sabine rammte den Ellenbogen in Petras Rippen.

„Sei doch nicht immer so grob!“, sagte Sabine.

„Was denn? Du weißt doch selber, dass die beiden nicht gut auf Fabian zu sprechen sind und er weiß es auch, was ist denn bitteschön hier grob! Höchstens du mit deinem spitzen Ellebogen. Das hat weh getan!“, jammerte Petra.

„Dann hatte es ja seine Wirkung“, meinte Sabine und grinste.

Petra streckte nur frech ihre Zunge heraus.

„Bevor ihr euch jetzt in zwei kämpfende Furien verwandelt, lasst mich bitte alleine. Ich bin müde“, sagte ich.

„Keine Sorge Bruderherz. Draußen werden wir uns die Kleider zerreißen und die Haare verknoten… in den Genuss kommst du aber nicht“, kicherte Sabine.

„Okay, wir sehen uns morgen wieder Kleiner!“, meinte Petra und strich mir über den Arm.

„Danke dass ihr gekommen seid und wenn ihr bei Jan und Jonas vorbei schaut, sagt ihnen schöne Grüße und dass ich sie vermisse“, meinte ich.

„Du und die zwei. Die Unzertrennlichen“, sprach Sabine.

„Nein besser noch, die drei Musketiere… fehlen nur noch die Pferde“, sagte Petra und beide fingen an zu lachen.

„Einer für alle, alle für einen“, äffte Petra noch nach und hob die Faust in die Luft.

„Bring deinen Bruder nicht auf dumme Gedanken… kennst ja den Spruch, mit dir würde ich Pferde stehlen.“

Ihr Lachen steigerte sich, was meinen Ohren nicht gerade sehr angenehm war.

„Zischt los, sonst bekomme ich nie Ruhe!“

„Okay Bruderherz, bis morgen“, meinte Petra und gab mir einen Kuss auf die Stirn.

Sabine tat es ihr nach und beide verließen das Zimmer. Ich atmete tief durch und schloss meine Augen.

*-*-*

„Abendessen!“, hörte ich Feist rufen, als er mein Zimmer betrat.

„Danke Feist, aber ich habe keinen Hunger.“

„Du musst aber essen, damit du groß und stark wirst“, sagte er mit verstellter kindlicher Stimme.

Wir schauten uns kurz an und fingen laut an zu lachen, was wiederum sofort das Thema Schmerz auf den Plan rief und ich das Gesicht verzog.

„Arge Schmerzen?“, fragte Feist besorgt.

„Nein… es geht… sollte nur nicht soviel lachen…“

„Muss ich dich füttern, oder schaffst du es alleine?“

„Fütterst du mich bitte Papa?“, antwortete nun ich mit verstellter kindlicher Stimme.

Wieder fingen wir an zu lachen und wieder wurde ich durch meine Schmerzen ausgebremst.

„Ich muss noch das restliche Essen verteilen, dann schau ich wieder bei dir vorbei, okay?“

„Das wäre lieb von dir… danke.“

„Okay. Also bis gleich.“

Ich sah ihm nach, wie er das Zimmer verließ. Ein richtig schnuggliches Kerlchen, aber leider zu jung für mich. Ich seufzte. Mr. Right war in meinen Gedanken so unendlich fern, dass ich nicht weiter drüber nachdachte.

*-*-*

Phillip

„Das glaub ich nicht… nicht Fabian“, sagte ich zweifelnd.

„Bitte?“, hackte Gabi nach.

„Ich glaube nicht dass Fa… Herr Scherer in irgendeiner Weise daran beteiligt sein könnte, nicht er.“

„Wie kannst du dir so sicher sein, die Bilder von der Diskothek sind doch eindeutig!“

Wieder schaute ich die Bilder der Überwachungskamera an. Fabian war eindeutig in dem Club zu sehen.

Fabian

Ich war etwas verwundert, als die Tür aufging und Hauptwachmeister Sörens herein spazierte, denn mir war bisher nichts weiter eingefallen.

„Hallo Herr Scherer, ich wollte mich erkundigen, wie es Ihnen geht“, meinte er und zog einen Stuhl ans Bett heran.

Immer noch verwundert schaute ich den Polizisten an.

„Ist es normal, dass sich die Polizei jetzt auch persönlich um Opfer kümmert?“, fragte ich irritiert.

Sörens’ Gesicht nahm eine leicht rote Färbung an. Er lächelte verlegen, aber hielt meinem Blick stand. Mir war, als hätte ich ihn eiskalt erwischt.

„Ich habe da eine Frage an Sie Herr Scherer“, sprach er weiter und ließ meine Frage unbeantwortet im Raum stehen.

„Und die wäre?“

„Verkehren Sie öfter im Atlantis?“

Oh, da hatte sich einer über mich kundig gemacht. Also musste er auch wissen, dass ich schwul war.

„Eigentlich nicht. Meine Freunde haben mich zwei Mal da hingeschleppt, aber richtig gefallen hat es mir da nie. Da hingen mir zu viele düstere Gestalten herum.“

„Was meinen Sie mit düster?“

„Hm… Leute, denen man auf den ersten Blick ansieht, dass es entweder Zuhälter oder Drogenkonsumenten sind. Ich fühlte mich da sehr unwohl.“

„Aber ihre Freunde sind da öfter?“

„Ich glaube ja, weiß es aber nicht genau. Warum fragen Sie?“

„Alles im Zuge der Ermittlungen.“

„Ermittlungen? Was hat denn bitteschön unser Unfall mit dem Atlantis zu tun? Und haben Sie denn nicht den Fahrer des Wagens?“

„Darüber darf ich nicht reden, tut mir Leid. Nur soviel, dass sich der Fahrer auf der Flucht befindet.“

„Hm… okay.“

Eine kurze Zeit des Schweigens trat ein, in der wir uns beide nur anschauten.

„Kann es sein, dass Sie auch noch wegen einem anderen Grund hier sind?“, fragte ich in die Stille hinein.

Wieder nahm ich die leichte Rotfärbung seines Gesichtes wahr.

„Fabian… ich darf Sie doch so nennen…?“

Ich nickte.

„Es ist normalerweise nicht meine Art, so direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Aber darf ich Sie etwas Privates fragen?“

„Warum sollten Sie nicht dürfen, Sie sind bei der Polizei.“

„Oh, Sie verstehen mich falsch. Ich bin jetzt nicht als Polizist hier, sondern eher privat.“

„Privat… das ist ja interessant.“

Das Rot in Sörens Gesicht verstärkte sich.

„Ich habe… oh man fällt mir das schwer… ich glaube ich mache mich grad zum Affen.“

Immer verwunderter schaute ich ihn an. Was ging in diesem Mann nur vor? Seit Sörens so dicht bei mir saß, hatte ich genug Zeit gehabt um ihn zu mustern. Sein Kurzhaarschnitt unterstrich sein markant geschnittenes Gesicht, wogegen die lustigen braunen Augen etwas anderes über ihn aussagten.

„Ich glaube, ich gehe wieder.“

„Nein… bleib…“

Ups… ich hatte ihn geduzt. Diesmal war ich an der Reihe rot zu werden. Er hielt in seiner Bewegung inne und ließ sich wieder auf den Stuhl nieder. Mit gesenktem Blick sprach er leise weiter.

„Fabian… mir ist das wahnsinnig peinlich… ich weiß nicht, was… du über mich denkst.“

„Was soll ich über… dich denken. Ich kenne dich nicht einmal.“

„Ich weiß nicht was mich geritten hat, mit was für Vorstellungen ich hierher gekommen bin.“

Geritten… das weckte ein anderes Zentrum in meinem Gedächtnis und ich hatte Mühe, ein Grinsen zu vermeiden.

„Könntest du bitte etwas klarer werden?“, fragte ich.

Mir war diese plötzlich aufkommende Vertrautheit egal, der Mann sollte endlich zur Sache kommen.

„Hast du einen Freund?“, hörte ich ihn leise fragen.

Bitte? Was sollte denn die Frage jetzt?

„Öhm nein, aber ich verstehe jetzt absolut nichts mehr.“

Sörens hob seinen Kopf und sah mich an. Seine Augen waren leicht feucht und funkelten mich an. Dieser Blick war vielsagend. Er fing sogar an zu schwitzen. Kleine Schweißperlen bildeten sich an seiner Stirn und er begann unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen.

„Hast du einmal etwas davon gehört“, begann er leise weiter zusprechen, „dass man jemandem begegnet und sofort denkt, das ist der Richtige?“

Immer noch irritiert nickte ich ihm zu.

„Als ich dich bei meinem ersten Besuch da so liegen sah… hatte ich so ein Gefühl.“

„Du bist schwul?“, fragte ich jetzt erstaunt.

Sein Kopf senkte sich wieder nickender Weise.

„Aber… aber du kennst mich doch nicht mal. Außer was du eventuell aus Akten und Berichten oder so weißt, ich kenn mich da bei euch nicht so aus.“

„Stimmt“, flüsterte er nun fast.

„Aber?“, fragte ich.

„… ich hatte noch nie so ein eindeutiges Bauchgefühl.“

„Dass ich der Richtige bin?“

Wieder nickte Sörens.

„Entschuldige Fabian, ich war zu dreist zu glauben, ich könnte einfach so zu dir gehen und mich offenbaren. War leider ein Trugschluss… ich glaube ich lass mich besser von dem Fall abziehen.“

„Warum, oder kennst du meine Antwort vielleicht schon im Voraus?“, fragte ich ebenso leise, nachdem ich mich mühsam aufgerichtet hatte.

Sörens oder sollte ich Phillip sagen, schaute mich entmutigt an.

„Es stimmt, ich bin schwul und solo und suche nach meinem Mr. Right. Deine Offenheit ehrt mich… Phillip…“

„… aber du hast keine Interesse an mir“, unterbrach mich Phillip.

„Könntest du mich bitte aussprechen lassen? Das ist etwas, was ich ganz und gar nicht mag. Gewöhn dir das für die Zukunft lieber ab.“

Ich sah ihn an und ließ meine Worte wirken. Anscheinend hatte er noch gar nicht realisiert, was ich da eben gesagt hatte.

„Hast du gehört, was ich eben gesagt habe?“, hackte ich noch einmal nach.

„Ja, ich werde das in Zukunft ni…“

Er brach ab, sein Kopf schnellte hoch und sah mich fassungslos an. Man, sah der süß aus, wenn er so schaute. Ich musste lächeln und starrte weiterhin auf seine Augen.

„Um auf dein ‚Aber’ zurückzukommen, ja es gibt ein Aber. Ich wollte nur anfügen, dass mir das Ganze etwas zu schnell geht und ich gerne eine sehr viel langsamere Gangart anschlagen würde. Also erst mal richtiges Kennen lernen und alles was so dazu gehört.“

Ich fand es lustig Phillips Augen zu beobachten, deren Ausdruck, von „zum Affen gemacht“ in „strahlender als die Sonne“ wechselte.

„Meinst du das jetzt ernst?“, fragte Phillip ungläubig.

„Nein, ich bin ein Waschweib und lüg dich 100% an, boah! Klar du Affe, ich meine das ernst!“

„So richtig wirklich…?“

Oh man, konnte Phillip so begriffsstutzig sein? Wie konnte man so seinen Beruf ausüben? Trotz arger Schmerzen beugte ich mich nach vorne, hob die Hand, legte sie um seinen Nacken und zog ihn zu einem Kuss zu mir.
Als sich unsere Lippen kurz berührten, spürte ich ein leichtes Kribbeln im Bauch.

„Ist das glaubwürdig genug, Herr Oberwachtmeister?“

„Wow!“, brachte Phillip hervor.

Ich konnte nicht anders und begann zu kichern. Ein breites Grinsen zierte jetzt seinen Mund und vereinzelt liefen sogar Tränen die Wangen herunter. Langsam ließ ich mich zurück gleiten, denn der Schmerz nahm nun überhand.

„Ist dir nicht gut? Soll ich die Schwester rufen?“, fragte Philip besorgt, als er mein schmerzverzehrtes Gesicht sah.

„Nein schon gut, es tut alles einfach nur weh. So würde ich aber… nicht die Schwester rufen…“

„Was meinst du?“

„Mit den verheulten Augen meint sicher jeder, ich hätte dich einem grausamen Verhör unterzogen.“

Ein kurzer Blick und wir fingen an zu lachen, was mich wie immer sofort wieder an die Schmerzen im Brustraum erinnerte.

„Hast du vielleicht ein Papiertaschentuch?“, fragte Phillip.

„Nein, zurzeit kann ich nur mit Feuchttüchern dienen.“

*-*-*

Am späten Nachmittag, ich schien eingeschlafen zu sein, klingelte neben meinem Bett das Telefon.

„Scherer“, sagte ich noch halb verschlafen.

„Fabian?“

Sofort war ich hell wach und ohne dran zu denken wie mein Zustand war, fuhr ich erschrocken hoch. Was zum Teufel… wie kam Henrik an meine Nummer. Und vor allem, woher wusste er, dass ich im Krankenhaus lag?

„Fabian… bist du noch dran… bitte nicht auflegen.“

„Du hast Nerven einfach hier anzurufen, Henrik… warum rufst du überhaupt an?“

„Weil ich mir… Sorgen mache.“

„Bitte? Entschuldige, dass ich jetzt nicht laut loslache… aber das würde mir nicht gut bekommen. Du hast dir doch nie Sorgen gemacht. Für dich gab es nur Henrik, Henrik und noch mal Henrik.“

„Verstehe, dass du sauer auf mich bist…“

„Sauer? Sauer ist gar kein Ausdruck…“

Ich brach den Satz ab, weil mich dieses Aufregen schmerzte, nicht nur seelisch, sondern jetzt auch körperlich. Das schnellere Atmen verursachte einen Krampf in meiner Brust.

„… deine Sorgen kommen reichlich spät!“

„War eine blöde Idee anzurufen… entschuldige…“

„Hör auf dich zu entschuldigen… warum rufst du wirklich an…? Brauchst du wieder Geld?“

Ich redete mich in Rage und spürte, wie es mir langsam schlecht wurde.

„Nein, ich brauche kein Geld… ich wollte deine Stimme hören.“

„Sind ja ganz neue…“

Weiter kam ich nicht, weil mir der Hörer aus der Hand genommen wurde.

„Entschuldigung wenn ich das Gespräch jetzt unterbrechen muss, aber der Patient braucht Ruhe. Auf Wiederhören.“

Feist stand neben mir, legte den Hörer auf das Telefon und schaute mich böse an.

„Lieber Fabian, so etwas möchte ich nicht noch mal erleben. Der Arzt sagte ‚völlige Ruhe’. Aber du schreist hier am Telefon herum, dass es das ganze Stockwerk mitbekommt…. Und jetzt hole ich das Abendessen,

Rumps. Die Tür war zu. Das hatte gesessen. Die Schmerzen in der Brust ließen auch nicht nach. Warum musste Henrik gerade jetzt anrufen? Hatte ich es nicht schon schwer genug von ihm los zu kommen?
Wie lange hatte ich mich stundenlang in die Nächte geweint. Einfach abserviert, wegen einem jüngeren Bengel, Beruf Sohnemann. Tja mit viel Geld hatte ich nie dienen können, aber für mich und mein Leben hatte es immer gereicht.
Für Henrik nicht. Er lebte immer auf zu großen Fuß und hatte ständig sein Konto überzogen. Tränen liefen über mein Gesicht. Ich ärgerte mich über mich selbst, weil ich nicht einfach aufgelegt hatte.
Und wieder klingelte das Telefon. Mein Kopf fuhr herum und ich griff unter Schmerzen nach dem Hörer.

„Hast du nicht schon genug angerichtet?! Lass mich gefälligst in Ruhe“, schrie ich ins Telefon und wollte schon auflegen.

„Fabian, was ist denn los, hier ist Jan…“

„Jan? …Jan oh sorry… tut mir Leid.“

„Herzchen, was ist denn los, warum bist du denn so sauer?“

„Henrik hat angerufen.“

„Das Granatenarschloch?“

„Lass gut sein, ich will nicht länger an den Kerl denken. Wie geht es euch beiden? Als ich hier aufgewacht bin, hab ich schon einen riesen Schreck bekommen. Keiner wollte mir sagen, was eigentlich passiert ist.“

„Da ging es uns nicht anders. Keiner wollte uns sagen, was mit dir passiert ist. Und wir hatten nach dem Unfall nur mitbekommen, dass du blutüberströmt abtransportiert wurdest.“

„Ich bin durch die Scheibe geflogen und habe mir ein paar Schnitte im Gesicht zugezogen. Aber sonst hatte ich verdammt viel Glück.“

Ich hörte Jonas etwas im Hintergrund brummeln und Jan fing an zu lachen.

„Haste Jonas verstanden?“

„Ich versteh ihn ja schon real nicht, wie soll ich ihn am Telefon verstehen?“

Wieder lachte Jan. Es tat gut ihn zu hören. Am liebsten hätte ich mich jetzt in seinen Arm gekuschelt, weil mir dann vieles immer leichter erschien.

„Er meinte ‚Madame hat halt immer Glück’.“

Ich musste grinsen.

„Sag dem Motzkoffer, wenn sein Bein wieder in Ordnung ist, kommt die Rache.“

Jan kicherte.

„Jonas meint, jetzt kriegt er aber Angst und macht sich in die Hose.“

„Das macht er ja nur, damit der süße Zivi kommt und ihn mal trocken legt.“

„Da hätte ich ehrlich gesagt etwas dagegen… Finger weg von meinem Jonas. Dem würde ich eins mit dem Gips überziehen.“

„Wie geht’s euch beiden überhaupt, euren Humor scheint ihr ja nicht verloren zu haben. Bis auf paar Schrammen und Blutergüssen habe ich fast nichts abbekommen.“

„Na ja, wie du weißt ist mein Arm bis zur Schulter eingegipst und Jonas’ linkes Bein ziert das gleiche Material. Von seiner Gehirnerschütterung die er angeblich haben soll, merk ich allerdings nichts.“

Ich hörte Jonas im Hintergrund etwas sagen, jedoch ließ sein Tonfall eine gewisse Introvertiertheit spüren. Typisch Jonas. Jan begann zu lachen.

„Was meckert dein Kleiner denn wieder?“, fragte ich.

„Das Übliche… dass ihn nie einer richtig ernst nimmt“, antwortete Jan.

„Sag ihm, das sollte ihm zu denken geben.“

Ich hörte nun Jan etwas lachend sagen und diesmal verstand ich Jonas, der das Ganze mit einem „Ha-Ha-Ha“ kommentierte.

„Weißt du schon, wann du raus kommst?“, fragte nun Jan.

„Nein, hier ist man nicht so gesprächig.“

„War bei dir auch die Polizei?“

„Ähm… ja.“

„Und?“

„Was und?“

„Was haben sie dir gesagt oder dich gefragt?“

Ich musste lächeln, als ich an Phillip dachte.

„Sie haben mich lediglich nach dem schwarzen Wagen gefragt und ob ich öfter im Atlantis verkehre.“

„Dich auch? Waren das ein Mann und ei…“

„Hauptwachmeister Phillip Sörens und Polizeimeisterin Gabi Bröll!“

„Genau die. Die Frau ist später noch einmal da gewesen und hat uns über das Atlantis ausgefragt.“

„Mich hat Phi… äh der Sörens ausgefragt, konnte ihm aber nicht viel sagen. War da ja nur zweimal.“

„Phillip? Lieber Fabian, verschweigst du mir etwas?“

„Ich? Wieso? Wie kommst du denn da drauf?“

„Du wolltest Phillip sagen… da ist doch etwas im Busch.“

„Also ich seh hier nur weiße Wände… keinen Busch!“

„FABIAN!“

„Ja, so heiße ich.“

„Boah, sei froh, dass ich nicht bei dir bin.“

„Wieso? Würdest du mir dann eins mit deinem Gips überziehen?“

Ein kurzes Schweigen folgte.

„Mein Fabian so fröhlich, da geht etwas nicht mit rechten Dingen zu…“, sprach Jan weiter, während Jonas wieder einen Kommentar abließ, „… ach Quatsch, doch nicht der Zivi.“

Anscheinend redete Jonas jetzt vom Zivi.

„Mein Zivi hier heißt Feist. Ein sehr goldiger Kerl.“

„Das gibt es doch nicht. Da schleppt man dich überall mit hin, damit du mal Männer kennen lernst und kaum lässt man dich alleine, steigst du den Männern nach.“

„Ach, das ist ja interessant, das wusste ich gar nicht.“

„Stell dich nicht so an, dachtest du, wir schleppen dich dahin, damit du an die frische Luft kommst?“

„Nein sicher nicht.“

„So und nun erzähl mal … was ist mit Phillip?“

„Phillip? Der Polizeimensch?“

„Fabi, du raubst mir noch den letzten Nerv.“

Ich konnte nicht anders und musste einfach lachen, bis die Tür aufging und Feist mit meinem Abendessen ins Zimmer trat.

„Du bist ja schon wieder am telefonieren!“, stellte er fest und wollte mir schon den Hörer wegnehmen.

„Du Jan, meine Domina hat gerade das Zimmer betreten. Ich muss aufhören, wir können ja morgen wieder telefonieren.“

„Domina? Hey Jonas, wir lassen uns zu Fabian verlegen, den kann man wirklich nicht alleine lassen.“

Ich musste lachen und hielt meine Hand auf die Brust gepresst, denn es tat wieder ordentlich weh. Mir entging auch nicht, dass Feist’s Blick recht böse war.

„Okay Jan, ich wünsch dir was. Feist hat das Essen gebracht.“

„Gut Fabian, dann bis morgen vielleicht… hab dich lieb!“

„Ich dich auch, bye.“

„Bye Fabi und halt die Ohren steif!“

„Tu ich doch immer.“

Ich hörte noch kurz Jans Lachen und schon war das Gespräch beendet. Schmunzelnd legte ich den Hörer auf.

„So, ist der Herr endlich fertig. Eigentlich wollte ich dich ja jetzt füttern, aber nachdem du wieder so fit bist, hat sich das erübrigt.“

„Schade… könntest du nicht doch eine Ausnahme machen?“, bettelte ich und legte meinen süßesten Blick auf.

Es war schon komisch, dass ich mich mit Feist so gut verstand, obwohl ich eigentlich nichts von dem Kerl wusste. Er schaute auf seine Uhr und stellte das Tablett ab.

„Gut, ich kann etwas bei dir sitzen bleiben, aber nicht lange.“

„Danke, in Gesellschaft schmeckt das Essen sicher besser“, meinte ich und hob den Deckel vom Teller herunter.

Die Ernüchterung folgte jedoch sofort als ich sah, was sich darunter verborgen hatte. Zwei Scheiben Wurst, eine Scheibe Käse garniert mit einer Tomatenecke und etwas Grünem, das in seinen besseren Tagen wohl mal Petersilie gewesen war.
Dann sah ich zwei Scheiben Brot und ein Stückchen Butter. In dem Kännchen war sicher Tee und ich konnte mich immer noch nicht entscheiden, ob das in dem Becher daneben einen Vanillepudding oder eine Art Gipsmischung für die Wand darstellen sollte.

„Nun komm, iss etwas, damit du groß und stark wirst“, meinte Feist und grinste mich an.

„Ja Papa…“, sagte ich nur und wir fingen beide an zu lachen.

Nach einer Scheibe trockenem Brot mit einer Scheibe undefinierbarer Wurst bemerkte ich, dass Feist recht unruhig war.

„Ist irgendetwas?“, fragte ich.

„Nein, wie kommst du darauf?“

„Du hippelst hier die ganze Zeit rum als hättest du Ameisen im Hintern.“

Mit großen Augen schaute mich Feist an und sein Gesicht nahm eine leicht rötliche Färbung an.

„Was hat meine Domina denn auf dem Herzchen?“, fragte ich und auf Feist’s Gesicht zeichnete sich wieder ein Lächeln ab.

„Also ich… ich weiß, dass du schwul bist…“, begann er stotternd.

„Huch, woher denn? Steht an meiner Zimmertür ‚Vorsicht warmer Patient’?“

Nun lachte Feist herzhaft und seine Nervosität sank allmählich.

„Also raus mit der Sprache, was hast du auf dem Herzen?“

„Es geht um meinen besten Freund. Wir kennen uns jetzt schon seit dem Kindergarten, gelten als unzertrennlich.“

„Und was ist mit deinem Freund?“

„Er hat mir gestern gestanden, dass er schwul ist und sich in mich verliebt hat.“

„Oh.“

„Ja oh. Und ich glaube, dass ich einen riesigen Fehler gemacht habe…“, erzählte Feist weiter und senkte traurig seinen Kopf.

„Gehe ich Recht in der Annahme, dass du nicht schwul bist?“, fragte ich vorsichtig.

Er nickte.

„Gehe ich weiter Recht in der Annahme, dass du von seiner Offenbarung nicht gerade fasziniert warst?“

Wieder nickte er.

„… dafür schäme ich mich jetzt.“

„Was hast du denn getan? Hast du ihn geschlagen?“

Feist’s Kopf fuhr hoch.

„Nein, so etwas würde ich nie tun! Ich hab gesagt, na ja ich habe ihn angeschrien… weil ich so enttäuscht war.“

„Warum warst du denn enttäuscht?“

„Weil er mir das nicht schon früher gesagt hat… er hat mir doch immer alles erzählt, warum das nicht?“

„Hallo, könnte es vielleicht sein, dass er Angst hatte dich zu verlieren?“

„Wieso das denn? Ich hab nichts gegen Schwule… ich sitz doch auch mit dir hier zusammen.“

„Weiß das dein Freund, hast du dich darüber schon mal geäußert?“

„Ähm… nein.“

„Und du wunderst dich, warum er vielleicht Angst hatte. Mensch Feist. Ja ich bin schwul, aber denkst du das ist immer so leicht. Ich lauf auch nicht überall mit einem Plakat auf der Stirn rum auf dem steht: ich bin schwul.“

Schuldbewusst schaute mich Feist an.

„Da habe ich wohl einen großen Fehler gemacht…“, meinte er verlegen.

„Ja, das kannst laut sagen.“

„Und was mach ich nun?“

„Zu ihm hingehen und dich entschuldigen.“

„Ob er mich noch sehen will…“

„He Feist, er liebt dich… sicher will er dich sehen.“

„Meinst du, er ist arg böse, weil ich ihn nicht liebe… also schon liebe, aber wie einen Bruder halt.“

„Ich glaube damit kommt er schon klar. Er weiß ja, dass du hetero bist. Bist du doch, oder?“

Bei dieser Frage musste ich grinsen, denn Feist tomatisierte erneut.

„Ja klar steh ich auf Mädels!“

*-*-*

Phillip

Ich war müde und gereizt. Gabi hatte mich noch den ganzen Mittag aufgezogen. Genervt warf ich meinen Schlüsselbund auf die Kommode und kickte meine Schuhe in die Ecke. Kann man denn etwas für seine Gefühle?
In der Küche befüllte ich meine Kaffeemaschine mit Wasser. Ein heißer Kaffee soll ja Wunder bewirken. Ich zog die Kaffeedose aus dem Regal und füllte das Kaffeepulver in den Filter. Den Schalter noch auf „on“ und wenige Sekunden später blubberte die Maschine vor sich hin.
Eine Dusche würde mir jetzt sicher auch gut tun. Also lief ich rüber ins Schlafzimmer, oder vielmehr versuchte ich es, denn auf dem Weg dorthin stolperte ich über einen der Schuhe, die ich vorhin achtlos dahin gekickt hatte. Scheiße, tat das weh.
Leicht humpelnd ging ich dann weiter ins Schlafzimmer. Warum war ich nur so neben der Spur? Halt Frage zurück, klar wusste ich warum. Da hatte mich doch der Zufall zu einem absoluten Schnuckel geführt.
Ich seufzte und dachte an Fabian. Diese Augen und dieser Augenaufschlag… zum wegschmelzen. Schnell war ich meiner Klamotten entledigt und wollte ins Bad, blieb jedoch vor dem Spiegel am Schrank hängen.
Phillip, du musst eindeutig abnehmen. Diese angehende Wampe steht dir nicht, dachte ich für mich. Fabian will mich näher kennen lernen, hatte er gesagt. Das war heute auch meine allergrößte Glanzleistung.
Wie konnte ich nur darauf kommen einem Wildfremden meine Gefühle zu offenbaren. Gab es überhaupt eine Liebe auf den ersten Blick? Meine Gedanken kreisten gänzlich um Fabian und irgendwie bewegte ich mich nur noch automatisch. Nach dem Duschen erst wurde ich durch mein Handy aus diesen Gedanken gerissen.

„Sörens.“

„Hallo Phillip hier ist Gabi.“

„Ist was passiert, dass du mich an meinem Feierabend noch anrufst?“

„Ja es ist etwas passiert. Gröner hat die restlichen Videobänder gesichtet. Ich denke, du musst zu deinem Fabian.“

„Wieso?“

„Fabian ist in Gefahr. Wir denken er und seine Freunde sind unwissend zu Kurieren gemacht worden.“

*-*-* Fortsetzung folgt*-*-*

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